[769] Nordpolarexpeditionen, Fahrten zur Erreichung des Nordpols und der um ihn gelagerten Länder und Meere. Die früheste Nordfahrt unternahm um 325 v. Chr. Pytheas von Marseille, der die Insel Thule, wahrscheinlich die Shetlands oder Norwegen, erreichte. Irische Mönche gelangten um 725 auf die Färöer und von dort um 795 nach Island, das seit 874 von den Normannen besiedelt wurde. Um 870 erblickte der Isländer Gunnbjörn die Ostküste Grönlands, an der Westküste landete 983 der aus Island verbannte Erich der Rote und führte 986 zahlreiche Ansiedler dorthin. Sein Sohn Leifr entdeckte um 1000 Helluland (Labrador), Markland (Neufundland oder Neuschottland) und Vinland (wahrscheinlich Massachusetts). Doch ging die Kunde von diesen Entdeckungen verloren, als im 14. und 15. Jahrh. die sich selbst überlassenen Normannenansiedelungen in Grönland durch Seuchen und Kriege mit den Eskimo vernichtet wurden. Um 1380 sollen die venezianischen Brüder Nicolo und Antonio Zeno von den Färöer aus Island, Grönland und das amerikanische Festland besucht haben, doch haben neuere Forschungen den 150 Jahre später veröffentlichten Bericht als Fälschung erwiesen. Der Genuese John Cabot gelangte 1497 nach Labrador, und 15001503 machten die Portugiesen Gaspar und Miguel Cortereal drei Fahrten nach Nordamerika, auf denen sie nach Labrador und Neufundland gelangten. Den ersten Versuch zur Entdeckung einer nordwestlichen Durchfahrt, d.h. eines nordwestlichen Seeweges nach China, wagte 1517 Sebastian Cabot, der dabei die Hudsonstraße entdeckte. Auf seine Anregung wurden 1553 zur Entdeckung einer nordöstlichen Durchfahrt von einigen englischen Kaufleuten drei Schiffe unter den Kapitänen Willoughby, Durforth und Chancellor ausgesandt, von denen die beiden erstern mit der gesamten Mannsch. st den Beschwerden einer Überwinterung auf der Halbinsel Kola erlagen. während Chancellor die Mündung der Dwina erreichte und in Moskau günstige Handelsbedingungen erlangte. Jene Kaufleute bildeten nun die Muscovy Company und entsandten 1556 Burrough zum Ob, der indes die Karische Pforte durch Eis verschlossen fand. Erst Pet und Jackman segelten durch sie 1580 ins Karische Meer, dessen Eismasse ihr weiteres Vordringen verhinderte. Nun wandten sich die Engländer wieder der nordwestlichen Durchfahrt zu.Frobisher fuhr 1576 und in den beiden folgenden Jahren[769] in die nach ihm benannte Bai und nach dem vermeintlichen Goldlande Meta incognita. Davis sichtete 1585 die Ostküste Grönlands, von ihm »Desolationland« genannt, und fuhr dann in die Davisstraße, durch die er auf einer dritten Fahrt 1587 bis 73° nördl. Br. vordrang. Zur Aufsuchung einer nordöstlichen Durchfahrt entsandten 1594 die Holländer Nay, Tetgales und Barents, von denen Barents die Westküste von Nowaja Semlja bis 77°50-nördl. Br. verfolgte, während Nay und Tetgales durch die Ingorstraße in das Karische Meer eindrangen. Denselben Weg nahm 1595 eine holländische Flotte von sieben Schiffen. Eine dritte holländische Expedition unter Heemskerk, Rijp und Barents entdeckte 1596 die Bäreninsel und Spitzbergen. Barents segelte hierauf um die Nordspitze von Nowaja Semlja, fror aber im Eishafen ein und starb nach der Überwinterung auf der Rückkehr. Im Auftrag der Muscovy Company suchte Hudson 1607 zwischen Spitzbergen und Grönland über den Pol hinweg nach China zu segeln. Ebenso vergeblich versuchte er 1608 eine Durchfahrt zwischen Spitzbergen und Nowaja Semlja. In holländischen Diensten entdeckte er 1609 den Hudsonfluß und 1610 die Hudsonbai, wurde aber nach der Überwinterung in der Jamesbucht von den meuterischen Matrosen ausgesetzt. Sein Schicksal aufzuklären, gingen 1612 Button und Ingram nach der Hudsonbai und umsegelten sie fast völlig. Eine Ausfahrt von der Hudsonbai in den Stillen Ozean wurde 1615 vergeblich von Bylot und Bassin gesucht, die 1616 durch die Davisstraße und die Baffinbai bis zum Smithsund segelten und den Jonessund und Lancastersund erblickten. Da aber Bassin das Vorhandensein einer Durchfahrt bestritt, auch zwei andre Hudsonbaifahrten, von Munk 1619 und von