1. Besser geschämt als gegrämt.
Es ist nicht immer eine Schande, der Gefahr auszuweichen.
Böhm.: Lépe se jednou zardíti (studem), nežli stokrát blednouti (strachem). – Lépe se krátce stydĕti, než dlouho želeti. (Čelakovsky, 27.)
Lat.: Bona turpitudo est, quae periculum indicat (vindicat). (Philippi, I, 62.)
[91] 2. Des du dich schemest, das thu nit. – Franck, I, 59b; Lehmann, II, 68, 2; Simrock, 8868; Körte, 5226.
3. Eck schäme meck, sä' dat Mäken, un heil 'n Twêrensfân ('t Hemd) vor de Ôgen. (Hildesheim.) – Hoefer, 701; Schlingmann, 279.
4. Einer schämt sich vor dem andern.
Böhm.: Oko studu rossudí. – Tvář tváře se stydí. (Čelakovsky, 121.)
Poln.: Oko wstydu rossadnik. (Čelakovsky, 121.)
5. Erst schäm' ick mick, da krêg ick nich vêl; naher woll ick wat, da was nist mehr. (Braunschweig.)
Von übel angebrachter Bescheidenheit.
6. Es schämt sich mancher und hat keine Scham.
Lat.: Pudor, si simules, prodest, verus obesse solet. (Philippi, II, 114.)
7. Man kan sich wol also schemen, das man schand vnd schaden hat, auch wol also, das man gnad vnd ehr daruon hat. – Henisch, 816, 40.
Holl.: Daar de schaamte schade baart, is zij van een' zotten aard (is ze niet dan dwaasheid). (Harrebomée, II, 236b.)
8. Man schämt sich öffentlich und thut's heimlich.
Böhm.: Kde není oka, není studu. (Čelakovsky, 121.)
Poln.: Gdzie oka niemasz tam i wstydu. (Čelakovsky, 121.)
9. Ob du dich nicht schämst, sagte die Larve zur Vogelscheuche.
Engl.: I wonder you are not ashamed of yourself, as the smock-frock said to the scare-crow. (Hagen, IV, 103, 14.)
10. Schäme dich nicht zu bekennen, was dein Handwerck ist. – Lehmann, II, 566, 25.
11. Schäme dich vor den Wänden, wenn du etwas Unrechtes vorhast.
12. Schämen ist für vieles gut. – Braun, I, 3765.
13. Schiäm di nitt! I-ek hewwe mi enmoal oppen Fridach schiämt, doa krech ik kain Flesk. (Iserlohn.) – Woeste, 89, 170.
14. Was du dich schemst, vor andern zu thun, das thu auch allein nit. – Franck, I, 158b; Simrock, 8867; Körte, 5255; Braun, I, 3766.
Dann würde man vieles, was sehr nöthig ist, gar nicht thun dürfen.
Lat.: Summus pudor ipse tibi sis.
15. Welche sich nit schemet, eins Kinds Mutter zu werden, soll sich auch nicht schemen, dess Kinds Amme zu werden. – Lehmann, 169, 24.
16. Wer sek nich schämet, dei ernêrt sek wol. (Hannover.) – Schambach, II, 183.
17. Wer sich im Finstern schämt, wird nicht roth.
18. Wer sich nicht schamet, der macht jm die Kirchweyhe nütze. – Melander, II, 138; Simrock, 8875.
19. Wer sich nicht schämt, bekommt viel.
20. Wer sich nicht schämt, der nährt sich wohl. – Bücking, 133; Petri, III, 15.
21. Wer sich nicht schämt, lebt desto besser.
22. Wer sich nicht schämt, thut was ihm gelüstet.
23. Wer sich nicht schämt und nicht grämt, der nährt sich leicht.
It.: Lasci la vergogna, chi impetrar vuoli. (Pazzaglia, 400, 4.)
24. Wer sich nicht schämt zu sündigen, der sündigt doppelt.
25. Wer sich nit schempt, wirt nit zu schanden. – Franck, I, 162b; Simrock, 8866; Körte, 5224; Braun, I, 3764.
Böhm.: Kdo se nestydí, nedojde hanby. (Čelakovsky, 121.)
Lat.: Qui pudorem non amat, pudore non afficitur. (Chaos, 86.)
26. Wer sich schämt, bekommt kein Fleisch. (Schöningen.)
27. Wer sich schämt, der leg ein Finger auff die Nass. – Gruter, III, 111; Lehmann, II, 877, 241.
28. Wer sich schämt, habe den Schaden. – Simrock, 8865; Körte, 5233; Körte2, 6576.
29. Wer sich schämt zu essen, der wird bald vergessen.
Jüd.-deutsch: Was sich charpent (schämt) zu esse' un zu orn' (beten) is hier un dort verlorn'. (Tendlau, 892.)
Frz.: Qui a honte de manger, a honte de vivre. (Gaal, 916; Bohn I, 48.)
[92] 30. Wer sich schämt, zu essen und zu oren (beten), ist in der ganzen Welt verloren. – Balss, 23.
31. Wess man sich schämt zu sagen, dess soll man sich auch schämen zu thun.
It.: Quello che si hà vergogna di dire, si doverebbe haver vergogna di volere. (Pazzaglia, 400, 6.)
32. Wessen man sich schamen mag, das thut man nicht am hellen Tag.
Böhm.: Zač se stydíme, rádi tujime. (Čelakovsky, 121.)
Poln.: Czego się wstydzimy, to radzi kryjemy. (Čelakovsky, 121.)
