Auscultation

[37] Auscultation (v. lat.), 1) das Hören; 2) (Med.), die Methode, Krankheiten mittelst des Gehörs zu erforschen u. zwar durch bloßes Anlegen des Ohrs an den leidenden Theil (unmittelbare A.); od. durch, zwischen beide gebrachte, den Ton leitende u. erhöhende Werkzeuge (mittelbare A.); od. durch künstliche Erzeugung eines Tons in den Theilen durch bloßes Aufschlagen auf diese (Percussion), mit den bloßen Fingern (unmittelbare Percussion), od., wenn man die daraus entstehenden Schmerzen vermeiden, entzündete, wunde, nicht entblößte Theile untersuchen will, indem man auf ein, auf die zu untersuchende Stelle aufgelegtes Instrument aufschlägt. Die A. ist eine Erfindung der neueren u. neuesten Zeit. Die Percussion ward zuerst von Auenbrugger als Mittel für die Untersuchung der Brustkrankheiten benutzt, später von Corvisart, Lännec, u. bes. von Piorry angewendet. Sie bezweckt in den Theilen des Körpers auf welche sie angewendet wird, einen Ton hervorzurufen, um aus diesem die Beschaffenheit der darunter liegenden mitschwingenden Partieen zu beurtheilen. Die Stärke des Tons wird immer durch die elastische Spannung der unterliegenden Theile bestimmt. Die Brusthöhle eignet sich deshalb auch vorzüglich für ihre Anwendung. Die Einen schlugen, wie Auenbrugger, Corvisart u. Lännec, mit der ganzen Fläche od. der Spitze eines, zweier od. der auf den Daumen folgenden 4 Finger auf die, mit dem Daumen u. den 2 folgenden Fingern der linken Hand gespannten Bedeckungen auf, Andere, wie Piorry, bringen zwischen den zu untersuchenden Theil einen elastischen Körper (Plessimeter), bestehend aus einer Platte von Elfenbein von 2 Zoll im Durchmesser u. 1 Linie Dicke mit 2 an den beiden Enden eines seiner Durchmesser sich senkrecht erhebenden, 4 Linien hohen u. breiten u. nach außen concaven Vorsprüngen, welche der Convexität der Finger entsprechen u. ihnen zur Aufnahme dienen; noch Andere klopfen auf den, auf den zu untersuchenden Theil aufgelegten Zeige- u. Mittelfinger der einen Hand mit den Spitzen der anderen auf. Je mehr die unterliegenden Theile Luft enthalten, desto sonorer ist der Ton, je massiver sie sind, desto dumpfer ist er. Piorry unterscheidet für den ganzen menschlichen Körper 9 Tonarten: den Schenkel-, Leber-, Herz-, Lungen-, Intestinal-, Magen-, Knochen-, Wasser- u. Hydatidenton, die jedoch oft sehr in einander übergehen. Letzter gleicht dem Tone, welcher entsteht, wenn man auf eine in der Hohlhand ruhende Repetiruhr mit dem Finger der anderen leicht aufschlägt. Eigenthümlich ist auch der Wasser-, Silber-, metallische[37] od. hydropneumatische Ton, der entsteht, wenn Flüssigkeiten mit Gasen in Berührung kommen, z.B. im Magen. Ein Geräusch, dem vom Anschlagen gegen einen gesprungenen Topf ähnlich, entsteht in der Brusthöhle dann, wenn sich große Höhlen in den Lungen finden. Die Percussion kann nur durch sorgfältige Übung erlernt werden u. nur bei glücklichem Talente, seinem Gehör u. langjähriger Übung Gewinn bringen. Piorry hat ihre Anwendung auch über die Brustorgane auf den Unterleib, die Blase etc. ausgedehnt. Die A. im engeren Sinne gründet sich darauf, daß bei Bewegungen der Luft in den Athemwerkzeugen, so wie des Blutes in den Gefäßen u. im Herzen Geräusche hervorgebracht werden, die im krankhaften Zustande verändert werden od. ganz fehlen. Lännec ist ihr Begründer. Nach ihm haben sie französische u. englische Ärzte vorzüglich gepflegt. Jene Geräusche sind meist nur dann für das Ohr wahrnehmbar, wenn sie durch feste Zwischenkörper zu ihm fortgepflanzt werden. Dazu dient entweder der, mit dem Ohre an den zu untersuchenden Theil angelegte Kopf, od. das von Lännec erfundene Stethoskop (Brustschauer), ein Cylinder aus leichtem Holz, 1 Fuß lang, 16 Linien dick, in der Mitte mit einem 3 Linien weiten Kanal, der an beiden