Fox und James 1631, vergeblich waren, unterblieben weitere Versuche fast zwei Jahrhunderte lang, obwohl das englische Parlament 1743 einen Preis von 20,000 Pfd. Sterl. für die Auffindung der Nordwestpassage aussetzte. Dagegen nahm der Walfischfang in den arktischen Gewässern einen großen Aufschwung, Hans Egede gründete 1721 die heutigen dänischen Kolonien in Grönland, Beamte der 1670 gegründeten Hudsonbai-Kompanie erschlossen auf Landreisen große Strecken des amerikanischen Kontinents, und russische Kosaken durchstreiften das gesamte nördliche Sibirien, um den Jassak, den Tribut in Zobelfellen, von den Eingebornen einzufordern. Schon 1648 umschiffte Deschnew, nach dem jetzt das Ostkap benannt worden ist, auf der Fahrt von der Kolyma zum Anadyr die Nordostspitze Asiens und bewies dadurch die Trennung der Alten von der Neuen Welt. Besonders wurde aber die Kenntnis dieser Gebiete gefördert durch die von Peter d. Gr. geplante, aber erst nach seinem Tod ausgeführte große arktische Expedition, 17251742. Während derselben durchfuhr der Däne Vitus Vering 1728 die nach ihm benannte Straße, Gwosdew besuchte 1730 ihre amerikanische Seite, Prontschischtschew, Laptew und Tscheljuskin nahmen 173542 die Nordküste Sibiriens auf, und letzterer umwanderte 1742 das nach ihm benannte nördlichste Kap; endlich erreichten Bering und Tschirikow 1741 von Kamtschatka aus das gegenüberliegende amerikanische Festland. Diese Reise veranlaßte die Fahrten der russischen Pelzjäger, »Promyschlenniks«, nach den Alëuten und der Nordwestküste Amerikas und die Gründung der Russisch-Amerikanischen Kompanie. Im Nördlichen Eismeer wurde 176061 Nowaja Semlja von Loschkin umschifft, die Matotschkinschar von Rosmuislow 1768 durchfahren und durch Ljachow 1770 und 1773 die Gruppe der Neusibirischen Inseln besucht. Zur Aufsuchung einer nordöstlichen Durchfahrt drang 1778 der Weltumsegler Cook durch die Beringstraße bis 70°44´ nördl. Br. vor und folgte dann der asiatischen Küste bis Kap Irkaipij. Sein Nachfolger Clerke wiederholte 1779 den Versuch ohne bessern Erfolg; auf demselben Wege gelangte 1817 Kotzebue bis in den nach ihm benannten Sund. Durch Schlittenfahrten erforschten Wrangel und Anjou 182123 die Eismeerküsten des nordöstlichen Sibirien; Luetke untersuchte auf viermaliger Fahrt 182124 die Westküste von Nowaja Semlja, um dessen weitere Erforschung sich 183239 Pachtusow, Ziwolka, v. Baer und Moisejew bemühten. Keilhau besuchte 1827 die Bäreninsel und Spitzbergen, das auch durch Sven Loven 1837 und die französische Korvette La Recherche 183840 erforscht wurde; endlich bereiste v. Middendorff 1843 die Taimyr-Halbinsel.
Inzwischen war in England durch John Barrow das Interesse für die Polarforschung und für die Aufsuchung einer nordwestlichen Durchfahrt wieder belebt worden. Anlaß dazu gaben besonders die Fahrten der beiden Walfischfänger Scoresby, Vater und Sohn, von denen der erstere 1806 im O. von Grönland eine Breite von 81°30´ erreichte, der letztere 1822 die Ostküste Grönlands zwischen 69 und 74° nördl. Br. erforschte. Der Preis von 20,000 Pfd. Sterl. für die Auffindung einer nordwestlichen Durchfahrt wurde erneuert, 5000 Pfd. Sterl. wurden für die Erreichung des 110. Längengrades westl. v. Gr. ausgesetzt und zwei Schiffe unter John Roß und Parry 1818 nach der Baffinbai gesandt. Roß drang von dort in den Lancastersund ein, kehrte jedoch um, da er ihn geschlossen wähnte. Im nächsten Jahre durchsegelte ihn Parry anstandslos, entdeckte Prince Regents Inlet, die Barrowstraße, den Wellingtonkanal und überwinterte an der Melvilleinsel. Nach England 1820 zurückgekehrt, erhielt Parry die für die Erreichung des 110. Längengrades ausgesetzte Belohnung und mit Lyon den Auftrag, von der Hudsonstraße aus der Nordküste des amerikanischen Festlandes zu folgen. Nach einer Überwinterung an der Melvillehalbinsel fand Parry 1822 die Fury- und Heclastraße, vermochte aber des Eises wegen nicht durchzudringen. 1824 erforschte Parry den Prince Regents Inlet, mußte aber nach einer Überwinterung sein Schiff Fury als Wrack zurücklassen.
