2. Adler fangen keine Fliegen. – Blum, 349; Günther, 43; Sprenger IV.
Edle und erhabene Naturen befassen sich nicht mit Dingen, die unter ihrer Würde sind. Hoher Sinn verachtet das Gemeine.
Engl.: A goss-hawk beats not a bunting.
It.: L'aquila non caccia (mangia piglia) mosche.
Lat.: Aquila non captat muscas. (Erasm., 163.)
3. Adler fliegen gern allein. – Sprichwörtergarten, 222.
»Der Starke ist am mächtigsten allein.« (Schiller.)
4. Adler haben grosse Flügel, aber auch scharfe Klauen.
Die Grossen der Erde haben wol grosse Macht, aber auch grosse Gewalt, wehe zu thun.
5. Adler zeugen Adler.
Grosses stammt von wahrhaft Grossem.
6. An einem todten Adler rupft jede Krähe.
7. Auch ein Adler kann nicht hoch fliegen, wenn er einen Balken am Bein hat.
Sorge und Kummer drückt auch einen kühnen Geist danieder.
8. Besser von einem Adler verzehrt, als von einem schwarzen Raben gefressen. (Kronstadt.)
9. Der Adler geht auf die Fliegenjagd.
Wenn sich grosse Männer zu sehr um Kleinigkeiten bekümmern.
Lat.: Aquila venatur muscas. (Erasm., 163.)
10. Der Adler sieht das Luder wol (oder: sieht wol den Fang), aber nicht den Jäger.
11. Der Adler steigt allein, Kühe und Schafe gehen miteinander.
12. Ein Adler, der zur Sonne will, muss nicht die Flügel hängen.
Muthlosigkeit verträgt sich mit grossen Zwecken nicht.
13. Ein Adler fängt nicht Mücken (Fliegen). – Sprenger III.
14. Ein Adler fliegt hoch, aber ein Königlein viel höher.
15. Ein Adler fürchtet sich nicht, wenn auch hundert Staare um ihn schreien. – Sprichwörtergarten, 334.
16. Ein Adler heckt keine Taube (kein Zeislein). – Blum, 137.
Aber eine Taube auch keinen Adler. – Dem Furchtbaren und Grausamen darf man keine sanfte, liebevolle Handlungsweise zutrauen.
It.: D'Aquila non nasce colomba; oder: L'Aquila non genera colomba.
Lat.: Aquila non generat columbam.
Ung.: Nem lesz a bagolynak soha sólyom fia.
17. Ein Adler sieht sich nicht nach Holzböcken um.
Zwar entgehen sie seinen scharfen Augen nicht; aber er verschmäht es, sie zu verfolgen. Wahrhafte Grösse verachtet das Kleinliche.
Lat.: Aquila thripes aspiciens. (Erasm., 163.)
18. Ein alter Adler ist besser als ein junger Zaunkönig.
Von einem rüstigen und kräftigen Alter, welches vorzüglicher ist als manche Jugend; denn ein alter Adler ist einem Zaunkönige im besten Alter vorzuziehen.
19. Ein alter Adler ist stärker als eine junge Krähe.
Ein rüstiges, kräftiges Alter leistet mehr als eine kraftlose Jugend.
Lat.: Aquilae senectu, corydi juventa. (Erasm., 276.)
20. Ein guter Adler hat den Schnabel stets gewetzt.
21. Einem Adler steht die ganze Luft, dem weisen Manne die ganze Erde offen.
22. Einen Adler, der nicht soll in die Ferne blicken, muss man jung erdrücken.
23. Je höher der Adler schwebt, desto kleiner erscheint ihm die Krähe.
24. Was zum Adler geboren ist, bleibt keine Krähe.
25. Wenn auch der Adler stirbt, so wird die Eule noch nicht König.
26. Wenn der Adler ausfliegt, kommen alle Kleinvögel zusammen.
27. Wenn der Adler todt ist, kann ihm eine Krähe die Augen aushacken.
28. Wenn die jungen Adler das erste mal ausflattern, fliegen die alten mit.
Aelterliche Sorgfalt.
