1. Auch das seidene Hemd umhüllt nur einen nackten Körper. – Altmann V, 110.
2. Besser ein geborgtes Hemd als gar keins.
Holl.: Het is beter een ander mans hemd dan geen. (Harrebomée, I, 301.)
3. Das hembd ligt eim (ist mir) näher dann der rock. – Franck, II, 9a; Tappius, 22b; Egenolff, 13b; Eyering, I, 316; III, 550; Petri, II, 64; Gruter, I, 11; Henisch, 269, 8; Schottel, 1114a; Sutor, 430; Mayer, I, 207; Pistor., X, 45; Lendroy, 72; Siebenkees, 217; Eisenhart, II, 6, 3; Bücking, 243; Zehner, V; Parömiakon, 1562; Sailer, 116; Körte, 2745; Simrock, 4548; Eiselein, 298; Braun, I, 1266; Hennig, 167; Frischbier, 520; Frischbier2, 1566; für Oldenburg: Firmenich, III, 24, 3; für Altmark: Danneil, 144; für Franken: Frommann, VI, 316, 174.
Als der Kaftan, sagen die Osmanen. (Schlechta, 412.) »Das hembde ist einem allemahl näher als der Rock, und also auch unser Vaterland.« (Keller, 150a.) – Die Polen sagen: Das Hemd ist mir näher als die Tante. Die Basken: Das Hemd berührt mich, aber das Fleisch sitzt an mir. Die Portugiesen: Das Hemd sitzt mir dicht an, aber meine Haut noch dichter. Der Italiener: Der Zahn ist mir näher als irgendein Verwandter. Die Altgriechen: Das Bein ist weiter als das Knie. Die Sarden: Zuerst das Fleisch und dann das Hemd. (Reinsberg III, 43.) – Die Beförderung der eigenen Wohlfahrt geht der Sorge für fremdes Glück vor. Man hat blos durch dies Sprichwort anzeigen wollen, dass jeder Mensch die Pflicht habe, die eigene Erhaltung der Erhaltung anderer vorzuziehen (Rechtfertigung der Nothwehr) und dass die Sorge für entferntere Anverwandte und Freunde stets der für näherstehende untergeordnet werden müsse. Erst die Hülfsbedürftigen des Ortes unterstützen, dann Collecten für die Südseeinsulaner.
Dän.: Skorten er kroppen nærmere end kiortelen. (Prov. dan., 507; Bohn I, 398.)
Engl.: Charity begins at home. (Körte, 2745.) – Close sits my shirt, but closer is my skin. (Gaal, 875; Eiselein, 298.) – The smock is nearer than the petticoat. (Gaal, 875.)
Frz.: La chemise est plus proche que le pourpoint. (Kritzinger, 132b.) – Ma peau (chair) m'est plus proche que ma chemise. (Lendroy, 374.) – Près est ma coste, plus près est ma chemise. (Leroux, II, 118.)
Holl.: Mijn roc is mi nae, mer dat hemde nare. (Tunn., 18, 19.) – Mijn hemd is mij nader, dan mijn rok, en mijn vleesch nader dan mijn hemd. (Harrebomée, I, 302; Bohn I, 322.)
It.: Accosta più la camicia che il giubbone. (Bohn I, 66.) – Egli stringe più la camiscia che'l giubbone. – Fa prima bene aituoi, e poi agli altri se tu puoi. (Körte, 2345.) – Più mi tocca la camicia che la gonnella. (Bohn I, 120.) – Più vicino è il dente, che nessun parente. – Stringe più la camicia che la gonnella. (Gaal, 875.) – Tocca più la camiscia, che la gonnella. (Pazzaglia, 375, 4.)
Lat.: Est prope sed propior mea lanae linea vestis. (Fallersleben, 522.) – Genu crure propius. (Apostol., VI; Binder II, 1237.) – Genu sura propius. (Tappius, 11a; Gaal, 875; Seybold, 201; Philippi, I, 168; Froberg, 329; Eiselein, 298.) – Omnes sibi melius esse malunt, quam alteri. (Franck, II, 9b; Hauer, 75; Philippi, II, 68.) – Primum vivere, deinde philosophari. (Binder II, 2648.) – Tunica propior pallio est. (Tappius, 22b; Philippi, II, 225; Schamelius, 156, 9; Eselein, 298; Schambach, 53; Seybold, 612.)
