1. Auf die Feige Wasser, auf die Birne Wein. (Ital.) – Wurzbach II, 103; Magazin, XXXII, 570.
Gesundheitsrücksichten gebieten, nach dem Genusse von Feigen Wasser zu trinken, da der Wein sie unverdaulich machen soll.
[961] 2. Der die Feigen frist, der muss sie wider speyen. – Lehmann, II, 62, 95; Simrock, 2349.
Holl.: Als hij vijgen eet, moeten hem de tanden kraken. (Harrebomée, II, 379.)
3. Die Feige braucht zwei Dinge: den Hals eines Gehängten und das Hemd eines Bettlers. (Ital.) Wurzbach II, 103.
Der Italiener bezeichnet damit den höchsten Grad ihrer Reife, da sie nämlich ihren Hals wendet und ihre Haut zerreisst.
4. Die Feige, die der Reiche austheilt, ist saurer als der Holzapfel, den der Arme reicht.
5. Expliunt, die Feigen sind den Bauern ungesund.
6. Feigen liest man nicht vom Dornstrauch.
7. Feigen nach Fisch zieren die Disch. – Eyering, II, 617.
Lat.: A carnibus legumina. – A pisce ficum. – Ab esu carnium caseum. – Ab esu piscium nuces. – Ficus post pisces. – Pomum post coenam. – Potum post ovum. – Potum post pisces. – Saltum post pomum. (Eyering, II, 618.)
8. Halb Feige, halb Rosine. – Wurzbach II, 104.
Frz.: Moitié figue, moitié raisin. (Bohn I, 39.)
Dies französische Sprichwort hat seinen Ursprung von dem Handel der Venetianer mit Korinthen, die sehr theuer und selten waren. Da die Inselbewohner über Gebühr gewinnen wollten, so mengten sie Feigen unter die Korinthen, wodurch sie schwerer wurden. Man gebraucht die Redensart von Waaren, die an Güte gemischt sind, wie von betrügerischen Geschäften überhaupt.
9. Man kann nicht Feigen lesen von Disteln (vom Dornstrauch). – Matth. 7, 16; Schulze, 197; Zehner, 441; Lange, 10; Henisch, 1043.
Lat.: Squilla non nascitur rosa. (Philippi, I, 135.)
10. Man liest keine Feigen von Dornhecken. – Luc. 6, 44; Eiselein, 163; Körte, 1332a.
11. Man lisst nit feigen vonn dornhecken, noch weinbeer oder trauben von disteln. – Franck, II, 56a; Eyering, III, 197; Simrock, 2348; Sailer, 147; Henisch, 734.
12. Man sucht oft Feigen und findet nur Blätter. – Scheidemünze, II, 135.
13. Tidlicks1 'ne Fige, ät lange van en Pund. (Münster.) – Firmenich, I, 298, 42; Frommann, VI, 426, 54.
1) Manchmal, zuweilen.
14. Wer reife Feigen essen kann, seinen Daumen leckt derselbe Mann. – Simrock, 2350.
*15. Da sind keine Feigen zu lesen.
*16. Das heisst Feigen von Disteln lesen.
Holl.: Dat is vijgen aan de distels gezocht. (Harrebomée, II, 379.)
*17. Das sind Feigen nach Ostern.
Holl.: Dat sijn al vighen nae paschen.
Lat.: Ut ficus pascha transacto sunt tua facta. (Fallersleben, 722.)
*18. Eine Feige machen.
Der alte Volksgebrauch gegen den bösen Blick den Daumen einschlagen. (Vgl. den Artikel Die neapolitanischen Jettatori in der Schlesischen Zeitung, 1860, Nr. 577.)
Frz.: Faire la figue (à quelqu'un). (Leroux, I, 48; Lendroy, 749.)
Holl.: Iemand de vijg geven. (Harrebomée, II, 379.)
*19. Einem die Feigen weisen. – Körte, 1332 u. 1652; Lendroy, 749; Eiselein, 163; Parömiakon, 1087; Wurzbach I, Nr. 63; II, S. 101; Schottel, 1114a; schlesisch bei Gomolcke, 449 u. 597; Franck, II, 20a; Henisch, 1043; Eyering, I, 678.
