Essigsäure [1]

[514] Essigsäure (Aethansäure, Acetylsäure, Acidum aceticum), die zweite und wichtigste Säure in der Reihe der eigentlichen Fettsäuren, deren Anfangsglied die Ameisensäure bildet. Die Essigsäure besitzt die Zusammensetzung C2H4O2 gemäß ihrer Konstitution CH3COOH. Sie findet sich im Pflanzenreich sowohl im freien Zustande als auch in Form ihrer Salze und Ester; ebenso ist sie in tierischen Sekreten (Schweiß, Harn, Galle) enthalten.

Die reine, wasserfreie Essigsäure (Eisessig, Acidum aceticum glaciale) ist eine stark sauer riechende und schmeckende, farblose Flüssigkeit, die bei niederer Temperatur in großen, weißen, rhombischen Tafeln (bei 16,7° schmelzend) eisartig erstarrt. Der Siedepunkt liegt bei 118° und das spez. Gew. ist bei 15° 1,0553 (Oudemans). Dampfdichte bei 250° C. 2,09, bei 125° C. dagegen anormal 3,20. Mit Wasser, Alkohol, Aether, Chloroform, Glyzerin ist die Essigsäure in allen Verhältnissen mischbar. Bei der Mischung mit Wasser findet anfangs eine Kontraktion statt; das spezifische Gewicht nimmt demgemäß zu, bis die Lösung die Zusammensetzung des Hydrats CH3COOH und H2O besitzt, entsprechend einem Gehalt von 77,80% Essigsäure. Bei weiterem Wasserzusatz nimmt das spezifische Gewicht wieder ab und ist bei einer 43 prozentigen Lösung gleich dem des Eisessigs. Das spezifische Gewicht bietet daher bei Säuren mit über 43% Essigsäuregehalt keinen sicheren Anhaltspunkt für den Gehalt an reiner Essigsäure. Im Handel kommen neben dem Eisessig noch zwei Sorten vor: eine mit 2–4% Wasser, die Essigsäure des Arzneibuchs für das Deutsche Reich, und eine verdünnte mit 30% Essigsäure (Acidum aceticum dilutum).

Der Dampf wasserfreier Essigsäure brennt mit blauer Flamme. Sie zieht energisch Wasser an und ist ein ausgezeichnetes Lösungsmittel für Harze, Oele, Kampfer, Schießbaumwolle, Phosphor und Schwefel in kleinen Mengen, die Halogene und Halogenwasserstoffsäuren, Chromsäure u.s.w. Eine starke einbasische Säure, rötet sie Lackmus, treibt aus Karbonaten Kohlensäure aus und bildet mit Metalloxyden Salze, die sogenannten Acetate (s. weiter unten). Durch Substitution der Wasserstoffatome der Methylgruppe entstehen Derivate, die in ihren Eigenschaften den Charakter der Stammsubstanz größtenteils bewahrt haben, wie die Chloressigsäuren u.a. Ferner ist sie von einer ungemeinen Beständigkeit, namentlich gegen oxydierende Mittel.

Zur Prüfung auf ihre Reinheit versetzt man sie mit einem Tropfen einer Kaliumpermanganatlösung; derselbe darf nicht entfärbt werden. Zu ihrem Nachweis stellt man durch gelindes Erwärmen eines ihrer Salze mit gleichem Volumen Alkohol und konzentrierter Schwefelsäure den charakteristisch erfrischend riechenden Essigäther (s. unten) dar. Eine äußerst empfindliche Probe ist die sogenannte Kakodylprobe, die darin besteht, daß man ein Alkaliacetat mit arseniger Säure erhitzt, wodurch der betäubende und widerliche Geruch des Kakodyloxyds As(CH3)2 – O – As(CH3)2 auftritt. Schließlich leistet die Analyse des Silbersalzes – Bestimmung des Silbers – ausgezeichnete Dienste, um zu entscheiden, ob Essigsäure allein oder ein Gemenge homologer Fettsäuren vorliegt. Auf die Proben des Deutschen Arzneibuches [3] wird hingewiesen.

