Salm [4]

[794] Salm, zwei Grafschaften; Obersalm war bis zur Französischen Revolution eine deutschgefürstete Grafschaft im Wasgau, Niedersalm eine deutsche Grafschaft in den Ardennen. Als Stammvater der Fürsten u. Grafen S. wird Theoderich genannt, dessen Söhne Heinrich u. Karl 1040 die beiden Häuser Ober- u. Niedersalm stifteten. I. Obersalm theilte sich durch die zwei Brüder Simon II. u. Johann IV. in zwei Linien, von denen die letztere 1597 erlosch, worauf Johanns Landesantheil seine Tochter an Lothringen brachte; sein Enkel Nikolas II. erwarb Neuburg am Inn u. gründete die Linie Salm-Neuburg, welche 1784 wieder ausstarb. Die ältere Linie Simons erlosch 1475 im Mannsstamm, u. das Land kam 1475 durch Johannette, die Erbtochter Simons II., an deren Gemahl, den Rhein- u. Wildgrafen Johann od. Nikolaus V., welcher sich nun Graf von S. nannte, u. somit an das alte Geschlecht der Rheingrafen, welche im 13. Jahrh. schon Titel u. Güter der Wildgrafen zu Dhaun u. Kyrburg geerbt hatten, daher sind die jetzigen Linien S. nicht salmischen, sondern rheingräflichen Herkommens. Unter den Nachkommen Nikolaus' V. theilte sich das Haus Obersalm in die beiden Linien zu Dhaun u. Kyrburg. a) Die Dhaunische Linie spaltete sich in die Äste zu Dhaun, zu Grumbach u. zu Neufville; b) die Kyrburgische Liniein die Äste zu. Morchingen u. zu Kyrburg. Jeder dieser Äste zerfiel wieder in mehre Zweige. Der Dhaunische Ast zu Neufville erhielt 1670 die reichsfürstliche Würde, welche mit seinem Erlöschen an die Äste zu Hoogstraeten 1739 u. zu Lenz 1742 überging. Von dem Hause Obersalm, aus dem Hause der Wild- u. Rheingrafen, blühen gegenwärtig noch folgende Linien: der Hoogstraetensche Ast ist das jetzige fürstliche Haus A) Salm-Salm, welches 1739 den Reichsfürsten- u. 1741 den Herzogstitel von Hoogstraeten erhielt, in Folge der Französischen Revolution die ihm zustehende Hälfte der Grafschaft Obersalm im Wasgau u. die Wild- u. Rheingräflichen Länder verlor, 1803 aber zur Entschädigung ein 21 QM. haltendes Fürstenthum im ehemaligen Bisthum Münster erhielt. Die Besitzungen kamen 1810 mit Verlust der Souveränetät des Fürsten unter französische, in Folge des Wiener Congresses aber als Standesherrschaften unter preußische Oberhoheit. Die gegenwärtigen Besitzungen sind: die Herrschaften Ahaus u. Bocholt, das Herzogthum Hoogstraeten, die Aftergrafschaft Aloß in Flandern u. die Herrschaft Loon op Zand in Brabant. 1824 erhielt das Haus eine Virilstimme im ersten Stande der Provinzialstände vom preußischen Westfalen. Das Haus folgt der Katholischen Confession u. hat zu seinem Wohnsitz Anholt bei Bocholt; jetziger Chef ist: 1) Fürst Alfred, geb. 26. Dec. 1814, succedirte seinem Vater, dem Fürsten Florentin, 2. Aug. 1846; er ist seit 1836 mit Fürstin Auguste geb. Prinzessin von Croy-Dülmen vermählt; der Erbprinz Leopold ist 1838 geboren. Zu diesem Hause gehört noch eine seit 1847 gräfliche Nebenlinie, welche sich Salm-Hogstraeten nennt u. die Söhne u. deren Nachkommen des 1828 verstorbenen Fürsten Constantin, welcher der Großvater von S. 1) war, u. dessen dritter Gemahlin Katharina geb. Bender begreift; der alteste derselben ist 2) Graf Otto, geb. 1810, ist königlich sächsischer Oberlieutenant u. seit 1848 in zweiter Ehe mit Pauline geb. von Speth-Marchthal vermählt. Der Lenzische Ast formirt das jetzige fürstliche Haus B) Salm-Kyrburg; dieses erhielt 1742 den Titel als Reichsfürst u. 1763 als Fürst von Hornes u. Overisque; es verlor 1811 seine Souveränetät, kam später unter preußische Landeshoheit u. besitzt außer dem westfälischen Amte Kyrburg das Fürstenthum Hornes, bekennt sich zur Katholischen Confession u. hat seinen Wohnsitz zu Renneberg in der gleichnamigen Grafschaft am Rhein: 3) Fürst