Schwaben [1]

[96] Schwaben, ehemals deutsches Herzogtum, in älterer Zeit auch Alemannien genannt, grenzte gegen N. an die Pfalz und an Franken, gegen O. an den Lech, gegen Süden an die Schweiz, den Bodensee und Vorarlberg, gegen W. an den Rhein und wurde in Ober- und Niederschwaben eingeteilt, doch erhielt sich daneben die Einteilung in Gaue, wie: Breisgau, Algäu, Baar, Brenzgau, Klettgau, Kraichgau, Hegau, Jagstgau, Illergau, Kochergau, Ortengau, das Ries. S. »Geschichtskarte von Deutschland I«.

[Geschichte.] Die frühesten nachweisbaren Bewohner des Schwabenlandes waren Kelten, die im 1. Jahrh. v. Chr. am rechten Rheinufer von germanischen Völkerschaften verdrängt wurden. Obgleich schon Tiberius 15 v. Chr. in dem Lande südlich der obern Donau die Provinz Rätien errichtete, wurde das südwestliche Germanien doch erst um 100 n. Chr. dauernd unterworfen und zwischen Rhein, Lahn und Donau das Zehntland (Agri decumates, s. d.) geschaffen, doch war der römische Kultureinfluß tatsächlich nur gering. Seit Beginn des 3. Jahrh. drangen von Nordosten her die Alemannen (s. d.) ein, die mit den vorhandenen germanischen Bewohnern zu einem Stamme verschmolzen; doch blieb jener Name mehr für die westlich vom Schwarzwald, dieser für die östlich dieses Gebirges Ansässigen üblich. Durch die Niederlage bei Zülpich (496) wurden die Alemannen dem fränkischen Reich untertan, behielten jedoch eigne Herzoge. Seit dem 7. Jahrh. fand das Christentum bei ihnen Eingang, für dessen Verbreitung die schwäbischen Bistümer Konstanz und Augsburg sowie die von irischen Mönchen gestifteten Klöster (St. Gallen, Reichenau, Murbach u. a.) wirkten. Ein Aufstand des Herzogs Theobald gegen Pippin wurde 746 gedämpft und hatte die Abschaffung der Herzogswürde und die Einziehung großer Landstriche als Königsgut zur Folge; fortan regierten zwei Grafen oder Kammerboten das Land. Unter Karl d. Gr. faßte die königliche Macht in S. festen Fuß, aber unter seinen Nachfolgern geriet sie in Verfall, und die königlichen Beamten, Kammerboten, Erchanger (s. d.) und Bertold, empörten sich gegen Konrad I.; ersterer nahm den Titel eines Herzogs von Alemannien an. Nachdem sie als Landfriedensbrecher 917 hingerichtet worden waren, trat Graf Burkhard (I.) als Herzog auf und fand Anhang. Als er 919 Heinrich I. als König anerkannte, bestätigte ihn dieser in seinem Amt; ihm folgte 926 durch Heirat mit seiner hinterlassenen Witwe der Graf Hermann I. von Ostfranken als Herzog von S. Derselbe vermählte (948) seine einzige Tochter Ida mit dem Sohne Kaiser Ottos I., Ludolf, der dadurch 949 Herzog von S. wurde, aber das Herzogtum S. infolge seiner Empörung gegen den Vater verlor, worauf es 954 an Burkhard II. kam. Als dieser 973 kinderlos starb, verlieh Kaiser Otto II. S. seinem Neffen Otto, dem Sohne Ludolfs, der 976 auch Herzog von Bayern wurde. Nach dessen frühem Tod erhielt es (982) Konrad I., Sohn des Grafen Udo von der Wetterau, eines Oheims Ottos I. Diesem folgte 997 sein Neffe Hermann II., der auch Elsaß besaß und S. 1003 an seinen Sohn Hermann III. (gest. 1012) vererbte. Seine Schwester Gisela, die Gemahlin des Markgrafen Ernst von Österreich, folgte ihm und führte nach ihres Gemahls Tode (1015) die Vormundschaft über ihren unmündigen Sohn Ernst II., vermählte sich aber 1016 mit dem spätern König Konrad II. Ernst II. empörte sich gegen seinen Stiefvater und verlor 1030 S., das Konrad II. an Giselas zweiten Sohn erster Ehe, Hermann IV., verlieh. Als dieser 1038 kinderlos starb, folgte ihm des Kaisers Sohn Heinrich, der 1039 als Heinrich III. den deutschen Thron bestieg und 1045 den Pfalzgrafen Otto bei Rhein mit S. belehnte; dessen Nachfolger, Markgraf Otto von Schweinfurt (1047–57), starb ohne Erben. Nun gab die Kaiserin Agnes das Herzogtum 1057 an ihren Eidam, den Grafen Rudolf von Rheinfelden (s. Rudolf 1), der 1077 Gegenkönig Heinrichs IV. wurde.