29. Wer ein Adler sein kann, muss sich nicht unter die Krähen mischen (muss keine Krähen regieren).
Lat.: Aquila cum esse queas inter graculos primus ne opta. (Nazian.)
[31] 30. Wo der Adler zu schwach ist, muss der Zaunkönig helfen.
31. Wo ein Adler nicht fortkann, findet die Fliege zehn Wege.
Oft ist die Grösse beschwerlich; auch Kleinheit und Niedrigkeit haben ihre Vortheile.
*32. Den Adler mit der Nachteule vergleichen.
Der Adler, der in die Sonne sehen kann, und die Nachteule, die nicht Tageslicht erträgt.
Lat.: Aquilam noctuae comparas. (Martial.) (Erasm., 267.)
*33. Ein Adler wird eher das Fliegen vergessen – als dass dies oder jenes geschehen wird.
*34. Einen doppelten Adler machen.
Besonders von uneinigen Eheleuten, die einander im Bett den Rücken zukehren.
*35. Er will den Adler fliegen lehren.
Jemand darin unterrichten, worin er selbst Meister ist, also etwas sehr Ueberflüssiges und Undankbares thun.
Lat.: Aquilam volare doces. (Erasm., 390.)
*36. Es ist zu haben wie ein Adler in den Wolken.
Von etwas Grossem, das nicht bald erreicht wird, oder von solchen, die andern weit überlegen sind.
Lat.: Aquila in nubibus. (Plutarch.) (Erasm., 275.)
*37. Nu muset der Adalar. – Suchenwwirth.
Der Kaiser wechselt, oder verliert nun die Federn.
zu1.
Holl.: Arenden brengen geene duiven voort. (Bohn I, 299.)
It.: D' aquila non nasce colomba. (Giani, 129.) – Non è onore all' aquila il vincer la colomba. (Bohn I, 971.)
zu2.
Mhd.: Ze grossen dingen scholt dich piegen von chain adler vàhet fliegen. (Ring.) (Zingerle, 195.)
Böhm.: Orel much nelapá. (Čelakovský, 90.)
Frz.: L'aigle ne s'amuse point à prendre les mouches. (Masson, 11; Bohn I, 29.)
Holl.: Arenden vangen geene vliegen. (Bohn I, 299.)
It.: L' aquila non fa guerra ai ranocchi. (Bohn I, 107.)
Schwed.: Örnen fångor inga flugor. (Marin, 28.) Binder I, 78; II, 213; Faselius, 20; Philippi, I, 37; Seybold, 33; Wiegand, 5.
zu13.
It.: L' aquila non mangia mosche. (Giani, 128.)
zu16.
Frz.: Un loup n'engendre pas une brebis.Philippi, I, 37; Binder I, 76; II, 214; Seybold, 33.
zu33.
Abraham a Sancta Clara, Lauberhüttenfest, 1721.
zu34.
Auch: Den russischen Adler machen, um zu sagen: Einander erzürnt den Rücken kehren. (Frischbier, I, 28.) – »Als hätten sie einen doppelten Adler präsentiren wollen.« (Grimmelshausen, Vogelnest, II.)
zu35.
Zu Lat. Binder I, 77; II, 216; Faselius, 20; Germberg, I, 5; Philippi, I, 37; Seybold, 33; Wiegand, 506; Tappius, 31a.
38. Adelers Federn thun grossen Schaden, wenn sie unter fremde gemengt werden. – Petri, II, 3.
39. Adler legen ihre Eier nicht in Spatzennester. – Storch, Freiknecht, II, 265.
40. Adler kriegen nicht mit Fröschen. – Winckler, XV, 15.
[717] 41. Auch ein Adler darf nicht zu hoch fliegen.
Dän.: Naar örnen fly ver for högt, saa braender han fierene. (Prov. dan., 448.)