Poln.: Blizsza koszula ciała niż kaftan. (Lompa, 6.)
Ruth.: Błyssza soroczka jak żupan.
Span.: Mas cerca está la camisa que el sayo. (Bohn I, 231.)
Ung.: Közelebb az üng a' csuhánál. (Gaal, 875.)
4. Das Hemd bedeckt alle Herzenspein. – Riehl, Novellen, 196.
5. Das Hemd darf nicht wissen, wohin der Rock geht.
Holl.: Zoo mijn hemd maar mijn geheim wist, ik smeet het ter stont in het vuur. (Harrebomée, I, 302.)
It.: Ogni tua guisa non sappia la tua camicia. (Bohn I, 117.)
Lat.: Interior tunica secretorum sit inconscia. (Bovill, II, 88.)
[499] 6. Das Hemd darf's nicht erfahren, wenn der Arsch scheisst.
Frz.: Que ta chemise ne sache ta guise. (Bohn I, 48.)
It.: Tua camicia non sappia il secreto. (Bohn I, 129.)
7. Das Hemd deckt mehr Schande als der Mantel, und die Haut mehr als das Hemd.
Aehnlich russisch Altmann VI, 386.
Frz.: Il n'y a rien si hardi que la chemise d'un meunier. (Leroux, II, 104.)
8. Das Hemd ist mir näher als der Rock, das Fleisch aber näher als das Hemde.
9. Das Hemd wird alle Jahr grösser an den Kindern. – Petri, II, 64.
10. Das Hemde liegt keinem so hart an, er kann's ablegen, wenn er will.
11. Das Hemde liegt nahe an, die Haut aber noch näher.
12. Dat Hemd is mek nächer (oder: nêger) as de Rock. – Schambach, I, 53; Frommann, II, 536, 137; Bueren, 96; Lohrengel, I, 120; Eichwald, 767; Hauskalender, I.
13. Des hembd zuckt vnd sich darnach buckt, ist halb auffgestanden. – Franck, II, 8b.
»Mägt, die geweckt, sagen: ja, ja, entschlaffen offt wider; aber dess hembd zuckt vnd darnach buckt, ist halb auffgestanden.« – Mach's nicht, wie träge Mägde, wenn sie früh geweckt wer den; sie sagen: Ja, ja, und schlafen wieder ein.
Lat.: Bene incepisse est fere absolvisse. (Henisch, 206, 72.)
14. Det Himd äs mer nîer wä det Klîd. – Schuster, 965.
15. Die in Hemden liegen, sind zu loben.
16. Eck kann't Hemd nich von'n Mâse krîgen, sä dat Bûermäken, da et de Stadtmann küssen woll. (Hildesheim.) – Hoefer, 96.
17. Een Hemd upp'n Staken (Stange) un ênt up de Knoaken1. (Strelitz.) – Firmenich, III, 72, 60.
1) Eins auf den Knochen, am Leibe.
18. Een Hemd upp'n Tun (Zaun) un ênt up de Kaldûn (am Leibe). (Strelitz.) – Firmenich, III, 72, 59.
19. Eigenes Hemd wärmt mehr als fremder Pelz. – Reinsberg III, 109.
Auch russisch Altmann V, 100.
20. Ein grobes Hemd ist keine Blösse. (Lit.)
D.h. besser ein grobes Hemd als gar keins.
21. Ein Hemd ins Grab und dann ⇒ Schabab (s.d.).
Holl.: Een hemd in het graf, en daarnâ is het uit. (Harrebomée, I, 301.)
22. Ein Hemde voll Flöhe ist leichter zu hüten als eine Frau.
Frz.: Il vaut mieux avoir soin d'un sac de puces quo d'une seule femme. (Gaal, 489.)
It.: Meglio è aver cura di un sacco di pulici, che d'una sola donna. (Gaal, 489.)
Ung.: Jó bor, pénz, szép asszony embert kíván örzésre. (Gaal, 489.)
23. Ên Hemd up'n Bûk, dat annere upp'n Strûk. – Goldschmidt, II, 26.
Grosse Armuth oder gänzliches Verkommensein bezeichnend.
24. En Hemed un en Dauk, dat îs in't Graf genaug. – Schambach, II, 142.
Ein Hemd und ein Tuch ist ins Grab genug. Gegen den zweck- und verstandlosen Begräbnissluxus.
