Quäker

[734] Quäker (engl. Quakers, d.h. Zitterer, so spottweis genannt, entweder wegen heftiger, fast zitternder Bewegungen in ihrem schwärmerischen Religionseifer, od. weil der Stifter am Schluß einer Rede vor dem Richter sprach: Zittert vor dem Wort des Herrn !); um die Mitte des 17. Jahrh. in der Revolutionszeit in England erstandene religiöse Secte, welche sich selbst Kinder des Lichtes od. weil Vereinigung in Freundschaft u. Gleichheit ihrer Glieder ein Hauptzweck ihrer Absonderung war, die Gesellschaft der Freunde (Society of Friends) od. kurz die Freunde (Friends) nannte. Sie ward von Georg Fox 1647 in Wales u. Leicester gestiftet, um welchen sich trotz der heftigen Verfolgungen bald so viel Anhänger sammelten, daß er zu Bedfort eine Generalversammlung ausschreiben konnte, 1654 seine Partei auch in London erblühen sah u. selbst erlebte, daß Gelehrte, wie Samuel Fisher, George Keith, William Penn u. Robert Barclay, sich zu seiner Secte wandten u. durch wissenschaftliche Darstellung ihre Ideen verbreiteten. Die Lehre der Q. ist nicht in symbolischen Büchern ausgesprochen, doch stehen die beiden Schriften Robert Barclay's: Catechesis et fidei confessio, 1673, Rotterd. 1676, u. Theologiae vere christianae apologia, Amsterd. 1676 (deutsch 1680, 1740), worin der Lehrbegriff in 15 Sätzen biblisch begründet ist, in hohem Ansehn. Ihre wichtigsten Lehren sind: Jeder, welcher den heiligen Geist durch anhaltendes Gebet sucht, wird auch außerordentlicher Offenbarungen theilhaftig, denn in jedem Menschen wohnt das innere Licht, welches über die Heilige Schrift zu setzen ist (welche sie blos als eine secundäre, unvollständige Offenbarung betrachten). Ihr Cultus ist einfach; ohne Glockenruf versammelt sich die Gemeinde in einem Bethause ohne Altar, Kanzel etc., ohne Gesang u. Musik. Mit bedecktem Haupt sitzen sie schweigend u. harren auf die Offenbarung des Geistes; wer sich von ihm ergriffen fühlt, Mann od. Weib, tritt vor der Versammlung auf, welche ihn stehend andachtsvoll anhört. Fühlen Mehre sich begeistert, so treten sie nach einander auf; kommt der Geist nach stundenlangem Warten nicht, so geht die Versammlung auseinander. Einen geistlichen Stand kennen sie zwar nicht, haben jedoch später befähigte Redner vorzugsweise mit dem Predigen beauftragt; sie nennen dieselben Diener der Gemeinde. Sie suchen Alles, fast bis zur Aufhebung der äußern historischen Thatsachen, zu verinnerlichen, verwerfen die Sacramente u. wollen statt derselben nur tägliche Abwaschung u. Stärkung des Gemüths. Die Verfassung ist rein demokratisch. Jede Gemeinde versammelt sich einmal im Monat, um ihre Angelegenheiten zu berathen; hier werden die Ältesten gewählt, die Schulangelegenheiten berathen, die Heirathen ihrer Glieder genehmigt od. abgeschlagen, über die Streitigkeiten Einzelner entschieden u. die Sittengerichte gehalten. Die Deputirten der Gemeinden eines Bezirks treten vierteljährlich zusammen, um in zweiter Instanz die Relationen der Gemeindeversammlungen zu erörtern, die Angelegenheiten der Kirche zu ordnen u. die Repräsentanten des Kreises zu den jährlichen Versammlungen zu ernennen, welche in letzter Instanz das Kirchenregiment führen. Alle sieben Provinzen, in welche die Secte sich theilt (New England mit New Hampshire, Massachusetts, Rhode-Island u. Connecticut, New York, Pennsylvanien mit New Jersey, Maryland, Virginien, Nord- u. Süd-Carolina mit Georgien u. London), halten diese Generalzusammenkünfte gleichzeitig. Die Wohlthätigkeitsanstalten werden durch freiwillige Beiträge sehr reich unterstützt u. fast fortwährend Missionäre zur Verbindung der Secten ausgesendet. Da die Q. die Entrichtung der Gefälle an Kirchen u. Geistliche verweigern, so mußte schon hierdurch die Existenz ihrer Secte in kirchlich eingerichteten Staaten schwierig werden; sie wurde dies noch mehr durch die strenge Moral, nach welcher sie den Eid, Leistung von Kriegsdiensten u. Kriegssteuern verweigerten, gegen den Genuß sinnlicher Vergnügungen, den Luxus, die Jagd u. das Theater eiferten, irgend ein Ansehn der Person (sie entblößen vor Niemand das Haupt, reden Jedermann mit Du an etc.) nicht gelten lassen, eine bestimmte Kleiderordnung (für die Männer dunkle Röcke ohne Knöpfe u. Hut mit breiten Rändern, für die Frauen grüne Schürzen u. schwarze Kopfbedeckung) ängstlich beobachten, die Monate u. Wochentage bloß nach der Zahlenordnung benennen etc. Dadurch bald ein Gegenstand des Spottes, wurden viele in das Gefängniß od. Tollhaus geworfen, u. auch in Deutschland, vorzüglich gegen Ende des 17. Jahrh. harte Verordnungen gegen sie erlassen. Doch hatten sie schon unter Cromwell u. Karl II. in London allein 32 Bethäuser, jetzt 20,000 Seelen, u. erhielten 1689 durch die Toleranzacte vollkommne kirchliche Freiheit, welche auch die kleine Quäkergemeinde in Friedensthal bei Pyrmont seit 1786 genießt. Eben so bestehn sie in Holland, vorzüglich in Friesland seit 1658, endlich in Nordamerika seit 1660, vorzüglich 1681 unter Penn, wo sie auf 150,000 Köpfe geschätzt werden u. die vollkommenste Freiheit genießen. Man ließ statt des Eides ihr einfaches Versprechen gelten, u. statt der Kriegsdienste müssen sie Abgaben entrichten. In Nordamerika entstand auch die Secte der Fechtenden od. Freien Q., welche den Kriegsdienst für erlaubt erklärten, u. aus welcher selbst Helden, wie Matlock, Green, Mifflin etc. hervorgingen. Später haben sie viel von der alten Strenge nachgelassen u. manche Sonderbarkeit abgelegt; diejenigen, welche dies gethan haben, werden Nasse (Flüssige, Nachgiebige)[734] genannt u. von den monatlichen Versammlungen ausgeschlossen; die strengen Q., deren Zahl sich fortwährend vermindert, heißen Trockene (Feste). In neurer Zeit hat sich von den rechtgläubigen Q-n, welche sich zur H. Schrift als göttlich inspirirter Offenbarungsquelle u. zu allen Wesenslehren des Schriftchristenthums bekannt hat, in Amerika eine rationalistisch-deistische Partei unter Elias Hicks (daher Hicksiten genannt, gegen 10,000) abgesondert, welche bes. in Pennsylvanien u. New Jersey verbreitet ist Im Gegensatz zu dem blosen Deismus dieser bildeten sich wieder 1837, zuerst in Manchester, die Evangelical Friends, welche auf einem entschieden biblischen Grunde mit ihrem Glauben stehen. Durch strenge, würdige Sitten ausgezeichnet, sind die Q. in der Regel Muster der häuslichen Tugend u. haben an Aufhebung des Sklavenhandels, an Wohlthätigkeitsanstalten, an Gefangenenpflege (s. z.B. Elisabeth Fry) etc. regen Antheil genommen. Ihr mehr auf das Praktische gerichteter Sinn, ihre Neigung zu Handel u. Gewerbe hat sie der Wissenschaft entfremdet, so daß nur die praktische Medicin mit einiger Vorliebe von ihnen getrieben wird. Ein poetisches Talent entstand dem Quäkerthum in Bern. Barton. Vgl. Penn, A summary of the history, doctrine and discipline of Friends, Lond. 1692; Brief account of the rise and progress of the people called Quakers, 1694 (beide deutsch von Seebohm, jenes 1792, dies 1798); Ger. Crösius, Historia Quakeriana, Amst. 1695; Sewell, Geschichte vom Ursprunge etc. der Q., holländ. Amst. 1717 (deutsch 1742, engl. 6. Ausg. Lond. 1834); Alberti, Nachricht von der Religion etc. der Q., Hannov. 1750; Rules of discipline of the relig. society of Friends, Lond. 1783, 3. A. 1834; Goughan, Hist. of the people called Q., Dubl. 1789, 4 Bde.; Clarkson, A portraiture of Quakerisme, Lond. 1806, 3 Bde.; Tuke, Die Religionsgrundsätze, zu welchen die Gesellschaft der Q. sich bekennt, engl. 1810, deutsch Lpz. 1828; Gurney, Observations on the religions peculiarities of the society of the Friends, Lond. 1824, n.A. 1834; Evans, Exposition of the fait of the relig. society of Friends, Philad. 1829; Wilkinson, On Quakerisme, Lond. 1838; Lods, Etude hist. et crit. sur le Quakerisme, Strasb. 1857; Schmid, Die Quäkergemeinde in Pyrmont, Braunschw. 1855.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 13. Altenburg 1861, S. 734-735.
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