Die Essigsäure ist ein häufig auftretendes Produkt der Verwesung und Gärung vieler organischen Substanzen; sie erfolgt bei der trockenen Destillation von Holz, Zucker, Weinsäure, ferner als Oxydationsprodukt vieler Kohlenstoffverbindungen. Die technische Gewinnung der Essigsäure, die Essigfabrikation, gründet sich auf die Entstehung der Säure einerseits durch Oxydation von Aethylalkohol bezw. alkoholhaltigen Flüssigkeiten, anderseits durch Destillation von Holz. – Die Darstellung der reinen konzentrierten Essigsäure erfolgt durch trockene Destillation von Holz. Als Material dienen am besten Laubhölzer, weniger gut Nadelhölzer, namentlich aber Buchen, geschältes Eichen- und geschältes Birkenholz, das man bei Abschluß von Luft in eisernen Retorten erhitzt. Diese 1–2 m weiten, 1,5–10 m langen Retorten sind aus 0,6–1 cm starken Platten von Schmiedeeisen oder Stahl gebaut und stehen durch ein heberförmiges Rohr mit dem Kühler in Verbindung. Zum Auffangen der Destillationsprodukte dienen verschiedene Gefäße, von denen dasjenige, welches den Holzessig aufnimmt, aus einem eisernen oder gemauerten Behälter besteht, da Mauerwerk und Eisen der Essigsäure am besten Widerstand leisten. Die Zersetzungsprodukte des Holzes sind teils gasförmig, teils flüssig. Die Gase gehen zur Feuerung, während die flüssigen Anteile sich in zwei Schichten sondern: eine wässerige rotbraune, welche die gebildete Essigsäure enthält (den sogenannten Holzessig), und eine ölige, welche in größeren Schichten schwarz erscheint, den Holzteer. Dieser, aus leichten und schweren, getrennt aufzufangenden Oelen bestehend, ist bei der Verarbeitung von harzreichem Holze spezifisch leichter, bei der Verarbeitung von Laubhölzern jedoch spezifisch schwerer als Wasser und kann dadurch leicht vom Holzessig getrennt werden. Ueber die Zusammensetzung s. Teer. – Die ersten Destillate beginnen bei 175–235° überzugehen und enthalten in den ersten Stunden der Destillation nur unbedeutende Mengen Essigsäure. Allmählich läßt man die Temperatur in der Retorte auf 288° steigen, auf welcher Höhe sie während 12–15 Stunden erhalten wird. In dieser Zeit destillieren hauptsächlich die leichten Oele über. Sobald eine genügende Menge derselben übergegangen und das begleitende Wasser einen höheren Gehalt an Essigsäure aufweist, wird die Temperatur auf 315° erhöht. Jetzt destilliert die Hauptmenge der Essigsäure über. Wenn die Temperatur auf 450° angekommen ist, in welch letzterer Phase des Prozesses namentlich die schweren Oele auftreten, wird sie nicht weiter gesteigert. Man erhält so 33% Holzkohle, 34,4% Holzessig und 15,9% Teer.

Der Holzessig ist eine braunrote, klare Flüssigkeit von höchst unangenehmem, saurem, rauchigem Geruch und Geschmack und ist der Hauptmenge nach eine wässerige Lösung von Essigsäure und Methylalkohol (Holzgeist), die jedoch außerdem noch Aceton, Furfurol, Phenole, Säuren u.s.w. enthält. Will man den Holzessig als solchen verwenden, so reinigt man ihn durch fraktionierte Destillation, wodurch der größte Teil der flüchtigen Beimengungen, besonders Methylalkohol, und der teerigen Bestandteile entfernt wird. Will man jedoch reine Essigsäure[514] darstellen, so sättigt man den Holzessig mit Kalkmilch, dampft nun entweder zur Trockne und behandelt das so erhaltene rohe Kalksalz – Weißkalk – wie unten beschrieben weiter; oder man versetzt die Lösung des Kalksalzes mit Glaubersalz, filtriert vom Gips ab, reinigt das nun in Lösung befindliche Natriumsalz durch Kristallisation und trocknet es. Das trockene, essigsaure Natrium bezw. Calcium wird dann so weit erhitzt, daß es selbst nicht zersetzt, die beigemengten Brenzstoffe aber zerstört und verkohlt werden. Man trennt nun die Salze durch Auslaugen von der Kohle und zersetzt das Natrium durch Destillation mit Schwefelsäure, das Calciumsalz durch Destillation mit Salzsäure aus einer kupfernen Blase, die mit einem Kühlrohr aus Zinn oder Silber verbunden ist. So wird eine 40–42 prozentige Essigsaure gewonnen, diese dann in einem Kolonnenapparat der fraktionierten Destillation unterworfen, wobei man eine ganze Reihe von Sorten erhält, deren Prozentgehalt zwischen 15 und 100% liegt. Ueber Vervollkommnungen dieser Fraktionierung s. [2]. Eine hochprozentige Essigsaure wird direkt erhalten durch Destillation des geschmolzenen Natriumacetats mit Schwefelsäure. Um diesen hochprozentigen, auf die eine oder andre Weise erhaltenen Säuren die letzten Reste von Wasser zu entziehen, läßt man dieselben gefrieren und gießt die flüssigen Anteile ab. Die bei 17° schmelzende Kristallmasse bildet dann den sogenannten Eisessig.