25. Ên Hemd upp'n Knaken, dat annere upp'n Staken1. (Oldenburg.) – Goldschmidt, II, 26.
1) Zum Trocknen aufgehängt.
26. Erst das Hemd und dann den Rock. – Bücking, 296.
Das Nothwendigere vor dem Nothwendigen.
27. Et Hemp ess mêr nöder als der Rock. (Köln.) – Firmenich, I, 476, 227.
28. Gestohlen Hemd hält nicht lang.
Der Italiener: Wer sich in anderer Stoffe kleidet, wird bald ausgezogen. (Reinsberg II, 116.) (S. ⇒ Gehören 19.)
29. Hopp, hopp, et Hemd es länger as de Rock. (Meurs.) – Firmenich, I, 404, 271.
30. Ich gebe 's Hemde vom Leibe, sagte der Geizhals, als nach vier Wochen die Wäscherin kam.
31. In einem feinen Hemde gibt's auch Flöhe.
Holl.: In een schoon hemd nestelen wel luizen. (Harrebomée, I, 302.)
[500] 32. Ist das Hemd auch noch so rein (fein), die Jungfer kann eine Hure sein.
Die Russen: Das reine Hemd allein macht keine ehrbare Dirne. (Altmann VI, 462.)
33. Jeder hat ein Hemd von Menschenfleisch. – Simrock, 6974; Eiselein, 460; Binder II, 1329 u 3412.
Niemand ist fehlerfrei, vollkommen.
Lat.: Omnis homo in mundo fragilis stat sicut arundo.
34. Jeder kennt sein Hemde besser als der Fremde.
35. Lieber das Hemd verloren als die Haut.
36. Kurz Hemd und beschissen Loch.
37. Man kann ein Hemd lange einweichen, ehe es trocken wird.
Die Russen: Wenn man das Hemd auch einen Monat lang im Regen hängen lässt, es wird nicht trocken werden. (Altmann VI, 410.)
38. Man muss erst sein eigenes Hemde flicken, ehe man andere kann beglücken.
39. Man sacht, Siewert, säd' de Diern, dat Hemd is noch vör. – Hoefer, 239.
40. Man soll alte Hemden nicht wegwerfen, man habe denn neue anzulegen.
41. Man soll das letzte Hemd daran wenden, um ein reicher Mann zu werden.
42. Man will das Hemd zum Rocke haben.
Wenn etwas zu weit getrieben wird.
43. Manche hat kein Hemde leider und wünscht sich täglich neue Kleider.
44. Mer därf seim oagena Hemmet nîmmer traua. – Nefflen, 462.
Nicht dem nächsten Verwandten, dem nächst Verpflichteten.
45. Nicht in jedem Hemde steckt ein Mann.
46. Ohne Hemd gehen, ist nicht immer nackt gehen. – Altmann V, 131.
47. Selbst deinem Hemd sei dein Geheimniss (dein Sinnen) fremd.
Frz.: Ta chemise ne sache ta guise (pensée). (Gaal, 1605; Bovill, II, 88; Kritzinger, 132b; Venedey, 58.)
48. Wenn das Hemd reisst, so wird ein Loch.
Holl.: Als het hemd scheurt, dan is het een gat. (Harrebomée, I, 301.)
49. Wenn das Hemd weiss, was man thun will, muss man's verbrennen.
»Wenn ein Hemd nur darum wüsste, dass es sogleich verbrennen müsste.« Um die Wichtigkeit eines anvertrauten Geheimnisses und die Heiligkeit, mit der es bewahrt werden muss, auszudrücken.
50. Wenn man 's Hemde aufhebt, wird der Arsch bloss.
Holl.: Als je je hemd opligt, laat je je gat zien. (Harrebomée, I, 301.)
51. Wenn 's Hemd brennt, ist's übel still sitzen.
Holl.: Hou je gat stil, zei Bartel tegen zijne vrouw, en haar hemd stond in brand. (Harrebomée, I, 301.)
52. Wenn's das neue Hemd thäte, da wimmelte es von neuen (umgewandelten, wiedergeborenen) Menschen.
53. Wer auf ein Hemde wartet, das er erben soll, der kann lange bloss (nackt) gehen.
Aehnlich russisch Altmann, VI, 390; Reinsberg II, 34.