Gleichzeitig wurde die Erforschung der amerikanischen Eismeerküste vom Binnenland aus in Angriff genommen. Nachdem schon Hearne 177071 die Mündung des Kupferminenflusses, Mackenzie 1780 die Mündung des Mackenziestromes erreicht hatte, untersuchte Franklin mit Richardson, Back und Hood auf seiner ersten Landexpedition. 181922, die Küste von der Mündung des Kupferminenflusses ostwärts bis Cap Turnagain. Auf der zweiten Landexpedition 182527 gingen von der Mackenziemündung Franklin und Back nach W. bis Return Reef, Richardson nach O. bis zum Kupferminenfluß, doch wurde der Anschluß an die gleichzeitigen Expeditionen von Parry nach dem Prince Regents Inlet und von Beechey, der durch die Beringstraße bis Point Barrow vordrang, nicht erreicht.
Obwohl 1826 die englische Regierung den für die Entdeckung der nordwestlichen Durchfahrt ausgesetzten Preis zurückzog, unternahm Parry 1827 eine neue Nordfahrt auf dem Wege über Spitzbergen, bei der[770] er zu Schlitten bis 82°45´ nördl. Br. vordrang. Ergebnisreicher war die durch Sir Felix Booth ausgerüstete Expedition von John Roß mit der Victory, dem ersten Dampfer im Dienste der Polarforschung, nach dem Lancastersund und Prince Regents Inlet, 182933, bei der durch James Roß die Küsten von Boothia Felix und von King William-Land aufgenommen und der damalige magnetische Nordpol unter 70°5´ nördl. Br. und 96°46´ westl. L. entdeckt wurde. Nach viermaliger Überwinterung und nach Aufgabe des Schiffes gelangte die Mannschaft in Booten nach dem Lancastersund, wo eine Hilfsexpedition sie aufnahm. Eine zweite Hilfsexpedition unter Back erreichte zu Lande 1834 die Mündung des Großen Fischflusses oder Back River. Die noch unbekannten Strecken der amerikanischen Eismeerküste zwischen Point Barrow und Return Reef und zwischen Kap Turnagain und dem Großen Fischfluß wurden im Auftrag der Hudsonbaikompanie 18371839 durch Dease und Simpson erforscht.
Eine neue Ära der Polarfahrten begann mit der unglücklichen Expedition Franklins. Auf Betreiben von Barrow entsandte die englische Regierung 1845 Franklin und Crozier mit den Schiffen Erebus und Terror nach der Barrowstraße; im Juli desselben Jahres wurden sie zum letztenmal in der Melvillebai gesehen. Als Ende 1847 noch keine Kunde von ihnen einging, rüstete die Regierung drei Hilfsexpeditionen aus. Moore und Kellett gingen 1848 nach der Beringstraße, James Roß und Bird nach der Barrowstraße, Richardson und Rae über Land an die Küsten des Eismeers; aber keine Spur von Franklin wurde gefunden. Nun wurden großartige Anstrengungen gemacht. Die englische Regierung setzte eine Belohnung von 20,000 Pfd. Sterl. für die Rettung Franklins und seiner Gefährten aus, weitere 3000 Pfd. Sterl. fügte Lady Franklin hinzu. Nicht weniger als 14 Fahrzeuge zogen 1850 aus. Collinson und MacClure segelten nach der Beringstraße. Penny und Stewart nach dem Wellingtonkanal, Austin, Ommaney und Osborn nach der Barrowstraße. Der Amerikaner Grinnell schickte zwei Schiffe unter De Haven und Griffin nach dem Wellingtonkanal, und ebendahin gingen im Auftrage der Hudsonbaigesellschaft John Roß und Phillips. Endlich sandte Lady Franklin Forsyth und 1851 Kennedy nach dem Prince Regents Inlet. Um den Verschollenen Kunde zu geben, wurden Kupferzylinder und Flaschen mit Depeschen ausgeworfen, Felswände beschrieben, Signalstangen ausgerichtet, kleine Luftballons zur Verbreitung von Nachrichten