Die Verwendung der Essigsaure ist eine höchst mannigfaltige. In verdünntem Zustand als Essig dient sie zum Konservieren von Früchten, Fleisch u.s.w. Durch Verdünnung mit Wasser auf die Stärke des Essigs erhält man einen guten Speiseessig. Vorsicht beim Hantieren und bei der Aufbewahrung der konzentrierten Säure (sogenannten Essigessenz des Handels, mit etwa 70 prozentiger zuweilen aromatisiert) ist wegen der Giftigkeit in konzentriertem Zustande – stark ätzende Wirkung – geboten.

Der Holzessig wird zum Imprägnieren von Holzwerk, Tauen u.s.w. verwendet; er ist ferner ein ausgezeichnetes Antiseptikum. Der größte Teil desselben wird jedoch zur Herstellung von Eisessig und verschiedener essigsaurer Salze, so des Eisen- bezw. Tonerdesalzes verbraucht, die in diesem Zustande schon als Beizen (Eisen- und Alaunbeize) in der Färberei und im Zeugdruck verwendbar sind. Der Eisessig ist heute bei chemischen Arbeiten ein unentbehrliches Hilfsmittel und findet für industrielle Zwecke eine höchst vielfältige Anwendung, teils bei den Reduktionsprozessen, z.B. von Nitrobenzol zu Anilin, teils als Lösungsmittel (wie oben bereits erwähnt), teils zur Darstellung von Salzen und Estern, von denen der Bleizucker und Essigäther (s. unten) angeführt seien, und schließlich zur Darstellung von Derivaten wie des Essigsäureanhydrids, des Acetylchlorids u.s.w., die ihrerseits wiederum ausgedehnte technische Verwertung erfahren. Die verdünnte Essigsaure findet außer zur Darstellung von essigsauren Salzen auch zu pharmazeutischen Zwecken Verwendung.

Von den essigsauren Salzen, den Acetaten (s.d.), seien hier diejenigen beschrieben, die technisch dargestellt werden und eine dementsprechende Verwendung gefunden haben. Als einbasische Säure bildet die Essigsaure nur eine Reihe von Salzen; jedoch sind auch saure Salze des Ammoniums, Kaliums und Natriums sowie basische der mehrwertigen Metalle bekannt. Von den neutralen Salzen ist das Silbersalz verhältnismäßig schwer, das Quecksilberoxydulsalz noch schwerer in Wasser löslich; die übrigen sind leicht löslich und kristallisieren meist. Durch Ersatz des Karboxylwasserstoffs durch Alkyle entstehen die Essigester.

Da die Zersetzungen der Acetate für manchen technischen Prozeß von Wichtigkeit sind, so seien sie hier kurz hervorgehoben: Natriumacetat liefert beim Erhitzen mit Natronkalk Methan. Durch Elektrolyse des Kaliumsalzes entsteht Aethan. Beim Erhitzen desselben Salzes mit arseniger Säure wird Kakodyloxyd gebildet (scharfe Probe auf Essigsaure, s. S. 514). – Aus Calciumacetat entsteht beim Erhitzen für sich Aceton, beim Erhitzen mit ameisensaurem Kalk Aldehyd und beim Erhitzen mit den Calciumsalzen höherer Fettsäuren gemischte Methylalkylketone.