Bereits 1079 hatte Heinrich IV. das Herzogtum an Friedrich I., Grafen von Hohenstaufen verliehen. Allein nach Rudolfs Tod erhoben dessen Sohn und Schwiegersohn, Bertold von Rheinfelden und Bertold von Zähringen, Ansprüche auf S., und Friedrich[96] trat 1096 nicht bloß den Breisgau und die Reichsvogtei über Zürich an letztern, sondern auch die welfischen Güter an Bayern ab. Ihm folgte 1105 sein älterer Sohn, Friedrich II. (der Einäugige). Als dessen Sohn Friedrich 1152 Kaiser geworden war, gab er S. dem noch minderjährigen Sohne seines Vorgängers Konrads III., Friedrich IV. von Rothenburg, und nach dessen baldigem Tode (1169) S. nebst dem Elsaß seinem eignen Sohne Friedrich V., der 1191 vor Akka starb, worauf S. an seinen Bruder Konrad III. kam. Nach dessen Tode (1196) verlieh Kaiser Heinrich VI. S. seinem jüngsten Bruder, Philipp, der 1198 König ward, aber im Kampf um die ihm von Otto IV. streitig gemachte Krone die staufischen Güter verschenken mußte. Nach seinem Tode (1208) und dem seiner Tochter Beatrix kam S. an Friedrich VI., den spätern Kaiser Friedrich II. Dieser brachte viele verlorne Lehnsgüter wieder an das schwäbische Haus zurück, dessen Gebiet sich durch das Aussterben der Zähringer (1218) noch bedeutend erweiterte. Schon 1219 ernannte Friedrich seinen dreijährigen Sohn, Heinrich, zum Herzog von S. Da sich dieser aber später gegen den Vater empörte, so erhielt 1235 das Herzogtum der nachmalige deutsche König Konrad IV., der es 1254 auf seinen erst zweijährigen Sohn, Konrad V. (Konradin), vererbte. Als derselbe 1266 sich rüstete, um sein Erbreich Sizilien in Besitz zu nehmen, verpfändete er den Rest seiner schwäbischen Besitzungen, darunter das Marschallamt in S., die Vogtei über Ulm und einen großen Landstrich auf der Leutkircher Heide, an den Grafen von Württemberg. Nach Konradins Tode wurde das Herzogtum S. nicht wieder besetzt.

Unter den schwäbischen Dynasten, den Markgrafen von Baden, den Pfalzgrafen von Tübingen, den Grafen von Hohenzollern, den Herzogen von Teck etc., nahmen fortan, wenn auch von ihresgleichen angefeindet und von den Königen oft gedemütigt, die Grafen von Württemberg die hervorragendste Stelle ein. Obwohl der Versuch des Königs Rudolf von Habsburg, die Herzogswürde in S. auf seinen zweiten Sohn, Rudolf, zu übertragen, mißlang, so blieben doch die herzoglichen Hoheitsrechte in S. dem Reiche vorbehalten, und die Könige ließen sie nebst andern Gefällen, Nutzungen und Einkünften und den noch übrigen Reichsflecken und Kammergütern in S. durch königliche Landvögte in Ober- und Niederschwaben verwalten. Die bedeutendern Herren Schwabens errangen allerdings Reichsunmittelbarkeit und Reichsstandschaft und schieden aus der Landvogtei aus; die kleinern dagegen, ebenfalls reichsunmittelbar, aber nicht im Besitz der Reichsstandschaft, hatten die königlichen Landvögte tatsächlich zu Herren. Schon unter Rudolf gelangten nun aber die Grafen von Württemberg in den Besitz der Landvogtei in Niederschwaben, später auch der im Elsaß. Nach Rudolfs Tode (1291) begannen die Parteikämpfe und Raubkriege zwischen den Reichsständen, denen König Albrecht I. endlich 1307 durch den Landfrieden in Speyer ein Ende machte. Die Übergriffe des Grafen Ulrich III. von Württemberg und seine Begünstigung durch Kaiser Ludwig den Bayer veranlaßten 1331 die Bildung des Schwäbischen Städtebundes (s. d.). Österreich vermehrte seine Macht in S. durch Erwerbung Freiburgs (1368) sowie des Breisgaues (1369). Die kleinern schwäbischen unmittelbaren Herren stifteten um 1360 den sogen. Schlegelerbund (s. d.), dem sich Österreich anschloß; dagegen verband sich Eberhard von Württemberg mit den Städten; seit 1367 bekämpften sich beide Parteien im sogen. Schlegelerkrieg. 1378 mußte Graf Eberhard auf die Landvogtei verzichten, die nun Herzog Friedrich von Bayern erhielt. Das Gefühl der Unsicherheit bei Wenzels schwachem Regiment veranlaßte 1382 den Schwäbischen Städtebund, sich in Ehingen mit dem Herzog Leopold von Österreich zu verbinden; auch die Rittergesellschaften, deren es mehrere in S. gab, wie die »Martinsvögel«, die Ritter »mit dem Löwen« und »zur Krone«, mit Graf Eberhard an der Spitze, wurden in das Bündnis aufgenommen. Als mehrere schwäbische Städte dem Grafen von Württemberg 1388 bei Döffingen unterlegen waren, ordnete König Wenzel die Auflösung aller Bündnisse an, gebot aber dafür 1389 den Landfrieden in Eger, an dem außer S. auch die Rheinlande, Bayern, Franken, Hessen, Thüringen und Meißen teilnehmen sollten. Bundeshauptmann für S. wurde Graf Friedrich von Öttingen, und zur Entscheidung aller Streitigkeiten bildete das Reich ein Landfriedensgericht. Dennoch währten bis 1395 die Fehden der Städte am Bodensee und die der Schlegeler gegen Württemberg fort, bis endlich dieses, unterstützt von mehreren Fürsten, die Schlegeler zur Auflösung ihres Bundes zwang. Als nach Wenzels Absetzung (1400) König Ruprecht die Rechte der Städte verletzte, schlossen Kurmainz, Württemberg, Baden und 17 schwäbische Städte 1405 den Marbacher Bund. Kaiser Siegmund verpfändete 1415 in Konstanz mit Bewilligung der Reichsfürsten die Landvogtei S. an Hans Truchseß zu Waldburg. Das Unwesen der Befehdungen untereinander hörte auch unter Albrecht II. und Friedrich III. nicht auf, obgleich die 1436 gestiftete St. Georgsgesellschaft die Herstellung eines allgemeinen Friedens beabsichtigte und den Kaiser Albrecht II. in seinen Plänen, die eine dauernde Friedensverfassung bezweckten, unterstützte.

