Polarforschung

[72] Polarforschung, planmäßig angestellte Beobachtungen in den Polargebieten über die Verteilung von Wasser und Land, über die Gestaltung und den geologischen Bau des letztern, über die Flora und Fauna sowie über die meteorologischen und physikalischen (zumal magnetischen) Verhältnisse, von deren Kenntnis[72] die Lösung wichtiger Fragen über die Physik der Erde und die Vorgänge in der Atmosphäre abhängt. Die Erforschung des Nordpolargebiets ist bei weitem älter als die der Antarktis. Die ersten Reisen verfolgten nur praktische Zwecke: Förderung der Fischerei, des Pelzhandels und die Auffindung eines kürzern Handelswegs nach Indien. Von den Polarforschern in der ersten Hälfte des 19. Jahrh. wurden bereits zahlreiche Beobachtungen über die Ausdehnung des Polarmeers und über die Natur der Polargegenden überhaupt gesammelt, und von Mc Clure wurde 1851 auch die Möglichkeit der nordwestlichen Durchfahrt nachgewiesen; aber eine wirklich systematische und wissenschaftliche Durchforschung des Polargebiets begann erst um 1858 (durch Torrell, A. E. Nordenskiöld, Mohn, Koldewey, Payer und Weyprecht, s. Nordpolarexpeditionen, S. 772). Auf Anregung des 1874 in Bremen gegründeten Vereins für deutsche Nordpolarfahrten, gleichzeitig mit der englischen Nordpolarexpedition nach der Westküste Grönlands (1875 bis 1876) eine deutsche nach der Ostküste Grönlands zu senden, empfahl eine Kommission des deutschen Bundesrats, eine Anzahl fester Beobachtungsstationen in den Polargegenden zu errichten und von dort aus Untersuchungsfahrten zu Lande und zu Wasser zu unternehmen und die systematische P. auch auf die andern Teile des Nordpolarmeers durch Beteiligung andrer Staaten auszudehnen.

Diesen Plan wünschte Neumayer, der schon früher für die Erforschung auch der Südpolargebiete lebhaft eingetreten war, gleichzeitig auf die antarktische Zone ausgedehnt. Die Idee der Ausführung von planmäßigen Beobachtungen gleichzeitig in beiden Polarzonen wurde von Neumayer und Weyprecht dem zweiten internationalen Meteorologenkongreß in Rom 1879 vorgelegt. Dieser verwies die Angelegenheit an eine Spezialkommission, welche die erforderlichen Einzelheiten für die Errichtung fester Beobachtungsstationen in den Polargegenden (Polarstationen) zwischen den verschiedenen Staaten vereinbaren sollte. Diese Internationale Polarkommission setzte in ihren Konferenzen, der ersten internationalen Polarkonferenz 1879 in Hamburg unter dem Vorsitz von Neumayer, dann 1880 in Bern und 1881 in Petersburg, einen gemeinsamen Arbeitsplan fest. Danach sollten die Beobachtungen möglichst früh nach dem 1. Aug. 1882 beginnen und möglichst spät vor dem 1. Sept. 1883 beendigt werden. Als obligatorisch sollten gelten die meteorologischen und erdmagnetischen Beobachtungen. Die magnetischen Variationsinstrumente sollten während der ganzen Zeit von Stunde zu Stunde und außerdem am 1. und 15. jeden Monats (den sogen. Terminstagen) von Mitternacht bis Mitternacht alle fünf Minuten abgelesen werden. Außerdem bezogen sich die obligatorischen Beobachtungen noch auf die Polarlichter und auf astronomische Bestimmungen, während als fakultative Beobachtungen spezielle Fragen der Meteorologie, des Erdmagnetismus, der galvanischen Erdströme, des Polarlichts sowie hydrographische Untersuchungen und Beobachtungen der Luftelektrizität, der astronomischen und terrestrischen Refraktion, der Dämmerung, der Länge des Sekundenpendels etc. empfohlen wurden. Endlich sollte bei sämtlichen Stationen nebenbei auch für die Geographie, die Geologie, Botanik und Zoologie die Gelegenheit tunlichst ausgenutzt werden. Elf Staaten brachten, zum Teil mit Unterstützung von Privatpersonen, die Kosten für 15 internationale Polarstationen auf, die bis auf eine, die von den Holländern nicht erreicht wurde, auch besetzt wurden (s. Nordpolarexpeditionen, S. 772).