benutzt, gefangenen Füchsen metallene Halsbänder mit Inschriften umgelegt und die Tiere dann freigelassen: alles vergeblich, nur das Winterquartier Franklins aus den Jahren 184546 wurde durch Ommaney und Pelly auf der kleinen Beecheyinsel am Eingang des Wellingtonkanals entdeckt. Nun suchte man Franklin in höhern Breiten. Unter Belcher gingen 1852 fünf Schiffe von England ab, Belcher und Osborn nach dem Wellingtonkanal, Kellett und Mac Clintock nach der Melvilleinsel und Pullen zur Beecheyinsel. Gleichzeitig sandte Lady Franklin Inglefield nach dem Smithsund. Die Suche nach Franklin war wiederum vergeblich, dagegen fand Kellett an der Melvilleinsel eine Nachricht von Mac Clure über die Auffindung der nordwestlichen Durchfahrt. Mac Clure war von der Beringstraße bis Banksland vorgedrungen, hatte 185051 in der Prince of Wales-Straße überwintert und war dann, da sie durch Eis verschlossen blieb, um Banksland herum in die Banksstraße eingelaufen, wo er in der Bay of Mercy einfror. Durch eine Botschaft Kelletts benachrichtigt, ging Mac Clure im April 1853 mit seiner Mannschaft über das Eis zum Winterquartier Kelletts an der Dealyinsel, kam jedoch erst 1854 nach England zurück, wo er für die Entdeckung der nordwestlichen Durchfahrt 10,000 Pfd. Sterl. erhielt. Zugleich mit Mac Clure kehrten Belcher und Kellett, die gleichfalls ihre Schiffe im Eise zurücklassen mußten, mit ihren Mannschaften auf zwei Hilfsschiffen zurück. Auch Collinson, der Gefährte Mac Clures, der wie dieser Banksland erreicht hatte, dann im S. von Wollaston- und Viktorialand bis zur Cambridgebai und zu Schlitten bis zur Viktoriastraße vorgedrungen war, langte nach drei Überwinterungen im Eismeer 1854 in der Heimat an. Nunmehr erklärte die Regierung 31. März 1854 Franklin und seine Begleiter für tot, doch gingen noch verschiedene Aufklärungsexpeditionen aus Ten Smithsund und das Kanebassin untersuchte die zweite Grinnellexpedition unter Kane, 185355. Die erste Kunde aber von dem Schicksal der Franklinschen Expedition ermittelte durch Eskimo 1853 Rae, der im Dienste der Hudsonbaigesellschaft die Westküste von Boothia Felix aufnahm. Anderson und Stewart, die darauf zur Mündung des Großen Fischflusses gesandt wurden, bestätigten, daß ein Teil von Franklins Leuten daselbst dem Hunger und der Kälte erlegen sei. Nun entsandte Lady Franklin 1857 Mac Clintock mit dem kleinen Dampfer Fox in den Prince Regents Inlet, der endlich nach zwei Überwinterungen im Frühjahr 1859 auf einer Schlittenreise nach King William-Land durch Auffindung zahlreicher Reste und eines kurzen schriftlichen Berichts das Schicksal Franklins entschleierte. Danach war Franklin nach der Überwinterung an der Beecheyinsel südwärts nach King William-Land gesegelt, wo er im September 1846 vom Eise besetzt wurde und 11. Juni 1847 starb. Die Überlebenden hatten unter Führung von Crozier und Fitzjames 22. April 1848 die Schiffe verlassen, um nach dem Großen Fischfluß aufzubrechen. Nähere Umstände erkundete der Amerikaner Hall, der 1860 bis 1862 unter den Eskimo des Frobishersundes 20 Monate verbrachte und 186469 von der Repulsebai die Melvillehalbinsel und King William-Land besuchte. Ein letzter Versuch zur Auffindung von Resten der Franklinexpedition unternahm der Amerikaner Schwatka, der mit Klutschak und Gilder 1879 von der Hudsonbai aus nach King William-Land zog, ohne aber weitere Schriftstücke zu finden.