Friedrich III., Sohn des Fürsten Philipp Joseph, geb. 1745 in Limburg, wohnte fast immer in Paris; als 1789 die Unruhen in Holland ausbrachen, wußte er dem Hof in Versailles vorzuspiegeln, daß er eine große Partei in Holland besäße. Er wurde daher zum französischen Marechal de Camp ernannt, u. obgleich er sich in Holland sehr zweideutig benahm, erhielt er dennoch von den Patrioten das Commando von Utrecht, welches er aber bei dem Anrücken der Preußen ohne Schuß übergab u. nach Paris zurückkehrte. Dort commandirte er in der Revolution ein Bataillon Nationalgarde, wurde aber verhaftet u. 25. Juli 1794 hingerichtet. Seine Güter wurden später der Familie zurückgegeben. 4) Friedrich IV., geb. 14. Decbr. 1789 in Paris; Sohn des Vorigen, wurde von seiner Tante, der Füstin von Hohenzollern-Sigmaringen, erzogen u. besuchte seit 1806 die Militärschule in Fontainebleau, verließ diese aber heimlich u. ging nach Polen in das Hauptquartier Napoleons, wurde Souslieutenant im zehnten Husarenregiment u. kurz darauf Ordonnanzoffizier Napoleons; 1808 nach Spanien gesendet, wurde er dort Grand von Spanien erster Klasse, begab sich nachher zur Armee nach Deutschland, wohnte der Schlacht von Wagram bei u. wurde Oberst eines Chasseurregiments in Italien; er verließ nach dem Frieden den französischen Militärdienst, lebte seit 1815 mit Rosalie geb. Freiin von Bordeaux verheirathet, auf seinem Schlosse zu Ahaus in Westfalen u. in Paris u. st. 14. Aug. 1859. Jetziger Chef ist 5) Fürst Friedrich V. Ernst, Sohn des Vorigen, geb. 5. Nov. 1823, Fürst zu Ahaus u. Bocholt, Wild- u. Rheingraf, Graf von Renneberg, Grand von Spanien erster Klasse, preußischer Hauptmann à la suite, succedirte 1859 seinem Vater u. ist seit 1846 Wittwer von Prinzessin Eleonore von Tarente;[794] der Erbprinz Ludwig ist 1845 geboren. Der Dhaunische Ast zu Grumbach formirt gegenwärtig das fürstliche Haus C) Salm-Horstmar, welches für die 1802 an Frankreich verlorenen Besitzungen auf dem linken Rheinufer das 121/2 QM. haltende Amt Horstmar im Bisthum Münster erhielt, welches 1810 zu Frankreich u. 1815 unter preußische Oberhoheit kam. Das Haus erhielt 1817 die Fürstenwürde u. 1824 eine Virilstimme im ersten Stande der Provinzialstände vom preußischen Westfalen, folgt der Lutherischen Confession u. hat Coesfeld zu seinem Wohnsitz. Jetziger Chef ist 6) Fürst u. Rheingraf Friedrich, geb. 11. März 1799, Wildgraf zu Dhaun u. Kyrburg, Rheingraf zum Stein etc., ist seit 1826 mit Elisabeth geb. Reichsgräfin zu Solms-Rödelheim vermählt; sein ältester Sohn, Prinz Karl, ist 1830 geb., hat aber die Rechte der Erstgeburt an seinen Bruder Otto, geb. 1833, abgetreten.

II. Niedersalm. Die Linie Niedersalm, welche Karl gegründet hatte, starb 1413 mit Heinrich IV. aus u. die Lande derselben kamen an die Dynasten von Reifferscheid, welche nach u. nach die Graf- u. Herrschaften Dyck, Alster, Bedbur u. Hackenbroich erwarben. Unter den Urenkeln des Stifters entstanden 1639 die beiden noch jetzt blühenden Hauptlinien, welche der Katholischen Confession folgen u. den Titel Altgraf u. Altgräfin führen, obgleich sie dem fürstlichen Stande angehören. A) Salm-Reifferscheid, gestiftet von 7) Erich Adolf, st. 1678, theilte sich unter den Enkeln des Stifters in die Äste: a) sonst Salm-Bedbur, seit 1803 Salm-Reifferscheid-Krautheim, genannt von den gleichnamigen 6 QM. haltenden Ländereien in Franken, welche dieser Ast für seine im Luneviller Frieden verlorenen reichsständischen Besitzungen Reifferscheid u. Bedbur erhielt; 1804 wurden diese Ländereien zu einem Fürstenthum Krautheim erboben, welches durch den Rheinbund unter die Hoheit von Württemberg u. Baden gestellt wurde u. später durch Kauf an diese Länder kam. Wohnsitz ist Schloß Herschberg