1. Besser zweymal gelesen, denn einmahl vnd das best vergessen. – Henisch, 324, 7.
2. Du kannst woll läsen, wat du bist wäsen (gewesen), öäwerst nicht schriben, wat du warst (wirst) bliben. (Strelitz.) – Firmenich, III, 70, 4.
3. Einmal lesen hilfft wol, zehnmal lesen hilfft besser. – Petri, II, 213.
4. Je mehr man liest, je mehr man lernt.
5. Komm zu lesen, nicht zu blättern, komm zu lernen, nicht zu meistern. – Caspari, 13.
6. Lesen und nicht verstehen ist halbes Müssiggehen. – Hollenberg, II, 49; Körte, 3774; Simrock, 6353; Braun, I, 2245.
In Rendsburg: Lesen und ni verstahn, is halw müssi gahn.
It.: Leggere, e non intendere è cacciar, e nulla prendre. (Pazzaglia, 192, 1.)
7. Lesen und nicht verstehen ist pflügen und nicht säen.
Schwed.: Att läsa och icke förstå är att ploja och ick så. (Wensell, 8.) – Läsa och intet förstå, är fåfängt arbete. (Grubb, 489.)
8. Lesen und nichts verstehen, Schaffen und nichts davon sehen, Lieben (Haben) und nicht geniessen, das möchte den Teufel verdriessen.
Dän.: Læse og intet forstaae, elske og intet formaae, have og ei nyde, straffes og ei bryde, maae en steen fortryde. (Prov. dan., 373.)
9. Lesen und nichts wissen ist jagen und nichts schiessen.
Dän.: At læse og intet forstaae, er som at jage og intet faae. (Prov. dan., 185.)
10. Lesen und Reisen macht klug.
Böhm.: Čtení cesta k umĕni. (Čelakovský, 218.)
Dän.: Det giør en forsigtig at læse mange bøger, vandre i mange lande, udstaae megen moge, og bemøde sig med vigtige ting. (Prov. dan., 183.)
Poln.: Czytanie do nauki droga. (Čelakovský, 218.)
11. Lesen vnd nicht verstehen, heist ein Ding vbersehen. – Petri, II, 437.
12. Man kann wohl lesen, was man gewesen, aber nicht schreiben, was man wird bleiben. – Eiselein, 420; Simrock, 6356; Körte, 4039; Lohrengel, I, 496.
13. Man liest keine Feigen von Dornhecken.
[43] 14. Nicht vil lesen, aber wol einbilden1, machet gelert. – Henisch, 378, 4.
1) Hier in dem Sinne von: einprägen, ein bleibendes Bild von der Sache innerlich befestigen.
15. Viel lesen ohn Verstand, versäumt die Zeit vnd ist ein schand. – Eyering, III, 353; Körte, 3775; Braun, I, 2246.
16. Viel lesen und nicht durchschauen (durchdenken), ist viel Essen und übel verdauen (kauen).
17. Wenn nicht lese kannst, denn raff. – Frischbier 2, 2401.
18. Wer nicht lesen kan, der spricht, es sein böse buchstaben. – Petri, II, 742.
Die Russen: Dem, der nicht lesen kann, gilt die Schrift auf Papier gleich der auf Birkenrinde. (Altmann V, 111.) Sie besitzen viele alte Schriften auf Baum-, namentlich Birken- und Lindenrinde.
19. Wer nicht lesen kann, dem ist es gleich, ob die Buchstaben deutsch oder hebräisch sind.
20. Wer nicht lesen kann, muss Butten tragen. – Gaal, 1089; Eiselein, 421; Simrock, 6354; Körte, 3777; Braun, I, 2248.
In der Schweiz: Wer nid läse cha, muess Butte trägen. (Sutermeister, 31.) In Weinländern, wo das Wort lesen zur Zeit der Weintrauben einen Doppelsinn hat und auch Trauben sammeln heisst.
It.: Chi non può aver ricolta, vada a spigolare. (Gaal, 1089.)
21. Wer nicht lesen und schreiben kann, der ist nur ein halber Mann. – Frischbier2, 2403.
22. Wer nicht liest, der lebt nicht.
Lieblingssprichwort des Propstes Klaus Harms.
23. Wer viel lieset vnd nichts behelt, der jagt vnd nichts fangt, die haben die Müh zu lohn. – Lehmann, 455, 28; Caspari, 12; Sailer, 289; Körte, 3776; Braun, I, 2247.
»Ohne Plan und Wahl durcheinander lesen ist eine Straussen-Ueberfüllung; und das Gelesene unverdaut gleich brühwarm wieder anbringen, die alte Sage vom Vielfrass, der vorn hineinschlingt und hinten hinauszwingt.« (Jahn.)
