Gemischte Ehen

[132] Gemischte Ehen, Ehen zwischen Personen verschiedener christlicher Confessionen, bes. zwischen Protestanten u. Katholiken. In der älteren christlichen Kirche erklärte sich im 4. Jahrh. die Kirchenversammlung in Laodicea dagegen, daß ein Katholischer einem Ketzer seine Tochter zur Ehe gebe, u. Ambrosius sprach sich entschieden gegen die Ehen zwischen Christen u. Heiden aus. Das Canonische Recht mißbilligte ebenfalls die G- u. E., ohne sie jedoch für nichtig zu erklären. Nach der Reformation gaben die Reichsgesetze, z.B. der Passauer Vertrag, die Beschlüsse des Religionsfriedens in Augsburg u. selbst der Westfälische Friede, über diese Angelegenheit keine bestimmten Vorschriften, indem man in den ersten Zeiten nach der Reformation von beiden Seiten eheliche Verbindungen zwischen Katholiken u. Nichtkatholiken zu vermeiden suchte; jedoch wurde bei den Friedensverhandlungen in Nürnberg 1650 wegen der Erziehung der Kinder aus G-n E. Klage geführt u. von der Reichsdeputation in Bezug darauf erklärt, daß die Verträge der Eltern Gültigkeit, u. daß in Ermangelung derselben die Väter über die Confession der Kinder zu entscheiden, daß aber die Kinder, sofern keine väterliche [132] Entscheidung gegeben worden wäre, alle dem Bekenntniß des Vaters zu folgen hätten. Als mit Eintritt des 18. Jahrh. die G-n E. öfter vorkamen, überließ man Anfangs fast Alles der Privatübereinkunft, u. die Particulargesetzgebung traf nur für den Fall Vorkehrungen, wenn die Ehepacten über die Kindererziehung nichts bestimmten, wobei man entweder den obigen Grundsatz über das väterliche Vorrecht festhielt, od. auch festsetzte, daß die Kinder je nach dem Geschlecht im Glauben der Eltern erzogen würden. Die Römisch-katholische Kirche hat nun zwar von jeher die G-n E. nicht gebilligt, theils wegen des in ihr gültigen Lehrsatzes von der alleinseligmachenden Kirche, theils aus dem kirchenrechtlichen Grunde, daß das rechtliche Bestehen katholischer Kirchengemeinschaften von Rom nicht anerkannt wird; theils wegen der sacramentalen Eigenschaft der Ehe; u. sie hat sich stets bemüht, vor der Copulation das Versprechen der Brautleute, alle Kinder in der katholischen Religion zu erziehen, zu erlangen u. bei Schließung der Ehepacten für ihre Interessen zu wirken. Sie hat aber die G-n E. nicht zu verhindern vermocht, u. in der Periode der Toleranz, die unter Fürsten, wie Friedrich dem Großen u. Joseph II., in der zweiten Hälfte des 18. Jahrh. herrschte, konnte sie bei der Abneigung gegen confessionelle Strenge gegen die G-n E. nicht auftreten. Damals wurden die G-n E. ohne irgend eine Kränkung der evangelischen Brautleute u. ohne die Forderung der Erziehung sämmtlicher Kinder in der katholischen Confession in den katholischen Gotteshäusern in den meisten Ländern eingesegnet. Übrigens übte der Staat, z.B. Preußen, gegen die katholischen Geistlichen, welche sich weigerten, G. E. einzusegnen, keinen Zwang aus, sondern gab nur in diesen Fällen den Verlobten die Freiheit, die Trauung bei den evangelischen Geistlichen nachzusuchen, u. die katholische Geistlichkeit hatte dann nur das Aufgebot zu vollziehen u. das Ledigkeitszeugniß auszustellen, was nicht verweigert werden konnte. Allein nach den Freiheitskriegen wendeten sich die Bestrebungen der strengkirchlichen Richtung bes. gegen die G-n E., sie machte bei der Schließung derselben viel Schwierigkeiten, versagte die Einsegnung, sobald über die katholische Erziehung der Kinder keine Gewißheit vorlag, u. führte dadurch zu vielen Streitigkeiten, weshalb sich die neuere Gesetzgebung diesem Gegenstande wieder mehr zuwendete, ohne daß die der Differenz über die G-n E. zu Grunde liegende Principfrage über das Verhältniß des Staates zu der Kirche eine genügende Lösung fand.

