1. An etwas Schande stirbt man nicht.
Frz.: Un peu de honte est bientôt bue. (Cahier, 872.)
2. Besser a Schand in Punim (Gesicht) eider (als) a Kränck (Krankheit, Schmerz) in Bauch. (Jüd.-deutsch. Warschau.)
Das Sprichwort meint, eine Beschimpfung sei nicht so gefährlich, so schlimm, als eine Krankheit, ein inneres Leiden.
3. Besser in Schande stehen als nach Schande gehen.
Holl.: Beter is schande beseten dan belopen. (Harrebomée, II, 242b.)
Lat.: Peius currendo vicium fit quam residendo. – Sessio laudatur precursu si viciatur. (Fallersleben, 134.)
4. Der kommt in Schande, der nichts treibt im Lande.
Holl.: Lang gebleven, niet bedreven doet in schande leven. (Harrebomée, II, 243a.)
5. Der sich schande rhüemt, der ist nicht ehrn werdt. – Franck, II, 184b; Gruter, I, 17; Eyering, I, 541; Henisch, 812, 3; Schottel, 1114a; Körte, 5259; Simrock, 8883; Ramann, Unterr., V, 28; Braun, I, 3796.
Mhd.: Swer ime selbe koufet spot, der muoz die schande hân. (Rosengarten.) (Zingerle, 130.)
Dän.: Frygt for skam er tegn til et ærligt gemyt. – Hvo sig roser af skam er ei ære værd. (Prov. dan., 204 u. 480.)
Holl.: Die de schande niet ontziet komt niet tot eer. (Harrebomée, II, 242b.)
Schwed.: Synden blijr intet fullbordad, för än hon rosas. – Rosad last är dubbel synd. (Grubb, 692.)
6. Durch eines schand wird der ander weise. – Petri, II, 156.
Bei Tunnicius (989): Dorch des einen schande wert de ander weys. (Ex vitio alterius sapiens sua crimina purgat.)
7. Ein jeder schau auf seine Schande.
8. Ein new schand macht, das alter Sünd wird gedacht. – Petri, II, 217.
9. Ein schand tödtet alle Tugend. – Petri, II, 223.
10. Ein wenig Schand macht das angesicht rot. – Petri, II, 237.
[95] 11. Ein wenig Schand wermet wol. – Petri, II, 237.
12. Ein wenig Schande wärmt und macht schöne Farbe. – Simrock, 8888.
Bei Tunnicius (467): Ein weinich schande warmet wol unde maket schone varwe. (Et calet atque rubet facies vel crimine parvo.)
Dän.: Ingen større skam end intet ville lære. (Prov. dan., 502.)
Holl.: Een luttel schande warmt wael ende maket schoon verwe. (Harrebomée, II, 243a; Tunn., 12, 13.)
Lat.: Scandala me vere calidum rubiumque fecere. (Fallersleben, 341.)
13. Es ist besser mit schanden geflohen, dann mit ehren todt geblieben. – Franck, II, 10a; Tappius, 12b; Petri, III, 2.
Holl.: Beter met schande gevloden, dan met eere dood gebleven. – Beter met schande het kwade gelaten, dan met eere slim bedrijf gedaan. (Harrebomée, II, 242b.)
Lat.: Cum licet fugere, ne quaere litem. (Tappius, 12a; Philippi, I, 102.)
14. Es ist den geringsten kein Schand, wenn sie den grösten weichen. – Lehmann, II, 140, 124.
Dän.: Det er ei skam at flye for sin overmagt. – Det er ikke skam at den mindre viger den større. (Prov. dan., 502.)
15. Es ist ein ehrlich schand vmb ehrn willen sterben. – Franck, I, 69a; Henisch, 805, 8; Gruter, I, 33; Petri, II, 259; Schottel, 1143b; Körte, 5262.
Lat.: Honesta turpitudo mori pro bona causa.