Um die Lücke im Beobachtungsnetz zwischen Grönland und Kanada zu schließen, wurden vom Deutschen Reich noch sechs Stationen zweiter Ordnung in den Herrnhuter Missionsanstalten in Labrador (Nain, Hebron, Zoar, Rama, Okak und Hoffenthal) eingerichtet. Ebenso legten auch noch andre Staaten Verbindungsstationen an, so Italien in Patagonien, Rußland im N. und O. des eignen Reiches, namentlich in Sibirien und in Finnisch-Lappland, so daß im ganzen 49 Stationen die meteorologischen und erdmagnetischen Beobachtungen aufnahmen. Zusammenstellungen und Berichte über die Ergebnisse der zahlreichen Beobachtungen sind seitdem von allen Stationen veröffentlicht worden. Sie enthalten die Grundlagen zur weitern Klärung mancher wichtigen Frage der Meteorologie und der Physik der Erde.

Da die systematische Untersuchung der Nordpolarländer naturgemäß nur langsam Fortschritte machen kann, suchten einzelne Männer selbständig in bisher noch nicht bekannte arktische Regionen einzudringen und auch diese zu erforschen. So durchfuhr A. E. Nordenskiöld 1878 und 1879 mit der Vega das noch weit nach O. über die Lenamündung sich ausdehnende Polarmeer und löste damit das alte Problem der nordöstlichen Durchfahrt, freilich in dem Sinne, daß sie für Schiffahrt und Handel wohl vollkommen wertlos ist. Grönland wurde von Nansen auf Schneeschuhen durchquert, und seine Eisverhältnisse untersuchte 1892–93 eine Berliner Expedition unter Drygalski. Von 1893–96 unternahm Nansen seine berühmte Polarreise. Aus der Tatsache, daß Überreste von der Jeanette-Expedition und Treibholz aus der Lena an der grönländischen Ostküste aufgefunden wurden, hatte Nansen geschlossen, daß im Norden von Franz Joseph-Land eine Meeresströmung von der Gegend der Neusibirischen Inseln bis nach der Gegend zwischen Ostgrönland und Spitzbergen vorhanden sei, und darauf seinen Reiseplan gebaut. Diese Annahme hat sich als richtig erwiesen. Die Fram, Nansens Schiff, einmal in jene Strömung gelangt, trieb, obwohl beständig im Eis eingeschlossen, mitsamt dem Eis in jener Richtung weiter (s. Nordpolarexpeditionen, S. 773). Zeitweilig, besonders im Sommer, hatte die Drift wohl auch eine entgegengesetzte Richtung, ganz entsprechend dem Wechsel der Winde im Polarmeer, von dem man aus andern meteorologischen Untersuchungen bereits Kenntnis hatte. Weiter ergab sich, daß zwischen Franz Joseph-Land und dem nördlichsten von Nansen erreichten Punkte (bei 86°14' nördl. Br.) kein Land, sondern ein eisbedecktes Meer vorhanden ist, und daß dieses Polarmeer nicht, wie man früher glaubte, eine Flachsee, sondern eine Tiefsee ist, die sich möglicherweise über den Nordpol hinaus erstreckt und mit dem europäischen Nordmeer zwischen Grönland, Spitzbergen und Norwegen im Zusammenhange steht, aber das ganze Jahr hindurch von dichtgepacktem treibenden Meereis bedeckt ist. Aus den Temperaturmessungen ging hervor, daß durch die bereits 1878 entdeckte Tiefenrinne westlich von Spitzbergen wärmeres und salzreicheres Wasser des Golfstroms in dieses an der Oberfläche so kalte Nordmeer einströmt und so Veranlassung ist, daß sich noch bis in die höchsten Breiten tierisches Leben im Meere findet. Die zahlreichen Beobachtungen über Windrichtung und Windstärke, über oberflächliche Strömungen, Wassertemperatur und Salzgehalt in verschiedenen Tiefen sind von großer Wichtigkeit für die Erkenntnis[73] der Meeresströmungen und somit auch für die meteorologischen Verhältnisse des nördlichen Europa. Die Lufttemperatur sank auf der Fram nicht unter -52°, offenbar infolge der warmen Tiefsee, und war demnach beträchtlich höher als die auf dem Land in Ostsibirien (Jakutsk) beobachtete niedrigste Temperatur (-60 bis 70°). Ferner sind von großer Bedeutung für die Kenntnis des Erdmagnetismus und dessen Beziehungen zum Nordlichte die zahlreichen magnetischen Messungen und die Nordlichtbeobachtungen.