Enden trichterförmig endet, aus 2 an einander schraubbaren Stücken bestehend. Die trichterförmige untere Öffnung desselben wird mit einem kegelförmigen, ebenfalls mit einem Kanal von dem Umfange dessen des Instrumentes durchbohrten Schlußstück mit nach unten gerichteter Basis (Einsatz od. Obturator) verschlossen. Bei Untersuchungen der Respirationsorgane wird dieser entfernt, bei denen des Herzens bleibt er. Dieses Instrument ist in der neueren Zeit vereinfacht worden. Auscultirt man mit dem bloßen Ohre, so muß dieses fest an den bloßen od. leicht verdeckten Theil angelegt werden; geschieht es mit dem Stethoskop, so wird dieses mit seinem unteren Ende mit 3 Fingern der einen Hand, welche die Haut zugleich berühren, auf diese aufgesetzt, daß es genau anschließt. Das Ohr wird nur leicht an das obere Ende angelegt. A) Auscultirt man die Brust eines gesunden Menschen, so vernimmt man an allen Punkten derselben ein weit verbreitetes Gemurmel, ausgehend vom Ein- u. Austreten der Luft in die kleinen Verzweigungen der Bronchien u. Lungenzellchen u. von der Reibung derselben an ihren Wänden, das Athmungs- od. respiratorische Geräusch, Zellen- od. Vesicularathmen, vorzüglich bemerklich beim Einathmen, schwächer beim Ausathmen, bisweilen hier selbst fehlend, selten stark, selten noch stärker als jenes. Es ist um so schwächer, je dichter die Lungen sind u. umgekehrt, am deutlichsten daher bei Kindern, schwächer bei Greifen u. hier oft mehr blasend, Es ist das sicherste Zeichen für gesunde Lungen. Puerile Respiration nennt man es, wenn es in der starken Weise u. krankhaft bei erwachsenen Personen vorkommt. Bei Krankheiten der Lungen wird das Athemgeräusch überhaupt modificirt, geschwächt od. verstärkt, od. es entstehen neue Geräusche. Vermindert wird es, wenn in den Wänden des Brustkastens, in der Pleura u. ihren Höhlen Veränderungen vorgegangen sind, welche auf dasselbe dämpfend wirken müssen, namentlich bei Odem der Brustwände, Pleurodynie, Pleuritis, Pseudomembranen od. Ablagerungen, od. Tuberkeln in der Pleuru, bei Empyem, Hydro- u. Pneumothorax. Krankheiten der Lungen, wie Tuberkeln u. Pneumonie, heben dasselbe entweder völlig auf, od. schwächen es. Sind sie nur partiell, so wird es in den gefunden Theilen stärker u. erhebt sich zur puerilen Respiration; bei Katarrh nimmt es periodisch ab, od. erlischt ganz, je nachdem sich mehr od. weniger Schleim ansammelt. Besondere Modificationen des Athemgeräusches sind: a) das Bronchialathmen (Bronchophonie), eigentlich das normale Athemgeräusch für den Kehlkopf, die Luftröhre u. die Wurzel der Lungen, erscheint aber als krankhaft, wenn es an anderen Stellen auftritt, u. ist ausgezeichnet durch einen blasenden, scharfen u. trockenen Ton, entsteht bei Verstopfung u. Obliteration der Lungenzellen ohne Leiden der Bronchien, welche nur stärkere Tonschwingungen geben, die wegen Verdichtung des Lungengewebes stärker vernommen werden, bei pleuritischen Ausschwitzungen, im 3. Stadium der Pneumonie bei Apoplexie der Lungen. Bei dem wahren Bronchialathmen fehlt das Athmungsgeräusch ganz, bei dem von Erweiterung der Bronchien nicht. b) Das Höhlenathmen (cavernöse Respiration) steht dem vorigen sehr nahe, ist aber noch mehr blasend u. deutet auf einen noch größeren Raum hin, in dem es vor sich geht; entsteht bei, durch vereiterte Tuberkeln, Pneumonie entstandenen Höhlen, bei Erweiterung der Bronchien. Ist die Höhle zum größten Theil od. wohl auch noch ganz mit Eiter gefüllt, so entsteht das Gurgelrasseln. Eine Modification desselben ist auch das Pustenathmen. c) Rasselgeräusche; sie sind die einzigen, die man schon in einiger Entfernung vom Kranken wahrnimmt; sie rühren her, theils von, in den Luftwegen befindlichen Flüssigkeiten, Anschwellungen der Schleimhaut der Lungen, Druck von außen, von Geschwülsten