Was nun die Grundsätze bei diesen gesetzgeberischen Arbeiten anlangt, so wurde von dem, von manchen Seiten gewünschten gänzlichen Verbot der G-n E., bes. wegen der in der Bundesacte Art. 16 garantirten Toleranz, ganz abgesehen. Auch die in Rußland geltende Bestimmung, daß die Kinder aus G-n E. nach dem Grundsatz: Cujus regio, ejus religio erzogen würden, hat man als ein Mittel bezeichnet, dessen Durchführung nur da erwartet werden kann, wo die Staatsgewalt auch auf dem kirchlichen Gebiete daraus unbeschränkt gebietet. Im Allgemeinen sucht die neuere Staatsgesetzgebung die G-n E. mehr zu erschweren, als zu erleichtern, indem sie damit manche nicht zu beseitigende Nachtheile verknüpft sieht; dagegen will sie dem katholischen Geistlichen solche kirchliche Handlungen ersparen, welche derselbe, ohne mit seinen Kirchengesetzen in Collision zu gerathen, nicht verrichten kann, od. für die er einen, von seinen Kirchenobern kaum zu erlangenden Dispens einholen müßte; u. auf der anderen Seite ist sie bemüht, die Freiheit der Eltern in Bezug auf die religiöse Erziehung der Kinder zu sichern u. namentlich keine Beeinträchtigung des väterlichen Rechtes zuzulassen. Demnach werden in mehreren Staaten, vorzüglich in solchen, wo der Protestantismus herrschend ist, alle Verträge theils vor, theils in der Ehe ausgeschlossen, u. die Kinder folgen alle entweder der Religion des Vaters od. der Mutter, od. die Söhne folgen der des Vaters u. die Töchter der der Mutter; während in anderen, z.B. in Österreich, Sachsen etc. Privatverträge theils vor, theils während der Ehe zugelassen wer den. Statt der kirchlichen Einsegnung ist dem katholischen Geistlichen, sofern ihm sein Kirchengesetz dieselbe nicht erlaubt, Assistentia passiva gestattet, wonach er der Handlung nicht als fungirender Geistlicher, sondern blos als Zeuge beiwohnt. Allein damit sind die Schwierigkeiten bei den G-n E. nicht beseitigt worden; so leistete man dieselbe in Österreich, wo die passive Assistenz am östersten vorkam, nicht ohne Ermächtigung dazu, die in den Regel nur zögernd u. unter gewissen, dem Gesetz nicht immer entsprechenden Präcautionen ertheilt wurde. Der in dem Pfarrhause vorgenommene Trauact besteht bei eingezogener Genehmigung darin, daß den Brautleuten ein Buch in die Hand gegeben wird, aus dem sie sich in Gegenwart zweier Zeugen gegenseitig das Gelübde der Treue vorlesen, worauf der Pfarrer erklärt, daß sie nun verbunden wären. Auf Grund des Concordats erließ 1857 der Erzbischof von Wien einen Hirtenbrief, wonach nur bei Bürgschaft wegen der Kindererziehung die kirchliche Einsegnung gestattet ist. Dem Versuch des Erzbischofs von Prag, auch die Assistentia passiva zu versagen, trat zwar die Regierung kräftig entgegen, dagegen verbot sie unter dem 23. Decbr. 1843 die nachträgliche Einsegnung der unter katholischer Assistenz getrauten Paare durch evangelische Geistliche. Anderwärts, z.B. in Rheinbaiern, suchte man die bereits rechtsgültig beschlossene protestantische Kindererziehung zu hintertreiben; in Baiern verlangt man ein eidliches Versprechen wegen der Kinder nur dann, wenn die Trauung nach katholischem Ritus geschieht; in Schlesien verbot der Bischof Knauer jede Trauung ohne das Versprechen der katholischen Kindererziehung, u. in Sachsen wurde für die katholischen Interessen theils durch die Absolutionsverweigerung, theils durch das für Erörterung der persönlichen Verhältnisse der Verlobten bestimmte sogenannte Brautexamen gewirkt, indem das Erscheinen protestantischer Parochianen vor katholischen Geistlichen zu Anfragen u. Verhandlungen über die religiöse Kindererziehung in G-n E. benutzt wurde. In Weimar ordnete ein Gesetz 1857 die Frage über die G-n E., indem es viele Beschränkungen aufhob u. die Kindererziehung nach der Confession des Vaters od., wenn beide Eltern es wollen, der Mutter festsetzte. In den außerdeutschen Ländern herrschte in Beziehung auf die G-n E. eine verschiedene Praxis; in Frankreich knüpfte man an die Dispensation zu einer G-n E. die Bedingung, die Kinder in der katholischen Religion[133] zu erziehen; in Ungarn war den Eltern fast völlige Freiheit gestattet, welche aber der katholische Clerus für seine Interessen vielfach benutzte; in der Schweiz waren in einigen Urcantonen die G-n E. unbedingt untersagt, u. gegen das eidgenössische Gesetz über die G-n E. ließ der Papst im März 1851 beim Bunde Protest einlegen. In Dänemark, wo die Civilehe gestattet ist, haben die Verlobten dem Beamten eine Erklärung abzugeben, wie die Kinder erzogen werden sollen, welche dem Protokoll beigefügt wird; doch kann nach späterer Übereinkunft eine so getroffene Bestimmung wieder geändert werden, wogegen bei Todesfällen der überlebende Theil diese Bestimmung nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Cultministeriums ändern kann. In der neuesten Zeit glaubte man die Differenzen über die G-n E. durch die Einführung der Civilehe (s.d.) beseitigen zu können. Am wichtigsten wurde die Frage über die G-n E. in Preußen. Nachdem das Gemeine Recht 1803 dahin verändert worden war, daß die Kinder, wo nicht die elterliche gemeinschaftliche Bestimmung etwas Anderes festsetzt, in der Kirche des Vaters erzogen werden sollten, was auch für die Rheinprovinz u. Westfalen seit 1825 galt u. wobei man entgegengesetzte Forderungen u. Bedingungen als unstatthaft bezeichnete, verweigerten die Geistlichen ohne Versprechen wegen der Kindererziehung die Trauung. Nach Berufung der päpstlichen Entscheidung bezeichnete Pius VIII. die G-n E. als unerlaubt, aber als gültig, gestattete die Einsegnung bei vorliegender Bürgschaft wegen der Kindererziehung, im entgegengesetzten Falle nur die Gegenwart des Pfarrers ohne kirchliche Feier (Praesentia passiva) u. ohne kirchliche Censuren. Nach geheimen Besprechungen Seitens der Regierung mit den Bischöfen, vereinigte man sich dahin, daß die kirchliche Trauung als Regel, die passive Assistenz nur für seltene Fälle als nöthig angesehen wurde. Der 1836 neu gewählte Erzbischof von Köln, Clemens Droste zu Vischering, obschon er die geheimen Besprechungen zu befolgen versprochen hatte, hielt sich gleichwohl streng an das Breve von 1830, u. daher entstand sein Conflict mit der Regierung (s.u. Köln), der auch in Ostpreußen mit dem Erzbischof von Dunin zum Ausbruch kam, indem derselbe jeden Priester wegen Einsegnung einer Ehe ohne Versprechen suspendirte. Der Streit über die G-n E. endigte damit, daß in Folge von Unterhandlungen Droste seine Stelle niederlegte, daß man die strenge Befolgung des Breves von 1830 frei gab, aber die protestantische Trauung gestattete. Ein neuer Streit mit dem Bischof Arnoldi von Trier 1853, der nur bei eidlicher Versicherung über die katholische Kindererziehung die Einsegnung der Ehen gestatten wollte, wurde durch die Erklärung des Königs, daß jeder Offizier bei Eingehung dieser Bedingung entlassen werden sollte, unterdrückt. Auch in anderen Staaten, z.B. in Baden u. Württemberg, gab es wegen der G-n E. Differenzen.

Seit 1848 kamen auch Heirathen zwischen Christen u. Nichtchristen öfter vor. In Braunschweig u. anderwärts wurde 1849 das Verbot der Ehen zwischen Christen u. Juden aufgehoben u. in Breslauwurde 1849 zum erstenmal eine Ehe zwischen einer Jüdin u. einem Christen mittelst civilrechtlichen Vertrags durch den Richter geschlossen u. dann eingesegnet, was auch in Weimar geschah. Anfangs 1850 wurde in Dänemark den. Predigern gesetzlich gestattet, Personen des mosaischen Glaubensbekenntnisses u. der Landeskirche, ohne vorher mehr die landesherrliche Erlaubniß einholen zu müssen, zu trauen, doch müssen die Kinder evangelisch-lutherisch erzogen werden. Ja selbst in Ferrara in Italien wurde eine derartige Ehe geschlossen, bei welcher, vermöge einer Bulle das Papstes Pius IX., jeder Theil seine Religion beibehielt. Zugleich wurden in den Ländern, wo sich Dissidenten constituirten, z.B. Deutschkatholiken, Freie Gemeinden etc. gesetzliche Bestimmungen erlassen, die theilweise sehr streng waren, wie z.B. die Dessauische Verfügung von 1851 das Aufgebot u. die Trauung der Mitglieder der Freien Gemeinde in den Evangelischen Kirchen untersagte. Im Übrigen ist aber wiederholt darauf hingewiesen worden, daß auch durch die Civilehe die Differenzen zwischen Katholiken u. Protestanten über die G-n E. nicht beseitigt werden dürften, indem damit die Einwirkung der Geistlichkeit auf die Kindererziehung nicht ausgeschlossen wird, wobei der Katholischen Kirche, der Evangelischen gegenüber, eine größere Menge Mittel zu Gebote stehen. Nach statistischen Nachrichten kamen in Preußen 1847 auf 27 Ehen eine gemischte, 1852 war das Verhältniß wie 1 zu 29. Es waren 1852 bei 4983 G-n E. der Bräutigam bei 2670 G-n E. katholisch. Im Allgemeinen ist in den östlichen Provinzen der Mann in den westlichen die Braut katholisch. Im Regierungsbezirk Breslau war jede siebente Ehe eine gemischte, im Regierungsbezirk Aachen jede 140. Vergl. Jakobsen, Über die G-n E. in Deutschland, bes. in Preußen, Lpz. 1838; v. Ammon, Die G-n E., Dresd. 1839, 2. A.; Kutschker, Über die G-n E. vom katholischen Standpunkt, Wien 1841; Bretschneider, Der Freiherr von Sandau, Lpz. 1839.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 7. Altenburg 1859, S. 132-134.
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