Sumatra

[201] Sumatra, die westlichste und nächst Borneo größte der Sundainseln (s. Karte »Hinterindien«), wird durch die Sundastraße von Java, durch die Straße von Malakka von der Halbinsel Malakka getrennt, vom Äquator mitten durchschnitten, liegt, bei 1650 km Längserstreckung, zwischen 5°39' nördl. bis 5°47' südl. Br. und 95°3'–106°3' östl. L. und ist 433,795 qkm,[201] mit den benachbarten Inseln (der sogen. Sumatragruppe: Babi, Nias, Batu, Mentawei, Engano etc.) 476,371 qkm groß. Die Westküste ist hoch und an Buchten reich, von denen die Bai von Tapanuli die geräumigste und sicherste ist; dagegen ist die Ostküste niedrig und sumpfig. Die der Westküste parallel streichende Gebirgskette Bukit-Barisan scheidet S. in einen schmalen, gebirgigen westlichen und einen größern, von Tiefland erfüllten östlichen Teil. Das Gebirge, das nach E. Sueß die Fortsetzung der Meridionalketten von Birma (s. d., Birmanischer Bogen) bildet und weiter nach Java hinüberzieht, besteht aus gefalteten ältern (paläozoischen) Quarziten, aus präkarbonischem (intrusivem) Granit und Diorit, aus Kalksteinen und Schiefern der Karbonformation mit engverbundenen Diabasen, Triasablagerungen und mannigfaltigen tertiären Ablagerungen (Eocän, Miocän, Pliocän), die stellenweise Kohlen enthalten und von zahlreichen, zum Teil noch tätigen Vulkanen durchbrochen sind. Unter diesen sind die höchsten Bodenerhebungen der Insel der Indrapura oder Korintji (3805 m), Talang (2597), Singgalan (2877), Merapi (2891), Ophir oder Pasaman (2912), Luseh (3700), Atlas (3030); im Süden der Dempo (3120) und Ringgit (2720 m). Die vulkanischen Gesteine sind vorwiegend Andesit und Basalt. S. ist ziemlich reich an nutzbaren Mineralien, die aber noch wenig ausgebeutet werden; außer Gold (besonders auf Quarzgängen in den vorkarbonischen Schiefern und in Alluvionen) finden sich noch Kupfer, Blei, Zinn, Eisen, Steinkohlen, Braunkohlen, Erdöl, Naphtha, Marmor, Alaun, Salpeter. Am Südostende bilden die Ausläufer der Parallelketten des Gebirges drei Landspitzen, zwischen denen die Lampong- und Semangkabucht ins Land hineintreten. Die Flüsse der Westküste sind unbedeutend, doch ist der Singkel im N. 20 km aufwärts für einheimische Boote schiffbar. Dagegen wird die Ostseite von wasserreichen Flüssen (von N. nach Süden Simpang, Deli, Panei-Bila, Rokan, Siak, Kampar, Indragiri, Hari-Djambi, Palembang oder Musi, Tulang-Bawang) durchzogen, die teilweise 150 km und weiter aufwärts selbst von größern Kriegsschiffen befahren werden können. Die bedeutendsten Seen sind der Laut Tawar und der Toba (1300 qkm, s. d.) im nördlichen, der Manindju im mittlern, der Ranan im südlichen Teil. Das Klima ist heiß und in den sumpfigen Niederungen ungesund, in 1200 m hohen (kühlern) Lagen aber zuträglich. Der Wechsel des Monsuns ist beiderseits des Äquators entgegengesetzt. Temperatur (Mittel): Padang (Südwestküste) Jahr 26,6°, kältester Monat November 26,2°, wärmster Mai 27,2°; Palembang (Ostküste) Jahr 26,9°, kältester Monat Januar 26°, wärmster Mai 27,2; Lahat (250 m