Mit geballter Faust drohen. (Adelung.) Von der Aehnlichkeit der Faust mit der Frucht des Feigenbaums hergenommen. Diese Redensart wird von einigen aus dem italienischen far la fica abgeleitet und soll ihren Ursprung in folgender Begebenheit haben. Die Mailänder empörten sich wider Friedrich I. (Rothbart) und gingen so weit, seine Gemahlin Beatrix auf die schimpflichste Weise zu behandeln. Man setzte sie nämlich rücklings auf einen alten Maulesel, das Gesicht dem Schwanze zugekehrt, zwang sie, so die Stadt zu verlassen und ermordete so dann die Besatzung. Friedrich schwur, sich zu rächen. Als er die Stadt erobert hatte, liess er sie schleifen und schenkte nur denen das Leben, die sich der Bedingung unterwarfen, mit ihren Zähnen eine Feige aus dem Hintern des Maulesels herauszuholen, auf welchen man vorher die Kaiserin gesetzt hatte, und sie dann wieder auf dieselbe Weise ohne Hülfe der Hände, bei Strafe auf der Stelle gehängt zu werden, an denselben Ort zu bringen. Der Henker war gegenwärtig. Jedesmal, wenn einem Mailänder die Aufgabe gelang, sagte er mit [962] Abscheu und verbissener Wuth: »Hier ist die Feige!« Diese neue originelle Strafe kam bald zur Kenntniss anderer Völker und gab zu dem Sprichwort Veranlassung, indem man zu jemand, den man verächtlich abweisen will, zu sagen pflegte: Ich will dir die Feige weisen. Von Delling in seinem Bairischen Idiotikon sagt über die Redensart: »Man macht eine Feige, wenn man den Daumen zwischen den Zeigefinger und den Mittelfinger legt und zugleich die Faust ballt. Den Daumen durch die zwei vordern Finger derselben Hand stecken und dadurch vulvam andeuten, oder alle Finger einziehen und nur den mittlern medium digitum oder digitum impudicum ausdrücken, welches soviel heissen soll, als: Ich bin der Mann!« – »Vnnd zeiget jhr die feigen, nach gewonheyt der walchen, da sie den Daumen durch zwen finger stossen, das heysst ein feyg.« (Pauli, Schimpf, LXXIIb.) Durch diese Geberde soll theils eine Verhöhnung, Verspottung, theils auch ein Unwille bezeichnet werden. In Gryse's Leien Bibel (Fr. 28, Bg. H, 3) heisst es: »Eine moder hedde ock einen vngehorsamen Sone, de se bespottede vnde stuck thogelick den dumen twischen twe Finger vnde zyssede se an schimplick.« – Henisch fügt der Redensart zur Erklärung bei: »Den Hindern zeigen, den Arss auffdecken, den mitlen Finger zaigen.« Hoefer (I, 205) leitet den Ursprung des Ausdrucks aus Martial, I, 7, epigr. 58, und I, 1, ep. 57, her. – Noch ist zu bemerken, dass die Feige in italienischen Sprichwörtern überhaupt häufig vorkommt. Einige Beispiele hier beweisen dies. (Vgl. Wurzbach II, a.a.O., und über diese Redensart ferner den Artikel Feige im Brem. Wb., wie Lappenberg in der Zeitschrift des Vereins f. hamburg. Gesch., II, 279, 143.)
Lat.: Medium ostendere digitum. (Juvenal.) (Philippi, I, 244.)
*20. Einem faule Feigen verkaufen.
Ihn betrügen.
*21. Einem mit welschen Feigen das Essen verbittern. – Körte, 1322b.
Ihn vergiften.
Holl.: Zij kookten hem eene vijg, daar hij aan stierf. (Harrebomée, II, 380.)
*22. Einem welsche Feigen bieten. – Murner, Vom luth. Narren.
»Vnd bodt vnss dran ein welsche feigen.« (Kloster, X, 145.)
Holl.: Iemand eene Spaansche vijg geven. (Harrebomée, II, 380.)
*23. Er ist weder Feige noch Weinbeere.
Vom Unentschiedenen, Charakterlosen, einem der weder kalt noch warm ist.
*24. Er wolt gern Feigen essen. – Eyering, II, 473.
*25. Es ist keine Feige werth. (Ital.)
Im Sinne grosser Verächtlichkeit. (S. 19.)
*26. Es sind alte Feigen nach Ostern. – Petri, II, 292.
Lat.: Ut ficus pascha transacta sunt tua facta.
*27. Feigen auf der Stange suchen. – Wurzbach II, 103.
Etwas Schwieriges unternehmen.
It.: Cercare i fichi in vetta.
*28. Feigen hat er ausgeschlagen und Hanbutten davongetragen.
*29. Feigen im Winter setzen. – Henisch, 1043.
Lat.: Ficum hyeme quaerere.
*30. Feigen theilen. – Henisch, 1043.
Wohlhabende, die sehr karg sind.
Lat.: Ficos dividere.
*31. Ich wiel ich1 wull de Feegen weesen. – Robinson, 962.
1) Will euch.
*32. Vmb ein feigen bitten. – Henisch, 1043.
Lat.: Ficum petere adulari.
33. Du wolltest wol gern wieder Feigen essen, aber ich traue dir nicht, sagte der Kaufmann, dem ein Schiff mit Feigen untergegangen war, zum Meer, als er am Strande sass.
34. Kann ich keine Feigen tragen, sagte der Strauch, so trage ich Schlehen.
In Abessinien: Kannst du keine Kokos tragen, Palme, so trage Arekos. (Altmann II.)
*35. Aus einer Feige einen Feigenbaum machen.
*36. Es sind Feigen, die hinter der Mauer kleben. – Ayrer, II, 1771, 18.
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