Dem Nordpol am nächsten, bis 86°33' nördl. Br., gelangte auf einer beschwerlichen Schlittenfahrt 1900 Cagni von der Expedition des Herzogs der Abruzzen, die ebenso wie Nansen nördlich vom Franz Joseph-Land kein Land nachweisen konnte. Ohne jeglichen Erfolg blieb Andrées Versuch, den Nordpol mittels Luftballon zu überfliegen. Auch der Plan des russischen Admirals Makarow, mit zwei Eisbrechern von je 10,000 Pferdekraft das Polareis zu durchbrechen, um vom 78.° nördl. Br. aus in etwa zwölf Tagen den Nordpol zu erreichen, ist aufgegeben, weil der in der Ostsee wohlbewährte Eisbrecher Jermak die Eismassen westlich von Spitzbergen 1899 und bei Nowaja Semlja 1900 nicht zu durchbrechen vermochte.

Gute Fortschritte hat in den letzten Jahren nicht nur in geographischer, sondern auch in meteorologischer und biologischer Hinsicht die Erforschung der Meeresteile längs der Küsten von Island, Grönland, Spitzbergen, König Karl-Land, auch von den Neusibirischen Inseln, von Franz Joseph-Land und Nowaja Semlja gemacht. Auch mehrfache Umfahrungen und Durchquerungen der letztgenannten Inseln sind ausgeführt und geologische Untersuchungen angestellt worden. Noch harren aber große Gebiete rings um den Nordpol zwischen Franz Joseph-Land, dem nordöstlichen Grönland, Alaska und den Neusibirischen Inseln der genauen Erforschung; befindet sich hier ein großes, zusammenhängendes Polarmeer, oder liegt hier noch eine größere Landmasse, ein arktischer Kontinent? Zur Untersuchung der Nordostküste von Grönland trat der dänische Polarforscher Erichsen 1906 eine auf zwei Jahre berechnete Expedition an.

Viel schwieriger als die Erforschung der arktischen Gebiete ist die Untersuchung der Südpolargegenden, weil dort bereits vom 55. Breitengrad an die klimatischen Verhältnisse dem dauernden Aufenthalt des Menschen hinderlich sind, demnach von Menschen bewohnte Landmassen fehlen und dadurch das Eindringen in das große, um den Südpol sich ausdehnende, von starken Stürmen heimgesuchte Eismeer besonders gefahrvoll wird. Aus diesem Grunde begann die Erforschung des Südpolargebiets erst zu Ende des 18. Jahrh. Cook drang als erster über den südlichen Polarkreis vor und wies nach, daß sich von den Südspitzen Amerikas, Afrikas und Neuseelands bis über den südlichen Polarkreis hinaus ein ungeheures Meer ausdehne und das seit Ptolemäus vermutete antarktische Festland, die Antarktis, wenn es überhaupt vorhanden sei, nur innerhalb des Polarkreises liegen könne. Cooks Berichte verminderten die Unternehmungslust in dem Südlichen Eismeer, so daß nach seinen Reisen eine lange Pause entstand. Erst 1819 begann die Südpolarforschung von neuem. Bellingshausen entdeckte die unter Eis und Schnee begrabene Peter 1. – Insel und das unnahbare Alexander 1. – Land sowie einen tätigen Vulkan auf der Sawadowski-Insel; der Robbenfänger Weddell fand 1823 südlich von den Süd-Orkneyinseln ein eisfreies schiffbares Meer bis 74°15' südl. Br., und Balleny entdeckte gelegentlich seiner Fangexpedition 1839 die vulkanischen Balleny-Inseln und Teile des nahen Wilkeslandes.

Eine neue mächtige Anregung für die Südpolarforschung brachte die berühmte Arbeit von Gauß über den Erdmagnetismus, indem sie magnetische Vermessungen auf der südlichen Hemisphäre in größerm Umfang ins Leben rief. Sie geschahen durch die Expeditionen von Dumont d'Urville 1838 und 1840, von Wilkes, dem Entdecker von Wilkesland, 1839–1840 und von J. C. Roß 1840–42. Besonders die Expedition von Roß hat sich durch die Entdeckung des gletscherreichen Viktorialandes mit den gewaltigen Vulkanen Erebus und Terror und der mehrere 100 km langen und an 50 m hohen Eiswand bei etwa 78° südl. Br. sowie durch die annähernde Festlegung des magnetischen Südpols und durch meteorologische Beobachtungen sehr hervorgetan. Gelegentlich der Beobachtung des Venusdurchganges wurde das Kerguelenland von der dort stationierten Expedition Deutschlands, Englands und Amerikas topographisch und naturwissenschaftlich genau untersucht; ebenso erfuhr Südgeorgien bei der internationalen P. 1882/83 durch die deutsche Südpolarstation eine nähere Bearbeitung. 1892–94 haben dann schottische und Hamburger Fangschiffe bei der Aufsuchung besserer Jagdgründe, als es die nordpolaren in den letzten Jahren gewesen waren, über das Grahamland und die zwischen ihm und den Südshetlandinseln liegenden Inselgruppen mit dem Christensen- und Lindenbergvulkan wichtige Beobachtungen gemacht. Borchgrevink betrat 1894/95 das Viktorialand und sammelte dort Pflanzen und jungvulkanische Gesteine; 1899 überwinterte er auf einer zweiten Reise am Gestade des Viktorialandes, drang mit Hundeschlitten bis zu 78°50' südl. Br. vor und bestimmte aus seinen magnetischen Beobachtungen die genaue Lage des magnetischen Südpols. Der Belgier de Gerlache überwinterte mit der Belgica 1897, 98 am Kaiser Alexander-Land, machte zahlreiche meteorologische Beobachtungen und nahm Tiefseelotungen vor. Durch diese und durch die Lotungen der deutschen Tiefsee-Expedition unter Chun, die 1899 bis in die Nähe von Enderbyland gelangte und die Bouvetinseln besuchte, wurde der Beweis erbracht, daß das Südpolarmeer eine Tiefsee mit Tiefen meist über 5000 m (nie unter 4000 m) und mit einer recht reichen Tiefseefauna sei.

Den bedeutendsten Fortschritt in der Südpolarforschung bezeichnen aber mehrere nach einem gemeinsamen Plan operierende wissenschaftliche Expeditionen, für deren Entsendung Neumayer wiederholt eingetreten war, die aber trotzdem erst 1901 zustande kamen. Die deutsche Expedition unter Drygalski drang mit der Gauß in dem Meridian der Kerguelen vor, um das Gebiet zwischen Wilkesland und Kempland zu erforschen, die englische unter Scott untersuchte mit der Discovery die pazifische Ostküste der Antarktis, und die schwedische unter O. Nordenskiöld steuerte mit der Antarktic vom Kap Horn in südlicher Richtung nach dem Grahamland. Es folgte dann 1902 die schottische Expedition unter Bruce mit der Scotia zur Untersuchung der Ostseite des Weddellmeers und zuletzt noch eine französische unter Charrot mit dem Français nach dem Archipel südlich von den Süd-Orkneyinseln. Die erste Aufgabe, die sich die Expeditionen gestellt hatten, fortlaufende und streng systematische Beobachtungen der physikalischen Verhältnisse, besonders des Klimas und des Erdmagnetismus, zu machen, ist von allen Expeditionen in exakter[74] und sorgfältiger Weise gelöst worden. Zur Ergänzung dieser Arbeiten wurden gleichzeitig (vom 1. Okt. 1901 bis 31. März 1903) auf allen erdmagnetischen Observatorien und an sämtlichen südlich vom 30.° südl. Br. gelegenen meteorologischen Stationen korrespondierende Beobachtungen in möglichst weitem Umfang und nach einheitlichem Plan ausgeführt; Argentinien hatte speziell zu diesem Zweck auf Staten Island eine Station angelegt. Auch die zweite Aufgabe, die den Expeditionen zufiel, die topographischen, geologischen und biologischen Kenntnisse der Südpolargebiete zu erweitern, wurde nach Kräften gefördert, wenn auch die Ergebnisse nicht so umfangreich geworden sind, wie man gehofft hatte. Die deutsche Expedition hat das Kaiser Wilhelm-Land an der Küste von Wilkesland und die Meeresverhältnisse dort untersucht, die englische Expedition hat unter Benutzung von Hundeschlitten das Innere des über 2000 m hoch ansteigenden Viktorialandes auf fünf Breitengrade von dem Mont Erebus und Terror entfernt (bis 82°17' südl. Br.) erforscht und seine Verbindung mit dem weiter östlich gelegenen niedrigern König Eduard-Land festgestellt. Die schwedische und die französische Expedition haben die kartographische Darstellung des Grahamlandes und der dasselbe umgebenden Inselgruppen berichtigt und erweitert, auch die Meeresströmungen, mit denen natürlich die Eisverhältnisse des Polarmeers in Verbindung stehen, untersucht und erdmagnetische Beobachtungen angestellt, während die schottische Expedition in der Gegend der Süd-Orkneyinseln und im Weddellmeer zahlreiche Lotungen vornahm und Tiefen von mehr als 4000 m konstatierte sowie weiter südlich in ungefähr 74° Br. und 20° westl. L. eine Eiswand, ähnlich der östlich vom Viktorialand, wahrscheinlich dem Ufer des antarktischen Festlandes entsprechend, auffand und auf eine Länge von 280 km verfolgte.

Die Grenzen des antarktischen Festlandes sind durch die bisherigen Expeditionen an vielen Stellen festgelegt. Wie aber dieses Festland im Innern beschaffen ist, ob es überhaupt eine zusammenhängende Landmasse ist oder aus verschiedenen größern Inseln besteht, darüber ist noch nichts bekannt. Man weiß nur, daß die Fauna (s. Antarktische Region, Band 1, S. 564) sehr ärmlich ist, und daß die ebenfalls nur spärliche Flora des Viktorialandes mit der der isolierten Inselgruppen der höhern südlichen Breiten viele gemeinsame Züge besitzt, so daß die Frage naheliegt, ob man es wirklich mit einer ältern, ursprünglichen oder mit einer neuern eingewanderten Flora zu tun hat. Auch von der Geologie der Antarktis wissen wir im Gegensatz zu den Nordpolargebieten nur sehr wenig. Tätige und erloschene Vulkane, die Phonolith, Basalt und Bimsstein lieferten, sind an vielen Stellen nachgewiesen; kristallinische Schiefer (vornehmlich Phyllitgneis, Quarzphyllit, Kalkphyllit, körniger Kalk, Tonschiefer und Quarzitschiefer), auch Diabasschalstein und Granit sind von Südgeorgien bekannt, Granit, Diorit, Gabbro, Gneis, Amphibol, Chloritschiefer und Quarzit aus dem Südviktorialand und als erratische Geschiebe vom Kaiser Wilhelm-Land, auch als Bestandteile des Tiefseeschlammes in der Gegend der Südorkneys, südlich vom 60.° südl. Br. (neben kristallinischem Kalk und Bimsstein) aufgefunden worden; Grauwacken und Schiefer mit Graptolithen, die als untersilurisch betrachtet werden, kennt man von den Südorkneys, Sandsteine vom Viktorialand, jurassische Schiefer mit wohlerhaltenen Pflanzenresten (Zykadeen, Koniferen und Farnen) von Grahamland, tertiäre, der patagonischen Molasse vergleichbare Sedimente von der Seymourinsel und Ablagerungen der Eiszeit von Südgeorgien, den Falklandinseln und vom Feuerland. Dabei hat es sich gezeigt, daß die Eiswand, die Roß entdeckt hatte, jetzt um 50 km weiter südwärts liegt, und daß die Gletscher des Viktorialandes in starkem Rückzug begriffen sind. Man darf aus den angestellten Beobachtungen schließen, daß in den höhern südlichen Breiten in den letzten geologischen Perioden ein ebensolcher Klimawechsel stattgefunden hat wie in den arktischen Gebieten. Wahrscheinlich stand in der Jurazeit ein antarktischer Kontinent mit Südamerika, Neuseeland und Südafrika in Verbindung; derselbe versank dann, wenigstens in seinen peripherischen Teilen, in der Kreidezeit, die Verbindung zwischen Südamerika, Neuseeland und Südafrika hörte auf, und es bildete sich ein pazifischer Kontinent, der Neuguinea und Neuseeland mit Chile verband. Dieser Kontinent versank am Schluß der Eocänperiode. Vielleicht bestand aber in der ältern Tertiärzeit noch eine Verbindung zwischen Patagonien und dem ähnlich gebauten Grahamland; jedenfalls gab es aber in der Pliocänperiode im südpolaren Ozean, außer dem innerhalb des Südpolarkreises gelegenen antarktischen Kontinent, noch eine größere Zahl von Inseln, die seitdem bis auf wenige verschwunden sind.

