Düsseldorf

[427] Düsseldorf, 1) Regierungsbezirk der preußischen Rheinprovinz, umfaßt bei einer Größe von 1001/3 QM. die ehemaligen deutschen Reichslande: das Herzogthum Cleve, Geldern, das Fürstenthum Mörs zum größten Theile, sowie Theile des Erzstiftes Köln, die Herzogthümer Jülich u. Berg, die geistlichen Stifter Essen, Werden u. Elten, nebst den Herrschaften Broich, Styrum, Hardenberg, Bedbur-Dyk, Wickerad u. Mylendonk; ist auf dem linken Ufer des Rheines eben u. fruchtbar, auf dem rechten Ufer zum Theil Gebirgs-, zum Theil Hügelland, welches am rechten Ufer der Lippe in Flachland übergeht; bewässert wird das Land durch den Rhein u. dessen Nebenflüsse, die Wupper, Erst, Ruhr, Emscher u. Lippe, ferner durch die Niers, einen Nebenfluß der Maas. Dem rechten Rheinufer entlang zieht sich bis Duisburg die Köln-Mindener, von dort bis zur holländischen Grenze die holländische Eisenbahn; auf dem linken Rheinufer liegt die Köln-Crefelder u. die Düsseldorf-Aachener Bahn; in 58 Städten, 24 Flecken u. über 1200 Dörfern u. Weilern wohnen 1,017,500 Einwohner, wovon 3/4 Katholiken, die übrigen, bis auf wenige Juden, Protestanten sind; in Fabrikdistricten, bes. im Wupperthale, sind übrigens fast alle protestantischen Secten vertreten. Die Industrie ist in außerordentlicher Blüthe, namentlich die Fabrikation von Seide, Baumwolle, Wolle, Stahl u. Eisen u. der Steinkohlenbergbau in dem mächtigen Steinkohlenbecken des Ruhrthals. Eintheilung: die Kreise D., Duisburg, Rees, Elberfeld, Lennep, Solingen, Grevenbroich, Neuß, Gladbach, Crefeld, Kempen, Geldern, Cleve u. Mörs; 2) der Kreis D. ist 71/2 QM. groß, 85,560 Ew.; 3) Hauptstadt des gleichnamigen Regierungsbezirkes am Rhein, über welchen eine Schiffbrücke führt, wird von zwei Armen der Düssel, unter dem Pflaster der Stadt her durchströmt; zerfällt in vier Stadttheile (Altstadt, Karlsstadt, Friedrichsstadt u. Neustadt) u. hat 45,000 Ew., wovon 7000 Protestanten u. gegen 600 Juden, die anderen Katholiken sind. Außer einigen krummen u. engen Straßen in den ältesten Stadttheilen, zeichnet sich die Stadt durch schöne gerade Straßen, darunter bes. die Alleestraße, aus. Auf der Landseite umziehen die Stadt Promenaden, welche, an die Stelle der ehemaligen Festungswerke getreten, sich im Nordosten (Hofgarten, an dessen Ende das Schlößchen Jägerhof, bis 1848 Residenz des Prinzen Friedrich von Preußen, gegenwärtig vom Fürsten Anton von Hohenzollern-Sigmaringen bewohnt) u. im Süden der Stadt zu Parkanlagen verbreitern. Eine Vorstadt D-s, mit der Neustadt fast verschmolzen, ist das südlich davon gelegene Dorf Bilk. Altstadt u. Karlsstadt mit dem Karlsplatz, Schwanenmarkt u. Exercierplatz liegen innerhalb des ehemaligen Festungsgrabens, welcher, von der Düssel bewässert, an mehreren Stellen zu Teichen erweitert ist. Der neueste Stadttheil, die Friedrichsstadt vor dem Karlsthore, hat erst wenige Straßen, darunter die Königsallee. D. ist Sitz der Regierung, des Divisionscommandos, Land- u. Friedensgerichts, Oberpostamts, Hauptsteuer- u. Rheinzollamts, Handels- u. Gewerbegerichts, der Handelskammer u. Salzfactorei. An öffentlichen Denkmälern besitzt die Stadt zwei Statuen des Kurfürsten Johann Wilhelm: die eine aus Marmor, im Hofe der Kunstakademie, die andere, eine eherne Reiterstatue, auf dem Marktplatze. Wissenschaftliche u. Kunstanstalten: die Kunstakademie, welcher D. seinen Ruf verdankt, befindet sich in dem neuerbauten Flügel des alten Schlosses; dieses war ehedem die Residenz der Grafen von Berg, der Herzöge von Jülich, Cleve, Berg u. später der Kurfürsten, 1758 wurde es von den Hannoveranern bombardirt u. 1794 durch ein abermaliges Bombardement von den Franzosen zertrümmert. Der linke Flügel