Otaheiti

[507] Otaheiti (Otaheīte, Taiti, Tahiti, Taheite, Amat), größte Insel des Archipels der Gesellschaftsinseln (südöstliches Polynesien) u. zwar zu den Windwardinseln derselben gehörig, besteht aus zwei Halbinseln, Tahiti noue (Groß-Tahiti, auch Opureonu) u. Tahiti été (Klein-Tahiti, Tiarrabu), welche durch eine schmale Landenge (Terrawu) zusammenhängen; 204 QM., ist vulkanisch, in der Mitte von Tahiti noue gebirgig (höchste Spitze: Tobreonu 11,500 Fuß), auf Tahiti été niedriger aber steiler. Die Bewässerung ist sehr reichlich, die Bäche u. Flüsse (Matawai u.a.) bilden reizende Thäler, auf dem Gebirge viele Wasserfälle, sind bei ihrem kurzen Laufe sehr wasserreich, in der trocknen Jahreszeit sehr seicht. Einige Seen finden sich in Kratern erloschener Vulkane. O. ist mit einem breiten Korallenriff umgeben, welche von mehren Öffnungen zum Einlaufen der Schiffe durchbrochen sind; es gibt mehre Baien u. Buchten mit guten Ankerplätzen (Matawai, Toahroa, Taowna u.a.). Das Klima ist das der Tropenländer, die Producte die der Gesellschaftsinseln (s.d.) überhaupt, bes. ist der Brodbaum häufig u. mit dem Pisang für Nahrung wichtig, in neuerer Zeit wird auch Ackerbau getrieben, gezüchtet werden bes. Schweine. Die Einwohner wurden früher (wahrscheinlich zu hoch) zu 130,000 angegeben, jetzt schätzt man sie auf 10,000 Köpfe. Die Einwohnerzahl ist erst in neuerer Zeit so sehr zusammengeschmolzen, wozu bürgerliche Kriege u. mit europäischer Cultur eingewanderte Laster u. Krankheiten beigetragen haben. Sie gehören dem hellfarbigen Stamme der Südseeinseln an, sind ihrer Religion nach mehrentheils Christen, haben christliche Schulen u. Kirchen. Ehe das Christenthum eingeführt wurde, verehrten die Insulaner mehre Götter (Eatua); die drei höchsten waren Tane te Medua, Orowottow Tuatite Myde u. Tarra Mannu te Hua. Außer den öffentlich verehrten Göttern (Po), hatte jede Familie noch ihren Schutzgott (Ti). Das böse Wesen (Ti) erzeugte Krankheiten u. Wahnsinn. Die Menschen waren Erzeugnisse von Göttern mit irdischen Elementen; nach dem Tode gingen ihre Seelen durch den Catuvogel in den Wohnplatz der Seligen, wo sie in den Stand der Eatua traten u. als Familiengötter galten. Der Cultus bestand in Gebeten u. Opfern (Hunde, Schweine, Vögel, Fische, Früchte, Menschen), u. zwar entweder Missethäter od. Fremde, bei denen Weiber nie erschienen. Die heiligen Plätze, nahe am Meere, umzäunt u. mit Bäumen besetzt, hießen Moral, in ihnen eine Pyramide, um dieselbe Ewallais (Altäre), auf denselben u. auf der Pyramide aus Holz geschnitzte Götterbilder. Die Priester (Tahowra), waren zugleich Wahrsager, Weissager u. Ärzte; der König war der oberste Priester; in seiner Residenz zu Oparrebesand sich der Tempel des Tane Auch Priesterinnen gab es. Die Wohnungen der Insulaner sind einfache Hütten; inwendig der Boden mit Matten belegt u. mit Bänken u. wenig Hausgeräth besetzt. Die Häuser der Missionäre sind auf europäische Art gebaut u. eingerichtet. Ihre Fahrzeuge bis 70 Fuß lang bei einer Breite von zwei Fuß heißen Ivahas, kürzere, bis zu vier Fuß breite, mit Kiel gebant, dagegen Pahis. Kleidung trugen die Otaheiter sonst nicht, tätowirten sich aber reich; jetzt, in der christlichen Zeit, ist dies abgeschafft u. sie gewöhnen sich allmälig an eine leichte Kleidung. Verfassung: O. wird von einem König regiert, steht aber wie die sämmtlichen Windward Inseln unter französischem Protectorat (vgl. Gesellschaftsinseln). Die jetzige Verfassung ist von Pomare III. gegeben; darnach schickt jeder Bezirk zwei auf drei Jahre gewählte Repräsentanten in die jährlich zu haltende Ständeversammlung, wo die Steuern für den König u. die Missionäre u. Gesetze berathen werden; die Beschlüsse erhalten erst durch Bestätigung des Königs Gesetzeskraft. Die Rechtspflege wird von Geschwornengerichten verwaltet, dessen Mitglieder aus dem Stande des Angeklagten gewählt werden. Militär gibt es nicht, nur eine königliche Leibwache aus 50 bekleideten u. mit Flinten bewaffneten Insulanern besteht; die Insel hat jetzt eine kleine Marine. Flagge: roth, mit einem weißen Stern in einem der obern Winkel. Die Insel wird in 19 Bezirke od. Districte eingetheilt, über deren jeden ein Häuptling gesetzt ist. Hauptort ist Papeete od. Papaiti (zugleich Sitz des französischen Statthalters). Vgl. Reisen der Spanier nach der Südsee, namentlich nach der Insel O., aus dem Spanischen, übersetzt von F. W. A. Bratring, Berl. 1802.

O. wurde zuerst 1606 von Europäern gesehen u. besucht von Quiros, welcher sie Sagittaria, u., 1767 von dem englischen Capitän Wallis, welcher sie Insel Georgs III. nannte. 1759 kam Cook u. nannte die Insel wieder O. Er fand etwa 100,000 Einwohner vor, welche ein einfaches Naturleben führten. Nachher wurde die Insel von Bougainville näher untersucht, welcher dieselbe wegen der, freilich von den Europäern hervorgerufenen[507] u. genährten Sittenlosigkeit der Weiber Neu-Cytherea nannte. 1797 schickte die Londoner Gesellschaft für Ausbreitung des Christenthums 30 britische Missionäre mit Capitän Wilson nach O. Der damalige König Pomarè I. ließ die Missionäre, welche das Land um die Bai Matavaï erhielten, gewähren, blieb aber selbst unbekehrt. Als er 1803 starb, folgte ihm sein Sohn Otu als Pomarè II., welcher sich den Missionären noch freundlicher bewies, aber durch eine Revolution 1808 mit ihnen nach Eimeo vertrieben wurde. 1812 lehrte er zurück, u. in der Verbannung Christ geworden, erklärte er sich gegen das Heidenthum seiner Unterthanen. 1814 mußte er noch einmal fliehen, kehrte aber bald wieder. Die Insulaner wollten König u. Missionäre in der Nacht des 15. Nov. 1815 ermorden, aber der König siegte, u. das Heidenthum wurde ausgerottet. 1817 kamen neue Missionäre, unter ihnen Nott, welcher das Evangelium des Lukas in die Otaheitische Sprache übersetzte. Der König wurde 1819 getauft u. st. im Oct. 1821. Ihm folgte sein Sohn Pomarè III., welcher Christ blieb u. die Verfassung gab. Schon 1824, als der Franzos Duperry nach O. kam, fand er einen christlichen Staat, dessen Bürger aber verkümmerten u. an Zahl sich minderten. Dem Etablissement des belgischen Kaufmanns Moerenhout, französischen Consuls auf O., 1829, welches bes. einen entsittlichenden Einfluß auf die Insulaner übte, wirkten die Missionäre entgegen, u. dieser bewirkte nun in Paris die Sendung katholischer Missionäre 1835 nach O., welche er unterstützte. 1833 starb Pomare; ihm folgte seine Schwester Aimatta, welche als Königin den Namen Pomare Vahine (d.i. Weibliche Pomarè) annahm. Bei ihrer Hinneigung zu England war sie dem Katholicismus abhold u. vertrieb die katholische Mission von O. Aber der katholische Missionär Caret kehrte 1838 zurück, nachdem der Admiral Dupetit Thouars der Königin die Erlaubniß zu Errichtung katholischer Kirchen abgenöthigt hatte. Im Sept. 1842 versammelte Moerenhout die fünf Häuptlinge Priter, Hatotar, Piati, Mamoi u. Tate u. legte ihnen einen Vertrag zur Unterschrift vor, deren zweideutiger Sinn war, daß sich O. unter den Schutz Frankreichs begäbe, u. welcher sofort nach Paris zur Ratification geschickt ward. Die Königin protestirte gegen jenen Vertrag, als ohne ihre Zustimmung gemacht, erklärte, als 1843 die bestätigende Erklärung des Königs der Franzosen ankam, das Protectorat der Franzosen für erzwungen u. ließ die französische Flagge abnehmen. Sie wurde daher von Dupetit Thouars der Regierung für verlustig erklärt, u. die Insel 6. (7.) Novbr. Frankreich unterworfen, wogegen die Insulaner, durch den englischen Consul Pritchard aufgestachelt, einen Aufstand machten. England, dessen Schutz inzwischen die Königin Pomare angerufen hatte, widersprach der Unterwerfung, doch sollte Frankreich den Titel des Protectorates behalten. Dieser Beschluß wurde 1844 gefaßt, worauf sowohl Dupetit-Thouars als auch Pritchard von ihren Regierungen von O. abberufen wurden. Seit dieser Zeit stieg die Erbitterung der Eingeborenen gegen die Franzosen, u. es kam zu blutigen Gefechten (den 17. April bei Maharea u. den 30. Juni bei Rapapa), wobei die Königin Pomare Anfangs Schutz auf englischen Fahrzeugen suchte, aber endlich nach der Insel Bolabola fliehen mußte. Doch von den französischen Machthabern auf O. wurde in der bisherigen Handlungsweise fortgefahren, am 7. Jan. 1845 von ihnen die französische Protectoratsflagge zu Papaiti aufgepflanzt u. selbst der Aufenthaltsort der Königin, die Insel Raiatea, in Blokadezustand erklärt, weshalb die Eingeborenen einen Guerillakrieg gegen die Franzosen begannen u. ausdauernd fortsetzten. Nach zweijährigen Unterhandlungen kam am 19. Juni 1847 ein Vertrag zwischen England u. Frankreich zu Stande, nach welchem die Inseln Huaheine, Raiatea u. Bolabola dem Schutzverhältniß nicht unterworfen sein u. die Rechte der Königin Pomarè anerkannt werden sollten. Obgleich französische Missionäre dort blieben, so machten sie doch für ihre Confession keine Fortschritte, dagegen blieb die protestantische Mission in Geltung u. Ansehen. 1852 kam es auf den Inseln zu einer Revolution, die Insulaner vertrieben die Königin Pomare u. riefen die Republik aus; nur Raiatea, die Residenz der Königin, blieb ruhig, u. auch auf Huaheine war eine Partei für sie, u. sie wurde durch französische Vermittelung wieder auf ihren Thron zurückgeführt. Im Mai aber abdicirte sie zu Gunsten ihrer Kinder, von denen ihr ältester Sohn Tamatao König von Raiatea u. Otaheiti, der jüngere König von Huaheine, ihre Tochter, welche den Prinzen Kamehamea heirathete, Königin von Bolabola wurde. Jetzt gelang es auch den Franzosen Einfluß auf die kirchlichen Verhältnisse zu erlangen, u. da sie die protestantischen Missionäre in ihrer Wirksamkeit verhindenten, verließen diese am 16. Sept. 1852 sämmtlich die Insel. Vgl. H. Lutteroth, Hist. et enquète d'O-Taiti, Par. 1843, deutsch von Theodor Bruns, Berl. 1843; Wagener, Geschichte der Christlichen Kirche auf dem Gesellschaftsarchipel, Berl. 1844.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 12. Altenburg 1861, S. 507-508.
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