33. Wessen man sich schämt, dessen soll man sich auch nicht gelüsten lassen.
Lat.: Quod pudet, hoc pigeat.
*34. A selt sich schamen, a gît uf der Grube rim. (Schles.) – Frommann, III, 412, 481.
*35. A sult sich schamen, der alte Schêsser. – Gomolcke, 201.
*36. Als ich mich einmal schämte, da kriegt' ich nichts.
*37. Ar schâmt si wi a Bettbrunzer. (Franken.) – Frommann, VI, 165, 42.
*38. Dai schéämed sik as en Beddemêiger. (Grafschaft Mark.) – Frommann, V, 162, 132.
*39. De schämen un grämen sick nig. – Dähnert, 399a.
Sie leben in den Tag hinein.
*40. Eck schämme mui mol, do kreig eck nicks. (Lippe.) – Firmenich, I, 270.
*41. Er muss sich schämen, dass ihn die Sonne bescheint.
Böhm.: Zivet' i ta doba, že stydno vykročiti z dvora. (Čelakovsky, 159.)
*42. Er schämt si wie en Churerbatze. – Sutermeister, 45.
*43. Er schämt sich wie ein begossener Hund.
In Westfalen: Sik schaemen äs en begoeten Röe.
Frz.: Elle est devenue rouge comme la sebile d'un pressoir. (Kritzinger, 562b.)
*44. Er schämt sich wie ein Bettséicher (Bettbrunzer). – Schöpf, 63.
In der Schweiz: Er sött si schäme wie'n e Bettseicher. (Sutermeister, 85.)
*45. Er schämt sich wie ein Esel, dem der Sack entfällt.
Der sich eben gar nicht schämt; also von unverschämten Leuten.
Holl.: Hij schaamt zich als een ezel, wien de zak ontvalt. (Harrebomée, II, 489b.)
*46. Er schämt sich wie ein Kind, das ins Bett gemacht.
Holl.: Hij is zoo beschaamd als een kind, dat in zijn bed gep... heeft. (Harrebomée, I, 34b.)
*47. Er schämt sich wie ein Pfeifer, der den Tanz verderbt hat.
*48. Er schämt sich wie ein Pferd, das den Wagen umwirft.
Holl.: Hij is zoo beschaamd als een paard, dat zijns meesters kar omsmijt. (Harrebomée, II, 382b.)
*49. Er schämt sich wie ein Pudel.
In Westfalen: Sik scheâme äs en Pudelhund.
Holl.: Hij schaamt zich, als eene koe in de vasten doet. (Harrebomée, I, 424a.)
*50. Er schämt sich wie eine Sau, die einen Sauerteig wegträgt.
Frz.: Il est honteux comme une truye qui emporte un levain. (Kritzinger, 380a.)
*51. Er schemet sich keiner lüg. – Franck, II, 94b.
*52. Hä schamt sich bi e Bettbrönser. (Henneberg.)
In Ostpreussen: He schämt söck wie e Beddseicher. (Frischbier2, 3247.)
*53. He schämt sik nich un grämt sik nich. – Eichwald, 1647.
*54. Ich schämte mir den Dreck aus den Augen. – Weinhold, 15.
*55. Ich schämte mir in die grobe Grund. – Schurr-Murr, 63.
*56. Ich heb(be) mi ênmal schâmt, ick heb(be) der nix vör krêgen. (Ostfries.) – Bueren, 722; Frommann, VI, 283, 710; für Oldenburg: Goldschmidt, 161; hochdeutsch bei Simrock, 8860.
Böhm.: A co styd, jen když jsem syt. (Čelakovsky, 191.)
*57. Schäm' de in dein Seel' nei. (Ulm.)
*58. Schäm' dich in deinen Rachen. – Frischbier2, 3246.
[93] *59. Schäm' er sich nur, und nehm' er's Hemde vor die Augen! – Simrock, 8874.
In Schlesien: Schâm er sich og und nahm as (nehm er das) Hemde fir de Ogen. (Gomolcke, 877.) Die Russen: Sie schämt sich wie ein nacktes Weib vor ihrem Mann. (Altmann VI, 418.)
Böhm.: Stydíš li se, zakruyj tvář řešetem. (Čelakovsky, 122.)
*60. Schoam' dij bet in dijn Oader un Blôt. (Pommern.)
Schäme dich bis in deine Ader und Blut.
*61. Sie schemeten sich, wie ein Pfeiffer, der den Tantz verderbet hat. – Fischart, Gesch., in Kloster, VIII, 245.
*62. Sie wollte sich gern schämen, aber sie weiss nicht, woher sie die Farbe soll nehmen.
*63. Sik schemen as ên Vos. – Lauremberg, II. Anh., IV, 70.
Sich fuchsroth schämen.
*64. Wat sull öck mi schäme, öck hebb je noch e Hemd an. – Frischbier2, 3248.
Antwort auf die verweisende Frage: Schämst du dich nicht?
*65. Wer sich schämt, habe den Schaden. – Körte, 5223.
66. Ich schäme mich, sagte die Braut, als sie ins Bett stieg und die Strümpfe nicht ausziehen wollte.
67. Wer sich allzu sehr schämt, wird nicht reich. – Wirth, I, 447.
68. Wer sich schämt, wird nichts bekommen, Grobe haben's weggenommen. – Olearius, 354.
*69. Sich schämen, wie ein beschneiter Hund. – Hermes, II, 483.
*70. Sich schämen, wie ein frisch geschorner Pudel. – Buch der Welt, 1846, S. 23b.
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