1. Kaliumacetat (essigsaures Kalium, Kalium aceticum, Terra foliata tartari) CH3 · COOK, durch Neutralisieren von wässeriger Essigsaure mit Pottasche und Verdampfen zur Trockne erhalten, bildet ein weißes staubiges Pulver oder eine lockere, blätterige Malle, ist sehr leicht in Wasser und in Alkohol löslich, zerfließlich, schmilzt bei höherer Temperatur, erstarrt bei 292° und zersetzt sich erst bei Dunkelrotglut. Es findet in der Medizin Verwendung, auch in der Weinanalyse zur Bestimmung der Tartrate. Außerdem kennt man Kaliumbi- und Kaliumtricetat C2H3O2K + CH4O2 und C2H3O2K + 2C2H4O2. 2. Natriumacetat (essigsaures Natrium, Natrium aceticum, Terra foliata tartari crystallisata) CH3 · COONa, durch Sättigen von Essigsaure mit Soda erhalten, kristallisiert aus der wässerigen Lösung in monoklinen Säulen mit drei Molekülen Kristallwasser, das es beim Erwärmen auf 100° verliert, ist sehr leicht löslich in Wasser und verdünntem Alkohol, bildet leicht übersättigte Lösungen, schmilzt ohne Zersetzung bei 319° und erstarrt zu einer grobblätterig kristallinischen Masse. Es findet Anwendung zur Darstellung von Essigsaure, zur Bereitung andrer Acetylverbindungen, unter dem Namen Rotsalz, zur Herstellung der sogenannten Rotbeize (vgl. a. Aluminiumacetat), zur Farbenbereitung (z.B. Schweinfurtergrün), als sogenannter Wärmespeicher unter dem Namen Thermophor (s.d.), als wasserentziehendes Mittel bei einer Reihe von organisch-chemischen Prozessen und schließlich in der Medizin. Auch hier sind noch das einfach- und zweifachsaure Salz bekannt. 3. Ammoniumacetat (essigsaures Ammonium) CH3CO · ONH4 entsteht als weiße, geruchlose Salzmasse beim Sättigen von Eisessig mit trockenem Ammoniak. Unter dem Namen Liquor Ammonii acetici oder Spiritus Minderen wird seine wässerige Lösung als schweißtreibendes Mittel in der Medizin gebraucht. 4. Calciumacetat (C2H3O2)2Ca + H2O bildet Nadeln oder Prismen, die an der Luft teilweise, bei 100° vollständig zu einem weißen Pulver verwittern. Es wird, wie oben angegeben, bei der Darstellung der Essigsaure aus Holzgeist benutzt und findet in der Kattundruckerei Verwendung. 5. Zinkacetat (C2H3O2)2Zn, als Adstringens in der Medizin Anwendung findend, durch[515] Auflösen von Zink, dessen Oxyd oder Karbonat in Essigsäure und Verdampfen der Lösung bei möglichst niederer Temperatur erhalten, bildet perlmutterglänzende, zarte Täfelchen oder Prismen, die 2 Moleküle Kristallwasser enthalten und an der Luft etwas Essigsäure und Wasser verlieren. 6. Von den Acetalen des Aluminiums ist das neutrale Salz nur in wässeriger Lösung bekannt. Durch Wechselwirkung äquivalenter Mengen von Aluminiumsulfat mit Baryumacetat oder durch Auflösen von Aluminiumhydroxyd in einer entsprechenden Menge Essigsäure darstellbar. Beim Verdunsten der so erhaltenen neutralen Lösung bilden sich unter Abspaltung von Essigsäure basische Aluminiumacetate verschiedener Zusammensetzung. Erhitzt man zum Kochen, so scheidet sich ein in Wasser unlösliches basisches Salz aus. Auf diesem Verhalten beruht die technische Verwendbarkeit als Farbbeize in der kalten Druckerei und Baumwollfärberei sowie die Fähigkeit zum Wasserdichtmachen von Wollgeweben u.s.w. 7. Eisenacetate: a) Eisenoxydul- oder Ferroacetat (C2H3O2)2Fe + 4H2O, durch Auflösen von Eisen in Essigsäure und Abdampfen der Lösung bei Luftabschluß als grünlichweiße monokline Kristalle zu erhalten, findet als Eisenbeize ebenfalls in der Kattundruckerei vielfache Anwendung. Doch genügt hierfür ein Präparat, das man durch Auflösen von Eisendrehspänen oder sonstigen Eisenabfällen in rohem Holzessig gewinnt, b) Eisenoxyd- oder Ferriacetat (C2H3O2)6Fe2, durch Auflösen von Eisenoxydhydrat in Essigsäure entstehend, wird in gleicher Weise als Beize in der Färberei und in der Medizin unter dem Namen Liquor ferri acetici als Arzneimittel gebraucht. Ueber die Anwendung der Aluminium- und Eisensalze als Beizen s. Aluminiumverbindungen bezw. Eisenverbindungen in der Färberei. 8. Bleiacetate: a) Neutrales Bleiacetat oder Bleizucker (C2H3O2)2Pb wird in der Technik in großem Maßstabe dargestellt durch Auflösen der berechneten Menge von Bleiglätte in einer Essigsäure von etwa 45%, auf die für je 100 Teile sich 86,5 Teile Glätte berechnen. Gewöhnlich wird jedoch eine noch schwächere Säure genommen, in innen verbleiten, kupfernen Pfannen zum Sieden erhitzt und die Glätte allmählich eingetragen. Die geklärte Flüssigkeit wird dann in einer zweiten Pfanne eingedampft und zum Kristallisieren in irdene, bleierne oder kupferne Gefäße abgezogen. So wird der Bleizucker als kompakte Kristallmasse erhalten, die, in Stücke zerschlagen, in den Handel kommt. Für gewisse technische Zwecke stellt man auch den billigen braunen Bleizucker dar, indem man statt Essigsäure Holzessig anwendet. Der Bleizucker ist in Wasser löslich und kristallisiert aus den wässerigen Lösungen mit drei Molekülen Kristallwasser in monoklinen Säulen oder Tafeln. Er findet in der Technik wie im chemischen Laboratorium die mannigfachste Anwendung zur Darstellung vieler Bleipräparate, z.B. des Bleiweiß und des Chromgelb. In der Medizin dient er als adstringierendes Mittel. In größerer Menge wirkt er stark giftig, b) Basische Bleiacetate. Es sind zwei basische Salze mit Sicherheit bekannt, deren wässerige Lösung unter dem Namen Bleiessig offizinell ist und in der Medizin als Adstringens meist in Form von Goulardschem Wasser, Aqua Goulardi (1 Teil Bleiessig zu 45 Teilen gewöhnlichem Brunnenwasser und etwas Alkohol) gebraucht wird. Man erhält dieselben durch Behandlung der Lösung des neutralen Acetats mit Bleioxyd. Das einfachbasische Bleiacetat Pb(C2H3O2)2 + PbO + H2O ist in Wasser leichtlöslich, das zweifachbasische Salz Pb(C2H3O2)2 + 2PbO entsteht durch Behandlung des neutralen Acetats mit Bleiglätte oder durch Eingießen einer Bleizuckerlösung in überschüssiges Ammoniak. Es ist in Wasser schwer löslich. 9. Kupferacetate. Auch hier existieren eine Reihe von Salzen, von denen das Gemenge der basischen Salze als Grünspan bezeichnet wird und durch Einwirkung von Essigsäure auf Kupfer bei Luftzutritt entsteht. Je nach der Darstellungsmethode unterscheidet man blauen und grünen Grünspan. Der kristallisierte Grünspan ist das neutrale Salz, das unter dem Namen destillierter Grünspan in der Färberei und Druckerei bekannt ist. Alle Kupferacetate sind giftig. Die verschiedenen Sorten werden zur Bereitung von Oel- oder Wasserfarben, zu Kupferfarben in der Färberei und Druckerei sowie bei der Vergoldung verwendet. Das Schweinfurter Grün besteht aus einem Gemisch je nach der Darstellung verschieden zusammengesetzter Doppelsalze von essigsaurem und arsenigsaurem Kupfer. 10. Silberacetat C2H3O2Ag, ein höchst charakteristisches und zur Erkennung der Essigsäure dienendes Salz, entsteht durch Fällen einer nicht zu verdünnten Lösung eines Acetats mit Silbernitrat oder durch Lösen von Silberkarbonat in heißer Essigsäure. Es löst sich in etwa 100 Teilen kalten Wassers und kristallisiert in glänzenden, flachen, biegsamen Nadeln.

Von den Estern der Essigsäure seien hier ihrer Bedeutung wegen der Aethyl- und Amylester hervorgehoben, von denen der letztere schon unter Amylacetat erörtert wurde. Der Essigsäureäthylester CH3 · COOC2H5, kurzweg Essigäther, zuweilen auch Aethylacetat genannt, ist eine bewegliche, erfrischend riechende und brennend schmeckende Flüssigkeit vom Siedepunkt 74,3° und dem spez. Gew. 0,91046 bei 0°. Zu seiner Darstellung läßt man zu 90 kg reiner konzentrierter Schwefelsäure, die sich in einem geeigneten tiefen Gefäß aus Steinzeug befindet, 36 kg Alkohol von 93% auf den Boden des Gefäßes fließen. Die Flüssigkeit erhitzt sich beim Umrühren sehr stark unter Bildung von Aethylschwefelsäure und ohne daß ein Verlust von Alkohol stattfindet. Nach 24 stündigem Stehen bei Abschluß von feuchter Luft gießt man die Flüssigkeit allmählich unter Vermeidung von zu starker Erwärmung auf 60 kg vorher geschmolzenes Natriumacetat, das in einer mit kaltem Wasser gekühlten, kupfernen Destillierblase enthalten ist. Nach 12 Stunden wird abdestilliert. Der entstandene Essigäther ist völlig frei von Alkohol und enthält nur etwas Wasser, das man durch Rektifikation über gepulverten gebrannten Kalk leicht entfernen kann. – Der Essigäther ist ein gutes Lösungsmittel für viele Oele, Harze und andre organische Körper und findet daher dementsprechende Verwendung. Ferner wird er als Zusatz, z.B. zu Essig, geringen Weinen, Branntwein, Likören, Fruchtsäften u.s.w., in der Likörfabrikation und in der Parfümerie benutzt. Schließlich dient er in der Medizin als Ersatz für den gewöhnlichen Aether.

Von weiteren Derivaten der Essigsäure sind noch anzuführen: 1. Essigsäureanhydrid,[516] aus 2 Molekülen Essigsäure durch Entziehung eines Moleküls Wasser entstanden zu denken, besitzt die Konstitution


Essigsäure [1]

und wird durch Einwirkung von Acetylchlorid oder von Phosgen (s. Chlorkohlenoxyd) auf wasserfreies essigsaures Natrium erhalten. Das Essigsäureanhydrid ist eine farblose, bewegliche, stark lichtbrechende Flüssigkeit, die der Essigsäure ähnlich ist, aber viel stechender und weniger sauer riecht und bei 137,8° siedet. Es ist unlöslich in Wasser, aber eine Zeitlang in Berührung damit, geht es in Essigsäure über und wird daher in feuchter Luft sauer. Mit Alkoholen bildet es die entsprechenden Essigsäureester, mit primären und sekundären Ammoniakbasen substituierte Acetamide. Es ist daher ein ausgezeichnetes und viel angewendetes Reagens, um Alkohole und Basen zu acetylieren (s.a. Anhydride). 2. Acetylchlorid, das, aus Essigsäure durch Phosphortrichlorid entstehend, sich von der Säure durch Ersatz der Hydroxylgruppe durch Chlor ableitet und demgemäß die Konstitution CH3 · COCl besitzt. Es ist eine stark lichtbrechende, leicht bewegliche Flüssigkeit, die bei 55° siedet, sich mit Wasser unter energischer Reaktion zu Essigsäure und Salzsäure umsetzt und daher an der Luft raucht. 3. Acetamid. Dasselbe entsteht durch Destillation von Ammoniumacetat: CH3 · COOH · NH3 H2O = CH3 · CONH2 und bildet eine großstrahlige, bei 78° schmelzende Kristallmasse. Ein phenyl-substituiertes Acetamid ist das Acetanilid oder Antifebrin (s.d.). Vgl. a. Essig.


Literatur: [1] Beilstein, Handbuch der organischen Chemie, 3. Aufl., Hamburg und Leipzig 1893, Bd. 1, S. 398 ff., 407 ff., 459, 462, 1236. – [2] Fischer, Handbuch der chemischen Technologie, Leipzig 1893, S. 622 ff. – [3] Schultz, G., Lehrbuch der chemischen Technologie, Stuttgart 1903. – [4] Schmidt, E., Lehrbuch der pharm. Chemie, Bd. 2, Braunschweig 1901.

Bujard.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 3 Stuttgart, Leipzig 1906., S. 514-517.
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