Im J. 1487 vereinigten sich infolge kaiserlicher Berufung alle schwäbischen Stände in Eßlingen und schlossen dann 14. Febr. 1488 den großen Schwäbischen Bund (s. d.) zur Aufrechthaltung des Landfriedens; 1500 entstand der Schwäbische Kreis (s. d.). Dessenungeachtet hörten die Fehden noch nicht völlig auf. Schreckliche Verwüstungen richtete der Bauernkrieg (1525) in S. an, der im Algäu und Hegau seinen Anfang nahm. Um dieselbe Zeit fand die Reformation in S. schnelle Ausbreitung; auch traten viele schwäbische Reichsstände, vornehmlich Württemberg, Ulm. Reutlingen, Eßlingen, Heilbronn, dem Schmalkaldischen Bunde bei, wofür sie nach dessen Auflösung 1547 mit großen Summen bestraft wurden; die Reichsstädte aber verloren ihre demokratische Verfassung und mußten dafür die alte aristokratische wieder einführen. Von nun an strebten Württemberg und Österreich, die Oberhand in S. zu erlangen, jenes in Verbindung mit den protestantischen, dieses im Einverständnis mit den katholischen Ständen des Landes. Die Reichsritterschaft bildete fortan eine besondere Korporation des Reiches, und als sie 1563 die Kreisverfassung anerkannt hatte, nahmen doch die Streitigkeiten zwischen den Kreisständen kein Ende. Im Westfälischen Frieden wurde das Elsaß an Frankreich abgetreten und S. zur Zahlung von 984,705 Gulden Entschädigungsgeldern an Schweden verpflichtet. Nachher war es wiederholt der Schauplatz der deutschen Reichskriege und genoß nur 1763–92 ungestörten Frieden. Aufs neue litt S. durch den französischen Revolutionskrieg, und der Friede von Lüneville bestimmte 1801, daß alles auf dem linken Rheinufer liegende Gebiet des schwäbischen [97] Kreises an Frankreich fiel, und daß die weltlichen Staaten als Entschädigung für ihre verlornen Gebiete die geistlichen Stifter und Reichsstädte erhielten. 1806 behielten nur die Fürsten von Baden, Württemberg, Bayern, Hessen-Darmstadt, Hohenzollern, Liechtenstein und Leyen die Souveränität. Leyen verlor sie 1814, und Hohenzollern trat seine Souveränität 1849 an Preußen ab. Vgl. Pfister, Pragmatische Geschichte von S. (Heilbr. u. Stuttg. 1803–1827, 5 Bde.); Leichtlen, S. unter den Römern (Freiburg 1825); Ch. Fr. Stälin, Wirtembergische Geschichte (Stuttg. 1841–73, 4 Bde.); P. Fr. Stälin, Geschichte Württembergs (Gotha 1882–87, Bd. 1); Keim, Schwäbische Reformationsgeschichte (Tübing. 1855); Baumann, Die Gaugrafschaften im wirtembergischen S. (Stuttg. 1879) und Forschungen zur schwäbischen Geschichte (Kempt. 1898); Dorn, Die Vereinödung in Oberschwaben (das. 1904).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909, S. 96-98.
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