54. Wer kein Hemd hat, was sollen dem Quasten am Rock.
Die englischen Neger in Surinam drücken denselben Gedanken sprichwörtlich so aus: Die Henne hat nichts zu trinken, wo soll sie Wasser hernehmen, sich die Füsse zu waschen. (Wullschlägel.) – Wem das Nothwendige fehlt, wie kann der Mittel haben zum Luxus.
55. Wer keine neuen Hemden machen kann, muss die alten flicken. – Simrock, 4549.
56. Wer selber kein Hemd hat, muss nicht über den Nachbar spotten, der ein Loch im Aermel.
Die Letten: Wer selbst kein Hemd trägt, schimpft zumeist auf die Nackten. (Reinsberg IV, 49.)
57. Wer viel Hemde hat, beschmuzt (zerreisst) viel.
It.: Chi più ne hà più ne imbratta. (Pazzaglia, 175, 1.)
*58. Alte Hemden mit neuen flicken. – Sutor, 77.
»Ein Student schribe seiner Mutter umb etliche neue Hemeter, die alte darmit zu flücken.«
*59. Das Hemd an seinem Arsche hat Krämpfe.
Holl.: Het hemd trict hem voor 't gat. (Harrebomée, I, 301.)
*60. Das Hemd auf dem Leibe dransetzen.
Das Aeusserste und Letzte wagen.
[501] *61. Das Hemd auf dem Leibe ist nicht sein.
Lat.: Nudior leberide. – Nudior paxillo. (Philippi, II, 49.)
*62. Das Hemd für eine Busennadel geben.
Die Russen: Dem Hemd an Linnen fehlen lassen, was der Gurt an Seide hat. (Altmann VI, 522.)
*63. Das Hemd soll ihm nicht einmal den Arsch reiben.
Holl.: Hemdje, raak me naarsje niet, mijn gatje is van goud. (Harrebomée, I, 301.)
*64. Das Hemd über der Jacke tragen.
Die Russen: Das Hemd über den Rock (die Kleider) ziehen. (Altmann VI, 512; Reinsberg IV, 73.)
*65. Das Hemd vom Leibe verlieren (verspielen).
Frz.: Jouer jusqu'à sa chemise. (Kritzinger, 132b.)
Lat.: Perdere naulum. (Juvenal.) (Philippi, II, 91.)
*66. Das Hemd vom Leibe verschenken.
Sehr freigebig sein.
Frz.: Donner jusqu'à sa chemise. (Kritzinger, 132b.)
*67. Den steckt en 't Hemd, met de Kopp herut. (Meurs.) – Firmenich, I, 404, 262.
*68. Du hast noch nicht das letzte Hemd an.
Es kann dir schon noch heimkommen. Noch sind alle Tage nicht vorüber, sagen die Czechen. Und die Esthen: Das Nasenende hast du wol angefasst (gesehen), aber noch nicht das Lebensende. (Reinsberg II, 79.)
*69. Een 't Hemd van d' Näärs offragen. – Stürenburg, 60b.
Um neugieriges oder unverschämtes Fragen zu bezeichnen.
*70. Einem aufs Hemde knien. (Schles.)
Aufs Aeusserste bedrängen.
*71. Einem das Hembd (rechtschaffen) heiss machen. – Simplic. (Nürnberg 1684), I, 373.
*72. Einem das Hemde vom Leibe herunterfragen.
Holl.: Hij vraagt mij het hemd van het gat. (Harrebomée, I, 301.)
*73. Einem das Hemde vom Leibe nehmen.
*74. Einem ins Hemd gebacken sein.
»Weil aber der junge Hertzbruder meinem Obersten gar ins Hemd gebacken war und mir vorgezogen wurde.« (Simplic., 635.)
*75. Einen bis aufs Hemd ausziehen.
Ihm alles nehmen, ihn ganz entblössen.
Holl.: Ze hebben hem tot op het hemd uitgekleed (uitgeschud). (Harrebomée, I, 302.)
*76. Einen im Hemde stehen lassen.
Verächtlich behandeln. Wol von dem Bussact entlehnt, den Gregor VII. dem deutschen Kaiser Heinrich IV. auferlegte.
Holl.: Hij laat hem in het hemd staan. (Harrebomée, I, 301.)