Durch die Franklinsucher war die Inselwelt des arktischen Amerika entschleiert und die nordwestliche Durchfahrt gefunden, aber als unbrauchbar erkannt worden. Die spätern Expeditionen erstrebten eine wissenschaftliche Erforschung der Polarregionen und als Endziel die Erreichung des Nordpols. Die besonders durch Kane verfochtene Theorie von einem offenen Polarmeer veranlaßte eine Reihe von Expeditionen nach dem Smithsund. Eine amerikanische unter Hayes 186061 überwinterte im Smithsund, von wo aus Hayes zu Schlitten die Küsten von Ellesmereland und Grinnell-Land bis 801/2° nördl. Br. untersuchte. Eine zweite amerikanische Expedition unter Hall gelangte 1871 mit dem Dampfer Polaris durch den Smithsund bis in den Robesonkanal, wo Ha 118. Nov. starb. Bei der Rückkehr im nächsten Jahre trieben 19 Mann auf einer Eisscholle sieben Monate lang bis in die Nähe von Neufundland, wo sie von einem Walfischfänger aufgenommen wurden;[771] die übrigen mit dem Naturforscher Bessels retteten sich nach abermaliger Überwinterung im Smithsund zu Boot nach der Melvillebai. Eine dritte englische Expedition durch den Smithsund unter Nares 1875 bis 1876 erforschte auf Schlittenreisen die nördlichen Küsten von Grönland und Grantland und erreichte 83°20´ nördl. Br., wobei sich das offene Polarmeer als Phantom erwies (Palaeocrystic sea).
Inzwischen war es den Bemühungen Petermanns gelungen, auch in Deutschland das Interesse für die Polarforschung wachzurufen und die Mittel zu einer Expedition zu sammeln. Eine Vorexpedition unter Koldewey mit der Germania 1868 vermochte indes die von Petermann als geeigneten Weg empfohlene Ostküste Grönlands nicht zu erreichen. Ebendahin ging 1869 die Hauptexpedition unter Koldewey u. Hegemann mit dem Dampfer Germania und dem Segelschiff Hansa. Die Hansa wurde vom Eise zerdrückt; ihre Mannschaft trieb 200 Tage auf einer Scholle von 7161° nördl. Br. und rettete sich schließlich in Booten nach den grönländischen Kolonien. Die Germania erreichte Grönland unter 751/2° nördl. Br., überwinterte an der Sabineinsel, untersuchte die Küste von King William-Land bis 77°, erforschte den Franz Joseph-Fjord und kehrte 1870 zurück.
Die Erforschung von Spitzbergen wurde besonders durch schwedische Expeditionen gefördert, unter Torre 111857 und 186162, unter Nordenskiöld 1864, 1868 und 187273. Den Osten von Spitzbergen besuchten 1870 v. Heuglin und Graf Waldburg-Zeit. Jetzt wendeten sich auch die Österreicher der arktischen Forschung zu. Mit Unterstützung des Grafen Wilczek unternahmen Payer und Weyprecht auf dem Segelschiff Isbjörn 1871 zunächst eine Rekognoszierungsfahrt in das Barentsmeer bis 79° nördl. Br. Ebendahin ging 1872 die Hauptexpedition unter denselben Führern auf dem Dampfer Tegetthoff, der aber bald vom Eis eingeschlossen wurde und nach Norden an die Küsten eines unbekannten Landes trieb, das man Kaiser Franz Joseph-Land taufte und auf Schlittenreisen bis 83° nördl. Br. erforschte. Im Mai 1874 verließ die Mannschaft das Schiff und rettete sich auf Schlitten und Booten nach Nowaja Semlja. Die westliche Erstreckung von Franz Joseph-Land untersuchte 1880 der Engländer Leigh Smith, der bei einer zweiten Fahrt 1881.82 nach Verlust des Schiffes an der Südküste überwinterte, dann mit seiner Mannschaft sich über das Eis nach Nowaja Semlja rettete. Geographische Entdeckungen im europäischen Eismeer machten auch norwegische Fangmänner, namentlich Tobiesen und Johannesen, welch letzterer 1870 ganz Nowaja Semlja umsegelte. Darauf eröffnete Nordenskiöld durch seine Fahrten zum Jenissei 1875 und 1876 die Ära der Sibirienfahrten und löste endlich durch die Umsegelung Asiens auf der Vega 187879 das Problem der nordöstlichen Durchfahrt. Weniger glücklich war die Fahrt der vom »New York Herald« ausgesandten Jeannette, die unter Führung von De Long 1879 durch die Beringstraße nach Norden vordrang, aber vom Eis eingeschlossen 1881 unter 77°15´ nördl. Br. versank. Die Mannschaft suchte in drei Booten die sibirische Küste zu erreichen, was nur zweien gelang, von deren Insassen noch De Long mit neun Gefährten im Lenadelta dem Hungertod erlag. Der zur Aufsuchung der Jeannette ausgesandte Rodgers unter Berry umfuhr 1881 Wrangelland, verbrannte aber in der Beringstraße. Darauf zog Gilder, der als Korrespondent des »New York Herald« die Fahrt mitmachte, über Land nach der Lena, wo er das Schicksal De Longs aufklärte.
