Constantinopel [3]

[395] Constantinopel (Gesch.). Die Stadt, welche später C. hieß, wurde an der Stelle, wo nach der Sage Jo dem Zeus die Keroessa geboren u. Jason mit der, Medea sein Beilager gehalten hatte, u. wo früher ein Flecken Lygos lag, von Byzas, einem thracischen Häuptling, Sohn des Poseidon u. der Keroessa, angelegt u. nach demselben Byzantium genannt. Nach einer anderen Sage soll die Stadt von Apollo gegründet worden sein, der seine Zithar auf einen Thurm gestellt haben (daher die 7 klingenden Thürme in C.); deshalb wurde Apollo hier verehrt nebst Athene, Aphrodite, Artemis, Rhea, den Dioskuren u. den Heroen Amphiaraos, Ajax, Achilles u. den Landesheroen Byzas u. Saron. 659 v. Chr. gründeten hier Megarer, mit Argivern vermischt, eine Colonie, welche sich zwar durch Handel hob, aber mit dem Falle Megaras auch sank, da die griechischen Kaufleute den, obgleich trefflich gelegenen Ort nicht als Stapelplatz benutzten. Erst die Milesier erkannten die gute Lage des Ortes u. schickten eine Verstärkung der Bewohner hin, weshalb auch sie für die Gründer von Byzanz angegeben werden. Aber nachdem die Perser unter Darios diesen Strich Thraciens erobert hatten, wurde der griechische Handel dort vernichtet. Als im Jahre 500 v. Chr., bei dem Aufstande der Jonischen Griechen, Byzanz seine persische Besatzung vertrieben hatte u. nach der Besiegung der Joner die Perser auch die Byzantiner strafen wollten, wanderten diese lieber aus u. gründeten Mesembria; Byzanz aber wurde von den Persern ganz vernichtet. Später erhob sich die Stadt wieder aus ihrem Schutte, u. nachdem Xerxes 479 v. Chr. bei Platää geschlagen worden war u. die Griechen in der Propontis gegen die Perser kämpften, nahmen die Spartaner unter Pausanias 477 Byzanz ein u. gaben der Stadt eine der spartanischen ähnliche Verfassung. Von dieser Zeit schreibt man den Gebrauch des Dorischen Dialekts (wiewohl schon die megarische Colonie dorisch war) u. der eisernen Münzen in Byzanz her (wiewohl diese nur zum inländischen Handel gemacht wurden, um Silber zum ausländischen u. zum Kriege zu behalten). 408 v. Chr. kam Byzanz aus der Gewalt der Spartaner an die Athener, denen die Stadt durch Verrath des Anaxikrates übergeben wurde, u. diese trugen viel zu ihrer Vergrößerung bei. Thrasybulos änderte die alte Verfassung u. gab der Stadt 390 eine demokratische. Aber mit der alten Verfassung verfiel auch die alte Zucht, u. man erzählt von den Bürgern, daß sie sich in den Trinkhäusern häuslich niederließen, während sie ihre Wohnungen nebst den Frauen an Fremde vermietheten. In den griechischen Kriegen wurde C. als Niederlage der Magazine wichtig u. zu Ende des Peloponnesischen Krieges war sie schon eine volkreiche u. wegen ihrer Festigkeit eine bedeutende Stadt, welche nun wieder unter den Spartanern stand u. einen Statthalter (Harmostes) erhielt. Aber Sparta konnte den Platz nicht halten, u. Byzanz wurde, frei geworden, durch Handel immer mächtiger; bes. versorgten die Byzantiner Griechenland mit Getreide, welches sie aus dem Taurischen Chersones holten. König Philippus von Macedonien belagerte nach Eroberung Griechenlands 341 v. Chr. vergebens Byzanz; die von den Macedoniern am Hafen Neorion untergrabenen Mauern wurden wieder hergestellt. 301–282 stand C. unter Lysimachos, König von Thracien, von dem noch schöne, hier geprägte Münzen (einige mit Bakchos, neuere mit Artemis) vorhanden sind. Je gesicherter Byzanz von der Seeseite war, desto mehr war es von der Landseite gefährdet, woher auch die Thracier, später die Celten Angriffe machten, welche letzteren die Städter nur durch einen jährlichen Tribut, der sich bald auf 100,000 Thlr. steigerte, abwehren konnten. Als sie die übrigen griechischen Staaten, welche nach dem Schwarzen Meere Handel trieben u. dabei von ihnen geschützt wurden, vergebens um einen Beitrag zu diesem Tribut aufforderten, erhoben sie von den die Meerenge durchfahrenden Schiffen einen Zoll. Da Rhodos diese Abgabe nicht zahlen wollte, führte Byzanz 222 mit den Rhodisern Krieg, in welchem es von diesen zur See u. von dem[395] König Prusias von Bithynien zu Lande so bedrängt wurde, daß es 216 v. Chr. Frieden schließen u. den Rhodisern freien Handel gestatten