od. ergossenen Flüssigkeiten auf die Lungen, u. sind bald feucht, bald trocken. Man unterscheidet: aa) das Zellenrasseln; das feuchte begleitet die Lungenentzündung im 1. Stadium u. das Emphysem der Lunge, u. wird in Knisterrasseln u. Halbknisterrasseln unterschieden, das trockene begleitet das Emphysem der Lungenbläschen, wenn Zerreißungen derselben erfolgt sind, heftigen Husten, asphyktische Zustände, habituellen Katarrh der Greise. bb) Das Bronchialrasseln; Hauptsymptom des Katarrhs, das trockene für die 1., das feuchte für die 2. Periode desselben, kommt auch vor bei Verengerungen der Bronchien, wo es selbst pfeifend werden kann. cc) Höhlenrasseln, Gurgelrasseln (Antrorrhonchus), bei, mit Flüssigkeit gefüllten Höhlungen. d) Das Geräusch der auf- u. absteigenden Reibung; entsteht, wenn die beiden sich berührenden Flächen der Pleura durch Krankheit rauh geworden sind. Auscultirt man den Kehlkopf od. Nacken eines laut redenden Menschen, so hallt die Stimme stark wieder, zieht durch das Rohr des Stethoskops hindurch u. übertönt die aus dem Munde kommende. Dasselbe kommt auch in den Seitentheilen des Halses vor. Erscheint es an anderen Stellen, so heißt es nach dem Zustande, den es begleitet, Höhlenstimme (Pectoriloquie). Auscultirt man den, unter dem Brustbeine befindlichen Theil der Luftröhre von vorn od. von der Mitte des Rückens[38] beim Sprechen, so hört man die Stimme noch stark durch die großen Bronchialstämme wiederhallen. Erscheint dieser Wiederhall an anderen Stellen der Brusi, so heißt er Bronchienstimme (Bronchophonie). Die Bronchophonie begleitet vorzüglich die Hepatisation der Lunge, den tuberkulösen Zustand derselben, die Brustwassersucht u. das Empyem; die Pectoriloquie ist vorzüglich bei Aushöhlungen od. Fisteln in den Lungen wahrnehmbar. Eine 3. Modification der Stimme, von ihrer Ähnlichkeit mit dem Ziegenmeckern die Meckerstimme (Ägophonie), erscheint bei nicht so beträchtlichem Erguß ausgeschwitzter Flüssigkeiten in die Höhle der Pleura in Folge von Pleuritis u. beim idiopathischen Hydrothorax. Das metallische od. Blasenklingen, dem ähnlich, welches entsteht, wenn man mit einer Nadel an eine Metallschale schlägt, erscheint bei, mit Lungenfistel verbundenem Hydropneumothorax u. bei einfachen u. bei, mit sehr flüssigem Eiter gefüllten Höhlungen. Gesteigert wird es demjenigen ähnlich, welches entsteht, wenn man in eine große Wasserflasche Luft bläst, Flaschengeräusch. B) Für die Diagnosis der Krankheiten des Herzens haben die Percussion u.a. Bedeutendes geleistet. Ersterer ist vorzüglich die 11/2–2 Zoll betragende Stelle der Brustwand wichtig, wo das Herz nicht von den Lungen bedeckt ist. Hier erscheint beim Aufschlagen ein matter Ton. Krankheiten der Lungen können indeß ihre Wahrnehmungen leicht trüben. Der Anschlag ist noch matter an der Stelle des linken, als an der des rechten Ventrikels. Die Percussion kann hauptsächlich Vergrößerung od. Verkleinerung des Herzens, Verdünnung od. Verdickung der Wände u. Überfüllung der Höhlen mit Blut andeuten. Für die auscultatorische Beobachtung der Krankheiten des Herzens sind der Herzschlag u. die Herzgeräusche die wichtigsten Momente. Letztere gleichen dem Schlagen einer Taschenuhr. Das eine dumpfere u. gedehntere fällt mit dem Herzschlage u. dem Pulse zusammen, das andere hellere, schärfere u. kürzere mit der Diastole des Herzens. Auf beide folgt eine Pause. Bei Krankheiten des Herzens werden die Geräusche vielfach verändert od. können selbst fehlen. Sie sind im Allgemeinen um so schwächer u. dumpfer, je dicker die Wandungen des Herzens u. je enger seine Höhlungen sind u. umgekehrt. Sie sind ferner bald tönend u. trocken (Pergamentton), bes. bei Verdickung u. Starrheit der Klappen, bald heiser, wie bei schwammiger Beschaffenheit derselben. Statt der normalen Geräusche