1. Auch alte Störche lassen das Reisen nicht.
2. Bleiben die Störche noch nach Bartholomä (24. August), so kommt ein Winter, der thut nicht weh.
3. De Storch bringt de Quêkstert op 'em Zagel. (Dönhofstädt.)
4. De Störk is sîn Fêren (Federn) ewen sô gôd nödig as de Lüning (Sperling). (Ostfries.) – Frommann, IV, 285, 382; Bueren, 380; Hauskalender, III.
5. De Störken nögt (nöthigt, einladet), moet Poggen (Frösche) hebben. (Ostfries.) – Frommann, IV, 142, 344; Bueren, 248; Stürenburg, 180a; Hauskalender, II.
Wer Gäste bittet, muss für ihre Bewirthung sorgen.
6. Dem Storche gefelt sein Klappern wohl. – Lehmann, 646, 57; Eiselein, 581; Sailer, 197; Lohrengel, I, 131; Simrock, 9931; Braun, I, 4312.
Lat.: Ipsa sibi plaudit crepitante ciconia rostro. (Eiselein, 581.)
7. Der Storch baut sein Nest auf keine Mühle, weil er fürchtet, der Müller stehle ihm die Eier. – Haupt, III, 32, 44; Zinkgref, IV, 560.
8. Der Storch bereitet zuuor die Herberge; vber neun Tage erst folgt sein gemahl hin nach. – Petri, II, 107.
9. Der Storch hört sein Klappern gern. – Petri, II, 107.
10. Der Storch klappert, so lange er lebt. – Schlechta, 418.
11. Der Storch liebt den Sumpf der Frösche wegen.
12. Die Störche fliegen hoch und tragen im Schnabel Kröten und Schlangen. – Eiselein, 580; Simrock, 9929.
13. Die Störche kommen miteinander.
Lat.: Omne simile amat simile. (Chaos, 63.)
[880] 14. Ein hungriger Storch klappert nicht umsonst mit dem Schnabel.
15. Ein kluger Storch zieht den Fröschen (Eidechsen) nach. – Altmann V, 120.
16. Ein Storch achtet auf Würmer.
Lat.: Candida venit avis longis in visa colubris. (Virgil.)
17. Ein Storch heisst den andern Langhals. – Simrock, 9932a.
18. Ein Storch macht keinen Sommer.
Holl.: Een ooijevaar maakt geen' zomer. (Harrebomée, II, 146a.)
19. Ein Storck vnter dem Himmel weiss seine zeit. – Petri, II, 228.
20. Es baut ke (kein) Sturich of e Schustershaus, d'r Garber kömmt on hölt'n 'raus. (Henneberg.) – Frommann, II, 408, 36.
21. Findet der Storch zu Sanct-Petri (Stuhlfeier, 22. Febr.) offen den Bach, so kommt keine Frostdecke nach. – Boebel, 13.
22. Göh d' Storche gly furt, git's gly Winter und gly Früelig, göh sie spot furt, git's spot Winter und spot Früelig. (Solothurn.) – Schild, 111, 101.
23. Lass den Storch in seinem Nest zufrieden, so darffstu dess Balbierers nicht. – Oec. rur.; Simrock, 9930.
Es wird behauptet, dass die Störche an denen, die sie dort beunruhigen und beleidigen, empfindliche Rache nehmen. Ein Beispiel davon wird von Th. Bondi in seiner Thierstudie der Storch (Hausfreund, 1872, S. 750) erwähnt, wo sich auch Fälle erzählt finden, wie die Störche die gebrochene eheliche Treue strafen. Nach dem Volksglauben bringt der Storch dem Hause, auf dessen Schornstein oder in dessen Nähe er sein Nest baut, Glück; auch soll ein Haus, auf dem Störche nisten, vor dem Feuer geschützt sein. Die Tschechen behaupten sogar, er mache Feuerlärm, wenn ein Brand entstehe, indem er so lange klappere, bis die Leute aufwachen und löschen. In der Ukraine glaubt man, ein Storch, dessen Nest man störe, räche sich dadurch, dass er einen Feuerbrand herbeischleppe und das Haus in Brand stecke. (Ausland, 1871, Nr. 9.)
Lat.: Fac tua quae tua sunt, quae sunt aliena velinque. (Eiselein, 580.)