bei Meersburg am Bodensee u. Schloß Neu-Cilly in Steyermark. Jetziger Chef ist: 8) Fürst u. Altgraf Leopold, Sohn des 1856 verstorbenen Fürsten Constantin, geb. 14. März 1833, succedirte 1860 seinem Bruder Franz Karl, steht in österreichischen Militärdiensten u. ist nicht vermählt; sein Bruder Friedrich ist 1843 geboren. b) Salm-Reifferscheid-Hainspach, dieser seit 1455 gräfliche u. gräflich gebliebene Ast erhielt 1797 das Erbsilberkämmereramt im Königreich Böhmen, wo er seine Besitzungen hat. Jetziger Chef ist: 9) Reichs- u. Altgraf Franz, Sohn des 1847 verstorbenen Grafen Johann, geb. 31. Mai 1819, ist Erbsilberkämmerer des Königreichs Böhmen u. unvermählt, sein jüngerer Bruder Aloys ist 1820 geboren. c) Salm-Reifferscheid-Nieder-Krautheim, sonst Nieder- u. Alt-Salm in den Ardennen, aus welchem berühmt geworden ist: 10) Graf Niklas, geb. 1458 zu Niedersalm in den Ardennen, focht bei Granson u. Murten gegen die Burgunder, dann wider die Ungarn, Venedig u. Frankreich, nahm in der Schlacht von Pavia 1525 Franz I. gefangen, schlug 1529 die Partei des Zapolya in Ungarn, half Wien vom 23. Sept. bis 15. Oct. desselben Jahres gegen Soliman II. vertheidigen u. starb in Folge einer dabei erhaltenen Wunde 4. Mai 1530. Karl V. u. Ferdinand I. ließen ihm ein Denkmal errichten, welches jetzt auf der Salmschen Herrschaft Raitz bei Brünn in Mähren steht. Dieser Ast erhielt 1784 die mährischen Herrschaften Raitz, Jedornitz u. Blansko, wurde 1790 in den Reichsfürstenstand erhoben u. für die in der Grafschaft Niedersalm verlorenen Hoheitsrechte durch eine Rente von 12,000 Gulden u. die Abtei Schönthal in Württemberg entschädigt; hat seinen Wohnsitz in Raitz bei Brünn. Chef dieses Astes ist: 11) Fürst u. Altgraf Hugo, Sohn des 1836 verstorbenen Altgrafen Hugo Franz, geb. 15. Sept. 1803, succedirte seinem Großvater, dem Fürsten Karl, 1838 im Fürstentitel, ist österreichischer Reichsrath u. wirklicher Geheimer Rath u. seit 1830 mit Fürstin Leopoldine geb. Prinzessin von Salm-Reifferscheid-Krautheim vermählt; sein ältester Sohn Hugo ist geb. 1832. B) Salm-Reifferscheid-Dyck, gestiftet von 12) Ernst Florentin, Bruder von S. 7), st. 1684, besitzt die Herrschaften Dyck, Hackenbroich, Alster, Ramersdorf u. Bainit; sie wurde 1816 in den preußischen Fürstenstand erhoben u. erhielt 1827 eine Virilstimme im ersten Stande der preußischen Rheinprovinz; Residenz ist Dyck bei Neuß am Rhein. 13) Fürst Joseph, Sohn des 1775 verstorbenen Altgrafen Franz Wilhelm, geb. 4. Sept. 1773, st. als preußischer Generalmajor 21. März 1861 in Nizza. Seine zweite Gemahlin war 14) Constanze, stammte aus dem altadeligen Geschlechte de Théis in der Picardie u. war geb. 7. Nov 1767 in Nantes, eine Frau von ausgezeichneter Bildung u. Dichtertalent; sie war 1789 an den Chirurgen Pipelet verheirathet, ging mit diesem nach Paris, wo sie Wittwe geworden 1803 den Fürsten Joseph heirathete; sie st. 13. April 1845 in Paris u. schr. das Trauerspiel Sappho (1794); Epître aux femmes; Vingt-quatre heures d'une femme sensible, n. A. Par. 1825 (deutsch von A. Gathy, Kiel 1841); Poésies, Par. 1817; Mes soixante années, ou mes souvenirs poétiques et littéraires, ebd. 1833; Werke, ebd. 1843, 4 Bde. Jetziger Chef ist 15) Fürst Alfred, Neffe des Vor., Sohn des 1826 verstorbenen Fürsten Franz, geb. 31. Mai 1811, succedirte 1861 seinem Oheim, dem Fürsten Joseph. Den fürstlichen Linien des Geschlechtes S. kommt in Folge Bundesversammlungsbeschlusses vom 13. Aug. 1825 das Prädicat Durchlaucht zu. Vgl. Fahne, Geschichte der Grafen, jetzigen Fürsten zu Salm-Reifferscheid, Köln 1858, 2 Bde.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 14. Altenburg 1862, S. 794-795.
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