Jetzt wurde von verschiedenen Seiten, zuerst 1875 von Weyprecht, die Wichtigkeit von Polarstationen für gleichzeitige meteorologische und magnetische Beobachtungen betont und von einer internationalen Polarkommission unter Vorsitz von Neumayer ein Plan ausgearbeitet, der unter Mitwirkung von fast allen europäischen Staaten u. der nordamerikanischen Union 1882 zur Ausführung kam (vgl. Polarforschung). Im ganzen wurden 14 Stationen besetzt: Cumberlandsund und Südgeorgien durch Deutschland, Jan Mayen durch Österreich, Godthaab durch Dänemark, Spitzbergen durch Schweden, Altenfjord durch Norwegen, Lenadelta und Nowaja Semlja durch Rußland, Sodankylä und Kultala durch Finnland, Fort Rae am Großen Sklavensee durch England und Kanada, Point Barrow und Lady Franklin-Bai durch die Vereinigten Staaten, Kap Hoorn in der Antarktis durch Frankreich. Nur die holländische Expedition erreichte nicht ihren Bestimmungsort, Dicksonhafen, und mußte im Karischen Meer überwintern. Von der amerikanischen Station in der Lady Franklin-Bai aus erforschte Lockwood auf einer Schlittenfahrt die Nordküste Grönlands bis 83°24´ nördl. Br. Als dann ungünstige Eisverhältnisse in den nächsten Jahren den Entsatz verhinderten, verließ die Mannschaft unter Greely 1883 die Station und gelangte in Schlitten und Booten bis Kap Sabine am Smithsund, wo die meisten verhungerten und nur noch sieben von einer Hilfsexpedition lebend angetroffen wurden.
In den nächsten Jahren trat die wissenschaftliche Erforschung einzelner arktischer Gebiete in den Vordergrund. Die Geographische Gesellschaft in Bremen entsandte 1876 Brehm, Finsch und Graf Waldburg-Zeit nach Westsibirien, 188182 die Gebrüder Krause nach der Beringstraße und Alaska und 1889 Kükenthal nach Spitzbergen. Zu Studien über die zentralen Eskimo bereiste Boas 188384 den Cumberlandgolf und Bassin land. Island wurde zu geologischen Zwecken seit 1886 wiederholt durch Thoroddsen bereist. In Britisch-Nordamerika wurde der Oberlauf des Yukon 1883 durch Schwatka befahren, in Alaska der Kupferfluß, Tanana und Koyukuk 1885 durch Allen erforscht, Bunge und Baron v. Toll besuchten 1886 de Neusibirischen Inseln, Nossilow brachte drei Winter (1887 ff.) auf Nowaja Semlja zu. Besonders aber war Grönland das Ziel zahlreicher Forschungsreisen. Küstenaufnahmen wurden durch Steenstrup, Jensen, Kornerup, Hammer, Holm, Ryder u.a. ausgeführt; Versuche, in das Innere einzudringen, machten Whymper 1867, Nordenskiöld 1870, Jensen 1878 und wiederum Nordenskiöld 1883 und Peary 1886. Eine Durchquerung von der Ostseite her vollführte 1888 der Norweger Nansen; der Amerikaner Peary gelangte 1892 vom Smithsund mit Schlitten über das Inlandeis nach der Independencebai an der Nordostküste. Dagegen scheiterten 1894 u. 1895 seine Bemühungen, den Verlauf der Nordküste festzustellen. Die Natur des Gletschereises untersuchte 1892 u. 1893 eine von der Gesellschaft für Erdkunde in Berlin ausgesandte Expedition unter Drygalski. Aber auch Bestrebungen zur Erreichung des Nordpols oder möglichst hoher Breiten kamen wieder zur Geltung. Den größten Erfolg erzielte Nansen durch seine Expedition mit der Fram 189396. In der richtigen Voraussicht (vgl. Polarforschung), durch die Strömung im Sibirischen Eismeer nach Norden getrieben zu werden,[772] ließ er sich westlich von den Neusibirischen Inseln mit der Fram vom Eis einschließen, verließ dann aber, als die Drift zu weit nach Westen ging, mit Johansen das Schiff und erreichte mit Schlitten 86°4´ nördl. Br. Auf dem Rückweg traf er in Franz Joseph-Land unvermutet den Engländer Jackson, dessen Schiff ihn und Johansen nach Norwegen brachte, wo wenige Tage später auch Sverdrup mit der Fram anlangte, nachdem sie durch die Strömung noch bis 85°57´ getrieben worden war. Auf