Uncle Sam (s. ⇒ Pickfiester, ⇒ Piepmeier und ⇒ Rundkopf).
*1. Uncle Sam.
»Uncle Sam« ist der Volksausdruck für die Regierung der Vereinigten Staaten, wie für das Volk »Bruder ⇒ Jonathan« (s.d.) Nach Frost's Naval History of the United States ist sein Ursprung folgender. Gleich nach der letzten Kriegserklärung gegen England besuchte der damalige Armeelieferant Elbert Anderson von Neuyork die Stadt Troy am Hudson, wo eine grosse Masse Proviant, Ochsen- und Schweinefleisch u.s.w. aufgespeichert war, und von ihm angekauft ward. Die dasigen Aufseher über diese Artikel waren Ebenezer und Samuel Wilson. Der letztere, mehr unter dem Namen »Uncle Sam« bekannt, beaufsichtigte in der Regel in Person eine grosse Anzahl Werkleute, die eben jetzt beim Durchsehen der von den Lieferanten gekauften Artikel beschäftigt waren. Die Fässer wurden E.A. und U.S. gezeichnet. Dies Geschäft fiel einem bei Herrn Wilson in Arbeit stehenden lustigen Burschen zu, welcher auf die Frage einiger seiner Mitarbeiter, was die Marke bedeute, da ihnen die Buchstaben U.S. für »United States« damals noch neu waren, antwortete, er wisse nicht anders als dass es Elbert Anderson und Uncle Sam bedeute, während er damals nur auf Uncle Sam Wilson anspielte. Der Spass fand bei den Arbeitern Beifall und ward gang und gäbe. Uncle Sam selbst ward gelegentlich, während er dabei war, wegen des wachsenden Umfangs seiner Besitzthümer geneckt. Viele von diesen Arbeitern folgten bald hernach der Rekrutentrommel an die Grenzlinien. Die alten Scherze begleiteten sie; und ehe der erste Feldzug endete, erschien der Scherz zum erstenmal im Druck, fand Beifall, bis er nach allen Theilen des Landes drang, und er wird ohne Zweifel so lange dauern als das Volk der Vereinigten Staaten als Nation besteht.
*2. Uncle Sam kann's geben.
Nirgends ist wol die Neigung, die Eigenthümlichkeiten hervorragender Männer und Städte, ja der Staaten und des Volks selbst in Spitznamen zu personificiren, so üblich und verbreitet, als in den Vereinigten Staaten Nordamerikas. Ich will an dieser Stelle eine, wenn auch kaum vollständige Zusammenstellung versuchen. So haben die verschiedenen Volksstämme ihre Bezeichnungen; der Indianer heisst »Rothhaut« oder »Gelbbauch«, der Neger und Farbige »Darky« (Dunkler) und »Nigger«; der Irländer »Paddy«, der Engländer »John Bull«, der Deutsche »Dutchman« (Dötschmän) oder »Sauerkraut«. Obenan steht die Union selbst, die vertraulich als »Uncle Sam« bezeichnet wird. Der Volkswitz hat den Spitznamen aus dem Buchstaben U.S. mit denen alles Eigenthum der »Vereinigten Staaten« (United States) bezeichnet wird, geschaffen. Uncle Sam wird von den Dichtern, Rednern Satirikern meist als ein alter, steinreicher, gutmüthiger, aber etwas schwachsinnig gewordener Herr geschildert; bald als der grosse Landspeculant draussen im Westen, bald als ein biederer Farmer, immer aber als das Haupt einer Familie von gross gewordenen, sehr unbotmässigen und eigenwilligen Söhnen oder Neffen, die ihn bestehlen, wo sie können, ohne dass er sich viel daraus macht. Das amerikanische Volk als solches wird als »Bruder Jonathan« bezeichnet, unter dem man sich eine unternehmende, zwar religiöse, aber wenig gewissenhafte Person denkt, gleich bereit zum Handeltreiben, wie zum Fechten, von sehr geringem Zartgefühl für des Nachbarn Rechte, aber der eigenen Vorzüge wohl bewusst. Vor dem Bürgerkriege standen die Sklavenstaaten dem des freien Bodens, den Freibodenstaaten gegenüber, welche von jenen spottweise »freedirt«, »freie Drackstaaten« genannt wurden. Ausserhalb der Vereinigten Staaten ist jeder Einwohner desselben ein Yankee, ein Spitzname, der aus dem Worte »Yangheese« entstanden sein soll, wie die Engländer von den Indianern genannt wurden, die das Wort englisch nicht aussprechen konnten. Blue skins, ein Spitzname, den man den Presbyterianern gibt. Buck-eye, Backsauge, so nennt man die Bewohner von Ohio, wegen der vielen Kastanien, die dort gefunden und Buck-eyes genannt werden. Bullion-State (Missouri), weil Senator Benton im Congress für den Umlauf baaren Geldes gegen Bank- und Papiergeld kämpfte. Auch den Senator Benton selbst nannte man Old Bullion. Corn cracker, Spitzname für die Kentuckier. Cunnunk, Spitzname für Canadier. Lobbymember, ein Mann, der sich in den Vorsälen des Hauses aufhält, um auf Parlamentsmitglieder einzuwirken. In den Neu-Englandstaaten ist der Connecticuter der echte Yankee. Ein anderer Spitzname für Neu-England ist auch »Down East«, d.i. unten im Osten. Es hat aber auch jeder hervorragende Staat seinen besondern Spitznamen. Maine, das viel Bauholz liefert und Schiffe baut, heisst der Lumber Staat. New-Hampshire, stolz auf die Granitfelsen seiner weissen Berge, nennt sich den »Granitstaat«. Vermont heisst der Stern, der niemals untergeht (the star, that never sets), auch Green Mountain-States; [1422] seine Söhne führen den Namen »green mountain boys, die Burschen vom grünen Berge«, ein Ehrenname, den sie sich 1777 bei Bennington erworben haben. Massachusetts heisst wegen seiner schönen Bai der »Baistaat«. Rhode Island wird sehr zärtlich »Little Rhody« (Rhoduschen) genannt. Von den südlichen, frühern Sklavenstaaten heisst Virginia: Old dominion, Maryland der Küstenstaat (Shore state). Die Einwohner von Nordcarolina heissen »Eals« (Aale) die von Südcarolina »Heissporne, Feuerfresser, Nullifieer« (weil sie verlangten, allgemeine Congressgesetze für null, d.h. für sie unverbindlich zu erklären), Secessionisten, weil sie beanspruchten, aus der Union auszuscheiden, was später auch zum Bürgerkriege führte. Florida heisst der »Everglade-Staat« von den ungeheuern und undurchdringlichen Sümpfen, die den Indianern vom Seminolenstamme Schutz gewähren. Mississippi ist der »Flibustier-«, Texas der »Rangerstaat«. Unter den Mittelstaaten führt Pennsylvanien den Namen »Schlusssteinstaat« (Keyston State), wird aber auch von eingeborenen Amerikanern, die auf das deutsche Element sticheln, »Sauerkrautstaat« genannt. Neuyork nennt sich selbst den »Empire State« und seine Söhne nennen sich »Excelsions«, nach dem Wahlspruche des Staates: Excelsion (immer höher!). New-Jersey trägt den Spottnamen »Königreich Camden und Amboy«. Ein ausführlicher Artikel über die Spitznamen in Amerika findet sich in Atlantische Studien von Deutschen in Amerika, Göttingen 1855, VI, 107 u. 185.