mußte. Mit Griechenlands Fall kam auch Byzanz unter Roms Herrschaft, blieb aber freie Stadt u. theilte mit den Römern den inzwischen wieder eingeführten Zoll. Endlich wurde es auch römisches Municipium. Die erste christliche Gemeinde soll der Apostel Andreas hier gestiftet haben. Nach der Sage kam dieser nach der Vorstadt Galata u. drückte mit seiner Hand ein Kreuz in den Felsen. Nachdem er 2 Jahre das Christenthum gepredigt hatte, wurde er von dem damaligen Tyrannen Zeuxippos vertrieben u. lehrte nun bei Piri Pascha, auf der thracischen Seite des Hafens. Seinen Reichthum benutzte Byzanz zur Erbauung prächtiger öffentlicher Gebäude u. zur Errichtung hoher, dicker, bethürmter Mauern, so daß Byzanz lange die festeste Stadt des ganzen Römerreichs war, bis der Kaiser Septimius Severus, weil die Bewohner dem Gegenkaiser Pescennius Niger anhingen, nachdem er es nach 3jähriger Belagerung 169 n. Chr. durch Hunger zur Übergabe gezwungen hatte, die Mauern u. Werke schleifen ließ. Damals wurden auch die öffentlichen Gebäude zerstört u. nur ein Flecken blieb von der großen Stadt übrig; das Gebiet wurde den Perinthiern geschenkt. Bald aber ließ Severus die Stadt wieder aufbauen u. gab ihr den Namen Antonia (Antonina), aber weder die Befestigung, noch die Blüthe des Handels konnte er herstellen, zumal da unter Gallienus die Besatzung selbst die Stadt plünderte u. viele Bürger ermordete. In dem Kriege des Maximinus u. Licinius wurde C. von Ersterem 313 nach 11 tägiger Belagerung erobert; nach dessen Tode nahm es Licinius wieder, mußte es aber 324 dem Kaiser Constantinus überlassen, welcher jenen daselbst belagert hatte. Damals wurde C. wieder gänzlich zerstört, aber da es Constantinus nun zu seiner Residenz wählte, auch wieder hergestellt. 327 war der Bau vollendet, 330 wurde die Stadt unter dem Namen Roma nova (Neu-Rom), welchen aber das Volk in Constantinopolis verwandelte, durch ein 14tägiges Fest eingeweiht. In C., als einem Sitze der orientalischen Patriarchen, wurden sehr viele Concilien gehalten, s. Constantinopolitanische Concilien. 396 wurde es nach der Theilung des Römischen Reichs Residenz der oströmischen Kaiser. 413 wurde es von einem Erdbeben zerstört, worauf es Theodosius II. wieder herstellte; 514 erfocht der Feldherr Vitalianus in der Nähe der Stadt einen Sieg über die kaiserlichen Truppen, wurde jedoch 515 von dem kaiserlichen Admiral geschlagen. 498 u. 606 fanden gefährliche Aufstände der Grünen (Prasini), einer Partei des Circus, u. der Blauen (Veneti) statt; 532 war das große Blutbad im Circus, wobei 30,000 Menschen umkamen; 547 u. 549 erneuerten sich diese Unruhen. 625 griffen die Avaren auf der Land- u. die Perser auf der Seeseite C. an, welches von Bonus muthig vertheidigt wurde; 626 Schlacht gegen die Avaren bei C.; 668–675 lange aber erfolglose Belagerung C-s zu Wasser u. zu Lande durch die Araber; 698 Belagerung u. Einnahme durch Absimar u. 704 Wiedereroberung durch die Byzantiner; 716 wurde C. nach 6monatlicher Belagerung durch Verrath von Theodosius erobert u. von diesem erweitert. 717 bis 718 13monatliche Belagerung durch die Araber, welche dabei 1160 Schiffe verloren; 764 u. 912 Belagerung durch die Bulgaren. Wie groß C. schon im 8. Jahrh. war, geht daraus hervor, daß es an der Pest 300,000 Menschen verlor. 812 wurde C. von den Slawen bedroht; 822 von dem Usurpator Thomas vergebens gestürmt; 934 u. 958 von den Ungarn, 865, 904, 941, 1023 u. 1043 von den Russen bedroht, von Letztern meist zur See; 1147 u. 1154 erschienen auch die Sicilianer vor C., ohne etwas auszurichten. Am 12. April 1204 wurde C. von den Kreuzfahrern erobert u. von nun an Residenz des Lateinischen Kaiserthums (s. Byzantinisches Reich D) u. E); C. wurde damals 8 Tage geplündert u. die meisten Kunstwerke vernichtet. 1234 Belagerung C-s durch die Bulgaren; 25. Juli 1261 Einnahme C-s durch den Kaiser von Nicäa, wodurch es wieder Sitz des Byzantinischen Kaiserthums wurde. Lange schon hatten sich Genueser u. Venetianer in C. des Handels wegen niedergelassen u. die Letzteren behaupteten vor den Ersteren den Vorrang, wurden aber unter den, nach der Fränkischen Eroberung wieder eingesetzten Byzantinern nach 1261 verdrängt u. geriethen deshalb mit den Genuesen in Kampf; 1295 verbrannte die venetianische Flotte die Wohnungen der Genuesen in der Vorstadt Galata. Am 13. Februar 1351 kam es endlich zu der großen Seeschlacht bei C., zwischen der verbündeten venetianisch-griechischen Flotte u. den Genuesen, wobei Letztere durch arabische Hülfe den Sieg davon trugen. 