24. Lass die Störche klappern, es ist ihr Gesang. – Parömiakon, 2117.
25. Man muss die Störck lassen klappern, sie habens nit besser gelernet. – Lehmann, 542, 97.
26. Mancher ist wie ein Storck, er sucht immer sein Nest wieder. – Lehmann, 112, 5.
27. Nun sollen einmal die Störche kommen, sagten die Frösche in einer Versammlung, und tauchten schnell unter als ein Kiebitz vorüber flog.
Aehnlich russisch Altmann VI, 500.
28. Störche und Weiber nisten gern hoch.
Sie sind eitel, hochmüthig, sitzen gern obenan.
29. Stürk, Stürk, Langbên, hest dîn Vader un Moder nêt sehn. Up dat hoge Böhntje (Boden) breng mi'n lüttjet Söhntje. – Kern, 853.
Einer der vielen Reimsprüche, mit denen die Kinder den Storch begrüssen, wenn er im Frühjahr wiederkommt.
30. Wenn der Storch die Erbsstoppel sieht, jagt er die Jungen vom Nest. – Eiselein, 580; Simrock, 9928; Körte, 5751; Braun, I, 4310.
31. Wenn die junge Storche-n-acht Tag no Peter und Pauli (29. Juni) no in Näst sy1, so möge si a Peter Chattefyr, wenn die alte furt göh, nit noche g'flüge-n und müeste de Winter über do blybe. (Solothurn.) – Schild, 106, 61.
32. Wenn die Störch' mit dem Ross zu Tanz gehn, so ist's um ihre Beine geschehn.
Schwed.: När at tranan gär danz med stodbästen, så får hon bratna been. (Grubb, 586.)
33. Wenn die Störche Eier aus dem Neste fegen, gibt's ein Jahr mit viel Regen. (Ostpreuss.)
34. Wenn die Störche zeitig reisen, kommt ein Winter von Eisen.
35. Wer die Störche vertreibt, vertreibt die Freiheit.
»Mit uns (den Störchen) wird, wie das Sprichwort sagt, die Freiheit aus dem Land' gejagt.« (Pfeffel, Fabeln und Erzählungen.)
[881] 36. Wer sich Störche hält, muss auch für Frösche sorgen.
Die Russen: Wer sich Nachtigallen hält, muss auch für Tarakumen sorgen. (Altmann VI, 477.)
37. Wirft der Storch aus dem Nest eins von der jungen Schar, so gibt es ein trockenes Jahr. (Ostpreuss.)
38. Wo die Störche nisten, sterben keine Wöchnerinnen.
Ist aus der abergläubischen Hochachtung der Landleute gegen die Vögel zu erklären. Ein Ausleger (der Holländer Tuinmann) meint zwar, Wöchnerinnen stürben deshalb da nicht, wo die Störche nisteten, weil diese ihr Nest auf dem Dache hätten, wo nie eine Wöchnerin hinkomme, und daher auch nicht da sterben könne.
Holl.: Waar de ooijevaars nestelen, sterven geene kraamvrouwen. (Harrebomée, II, 146b.)
39. Wo man die Störche duldet, da nisten sie.
*40. Brat' mir einen Storch.
In Berlin für: Lass mich in Ruhe. (Trachsel, 55.) Auch wol verhüllend für Ellenbogen 6.
*41. Bi hum kummt boll de Stürk. – Kern, 852.
Die Entbindung seiner Frau steht bald bevor.
*42. De Stoerk ies kuemen. (Westf.)
*43. De Stürk hett hör in dat Bên beten. – Kern, 851.
*44. Dem Storche flohen.
Dem Storche die Flöhe suchen. Wird in der Gegend von Bolkenhain und Landeshut in Schlesien gebraucht, um unnütze Arbeit zu bezeichnen.
*45. Den Storch klappern lehren. – Altmann VI, 515.
*46. Den Storch lausen. (Schles.) – Weinhold, 94.
Etwas Schwieriges und Unfruchtbares treiben.
*47. Den Storch zum Aufseher der Frösche machen.
Die Russen: Dem Storch den Froschteich in Verwahrsam geben. (Altmann VI, 524.)
*48. Der Storch bringt die kleinen Kinder. – Lazarus, XVII, 121.