Vgl. Chavanne, Karpf und Le Monnier, Die Literatur über die Polarregionen der Erde (Wien 1878); E. v. Drygalski, Die Aufgaben der Forschung am Nordpol und Südpol (in Hettners »Geographischer Zeitschrift«, Leipz. 1898); ferner: »Die internationale P. Die deutschen Expeditionen und ihre Ergebnisse« (Berl. 1891, 2 Bde.); »Die österreichische Polarstation Jan Mayen« (hrsg. von der k. k. Akademie der Wissenschaften, Wien 1886, 3 Bde.); »Beobachtungen der russischen Polarstation an der Lenamündung (bearbeitet von Eigner, Petersb. 1886) und auf Nowaja Semlja« (bearbeitet von Andrejew, das. 1887); »Mission scientifique du Cap Horn« (Par. 1885–86, 3 Bde.); »Report of the International Polar Expedition to Point Barrow« (Washington 1885); »Observations of the International Polar Expeditions 1882–1883. Fort Rae« (Lond. 1886); »Observations faites an Cap Thordsen par l'expédition suédoise« (Stockh. 1886 ff.); »Expédition polaire finlandaise« (Helsingfors 1886 ff.); »Expédition danoise, observations faites à Godthaab« (Kopenh. 1886 ff.); »Beobachtungsergebnisse der norwegischen Polarstation Bossekop in Alten« (Christiania 1887–88, 2 Bde.); A. E. Nordenskiöld, Die Umsegelung Asiens und Europas auf der Vega (Leipz. 1881–82, 2 Bde.); Nansen, Auf Schneeschuhen durch Grönland (Hamb. 1890); Balch, Antarctica (Philadelphia 1904); E. v. Drygalski, Zum Kontinent des eisigen Südens (Berl. 1904) und Deutsche Südpolarexpedition 1901–1903 (das. 1905 ff., 10 Bde.); O. Nordenskiöld, Antarctic. Zwei Jahre in Schnee und Eis am Südpol (das. 1904); R. F. Scott, The voyage of the Discovery (Lond. 1905, 2 Bde.); F. v. Richthofen, Ergebnisse und Ziele der Südpolarforschung (Berl. 1905); Hassert, Die Polarforschung (Leipz. 1901); v. Haardt, Nordpolarkarte, 1:5,000,000 (Wien 1899, 4 Blatt) und Südpolarkarte, 1:10,000,000 (das. 1896, 4 Blatt).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 16. Leipzig 1908, S. 72-75.
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