Uri [1]

[284] Uri, 1) der vierte Canton der Schweiz u. einer der drei Urcantone, zwischen den Cantonen Schwyz, Glarus, Graubündten, Tessin, Wallis, Bern u. Unterwalden, 19,67 QM.; er begreift das Thal der obern Reuß mit seinen zahlreichen wilden Nebenthälern u. die diese umstehenden mächtigen Alpenstöcke. Diese Gebirge (Urneralpen), von denen keines unter 5000 Fuß u. mehre über 10,000 Fuß hoch sind, erstrecken sich von dem Centralstock des Gotthard, dessen Spitzen Fibia (8441 Fuß), Fieudo (9490 F.). Luzendro, Ursernspitz (8209 F.) u. Mutthorn (9551 F.) zu U. gehören, auf der einen Seite über den Sixmadun (9023 F.), Crispalt (8592 F.), die Windgalle (9818 F.). das Scheerhorn (10,147 F.), die Clariden (10,159 F.) u. den Roßstock, auf der andern Seite von dem Mutthorn u. Galenstock (11,173 F.) an der Furka über das Sustenhorn (10,830 F.), den Titlis (9970 F.), Krontelet, Urirothstock (9027 F.) u. Bristenstock (9464 F.) zum südlichen Ende des Vierwaldstättersees, sind reich an kahlen Felswänden, Schneefeldern u. Gletschern u. bergen großartige u. wilde Alpenlandschaften. Sie gehören größtentheils den Urgebirgen an, auf welche sich nordwärts die Kalkalpen aufsetzen, in ersteren kommen Rauchtopase, rosenrothe Flußspathe, schwarze Schörle, Turmaline, Adulare, Granaten etc. vor, bes. reich an den mannigfaltigsten Mineralien ist das Gebiet des Gotthard. Der Hauptfluß ist die Reuß mit der von der Furka herabkommenden Göschenenreuß, dem Maienbach, Kärstelenbach, Schächenbach u.a., sie bildet auch des Hauptthal des Cantons; die bedeutendsten Nebenthäler sind das Urserenthal, Göschenenthal, Maienthal, Maderanerthal, Schächenthal, Isenthal, welches letztere sich in den Vierwaldstättersee öffnet. Seen: der südliche Theil des Vierwaldstättersees (Urnersee), Oberalpsee u. mehre andere kleine Alpenseen Von den Pässen u. Straßen sind die Gotthardstraße die wichtigste, außer ihr führen Saumpfade aus dem Schächenthal über den Cluspaß ins Lintthal, durch das Maienthal über den Sustenpaß ins Gadmenthal, der Surenenpaß ins Thal der Engelbergeraa, durch das Maderanerthal über den Kreuzlipaß nah Disentis, der Paß über die Furka ins Rhonethal Klima: Zu den mildesten Gegenden gehört das Reußthal von Flüelen bis Amsteg, nach dem Gotthard zu wird es rauher, u. im Urserenthal dauert der Winter fast 8 Monate; der vorherrschende Wind ist der gefährliche Föhn, in den Thälern am häufigsten im Frühjahr u. Herbst; zahlreich sind auch die Lawinenstürze. Der Canton ist nächst Graubündten der am schwächsten bevölkerte, er zählte 1860: 14.741 Ew. deutscher Abstammung, darunter 14,705 Katholischer Confession. Die Haupterwerbsquelle derselben ist die Viehzucht u. Alpenwirthschaft; von Rindvieh hat man in den niederen Gegenden die Schwyzerrace, in den höher gelegenen die kleine Graubündtnerrace (berühmt ist der fette Urserenkäse);[284] auch viele Pferde werden gehalten, bes. im Urserenthal zur Fortschaffung der Güter über den Gotthard. Feld- u. Gartenbau wird wegen der Ungunst des Bodens nur auf der Strecke vom Vierwaldstättersee bis Wesen getrieben u. beschränkt sich auf Getreide, welches aber den Bedarf bei weitem nicht deckt, Raps, Hanf, Kartoffeln, Gemüse u. Obst, bes. Nüsse. Die Waldungen bedecken den 10. Theil der Gesammtoberfläche, liefern einen beträchtlichen Ertrag von Brenn- u. Nutzholz, sind aber größtentheils ohne Forstcultur Die Jagd u. Fischerei (erstere auf Gemsen, Berggeflügel, Alpenhasen u. Füchse) sind frei. Die Fabrikindustrie ist von keinem Belang; dagegen der Handel mit