Der Storch gehört zu den Vögeln, die mit Sagen aus der vorchristlichen Zeit umgeben sind. Den geflügelten Blitz schauten unsere Vorältern vor Jahrtausenden als einen schnellen Vogel an, der den tropfenden Funken des Blitzfeuers zur Erde tragen müsse. Bald war es ein Adler, bald ein Falke. Am deutlichsten tritt diese Mythe bei dem rothbeinigen Storche hervor. Sobald man ihn tödtet oder sein Nest zu zerstören sucht, zuckt nach dem Volksglauben der Blitz aus der Wolke hervor, um das Haus des Frevlers in Flammen aufgehen zu lassen. Wenn die Störche um den Thurm flattern, so deutet dies auf eine baldige Feuersbrunst. Die rothen Beine der Thiere weisen auf die Leibfarbe des rothbartigen Donnergottes hin, der gleich Jupiter seine Blitze mit rother Hand schleudert. Nach der Volkssage kam ein gereitzer Storch, dem man seine Jungen aus dem Nest gestossen hatte, mit einem Feuerbrand geflogen, warf ihn in das Nest, sodass das ganze Gebäude niederbrannte. Wenn man dagegen dem heiligen Vogel ein Wagenrad, das Abbild des Sonnenrades, aufs Dach legt, so kann kein Gewitter der Wohnung schaden, wie einem Hause das Feuer, auch wenn die Nachbarschaft abbrennt, etwas schaden kann, wenn die Störche auf demselben brüten, denn die Störche tragen selber Wasser herzu und lassen es löschend aus der Luft in die Flammen fallen, was an den Gewitterregen erinnert, der dem blitztragenden Vogel als Götterbote nachrauscht. Der Storch ist der Holm oder Holla, einer der vielen Namen der heutigen Volkssage für Freija, der germanischen Himmelsgöttin gewidmet. Holla nimmt im Brunnen des himmlischen Gewässers die Seelen der Verstorbenen in Empfang und sendet sie wiedergeboren als Kinderseelen auf die Erde zurück. Aus dem Berge oder Brunnen, worin die Göttin mit mütterlicher Sorgfalt die Seelen hütet, holt nun der Storch, der Götterbote, sie ab, damit sie in menschliche Gestalten eingehen. Daher die Sage vom Jungbrunnen oder Queckborn mit seiner verjüngenden Kraft und der Ursprung des Glaubens, dass die Seelen der neugeborenen Kinder aus dem Brunnen kommen. In Luserna, einem an der österreichisch-italienischen Grenze, 4000 Fuss über dem Articothale liegenden Dorfe, heisst es dafür: Die Kinder bringt Frau Klafter; sie hat die Kinder in grossen Fässern und nährt sie mit Lehm. (Vgl. Gartenlaube, 1873, Nr. 52, S. 846.) In mehreren Mundarten heisst der Vogel ⇒ Adebar (s.d.) oder Odebar, ein Ausdruck, der mit beron = tragen zusammenhängt und wörtlich Kinderträger oder Seelenbringer bedeutet. In Dresden holt der Klapperstorch die Kinder aus dem dortigen Queckbrunnen, welcher der Vorstadt vor dem katholischen Waisenhause auch den Namen gegeben hat. Zwar haben die Geistlichen den Brunnen schon längst der Jungfrau Maria geweiht, die aber nur das Geschäft des Storchs fortsetzt, der übrigens noch als Wetterhahn über der Kapelle, im Schnabel sowol als in den Fängen ein Wickelkind tragend, zu sehen ist. Der [882] Storch ist übrigens nicht blos ein Kinder-, sondern überhaupt ein segenbringender Vogel, weshalb die Landleute sich freuen, wenn er auf ihren Häusern und Scheunen nistet. Man erleichtert ihm daher seine Ansiedelung besonders dadurch, dass man ihm als Grund zu seinem Nestbau ein Wagenrad auf die Dachfirsten legt. Auch von prophetischer Bedeutung ist es, in welcher Weise man Meister Langbein (Langebên) zuerst im Frühjahr erblickt. Wer zuerst einen fliegenden Storch erblickt, der wird auch das ganze Jahr hindurch fleissig sein, wogegen der auf dem Neste sitzende Unthätigkeit andeutet. Als Attilla die Stadt Aquileja lange vergeblich belagert hatte und eben abziehen wollte, bemerkte er, dass die Störche ihre Jungen aus den auf den Häusern der Stadt befindlichen Nestern forttrugen. Diese Wahrnehmung benutzte er, seinem Heere neuen Muth einzuflössen. Die Vögel sagte er, sind der Zukunft kundig; sie räumen ihre Nester, die Stadt kann sich nicht mehr halten. Er griff an und zerstörte die Stadt. (Vgl. Der Storch, eine Thier- und Culturstudie von Th. Bondi im Hausfreund, 1872, S. 748.)
*49. Der Storch hat die Mutter ins Bein gebissen.
Mit dieser Redensart erklärt man den Kindern die Krankheit entbundener Mütter. Man bringt sie in Zusammenhang mit der mythologischen Vorstellung von Geburten aus dem Bein. (Vgl. Manhardt, Germ. Mythologie, S. 305.)
*50. Er ist Storch und Klappermaul. – Eiselein, 580; Simrock, 9933.
*51. Er ist wie der Storch, er sucht immer sein Nest wieder.
Von denen, die gern daheim sind.
*52. Er lobt den Storch, damit er ihm über's Jahr rothe Schuhe bringe. – Simrock, 9932; Braun, I, 4311; Körte, 5752.
*53. Es ist ein Storch, der mit dem Zuge nicht fort kann.
Holl.: Hij is als de ooijevaar, die den troep niet volgen kan, en alleen achter bleef. (Harrebomée, II, 146a.)
*54. Es ist mir als wenn der Storch einen Frosch bekommen hat. (Meiningen.)
Noch so hohl im Magen, der nach mehr verlangt.
*55. Met den Stöerken im Process siyn. (Westf.)
*56. Mit den Störchen im Process liegen.
Dünne Beine, keine Waden haben.
*57. Nun brat' mir einer einen Storch, aber die Beine knusprig. (Bautzen.)
*58. Nun brat' mir einer einen Storchen. (Rottenburg.)
*59. Nu brate mir einer einen Storch, aber einen milchernen!
In Berlin. Ausruf des Erstaunens, der Verwunderung und des Unglaubens. (Trachsel, 54.)
*60. Sie wollen Störche sein und vertilgen Pfannkuchen statt Frösche.
*61. Vertell mi nuscht vom Storch sîne Hinderbêne. – Frischbier2, 3650.
Zur Abweisung unwahrer oder abgeschmackter Erzählungen.
*62. Viel Störch' und wenig Frösche.
»Viel Störche wären so, doch wenig Frösche da, wächst uns hier Brot und Bier wie in Utopia.« (Keller, 176a.)
*63. Wenn d' Storche 's erst Emtbirrli1 g'seh, so göh si furt. (Solothurn.) – Schild, 107, 70.
1) Ein Schober von Emt.
*64. Wie tritt der Storch unter den Fröschen so hoch einher. – Eiselein, 580.
65. Die Störche ohne Zunge, die Bienen ohne Lunge, die Tauben ohne Galle hilft für die siebenundsiebzig Fieber alle. – Neue Illustrirte Zeitung, 1879, I, 7.
Westfälischer Fiebersegen.
66. Wo der Storch seinen Schnabel zur Thür hereinsteckt, gibt's auch für die Buben was, das ihnen schmeckt. – Egerbote, 1875, S. 63.
Bezieht sich auf die alte Gewohnheit, bei Gelegenheit des Taufschmauses Backwerk und andere Näschereien an die Dorfkinder zu vertheilen.
*67. Der Storch ist über ihrem Hause weggeflogen.
Sie haben keine Kinder.
*68. König Storch für den König Klotz eintauschen.
»Die Bulgaren, welche bisher seit Jahrhunderten keine Blutsteuer mit Militärdienst zahlten, werden bald empfinden, dass sie König Storch für den harmlosen König Klotz eingetauscht.« (Neue Freie Presse, 5055.)
Buchempfehlung
Epicharis ist eine freigelassene Sklavin, die von den Attentatsplänen auf Kaiser Nero wusste. Sie wird gefasst und soll unter der Folter die Namen der Täter nennen. Sie widersteht und tötet sich selbst. Nach Agrippina das zweite Nero-Drama des Autors.
162 Seiten, 8.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.
444 Seiten, 19.80 Euro