mehrere Jahre ausgerüstet war auch die von dem Engländer Harmsworth mit dem Schiff Windward ausgesandte Expedition von Jackson, der 1894--97 Franz Joseph-Land erforschte. Weniger glücklich waren die Versuche des Amerikaners Wellman 1894 und 1898 bis 1899, über Franz Joseph-Land zum Pol vorzudringen. Einen ungünstigen Ausgang hatte auch der 1897 von dem Schweden Andree mit zwei Gefährten unternommene Versuch, im Luftballon den Pol zu überfliegen. Trotz eifriger Nachforschungen ist das Schicksal des kühnen Luftschiffers nicht entschleiert worden. Dagegen erreichte die italienische Expedition des Herzogs der Abruzzen, Ludwig Amadeus, 18991900, die bis heute gewonnene größte Polhöhe, in dem der Kapitän Cagni mit Schlitten bis 86°38´ vordrang. Mit einem Mißerfolg endete die von dem Amerikaner Ziegler ausgerüstete Expedition der Amerika unter Baldwin 190102. Nach Rücktritt des Leiters führte 1903 Fiala die Amerika nochmals nach Franz Joseph-Land. Da das Hilfsschiff Frithjof wegen ungünstiger Eisverhältnisse 1904 Franz Joseph-Land nicht erreichen konnte, wurde Fiala, der sein Schiff bereits im Januar 1904 bei der Überwinterung in der Teplitzbai verloren hatte, erst 1905 durch die Hilfsexpedition der Terra Nova unter Champ entsetzt. Auf dem Wege durch den Smithsund versuchten zwei Expeditionen nach Norden vorzudringen, Peary mit dem Windward und Sverdrup mit der Fram. Wegen ungünstiger Eisverhältnisse vermochte Peary während eines fünfjährigen Ringens 18981902 nur bis 84°17´ nördl. Br. vorzudringen; auch Sverdrup fand 1898 und 1899 den Weg nach Norden verschlossen, wandte sich dann aber durch den Jones-Sund nach Westen, erforschte die Westküste von Grinnell-Land und entdeckte westlich davon mehrere Inseln. Erst 1902 kehrte er in die Heimat zurück. Unglücklich endete die russische Expedition des Barons v. Toll, der mit der Sarja (Morgenröte) 1900 durch das Karische Meer zu den Neusibirischen Inseln vordrang, von dort die Bennettinsel besuchte, aber auf dem Rückwege jedenfalls mit seinen Begleitern den, Tod fand. Ein auf der Bennettinsel vorgefundener Bericht über ihre Erforschung ist das letzte erhaltene Lebenszeichen. Außer diesen größern Expeditionen haben in dem letzten Jahrzehnt noch zahlreiche Einzelforschungen die Kenntnis der arktischen Länder und Meere gefördert. Im südlichen Grönland untersuchte 1894 Bruun die alten Normannenniederlassungen, das Innere der Insel Disko wurde 1898 von Steenstrup erforscht, die dänische literarische Expedition unter Erichsen widmete sich 190204 dem Studium der Eskimo an der grönländischen Westküste. Dänische Expeditionen nach der Ostküste, 1894 unter Holm, 189899 und 1900 unter Amdrup, stellten den Verlauf der Küste bis zum Scoresbysund fest. Eine genauere Erforschung des Kaiser Franz Joseph-Fjords durch Nathorst führte 1899 zur Entdeckung des ausgedehnten König Oskar-Fjordes. Zu zoologischen Forschungen besuchte 1900 der Schwede Kolthoff das nordöstliche Grönland. Ein Teil der noch unbekannten Ostküste Grönlands nördlich vom Kap Bismarck wurde 1905 durch die Expedition des Herzogs Philippe von Orléans mit der von de Gerlache geführten ehemaligen Belgica erreicht. Der nördlichste Punkt der Terre de France benannten Küstenstrecke erhielt den Namen Kap Philippe (77°36´ nördl. Br.). Zur Erforschung der noch übrigbleibenden unbekannten Strecke bis zur Independencebai will im Sommer 1906 eine dänische Expedition unter Erichsen abgehen. In Spitzbergen stellten geologische Forschungen an der Schwede De Geer (1896) und der en, englische Alpinist Conway (1896 und 1897), welch letzterer auch eine Durchquerung vom Eisfjord nach der Ostküste ausführte. Das König Oskar-Land wurde 1897 von dem englischen Sportsmann Pike und 1898 von einer deutschen Expedition