Vieh, Käse, Häuten, Wolle, Holz, Harz, Pech, Pottasche, Arzneipflanzen, Mineralien, italienischen Wein u. Reis, die Speditionsgeschäfte u. der starke Personenverkehr u. Waarentransit von großer Bedeutung für den Canton. Außer der Haupthandelsstraße, der Gotthardstraße, wird gegenwärtig noch eine neue Straße von Brunnen am Vierwaldstättersee hin nach Flüelen gebaut; auch steht in neuester Zeit eine Gotthardeisenbahn in Aussicht. Für die Volksbildung ist nur unzureichend gesorgt, der Volksunterricht wird meist nur während der Winterszeit ertheilt; in Altorf besteht ein Gymnasium u. eine Realschule, in Andermatt eine Lateinische Schule der Kapuziner; es gibt 3 Klöster. Die Katholische Religion ist Staatsreligion, der Fortbestand der Klöster unter Staatsoberaufsicht gewährleistet; in kirchlicher Beziehung ist der Canton provisorisch dem Bisthum Chur untergeordnet. In U. liegen von geschichtlich merkwürdigen Orten das Rütli, Brunnen, Altorf, die Tellskapelle u.a., von landschaftlich ausgezeichneten Punkten die Gotthardstraße mit den Schöllenen, der Teufelsbrücke etc. Verfassung: Die Verfassungsurkunde von U. datirt vom 7. Mai 1820 (Bornhauser, Verfassung der Schweiz, Trogen 1836, II. 6. 1.) u. deren Revision von 1850. Die höchste Gewalt steht bei der am ersten Sonntage im Mai zu Bötzlingen an der Gand, außerordentlich in der Regel auf der Landleutmatte bei Altdorf od. an einem andern vom Landrath bestimmten Orte versammelten Landesgemeinde. Stimmberechtigt ist jeder männliche Einwohner des Cantons, welcher das 20. Lebensjahr erreicht hat, die Geistlichkeit ausgenommen. Jeder zu einem Amte Gewählte ist verpflichtet dasselbe auf eine Amtsdauer zu führen. Die Landesgemeinde bewilligt Gesetze, Steuern, Verträge u. wählt die Beamten. Der Landrath, welcher aus dem Landamman, dem Landesstatthalter, den übrigen vier vorsitzenden Mitgliedern des Regierungsrathes, dem Cantonsgerichtspräsidenten u. je einem auf 300 Einwohner kommenden Mitgliede besteht, bringt als stellvertretend gesetzgebende Behörde alle Gesetzesvorschläge mit seinem Gutachten vor die Landesgemeinde, überwacht die gesammte Staatsverwaltung u. übt das Recht der Begnadigung u. Amnestie; nur bei Begnadigung von zum Tode Verurtheilten wird er durch den Zweifachen Landrath ergänzt, d.h. durch die Verdoppelung seiner Mitglieder. Außerdem bat er fünf Mitglieder des Regierungsrathes, eben so viele des Cantonsgerichts, die Mitglieder des Criminalgerichts, diejenigen aller Verwaltungscommissionen, des Verhöramts u.a. zu ernennen. Unter seiner Oberaufsicht steht der Regierungsrath, welchem die Vollziehung der Gesetze, Verordnungen u. die Staatsverwaltung obliegt u. welcher aus den vom Volke ernannten vorsitzenden Herren u. aus fünf vom Landrathe aus seiner Mitte gewählten Mitgliedern gebildet wird. Das Cantonsgericht ist die höchste civil- u. strafrichterliche Behörde u. übt die Oberaufsicht über die gesammte Rechtspflege. Als erste Instanz in Criminalfällen besteht das Criminalgericht, als erste Civilinstanz die beiden Bezirksgerichte. Den Bezirken stehen Bezirksräthe vor, für die einzelnen Dorfgemeinden sind Gemeinderäthe u. Kirchenräthe eingesetzt. Alle staatskirchlichen Angelegenheiten, Ehestreitigkeiten u. die Aufsicht über die Verwaltung des Kirchengutes liegt einem Diöcesanrathe ob; derselbe besteht aus fünf vom Landrathe gewählten Mitgliedern, aus den bischöflichen Commissarien beider Bezirke u. aus zwei geistlichen, vom Priestercapitel gewählten Mitgliedern u. steht unter der Oberaufsicht des Landrathes Der Erziehungsrath ist aus fünf geistlichen u. fünf weltlichen