42. Beschneide dem Adler die Flügel, er bleibt ein Adler. – Scheidem., II, 114.
43. Dem Adler trägt es wenig Ehre ein, Besieger einer Taube sein.
It.: Niuna gloria è ad an' aquila aver vinto una colomba. (Giani, 130.)
44. Der Adler fängt keine Mücken. – Rollenh. Froschmeysler, 595; Simrock, 101.
45. Der Adler hoch von Muth hat furchtsam Tauben nie gebrut. – Schildbürger, 1597.
46. Der Adler ist wahrscheinlich aus dem Preussischen herüber gekommen, sagte der Oesterreicher zu einem Landjunker, der es nicht glauben wollte, dass der geschossene Vogel ein Adler sei, weil er nur Einen Kopf habe.
47. Die Adler nisten hoch vnd fallen doch auffen Boden. – Lehmann, 940, 19.
48. Ein Adler bleibt ein Adler, ein Schröter muss sich seines eigen Leubs behelffen. – Petri, II, 63.
49. Ein Adler brütet keine Kibitzeier. – Thomas, 1791.
50. Ein Adler hecket keinen Spatz. – Langbein, Gedichte, 1004.
51. Ein Adler in Thaten, eine Schnecke im Rathen. – Weisthümer, 9.
52. Ein Adler lässt sich auf keinen Rohrhalm nieder. – Altmann VI, 403.
53. Ein Adler schläft auch zuweilen. – Opitz, Gedichte, 1629.
54. Ein junger Adler, der nicht in die Sonne sehen kann, wird aus dem Nest geworfen.
Dän.: Den örne-unge, som ikke kand stirre paa selen, nedstödes af reeden som vanslaegtning. (Prov. dan., 448.)
55. Ein junger Adler kann mit seinem weichen Schnabel mehr ausrichten als ein alter Rabe mit seinem harten. – Altmann VI, 491.
56. Es meint mancher, er sey ein Adler, und ist kaum eine Mücke. – Wirth, I, 2.
57. Kannst du ein Adler sein, so herrsche nicht bloss über Spatzen. – Altmann VI, 403.
58. Kannst du nicht ein Adler sein, halt dich wie die Schnecke fein.
59. Kein Adler hackt dem andern die Augen aus. – Rollenh. Froschmeysler, 1595.
60. Mit einem Adler wird man keinen Zaunkönig fangen.
61. Was man am Adler lobt, das tadelt man an Tauben. – Langbein, Gedichte, 1788.
62. Wenn der Adler singet, so schweygen die vogel still. – Lichtberger practica, 1530.
63. Wenn es auch an Adlern fehlt, wird die Eule noch nicht Königin.
»Es wird doch niemand sich der Eulen Schutz ergeben, ob auch schon in der Welt kein Adler sollte leben.« (Pers. Rosenthal.)
64. Wenn sich die Adler einst einmal auf den Mäusefang legen, dann jagen sie nie mehr einen Hasen auf. – Altmann VI, 443.
65. Wer beim Adler keine Hülfe findet, darf sie nicht bei der Eule suchen.
Dän.: Den ey kand faae hjelp af örnen han söge den ey hos uglen. (Prov. dan., 448.)
66. Wo der Adler nistet, kleckst die Schwalbe nicht an. – Klopstock, Gelehrtenrepublik, 1774.
*67. Den Adler zum Hüter der Austernbank machen. – Altmann VI, 524.
*68. Du kannst mit mir in Adler (s. 34) kommen. (Schwaben.)
Buchempfehlung
Die vorliegende Übersetzung gibt den wesentlichen Inhalt zweier chinesischer Sammelwerke aus dem ersten vorchristlichen Jahrhundert wieder, die Aufzeichnungen über die Sitten der beiden Vettern Dai De und Dai Schen. In diesen Sammlungen ist der Niederschlag der konfuzianischen Lehre in den Jahrhunderten nach des Meisters Tod enthalten.
278 Seiten, 13.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.
434 Seiten, 19.80 Euro