mit dem Kapitän Rüdiger und den wissenschaftlichen Begleitern Römer und Schaudinn umfahren. Sie umfuhren auch die König Karl Inseln, die nebst der Weißen Insel 1898 durch Nathorst genauer erforscht und aufgenommen wurden. Umfassende geographische und naturwissenschaftliche Forschungen fanden in Spitzbergen im Anschluß an die Arbeiten der russisch-schwedischen Gradmessungsexpedition (18981902) statt. Die Bäreninsel wurde 1898 von Nathorst geologisch aufgenommen. Eine schwedische Expedition unter Forsberg, Swenander und Andersson untei suchte die Insel 1899; in demselben Jahre weilte hier eine Expedition des Deutschen Seefischereivereins. In Island beendigte 1898 Thoroddsen seine geologischen Aufnahmen, archäologische Untersuchungen wurden 1896 von Holm angestellt, eine dänische Nordlichtexpedition unter Paulsen beobachtete hier 1899. Jan Mayen wurde 1902 von dem Franzosen Charcot besucht. Geologische Forschungen in Nowaja Semlja machte 1895 der Russe Tschernyschew, eine Durchquerung der Insel von der Karmalikbai nach der Ostküste bewerkstelligte in demselben Jahre der schwedische Botaniker Ekstam. Hydrographische Untersuchungen in dem Meere zwischen Grönland u. Island stellte 189596 die dänische Ingolf-Expedition unter Wandell an, die Fischereiverhältnisse in dem Meere zwischen Spitzbergen und Norwegen wurden 1898 von dem deutschen Kriegsschiff Olga untersucht, physikalische und biologische Forschungen im norwegischen Eismeer wurden 1900 auf dem Dampfer Michael Sars von Hjort und Nansen geleitet. Im arktischen Amerika wurde 1898 die Südküste des Baffinlandes von Bell untersucht, der Amerikaner Stein bereiste die Küsten von Ellesmereland, endlich ist seit 1903 der Norweger Amundsen mit der Gjöa unterwegs, um die Lage des jetzigen magnetischen Nordpols festzustellen. Im Herbst 1905 hat er die Herschel-Insel östlich der Mackenziemündung erreicht und somit die Nordwestpassage erfolgreich durchfahren. Mit dem von der kanadischen Regierung gekauften Schiff der deutschen Südpolarexpedition, dem Gauß, will Bernier Nansens Versuch wiederholen, aber von der Beringstraße oder von der Mackenziemündung ausgehen. Auch Peary hat 1905 mit dem eigens für diesen Zweck erbauten Schiff Roosevelt seine Versuche, durch den Smithsund zum Pol vorzudringen, wieder aufgenommen. Die Erforschung des arktischen Gebietes nördlich der Mackenziemündung bezwecken zwei Expeditionen, die des Dänen Mikkelsen und des Engländers Herrison. Vgl. Karte »Nordpolarländer«; zur Geschichte der N.[773] außer den einzelnen Reisebeschreibungen: Sir J. Barrow, Chronological history of voyages into the arctic regions (2. Aufl., Lond. 1846); Richardson, The Polar regions (das. 1861); Shillinglaw, Narrative of arctic discovery (neue Ausg., das. 1851); Peschel, Geschichte der Erdkunde (2. Aufl., Münch. 1877); Markham, The threshold of the unknown region (4. Aufl., Lond. 1876); D. Murray Smith, Arctic expeditions from British and foreign shores (das. 187577, 3 Bde.); Hellwald, Im ewigen Eis. Geschichte der Nordpolfahrten (Stuttg. 1881); R. Andree, Der Kampf um den Nordpol (5. Aufl., Bielef. 1889); Löwenberg, Die Entdeckungs- und Forschungsreisen in den beiden Polarzonen (Leipz. 1886); Greely, Handbook of arctic discoveries (New York 1896); Hugues, Le esplorazioni polari nel secolo XIX (Mail. 1901); Kersting, The white world, life and adventures within the arctic circle (Lond. 1902); Enzberg, Heroen der Nordpolarforschung (2. Aufl., Leipz. 1904); Bénard, La conquête du Pole (Par. 1903); Hassert, Die Polarforschung (Leipz. 1902). S. auch Polarforschung und die Artikel über die einzelnen Nordpolarländer.
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Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.
444 Seiten, 19.80 Euro