kommen auch Aftergeräusche vor, wovon das wichtigste das Blasebalggeräusch, mit den Unterarten des Säge-, Raspel- u. Feilengeräusches ist. Das sogenannte Katzenschwirren kommt vorzüglich bei Verengerungen der Herzmündungen u. bei rauher Beschaffenheit der inneren Fläche des Herzbeutels vor u. wird auch in den Arterien beobachtet. Mehr von äußeren Bedingungen abhängige Geräusche sind: a) das metallische, helle od. Silberklingen od. Tönen, erzeugt, wenn das Herz mit großer Gewalt an die Brustwand schlägt; b) mehrere Geräusche, die von Rauhigkeit der inneren Fläche des Herzbeutels herrühren, als: das rauschende, wie wenn ein schwerer Seidenstoff zerknüllt wird; das des Platzens od. Reißens od. wie von neuem Leder bei Herzbeutelentzündung; das Schabegeräusch, bei knorpeligen u. anderen Rauhigkeiten der inneren Fläche des Herzbeutels. C) Um die Ermittelung der Arteriengeräusche hat sich. vorzüglich Bouillaud verdient gemacht. Die größeren derselben lassen während der Systole des Herzens ein leises Murmeln, ein dumpfes, gleichsam mattes Geräusch hören, welches sich bei stärkerem Aufsetzen des Stethoskops in ein Blasengeräusch verwandelt. Arterien von weichen schlaffen Wandungen mit mehr wässerigem Blute geben von selbst einen, dem Blasengeräusch ähnlichen Ton. Die krankhaften Arteriengeräusche unterscheidet Lännec in das eigentliche u. das musikalische Blasengeräusch, Bouillaud in das gewöhnliche (intermittirende), in das anhaltende Blasengeräusch (in doppelter Strömung) u. in das Teufelsgeräusch (Teufelsschnarchen od. Nonnengeräusch), nur in den Carotiden vorkommend; u. in das modulirte Pfeifen od. den Gesang der Arterien, den Klängen des Brummeisens ähnlich. Die krankhaften Geräusche entstehen von Krankheiten der Gewebe der Arterien, Druck von außen, Herz- u. Nervenkrankheiten. D) Wichtige Resultate hat endlich auch die A. für die Diagnosis der Schwangerschaft u. des Lebens des Kindes geliefert, deren Entdeckung zunächst Kergaradéc angehört, Sie ergab ein doppeltes Geräusch: a) Das Placentar- od. Blasengeräusch, der Gegend, wo sich der Mutterkuchen befindet, entsprechend, entweder von dem Klopfen der mütterlichen Arterie der Placenta od. von dem der Arterien des Unterleibes od. denen der Gebärmutter herrührend. Es ist einfach u. erscheint als ein dumpf murmelnder gurrender Ton, ähnlich dem, welcher entsteht, wenn man in eine Flasche mit weiter Mündung hineinbläst. b) Das andere gleicht dem leisen Ticken einer Uhr u. rührt vom Pulse des Herzens des Fötus her. Man zählt 120–170 Schläge in einer Minute. Sein Sitz richtet sich nach der Lage des Fötus u. ist gewöhnlich an der, dem Placentargeräusch entgegengesetzten Seite des Leibes. E) Die A. ist endlich auch noch zur Erkenntniß von Knochenbrüchen angewendet worden, so wie von einigen anderen Krankheitszuständen, wo sie indeß nur von untergeordnetem Werthe geblieben ist. Vgl. Auenbrugger, Inventum novum ex percussione thoracis humani interni pectoris morbos detegendi, Wien 1761; Lännec, De l'auscultation médiate etc., Par. (2. Ausg.) 1826, 2 Bde., 4. Ausg. von Andral (deutsch Weim. 1832, 2 Bde.); Piorry, Traité de la percussion médiate, übersetzt von Balling, Würzb. 1828; Le jumeau de Kergaradéc, Sur l'auscult. applique à l'étude de la grossesse, Par. 1822 (deutsch, Weim. 1822); Bouillaud, Traité des maladies du coeur (deutsch von Becker, Lpz. 1836, 2 Bde.); Raelborsky, Manuel d'auscultation et de percussion, Par. 1835 (deutsch von Hacker, Lpz. 1836); Philipp, Die Lehre von den Lungen- u. Herzkrankheiten (2. Aufl.), Berl. 1838; Skoda, Über Percussion u.a., Wien 4. A. 1850; Zehetmayer, Grundzüge der A. u. Percussion, n.A. von Oppolzer, Wien 1854.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 2. Altenburg 1857, S. 37-39.
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