gehörte ursprünglich nicht zum Schlosse, sondern wurde im Jahre 1710 von Kurfürst Johann Wilhelm zur Aufnahme einer Gemäldegallerie erbaut. Diese Gallerie, welche die Landstände später noch durch Ankäufe von Originalzeichnungen, Kupferstichen etc. bereicherten, bildete die Grundlage der von dem Kurfürsten Karl Theodor 1777 gestifteten Malerakademie. Im Jahre 1805 wurde die Gallerie der Kriegsunruhen wegen nach München transportirt u. die Akademie, welche auch nach dem Frieden ihrer Kunstschätze beraubt blieb, gerieth fast gänzlich in Verfall, bis die preußische Regierung 1820 Cornelius zur Regeneration der Anstalt nach D. berief. Erst unter dessen Nachfolger, Wilhelm von Schadow, seit 1826, nahm indeß die Kunstschule den Aufschwung, welcher sie zu einer epochemachenden Erscheinung in der modernen Kunstgeschichte erhob (vgl. Deutsche Kunst, auch Malerei [Gesch.]). Mit der Akademie verbunden ist ein Antikencabinet u. die Rambouxsche Sammlung von Aquarellzeichnungen im neuen Ständehause, zu welchem ein anderer neu erbauter Theil des Schlosses eingerichtet ist; ferner eine jährliche Gemäldeausstellung, welche indeß in neuester Zeit von den hervorragenden Malern D-s nur spärlich beschickt wird; endlich eine städtische Gemäldegallerie, welche erst in der neuesten Zeit zum Ersatz der nach München gewanderten Sammlung entstanden ist. Die Bilker Sternwarte, vom Professor Benzenberg der Stadt vermacht, ehedem ein Jesuitencollegium, ist in neuerer Zeit durch mehrere auf derselben vom Director, R. Luther, gemachten astronomischen Entdeckungen bekannt geworden. Unterrichtsanstalten: 1 Gymnasium 1 Realschule, die Herchenbachsche Privaterziehungsanstalt u. Handelsschule, mehrere Bürgerschulen u. Kleinkinderbewahranstalten. Heil- u. Besserungsanstalten: Irrenanstalt, Zucht- u. Arresthaus, 3 Krankenhäuser, Asyl für alte Männer u. Frauen, die arbeitsunfähig geworden sind, die Rheinisch-Westfälische Gefängnißgesellschaft. Öffentliche Gebäude: das alte Schloß (s. oben); 10 Kirchen, zwei derselben gehören dem evangelischen Bekenntnisse an u. eine ist für die Garnison[427] bestimmt; merkwürdig ist die St. Lambertuspfarrkirche, schon im 7. Jahrhundert eine Kapelle, 1288 zu einer Collegiatkirche erweitert, mit dem marmornen Grabmale Wilhelms des Reichen (st. 1592) u. dem Grabe Wilhelms des Guten u. seiner Gemahlin Jacobe von Baden (st. 1597); Reliquienkasten der Heil. Apollinaris u. Willaicus, über demselben ein Ölgemälde von Andreas. Achenbach; in der St. Andreaskirche befinden sich Ölgemälde von Deger u. Mücke, in der Maxkirche ein großes Freskobild von Setegast; 1 Synagoge, 1 Cavallerie- u. 1 Infanterie- u. Artilleriecaserne mit gegen 2000 Mann Garnison, 1 Theater, ehedem berühmt durch die unter Immermanns Leitung herangebildete Schauspielergesellschaft. Handel- u. Gewerbthätigkeit: eine Commandite der Preußischen Bank, Versicherungsgesellschaft für See-, Fluß- u. Landtransport, Dampfschiff- u. Schleppschifffahrtsgesellschaft; den Verkehr vermitteln außer dem Rheine die Köln-Mindener u. die Düsseldorf-Aachener Eisenbahn. Die Gewerbthätigkeit der Stadt erstreckt sich auf Schifffahrt, Speditionshandel, Senffabrikation (Düsseldorfer Senf), Manufactur von wollenen u. halbwollenen Stoffen, Weberei, Kammgarnspinnerei, Färberei, Druckerei u. Eisenwaarenfabrikation. Die Kunstindustrie erstreckt sich vorzugsweise auf die graphische Vervielfältigung von Erzeugnissen der Bildenden Kunst durch Stahlstich, Steindruck, Buntdruck, Holzschnitt etc.; außer zwei politischen Zeitungen, dem Düsseldorfer Journal u. der Düsseldorfer Zeitung, erscheinen hier noch die Westdeutschen Blätter, eine von L. Schücking u. O. von Schorn redigirte belletristische Zeitschrift, u. das