Mitgliedern gebildet. Der Canton wählt in den Schweizer Nationalrath ein Mitglied, in den Schweizer Ständerath deren zwei. Das Geldcontingent beträgt 1450 Franken, das Mannschaftscontingent eine Abtheilung Packtrain, eine Scharfschützencompagnie u. ein halbes Bataillon Infanterie, im Ganzen 429 Mann. Wappen: ein schwarzer Stier in goldenem Felde. Münzen, Maße u. Gewichte: Man rechnet jetzt (seit 1850) in U. wie in der ganzen übrigen Schweiz (s.d. S. 629) nach Franken des französischen Münzfußes (8 Sgr) früher wie in Unterwalden, nach Gulden zu 40 Schillinge a 2 Heller od. zu 15 Batzen a 4 Kreuzer in einem Werth von 28,9237 Gulden auf die Kölnische seine Mark. 1 Gulden=15 Sgr. 61/4 Pfennig Geprägte Münzen sind nur in Scheidemünze 1 u. 1/2 Batzen vorhanden. Maße u. Gewichte sind gesetzlich ebenfalls die neuen schweizerischen (s.u. Schweiz S. 629); doch rechnet man in Handel u. Wandel auch noch häufig wie in Zürich, s.d. Als Flüssigkeitsmaß hat die Maß in U. 1,815 Liter od. 1,21 neue schweizer Maß. Eintheilung: in zwei Bezirke, U. u. Urseren Hauptort: Altorf. Vgl. Geographisch-statistische Darstellung des Cantons U., Zür, 1805; Elsener, Medicinisch-topographische Bemerkungen über einen Theil des Urner Landes, 1811. 2) Bezirk hier, mit dem Hauptort des Cantons Altorf, wo die Regierung ihren Sitz hat.

Bestimmtere Erwähnung wird U-s in dem Stiftungsbriefe des Frauenmünsters in Zürich vom Jahre 853 gethan. Nach derselben schenkte König Ludwig, Enkel Karls des Großen, dieser Abtei u. seinen zwei Töchtern Hildegard u. Emma das Pagellum Uraniae. Neben der genannten Abtei übten in den folgenden Jahrhunderten auch das Kloster Wettingen, die Grafen von Rapperswyl, die Freiherren von Attinghausen u. Andere besondere Gerechtsame in dem Lande. Die Reichsunmittelbarkeit der Urner bestätigte Kaiser Friedrich II. 1240. Geschichtliche Bedeutung erlangte U. durch Wilhelm Tell u. durch die Schweizerrevolution 1308, wodurch sich U. mit Schwyz u. Unterwalden zur Schweizer Eidgenossenschaft verband (s. Schweiz S. 633). Nachdem 1410 die Urner das Urserenthal in ihren Schirm aufgenommen hatten, kauften sie in den Jahren 1441 u. 1467 auch noch das Livenerthal Doch erwuchsen ihnen aus diesen Erwerbungen in späterer Zeit Gefahren, u. namentlich ist hierbei der Empörung der Livener 1713, so wie des bewaffneten Aufstandes derselben zu gedenken, Ereignisse,[285] über welche die Urner nur durch die größten Kraftanstrengungen glücklich hinwegkamen. Große Drangsale aber erlitt U. 1799, nachdem es 1798 nach Auflösung der alten Eidgenossenschaft mit Schwyz, Unterwalden u. Zug zu dem Canton Waldstätte vereinigt worden war, wogegen sich U. widersetzte u. dafür die Gewalt der Franzosen fühlen mußte, s. Schweiz S. 647 f. In neuerer Zeit gehörte U. stets zu den conservativen Cantonen u. verfolgte fast immer das politische System von Schwyz u. Unterwalden. Daher auch seine Theilnahme an der Sarner Conferenz 1832 (s. Schweiz S. 651), seine Protestation gegen die Conferenz zu Baden 1834 (s. ebd. S. 652) etc. Auch an der Ende 1845 zu Luzern abgehaltenen Conferenz der bundesgetreuen Stände nahm U. Antheil, so wie es denn auch in derselben Zeit eben so, wie die übrigen zum Sonderbund gehörigen ultramontanen Cantone, unverhältniß große Summen für das Militärwesen verwendete. Vgl. F. V. Schmid, Geschichte des Freistaates U., Zug 1788–1790, 2 Thle.; Lusser, Geschichte des Cantons U., Schwyz 1862.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 18. Altenburg 1864, S. 284-286.
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