*77. Er flickt andern die Hemden und er selber geht nackt.
Aehnlich russisch Altmann VI, 475 und: Näh dir erst selber ein Hemd, eh' du das ganze Dorf mit Hemden versehen willst. (Altmann V, 130; Reinsberg IV, 52.)
*78. Er hat das letzte Hemd erhalten.
Das Todtenhemd.
*79. Er hat kein ganzes Hemd am Leibe.
Damit bezeichnet man jetzt einen Zustand äusserster Armuth.
*80. Er hat kein Hemd auf seinem Rücken.
Ist blutarm. Aber es ist gar nicht so lange her, dass ein Hemde noch zu den Luxusartikeln gehörte. Als Jahob von England, der von der verwitweten Gräfin von Mark erzogen ward, einmal des Nachts plötzlich von einer Kolik befallen ward, lief das sämmtliche Dienstpersonal ohne Unterschied des Geschlechts völlig unbekleidet in sein Schlafzimmer, nur die Gräfin hatte ein Hemd an. (Der Gesellschafter, Magdeburg 1785, III, 214.)
Frz.: N'avoir pas une chemise au dos. (Kritzinger, 132b.)
Holl.: Hij heeft geen hemd aan het lijf. (Harrebomée, I, 301.)
*81. Er hat nicht einmal im Hemde Ruhe.
*82. Er ist das Hemd auf dem Leibe schuldig. – Eiselein, 298; Braun, I, 1267.
Lat.: Nec obolum habet, unde restim emat. (Hanzely, 187; Hauer, 65; Philippi, II, 10.)
*83. Er ist ins Hemd geschlüpft und noch drin.
Scherzhafte Antwort auf die Frage, wo jemand ist.
*84. Er kann im Hemde nicht ruhen. (Lit.)
Hat Angst, Unruhe, Sorge u.s.w.
*85. Er kommt um die Hemden, wie Petrus um den Pelz.
*86. Er zieht das Hemde über den Rock.
[502] *87. Es ist das letzte Hemde, was er gibt (daran wendet).
Von jemand, der die letzte Kraft, das letzte Vermögen für irgendeinen Zweck zum Opfer bringt.
*88. Hä is ens Hömm gekroache. (Henneberg.) – Für Preussen: Frischbier2, 1567.
Als Antwort auf die Frage, wo jemand ist: Er ist ins Hemde gekrochen.
*89. Hab' ich nur ein Hemde drunter, so mag der Rock herunter.
Die Russen: Wer nur ein Hemd hat, darf ohne Rock gehen.
*90. Hê gift sîn Hemm von 't Lîw. (Altmark.) – Danneil, 206.
Ist sehr freigebig.
Holl.: Hij zou zijn hemd van het lijf weggeven. (Harrebomée, I, 301.)
*91. He hett kin hêl Hemd up'n Lîw. (Oldenburg.) – Goldschmidt, II, 26.
*92. He hett 'n flässen Hemd an.
In Pommern in dem Sinne: Die Spendirhosen anhaben. (S. ⇒ Gebenhausen.)
*93. Ich habe kein Hemd in dieser Wäsche. – Simrock, 11212; Eiselein, 628.
Holl.: Ik wilde liefst geen hemd in deze wasch hebben. (Harrebomée, I, 302.)
*94. Im Hemde Adam's.
Die Russen: Blos ein fleischernes Hemd anhaben. (Altmann VI, 519.)
*95. In seinem Hemde ist mehr Loch als Zeug.
*96. Keen Hemd öwern Steert hebben. – Goldschmidt, 146; Eichwald, 768.
Ein oldenburger Landmädchen kann kaum ein grösserer Vorwurf treffen als der: Se hett keen heel Hemd övern Mârs; da man dort allem blos auf den Schein berechneten Flitterstaat feind ist. Gute Leibwäsche gilt für wichtiger als ein Spitzenkleid.
*97. Mein eigenes Hemd muss es nicht inne werden.
Versicherung der strengsten Verschwiegenheit.
Holl.: Mijn eigen hemd moet niet weten, dat ik bij u geweest ben. (Harrebomée, I, 302.)
*98. Mij is dat Hemd to Linnwand worren.
Mir ist das Hemd zu Leinwand worden. In Pommern zur scherzhaften Bezeichnung für einen Schreck. Auch neckend in Frageform, wenn von einem gehabten Schreck die Rede ist: Is dî dat Hemd to Linnwand worren?