Frz.: Autant vaut celui qui chasse et rien ne prend que celui qui lit et rien n'entend. (Masson, 230.) – Lire et rien entendre est comme chasser et ne rien prendre. (Leroux, II, 257.)
24. Wer viel liest und nichts behält, ist wie wer jagt und niemals fängt. – Simrock, 6357.
25. Wie einer liest in der Bibel, so stehet in seinem Hause der Giebel.
Luther's Lieblingsspruch.
*26. Er ka läsu wie Bohne us Fäsu. – Sutermeister, 80.
*27. Er kann nicht lesen und will Premierminister werden. (Türk.)
*28. Er kann nichts lesen als Linsen und Erbsen. – Parömiakon, 1236.
Von einem sehr Unwissenden.
Frz.: Il ressemble à messire Jean qui ne sçauroit lire que dans son bréviaire. (Leroux, II, 39.)
*29. Er liest im Buch der (Schellen-)Könige, wie der Kartäuser Uebung ist. – Fischart, Gesch., in Kloster, VIII, 625.
Von Spielern.
*30. Er liest in der Bibel wie der Teufel.
Der immer die Blätter und Stellen, die ihm nicht zusagen, überschlägt.
Dän.: Han læser som fanden i bibelen. (Prov. dan., 375.)
*31. Er liest in keinem Buch lieber als im Puffendorf. – Parömiakon, 3086.
Ist ein Freund des Zuschlagens.
*32. Er liest kein anderes Buch als den Frisius. – Parömiakon, 1282.
Von einem, der Essen und Trinken für die Hauptsache hält.
*33. Er liest nichts als die Sprüche von den Höllenqualen und das Buch von den Donnerkeilen. – Burckhardt, 595.
Wer andere durch seltsame und schauderhafte Neuigkeiten in Schrecken zu setzen pflegt. Sprüche von den Höllenqualen bezieht sich auf Stellen im Koran und der Schluss auf ein Werk des Ibn Hadschar unter dem Titel: Die brennenden Donnerkeile. Wir haben ja in unserer theologischen Literatur ähnliche Schriften.
*34. Er liest wie sie buchstabirt.
Der gutmüthige (pantoffelbeherrschte) Ehemann.
[44] *35. Es liest sich wie die (Stadt-)Chronik von Jüterbogk.
Die wol des Wichtigen und Anziehenden für den Fremden nicht allzu viel bieten kann.
*36. Es liest sich wie ein Buch von Logarithmen.
*37. Lese lesst hei, wie e Bôk, schrîwe schröfft hei wie gestâke. (Ostpreuss.)
*38. Lesen wie die Nonnen den Psalter. – Theatrum Diabolorum, 474a.
*39. Was er nicht lesen kann, das rafft er.
Von einem schlechten, stotterigen Leser.
40. Man mag viel lesen, man soll aber nicht alles glauben.
Lat.: Tutum omnia legere, non omnibus credere. (Bovill, II, 122.)
41. Wer fleissig lieset, wird ein Herr der Wissenschaft. – Wirth, II, 107.
42. Wer nicht lesen kann, muss in der Strasse bleiben, sagt der Wegzeiger.
An einer Wegsäule waren die Nebenwege nach verschiedenen Ortschaften angegeben, aber denen, die nicht lesen können, der obige Rath ertheilt.
43. Yppig lesen hat vil reiner hertzen vergifft. – Wachter.
*44. Er hat schrecklich viel gelesen.
Von jemand, der sich mit fremdem Wissen breit macht. Das Wort ist aus Goethe's Faust entlehnt. (Büchmann, X, 40.)
Buchempfehlung
Der junge Chevalier des Grieux schlägt die vom Vater eingefädelte Karriere als Malteserritter aus und flüchtet mit Manon Lescaut, deren Eltern sie in ein Kloster verbannt hatten, kurzerhand nach Paris. Das junge Paar lebt von Luft und Liebe bis Manon Gefallen an einem anderen findet. Grieux kehrt reumütig in die Obhut seiner Eltern zurück und nimmt das Studium der Theologie auf. Bis er Manon wiedertrifft, ihr verzeiht, und erneut mit ihr durchbrennt. Geldsorgen und Manons Lebenswandel lassen Grieux zum Falschspieler werden, er wird verhaftet, Manon wieder untreu. Schließlich landen beide in Amerika und bauen sich ein neues Leben auf. Bis Manon... »Liebe! Liebe! wirst du es denn nie lernen, mit der Vernunft zusammenzugehen?« schüttelt der Polizist den Kopf, als er Grieux festnimmt und beschreibt damit das zentrale Motiv des berühmten Romans von Antoine François Prévost d'Exiles.
142 Seiten, 8.80 Euro
Buchempfehlung
1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.
396 Seiten, 19.80 Euro