16. Es ist ein schand, das der böfel lobt. – Franck, I, 133a; Lehmann, II, 142, 154.
17. Es ist eine Schande für den Staat, wenn dumme Leute sitzen im Rath.
Böhm.: Hanba sedĕti při knižeti v radĕ a vĕsti vĕci své tak jako sedláci v krčmĕ. (Rybicka, 361.)
18. Es ist eine Schande für unser ganzes Gewerk, sagte der Schuhflicker.
19. Es ist eine Schande, lange in der Lehre sein (lange dienen) und doch ungeschickt bleiben. – Simrock, 1626.
20. Es ist kain schande, das ainer nichts waiss, das ist aber ain Blutschande, das ainer nichts lernen will. – Agricola II, 7; Petri, II, 270.
21. Es ist kein schand, das man nicht kan, sonder das man nicht lernen wil. – Franck, I, 129; Eyering, II, 543; Lehmann, II, 144, 187.
22. Es ist kein Schand fragen, wenn einer ein Ding nicht weiss. – Lehmann, II, 145, 198.
23. Es ist keine Schande, dem Grossen weichen.
Bei Tunnicius (981): It is neine Schande, den groten wyken. (Dedecus est certe maiori cedere nulli.)
24. Es ist keine Schande etwas zu lernen.
Dän.: Det er ingen skam at lære. (Prov. dan., 502.)
25. Es ist keine Schande in den Dreck fallen, aber eine Schande ist's, im Dreck liegen bleiben.
It.: Non è vergogna il cader nel fango, ma vergogna è di non voler levarsene. (Pazzaglia, 401, 1.)
26. Es ist keine Schande, kein Geld im Beutel zu haben, aber es ist oft sehr unangenehm (lästig, unbequem).
Holl.: Het is geene schande, geen geld te hebben, maar het is zoo ongemakkelijk. (Harrebomée, II, 243a.)
27. Es ist keine Schande, nicht viel gehabt haben, aber Schande ist's, es leicht haben erhalten können.
28. Es ist keine Schande, wenn Junge Alten was nachgeben.
29. Es ist schande in diesem Lande; Herr Heinrich von Staden hefft die Newburg verrathen. – Henneberger's Erklärung der Landtafel, S. 334.
Als im Jahre 1458 das Ordensvolk Neuenburg erstieg, beschuldigte man in Danzig Herrn Heinrich von Staden des Verraths und Peter Braun schlug obigen Reimspruch an den Artushof. (Töppen, 69.)
30. In Schand' und Ehr', Natur geht über Lehr'.
Holl.: Het zij in schande of eer, natuur gaat boven leer. (Harrebomée, II, 243a.)
31. Jeder macht sich seine Schande selbst.
Dän.: Ingen vorder skam uden han giør sig selv skam. (Prov. dan., 502.)
32. Leewer Skun üüs Skâs. (Amrum.) – Haupt, VIII, 358, 123.
[96] 33. Man wird mit Schand vnd Schaden gewitzigt, doch ist's besser schad denn Schand. – Petri, II, 470; Henisch, 323, 28.
34. Mancher möchte seine eigene Schande gern auf eines andern Rücken laden.
Will seine Schuld auf andere bringen.
Dän.: Mangen saae gjerne sin egen skam, paa en andens ryg. (Prov. dan., 502; Bohn I, 387.)
35. Mancher will seine Schande abwaschen und macht den Fleck nur grösser.
Frz.: Tel cuide venger sa honte qui l'accroit. (Bohn I, 58.)
36. Mit seiner eigenen Schande macht niemand Staat.
Engl.: Who hath horns in his bosom, let him not put them on his head. (Gaal, 1355.)
37. 'S is Schand for'sch ganza Gaigers Handwärk. (Würzburg.) – Sartorius, 161.
Um zu sagen: es ist eine Schande für die ganze Familie, Zunft oder Standesgenossenschaft.
38. Sag' von dir selber keine Schand, sie kommt dir doch wol noch zur Hand. – Eiselein, 566; Simrock, 8886; Körte, 5261.
39. Schand wird offt geheilet, aber mit einer Narven. – Lehmann, 697, 3.
40. Schande dauert länger als Armuth.
Holl.: Schande duurt langer dan armoede. (Harrebomée, II, 243a; Bohn I, 337.)
41. Schande folgt auf Schande, wie Schuld auf Schuld.
42. Schande hindert Tugend. – Simrock, 8880.
43. Schande ist Lasters Lohn. – Petri, II, 526.
44. Schande ist nicht tewr, man kan sie für ein gering antheil einkauffen. – Petri, II, 527.
45. Schande ist Schande, man halte sie dafür oder nicht. – Simrock, 8881.
46. Schande kann Elbe und Rhein nich abwaschen. – Petri, II, 527.
47. Schande kommt zu dem, der sie einladet (sucht).
Dän.: Ingen falder skam, uden han selv hielper til med. (Bohn I, 381.)
48. Schande löst der Liebe Bande.
Denn die Liebe kann nur bei gegenseitiger Achtung bestehen.
49. Schande macht Flecken, die sich nicht wegwaschen lassen.
Dän.: Skam er faa fast en farve, at den besværligen ved forglemmelse kand afvaskes. (Prov. dan., 502.)
50. Schande oder Ehre stammen aus dem geführten Amt.
51. Schande thun vnd sich hernach erst schemen, macht verwent Megd. – Petri, II, 527.
52. Schande tödtet Tugend. – Körte, 5288.
Frz.: Blâme frais l'honneur vieil démonte.
53. Schande treibt aus dem Lande.
54. Schande und die Hölle erwartet die Spieler.
Lat.: Dedecus omne manet lusores atque barethrum. (Tunn., 857.)
55. Schande und Hunger thun wehe.
Böhm.: Boli hanba. (Čelakovsky, 106.)
56. Schânden halwer miss em munch în 't dân. (Siebenbürg.-sächs.) – Schuster, 1023.
57. Sein eigne schand verhäufft vnd mehrt, der sein geschlecht selbsten entehrt. – Zinkgref, IV, 406.
58. Seine eigene Schande rühmen, ist ein schlechter Ruhm. – Gaal, 1355.
59. Von dir selbst sag' keine Schand, denn sie kommt dir doch zur Hand.
60. Vor Schande war nie besser List, als wer der Zunge Meister ist. – Eiselein, 661; Simrock, 12186.
61. Wann nicht ein newe schande macht, der alten sünd wird nicht gedacht.
Lat.: Scandala saepe noua, peccata mouent ueterata. (Loci comm., 163.)
62. Was schandt ist zu thun, das ist auch schandt zu reden. – Lehmann, 697, 6.
63. Was sonsten Schande war, das ist nun Ehr'.
Bei Tunnicius (1184): Dat vôrtydes was schande dat is nu ere. (Quod fuerat vitium nunc mos laudabilis extat.)
64. Wer der Schande sich rühmt, der hat sie vollbracht.
Bei Tunnicius (818): De sik schande berômt, de heft se vullen brocht. (Lex scrofa canit, turpe est malefac a referre.)
[97] 65. Wer die Schande nicht flieht, kommt nicht zu Ehren.
Holl.: Die de schande niet ontziet, komt niet tot eer. (Bohn I, 308.)
66. Wer in der Schande rührt, vermehrt sie.
Holl.: Die schande meent te wreken, vermenigvuldigt ze. (Harrebomée, II, 242b.)
67. Wer in Schande kommen, zieht auch andere gern hinein.
Mhd.: Es ist ein gesprochen wort, das han ich ye vnd ie gehort, wer do geschendet ist, der wolt gern zu aller frist, das iederman geschent were. (Dyocletian's Leben.) (Zingerle, 130.)