*99. 'S Hemp lid naher as der Schopa1. – Tobler, 396.
1) Auch Schöpa, zunächst Männerrock, der über die Weste getragen wird und bis gegen die Knie oder unter die Knie herabreicht. Die Schöpa werden von den Landleuten an feierlichen Anlässen, womit etwas Kirchliches verbunden ist und an der Landsgemeinde getragen. Dann auch ein kurzes Oberkleid für die Frauen, das aber vorherrschend Schöpli heisst.
*100. Sein Hemd in einer Pfütze (Lache) waschen.
Holl.: Zijn hemd met besch .... handen wasschen. (Harrebomée, I, 302.)
*101. Sie hat nichts als ein zusammengeknüpftes Hemd.
*102. Un selt ich's Hemde vum Leibe verkaufen. (Schles.)
Ich will dafür das Aeusserste wagen. Bei Keller (S. 168b) kommt eine breslauer Kräuterin zum Schulzen klagen: »Ich gieng bäalde zum Schultze und derzehltem olles, doss a selber recht sihr uf a grauben Bortel schmalte. Ich saite: Herr Schaultze, su wauhr ich a ierlich Web bin, ich war nich eher ruhn, selte ich auch 's hembde vun Lebe verkäuffen.«
*103. Und wenn's mein letztes Hemde kostet.
Holl.: Het moet, al zou ik ook mijn laatste hemd in den lombard brengen. ( Harrebomée, I, 301.)
*104. Vielleicht (hat sie) nur ein Hemd, aber es ist Freude sie zu sehen. (Friaul.)
Von einer schönen Frau, der, wenn auch arm, der Vorzug gebühre.
105. Das Hemde darf es nicht erfahren, was in dem Kopff beschlossen ist.
106. Der kommt sehr schwer zu Hemden, der keinem je was will entfremden.
Frz.: Quel que soit l'habit, l'homme reale le même.
It.: Chi non ruba, non ha roba. (Gerson, II, 80.)
107. Ein Hembd ligt nicht so hart an, man kan es abthun, wenn man will. – Lehmann, 425, 76.
108. Ein lang Hemd und eine freche Tochter taugen beide nicht viel.
Dän.: Man faaer aldrig held for side serke eller dristig datter. (Prov. dan., 102.)
109. Ein reines Hemd und ein reines Gewissen sind zwei gute Bissen.
110. Er hat kein Hemd und geht Tag für Tag an zehn Ellen Leinwand vorbei. – Merx, 84.
111. Man soll erst selber ein reines Hemd anziehen, ehe man andere dazu ermahnt.
112. Wenn das Hemd einmal ein Loch hat, geht der Riss täglich weiter. – Fliegende Blätter, 1855, S. 95b.
113. Wer das letzte Hemd zieht an, kann die Noth wol merken dann. – Devisenbuch, 359.
*114. Ä Hemm offen Balling un äns offen Zaun.
Ein Hemd auf dem Leibe und eins auf dem Zaune. Um grosse Dürftigkeit zu schildern.
*115. Dat Hemd trillt (zittert) hum vör de Nêrs. – Kern, 1037.
So ängstet er sich.
*116. Ein Hemd, worin neun Katzen keine Maus fangen können.
So durchlöchert.
*117. Eine im Hemde heirathen.
Ein blutarmes Mädchen heirathen.
It.: Sposare una in camicia. (Giani, 1875.)
Buchempfehlung
»In der jetzigen Zeit, nicht der Völkerwanderung nach Außen, sondern der Völkerregungen nach Innen, wo Welttheile einander bewegen und ein Land um das andre zum Vaterlande reift, wird auch der Dichter mit fortgezogen und wenigstens das Herz will mit schlagen helfen. Wahrlich! man kann nicht anders, und ich achte keinen Mann, der sich jetzo blos der Kunst zuwendet, ohne die Kunst selbst gegen die Zeit zu kehren.« schreibt Jean Paul in dem der Ausgabe vorangestellten Motto. Eines der rund einhundert Lieder, die Hoffmann von Fallersleben 1843 anonym herausgibt, wird zur deutschen Nationalhymne werden.
90 Seiten, 5.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.
428 Seiten, 16.80 Euro