illustrirte Witzblatt: Düsseldorfer Monatshefte. Eine permanente Gemäldeausstellung, welche eine Übersicht der Kunstproduction gewährt, befindet sich in der Buddeusschen Kunst- u. Buchhandlung (Schulte). Vereine u. Gesellschaften: in naher Beziehung zur Kunstakademie stehen die Künstlergesellschaft Malkasten, welche, 1848 gegründet, die Künstler zu heiteren u. ernsten Zwecken vereinigt u. durch Veranstaltung öffentlicher Festlichkeiten, namentlich der Frühlingsfeste u. der damit verbundenen Maskenaufzüge, auf das gesellige Leben der Stadt einen großen Einfluß ausübt; ferner der Kunstverein für Rheinland u. Westfalen, gegründet 1829; mehrere Musik- u. Männergesangvereine, Landwirthschaftlicher Verein, Gewerbeverein, Turnverein, Freimaurerloge zu den drei Verbündeten, Schützengesellschaft. Der heitere Charakter der Stadt entspricht dem geselligen Leben u. Treiben der Bewohner, deren Zahl durch die Niederlassung reicher Privatleute in den neuen Stadttheilen in jüngster Zeit einen großen Zuwachs erhalten hat. Für Kunst-, Natur- u. materielle Genüsse ist in reichem Maße gesorgt. Dem öffentlichen Vergnügen dient die Golzheimer Heide, wo alljährlich ein Pferderennen u. Schützenfest gehalten wird, der Geislersche u. Beckersche Garten, der Ananasberg im Hofgarten u.a.m. Eine historische Berühmtheit hat der Jacobische Garten, so benannt von dem Philosophen Fr. Jacobi, dessen Gastfreundschaft dort vielen berühmten Männern seiner Zeit, als Goethe, Wieland, Herder u. And., einen angenehmen Aufenthalt gewährte. Zu entfernteren Ausflügen bieten die Grafenberge, östlich von der Stadt, mitihren landschaftlichen Reizen günstige Gelegenheit. D. ist der Geburtsort vieler berühmter Schriftsteller u. Künstler, als Friedr. u. Joh. Georg Jacobi, Schenk, H. Heine, Varnhagen von Ense, Cornelius, Heinr. u. Pet. Heß, W. Camphausen, des Theologen Binterim u. des Grafen Hompesch, letzten Großmeisters des Malteserordens. – D. war um das Jahr 1288 noch ein Dorf mit einer festen Burg, nach dem benachbarten Dorfe Bilk eingepfarrt u. nach Ratingen in die Gerichtsbarkeit gehörend. Im Jahre 1288 erhob es Graf Adolf von Berg zur Stadt u. stattete dieselbe mit vielen Gerechtsamen aus, die den Ort schnell zur Blüthe brachten. Anfangs hatten die Grafen von Berg nur zeitweilig ihre Residenz hier, seit der Reformation wurde D. deren stetiger Wohnsitz. Nach dem Aussterben der Herzöge von Berg wurde D. seit 1609 von Brandenburg u. Neuburg gemeinschaftlich regiert. Während der Erbfolgestreitigkeiten (bis 1666 dauernd) erweiterte u. verschönerte Wolfgang Wilhelm die Stadt; er zog religiöse Orden in die Stadt u. erbaute mehrere Kirchen. Johann Wilhelm (1669–1710 Kurfürst) legte den Grund zu dem Kunstleben, welches D. noch heute auszeichnet. Unter Karl Theodor (1743–1800) wurde die Karlsstadt erbaut; 1758 fiel D. nach der Schlacht von Crefeld, durch die Hannoveraner bombardirt, in die Hände des Feindes. Ein zweites Bombardement fand 1794 durch die Franzosen statt, unter deren Herrschaft es 1806 gelangte, wo Prinz Mürat als Großherzog von Berg hier residirte. 1815 wurde es Preußen zugetheilt u. später Residenz des Prinzen Friedrich. Die Restauration der Akademie (1820) hob die Stadt u. wirkte auch auf die industriellen Verhältnisse derselben günstig ein. Im Aug. 1848 kam es in D. zu Reibungen zwischen dem Pöbel, welcher den durchreisenden König von Preußen insultirte, u. dem Militär. Am 9. u. 10. Mai 1849 veranlaßte die Widersetzlichkeit der Landwehr eine militärische Occupation der Stadt u. die Erklärung des Belagerungszustandes.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 5. Altenburg 1858, S. 427-428.
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