68. Wer mit Schanden haltet den Leib, der sollt eher sein ein Weib.
69. Wer sein eigen Schand aussagt, der wird einem andern nicht heimlich halten. – Petri, II, 751.
70. Wer seine eigene Schande nicht hören will, der muss seines Nächsten (Nachbars) nicht aufdecken.
Dän.: Din næstes synd du vel dek til, om du din ikke høre vil. (Prov. dan., 540.)
71. Wer seine Schande nicht decken kann, heisst ein Affe bei jedermann.
72. Wer selber in Schande ist, will auch andere in Schande bringen.
Dän.: Den som har faaet skam var til freds at all verden var skiendt med hannem. (Prov. dan., 502.)
73. Wer zu Schanden werden will und weiss nicht, wie, der halte sich viel Federvieh.
74. Willst du Schande haben, sei ein redlicher Mann.
75. Wiltu nicht mit schand erroten, so lass dein nicht mit warheit spotten.
Lat.: Dum iocus est uerus, malus est iocus atque seuerus. (Loci comm., 198.)
76. Wiltu ohn schand sein in alten tagen, soltu von kind auff nach tugend jagen.
Lat.: Qui non assuescit uirtuti, dum iuuenescit: a uitijs nescit desuescere, quando senescit. (Loci comm., 205.)
77. Wird die Schande gross, geht sie am Tage bloss.
*78. Das ist ja 'ne Schande fürs ganze Pantoffelmachergewerk. (Stettin.)
In Preussen: ... für das ganze Schustergewerk. Eine allgemeine Redensart und nicht blos auf die Schuhmacher bezüglich. (Frischbier, 3249.)
*79. Dia Schand wöscht d'r Mö (Main) nit roa. (Franken.) – Frommann, VI, 323, 333.
*80. Du kanst auch deiner eygen schand nit schwigen. – Tappius, 47b.
Lat.: Domesticum thesaurum calumniari. (Tappius, 47a.)
*81. Einem so viel Schande anthun, dass sie auf keiner Kuhhaut Platz hat.
*82. Er hat die Schande zum besten.
Frz.: L'affront lui en demeure. (Kritzinger, 13b.)
*83. Er het em alli Schand' und Gäul g'seit. – Sutermeister, 79.
*84. Er ist Schand' und Spott gewohnt. – Braun, I, 3798.
*85. Er kann seine eigene Schande nicht decken.
Holl.: Hij kan zijne eigene schande niet dekken. (Harrebomée, II, 243a.)
*86. Er kauft Schande für sein Geld.
Holl.: Hij draagt (koopt) schande voor zijn geld. (Harrebomée, II, 243a.)
*87. Es ist eine Schand und ein Spott. (Nürtingen.)
Was da geschieht, wie der's treibt u.s.w.
*88. Es ist schand vnd sünd darzu. – Streit vnnd Zwiespalt der Anhaltischen vnnd Lutherischen Theologen (Leipzig M.D.L. XXXV.)
*89. He hett alle Schanne den Kopp afbêten. – Schütze, I, 21.
Von jemand, der keine Scham besitzt. »Er hat aller Schande den Kopff abgebissen.« (Schuppius, Tract.)
*90. Hi hê a Skun at Hâd ufbedden. (S. 71.) (Amrum.) – Haupt, VIII, 359, 134.
*91. Man legt sich keine Schande mit ihr ein.
Frz.: Il passera par tout. (Kritzinger, 515a.)
*92. Säg' mer alli Schand, du Laster. – Sutermeister, 23.
*93. Sein eygen schand nit mögen verschweigen. – Franck, II, 50b.
94. Eine Schande ist's, so wünscht's der Feind. – Merx, 95.
95. Es ist keine Schand', einem Stärkern zu weichen im Land.
96. Wer sich nicht selbst in Schande bringt, wird nicht geschändet.
97. Wo keine Schande (Scham) ist, da ist alle Hoffnung verloren. – Herberger, II, 325.
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