ü. M.) Jahr 26,7°, kältester Monat Januar 26, 2°, wärmster April 27,5°. Die Regenmenge hat ihr Maximum im Oktober und Dezember (alle Monate regenreich): Siboga (Westküste) 4761 mm, Djambi (Ostküste) 2551 mm, Padang Pandjang (780 m ü. M.) 3825 mm. In üppiger Fülle entwickelt sich auf S. die reiche Pflanzenwelt des ostindischen Monsungebietes (indomalaiische Zone Englers). Palmen und Pisang bilden die vorherrschenden Formen des Urwaldes, Kasuarinen neben Guttiferen die lichten Bestände des Küstensaumes. Bis zu 200 m Höhe steigen Ficus-Arten und Myrtazeen. Ihnen folgen bis 1850 m Höhe Eichen und Dipterokarpeen. Bis 2700 m reicht ein Mischwald von Ternströmiazeen, Koniferen (Podocarpus) und Vacciniazeen (Eurya, Gordonia, Myrica). Die Bergkasuarinen sind in den Battaländern von einer Kiefer mit langen Blattnadeln (Pinus Merkusii) begleitet. Der noch häufige Tiekbaum tritt nicht mehr in zusammenhängenden Wäldern auf. An den innern Savannen zwischen 1000 und 1800 m ü. M. herrscht das Alanggras (Imperata Koenigii), daneben 2–3 m hohe Gräser (Saccharum spontaneum) und Farne (Pteris). Tropische Nutzpflanzen sind: Muskatbaum, Guttaperchabaum, Duriang und Melonenbaum. Sonst werden kultiviert Indigo, Bataten, Baumwolle, Tabak (1903 brachten 128 Pflanzungen 23,006,326 kg), Mais und vor allem Reis in mehreren Abarten. Ein merkwürdiges Schmarotzergewächs ist die Rafflesia Arnoldi mit Blüten von beinahe 1 m Durchmesser. In seiner Tierwelt schließt sich S., ein Bestandteil der indomalaiischen Subregion, eng an Borneo an und besitzt gleich ihm den Orang-Utan und zwei Arten Meerkatzen (Cercopithecus). Dagegen finden sich nur auf S. der Königstiger und der schwarze Panther, dazu an der Ostküste der malaiische Bär. Der Elefant Sumatras wurde als eigne Art (Elephas sumatranus) beschrieben; außer zwei Rhinozerosarten findet sich eine Antilopengattung (Nemorrhoedus), die außerdem nur noch im Himalaja und in Tibet vertreten ist. Außerdem sind zu erwähnen: der Tapir, das Buschschwein (Sus vittatus), das Schuppentier (Manis javanica), der Nashornvogel, der Argusfasan und unzählige Taubenarten, die Brillen- und die Gitterschlange, das Krokodil, eine außerordentlich reiche Insektenfauna etc. Die Bevölkerung, deren Zahl man auf 4 Mill. berechnet, gehört zur malaiischen Rasse; im SO. wohnen die Lampong, in der Mitte die Passumah und Redschang, nach N. hin die Batta (s. d. und Tafel »Asiatische Völker II«, Fig. 4) und Atschinesen. Abgeschieden leben die Orang-Kubu ohne feste Wohnsitze, meist fanatische Mohammedaner; die Batta sind Heiden, die Passumah und Redschang wenigstens der Tat nach. Ackerbau (80 Proz. der Bevölkerung) und Schiffahrt sind Hauptbeschäftigungen; Seeräuberei und Menschenraub waren früher eingebürgert. Die industrielle Tätigkeit beschränkt sich auf das Weben baumwollener Kleiderstoffe und Arbeiten in Gold (vgl. die Tafeln »Asiatische Kultur II u. III«, »Malaiische Kultur«, »Schiffsfahrzeuge der Naturvölker«). Die jetzt fast ganz den Niederländern unterworfene Insel wird administrativ eingeteilt:

Tabelle

Zu dieser teils gezählten, teils geschätzten Bevölkerung von 3,576,812 Seelen wird man noch 1 Mill. hinzuzurechnen haben. Die Zahl der Europäer betrug 1900: 6400, der Chinesen 132,504, davon 103,768 in der Residentschaft Ostküste, und 3022 Araber. Die bedeutendsten Orte sind Padang und Benkulen auf der Westküste, Palembang und Medan an der Ostküste.

Solange von einer Geschichte der Insel S. die Rede sein kann, sind ihre vornehmsten einheimischen Völker Batta und eigentliche Malaien. Seit den ersten Jahrhunderten n. Chr. kamen Fremdlinge: Hindu (namentlich aus Vorderindien, später aus Java) und Mohammedaner (namentlich aus Vorderindien), die in einzelnen Teilen Handel trieben, politischen Einfluß[202] übten und ihren Gottesdienst einführten. Auch Chinesen waren schon früh mit der Ostküste bekannt. Java hat politischen Einfluß ausgeübt. In Europa wurde der Name der Insel in der Mitte des 15. Jahrh. bekannt durch venezianische Reiseberichte und Karten. 1509 kamen die Portugiesen unter Diogo Lopez de Sequeira. Doch ist von einem europäischen Einfluß damals noch kaum die Rede. Schon auf ihrer ersten Reise nach Ostindien besuchten die Holländer (1596) Sumatras Südküste, 1599 Atjeh, 1600 die Westküste und noch in den ersten Jahren ihres Auftretens im Ostindischen Archipel auch die Ostküste. In den ersten Jahrzehnten ist nur die Rede von Handel, niemals von Mission, und politischer Einfluß in einzelnen Gegenden datiert erst von der Mitte des 17. Jahrh. 1685 ließen sich Engländer in Benkulen nieder. Von 1795–1811 übernahm England den Besitz und die Rechte der Niederlande auf Sumatra, teils durch Eroberung, teils durch Vertrag. Infolge des Friedens von 1814 wurden 1816 und später die ehemaligen niederländischen Besitzungen im Ostindischen Archipel, auch auf S., wieder von England abgetreten. 1824/25 wurde auch Benkulen niederländischer Besitz gegen die Herausgabe von Malakka; und England verpflichtete sich, keine Verträge mit einheimischen Fürsten etc. auf der Insel zu schließen. Nach dieser Wiederherstellung ihres Kolonialbesitzes sind die Niederländer intensiver auf S. aufgetreten, namentlich seit der Mitte des 19. Jahrh. Palembang wurde unterworfen (1819–25, 1851–68); die Westküste, namentlich das Oberland (1821–37), ganz unter niederländische Botmäßigkeit gebracht; Atjeh bekriegt (seit 1873) und, in den letzten Jahren namentlich, unterworfen; die Zustände in Djambi geordnet (1833, 1901); die »residentie« Ostküste von S. organisiert (1858,1873) etc. Auch in das Innere der Insel (Batta-, Gaju-, Alasländer etc.) drang die niederländisch-indische Regierung immer weiter. teilweise mit den Waffen, teilweise durch die Bevölkerung selbst hereingerufen. Die Mission machte namentlich bei den Batta Fortschritte. Und so ist die Insel Anfang des 20. Jahrh. fast ganz in der Gewalt der Niederländer. Vgl. auch die Artikel »Niederländische Kolonien«, »Atschin«, »Batta« etc.

Vgl. Miquel, S., seine Pflanzenwelt etc. (Leipz. 1862); Rosenberg, Der Malaiische Archipel (das. 1878); »Midden-Sumatra«, Reisen der S.-Expedition (Leiden 1882–87, 4 Tle., besonders Teil 2: Geographische Beschreibung von Veth); Bastian, Indonesien, 3. Teil (Berl. 1886); Verbeek, Topographischeen geologische beschrijving van een gedeelte van Sumatra's westkust (Haag 1886); Carthaus, Aus dem Reich von Insulinde. S. und der Malaiische Archipel (Leipz. 1891); Hoekstra, Die Oro- und Hydrographie Sumatras (Groningen 1893); Yzerman, Koorders, van Bemmelen u. Bakhuis, Dwars door S. (Batavia 1893); W. Westerman, De tabakscultuur op Sumatra's oostkust (Amsterdam 1901); K. Giesenhagen, Auf Java und S. (Leipz. 1902); H. Breitenstein, 21 Jahre in Indien, 3. Teil: Sumatra (das. 1902); A. Maaß, Quer durch S. (Berl. 1903); Otto. Pflanzer- und Jägerleben auf S. (das. 1903); v. Baren, Rouffaer und Heeres, S. in der »Encyclopaedie van Nederl. – Indië« (Haag 1904; wichtige Zusammenfassung mit Literatur); W. Volz, Zur Geologie von S. (Jena 1904); Marsden, History of S. (1783, 3. Ausg., Lond. 1811); Marre, S., histoire des rois de Pasey (Par. 1875); Tiele und Heeres, Bouwstoffen voor de geschiedenis der Nederlanders in den Malaiischen Archipel, Bd. 1–3 (Haag 1886–95); Karten von Havenga (1:1,500,000, Brüssel u. Batavia 1886) und Dornseiffen und de GeestS., Bangkaen de Riouw-Lingga-Archipel«, Amsterd. 1892, 12 Blätter).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 201-203.
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