1391–96 belagerte Bajasid C. u. erzwang damals die Erbauung noch einer Moschee, die Überwachung der Interessen islamitischer Handelsleute durch einen eignen Kadi u. einen jährlichen Tribut von 10,000 Ducaten für den Sultan; 1410 Sieg Musa's über seinen Bruder Muhammed bei C. u. vergebliche Belagerung der Stadt durch die Osmanen; 1422 eroberte Murad II. die Außenwerke u. den 29. Mai 1453 erstürmten die Türken unter Muhammed II., der sie seit dem September 1452 von der Landseite u. zwar von NW., seit Mitte April auch von der Seeseite belagert hatte, C., wobei der Kaiser Constantin XIII. auf den Wällen getödtet wurde; die Stadt wurde geplündert u. arg verwüstet, aber vom Sultan wieder hergestellt u. zur Hauptstadt des Osmanischen Reichs erhoben. Seitdem sind die Türken im ruhigen Besitz der Stadt geblieben; hier 1539 Waffenstillstand u. 1540 Frieden zwischen den Türken einer- u. den Venetianern, Spaniern u. Päpstlichen anderseits. Seit der türkischen Eroberung hat die Stadt viel gelitten, theils durch große Feuersbrünste, wie 1714, 1755, 1808, in denen die Paläste des Sultans mit verzehrt wurden, u. 1748, 1782, 1784, 1816, 1817, 1. März u. 13. Juli 1823 (wobei eine Janitscharenemeute ausbrach u. Gewaltthätigkeiten gegen die christliche Bevölkerung begangen wurden), 1826 (bei denen allen eine große Menge von Häusern verbrannte, in der letzten allein 6000, nebst den Palästen der Großbeamten u. der europäischen Gesandten), 21. Jan. 1839 Brand im Palast der Pforte, 21. Juni 1848 wurden durch Brand 3000, im Juli 1851 u. 28. u. 29. Juli 1852 an 1000 Häuser zerstört; theils durch verheerende Erdbeben, wie 1511, 1592, 1635, 1718, 1729, 1754, 1763 u. 1765. 1721–23 wurde unter Achmed III. die Stadtmauer in der heutigen Gestalt ausgebessert u. hergestellt; 1726 wurde die erste Buchdruckerei in C. angelegt. Am 8. Januar 1784 wurde hier der Tractat mit Rußland über die Abtretung der Krim unterzeichnet; 1807 erschien der englische Admiral Duckworth vor C., mußte aber später wieder abziehen; am 5. Januar 1809[396] erfolgte der Abschluß des Friedens mit England. 1821 wurden große Greuel an den in C. wohnenden Griechen von den Türken verübt u. der griechische Patriarch gehängt (s. Griechischer Freiheitskampf); 1826 Aufstand der Janitscharen in C., welcher die Vernichtung derselben zur Folge hatte (s. Türken [Gesch.]). Ernstlich bedroht von der Landseite war C. im Kriege mit Rußland 1829. Im October 1847 brach die Cholera hier aus. Ende December 1853 wurde die Stadt durch die Softas wegen der den Westmächten gemachten Concessionen alarmirt. Am 12. März 1854 wurde in C. der Allianzvertrag zwischen England, Frankreich u. der Pforte abgeschlossen. Im April landeten die Truppen der Westmächte am Goldenen Horn u. am 14. Juni erfolgte, in C. die Unterzeichnung der Convention, welche Österreich gestattete, die Donaufürstenthümer zu besetzen. Vgl. Hesychius (s.d.) De originibus Constantinopoleos, herausgeg. von Douza, Heidelb. 1596, von Orelli, Lpz. 1820; Bandurius, Antiquitates Constant., Par. 1711, 2 Bde. Fol.; Dufresne, Byzantii veteris origines, im 14. Bde. der Scriptores byzant.; Falk, De origine Byzantii, Bresl. 1829.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 4. Altenburg 1858, S. 395-397.
Lizenz:
Faksimiles:
395 | 396 | 397
Kategorien:

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Traumnovelle

Traumnovelle

Die vordergründig glückliche Ehe von Albertine und Fridolin verbirgt die ungestillten erotischen Begierden der beiden Partner, die sich in nächtlichen Eskapaden entladen. Schnitzlers Ergriffenheit von der Triebnatur des Menschen begleitet ihn seit seiner frühen Bekanntschaft mit Sigmund Freud, dessen Lehre er in seinem Werk literarisch spiegelt. Die Traumnovelle wurde 1999 unter dem Titel »Eyes Wide Shut« von Stanley Kubrick verfilmt.

64 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon