[309] Lettische Sprache u. Literatur. Die Lettische Sprache (Latwiska od. Kniseminiska walloda, d.i. Lettische od. Kurländische Sprache), ist eine Schwester der Lithauischen u. der ausgestorbenen Altpreußischen Sprache, mit denen sie den Lettischen od. Lithauischen Ast der Lituslawischen Familie des großen Indogermanischen Sprachstammes ausmacht. Das Lettische herrscht mit verschiedenen mundartlichen Abweichungen in Kurland, Semgallen u. in dem Stifte Pilten, im westlichen Theile von Livland (im Lettlande), in dem ehemaligen polnischen Livlande, in Lithauen an der kurländischen Grenze, bes. in den zwei großen evangelischen Gemeinden Birsen u. Scheymen; in Preußen auf der Kurischen Nehrung, welche von den dasigen Fischern, die sich Kuren nennen u.[309] eigentlich Letten stud, den Namen führt. Am reinsten wird das Lettische gesprochen um Mitau u. Banske, um Riga, Wolmar u. Wenden; am schlechtesten bei den Rehden in Polnisch-Livland, bei den Pintainen an der Düna u. im Lithauischen. Die Letten bedienen sich der deutschen Schrift. Außer den gewöhnlichen fünf Vocalen, deren Dehnung durch ein h in der Schrift bezeichnet wird, gibt es die Diphthonge ai, au, ee, ei u. ui. Unter den Consonanten fehlen f u. h; gestriehnes g, k, l, n, r erhalten in der Aussprache ein angeschleiftes j; das gestrichene s u. sch dagegen wird scharf u. stark ausgesprochen, im Gegensatz zu dem weichen s u. sch. Der Accent ruht gewöhnlich auf der ersten Sylbe, auch in zusammengesetzten Wörtern, u. wird zwar so hervorgehoben, daß die Endvocale in der Regel verschluckt werden. In Betreff der richtigen u. sein nüancirten Aussprache ist der Lette äußerst peinlich, vorzüglich dem Fremden gegenüber, der sich seiner Sprache bedient. Geschlechter u. Numeri hat das Substantivum nur zwei, Casus fünf, deren Endungen in zwei Klassen, nach dem Geschlechte, folgende sind: Masculinum: Singular Nominativ s, Genitiv a, us, Dativ m, Accusativ u, i, Locativ â, î, û; Plural Nominativ i, us, Genitiv u, Dativ eem, Accusativ us, Locativ ôs. Beim Femininum: Nominativ a, e, es, Genitiv s, Dativ i, Accusativ u, i, Locativ â, aî, ê, eî, î; Plural Nominativ s, Genitiv u, Dativ ahm, ehm, im, Accusativ s, Locativ âs, ês, îs. Das einsylbige Adjectiv ist keiner Beugung fähig; mehrsylbige folgen genau dem Substantivum. Die Formen für den Comparativ u. Superlativ sind: als (aka) u. akajs (akaja). Die Zahlen lauten: weens 1, diwi 2, trihs 3, tschetri 4, pezzi 5, ssesschi 6, sseptini 7, astonji 8, dewinji 9, dessmits 10, ssmits 100, tuhkstohts 1000. Zu den Fürwörtern (es ich, tu, du, kas welcher, schis dieser) gehört auch der Artikel tas, ta. Das Zeitwort hat sechs Tempora, von denen das Plusquamperfectum, das Perfectum u. das zweite Futurum mit dem Hülfszeitwort gebildet werden. Modi sind nur die gewöhnlichen drei. Für das Participium existiren vier Formen; für den Infinitiv, nach Rücksicht der Zeit, drei. Man unterscheidet zwei Arten, die Formen des Verbum zu bilden, je nachdem die Wurzel ein- od. mehrsylbig ist, obschon die daraus hervorgehenden Veränderungen in der Form selbst unbedeutend sind, während dieselben mehr die Wurzel treffen. Das Passivum entsteht durch Zusammensetzung des Participinms mit dem Hülfszeitwort; in dem Reciprocum finden ganz eigenthümliche Formenabweichungen statt. Von den Präpositionen sind die meisten zu Zusammensetzungen geeignet, einige lassen sich als Postpositionen gebrauchen. Um Abstracta, Diminutiva, Orts-, Abkunfts- u. Gewerksnamen u. Adverbia aus Adjectiven zu bilden, dafür ist das Lettische reichlich ausgestattet. Die Anordnung des Satzes ist einfach. Der Anfang des Vaterunsers lautet: Muhsu tehws debbessis; sswehtihts lai toph taws wahrds, d. h. unser Vater in-Himmeln; geheiligt daß-doch werde dein Name. Grammatik von Stender, Braunschw. 1761, 2. A. Mitau 1783 u. 1789; Rosenberger, Formlehre der Lettischen Sprache, ebd. 1830; Wörterbuch von G. Mancel, Lange, ebd 1772 f., 2 Bde., Stender, ebd. 1789; Wellig, Beiträge zur lettischen Sprachkunde, ebd. 1828.
Die Bildung der Lettischen Sprache begann mit der Einführung der Reformation, indem seit dem mehrere Bücher gedruckt wurden. Zur weiteren Ausbildung der Lettischen Sprache bildeten sich in Mitau, wo von jeher der Druck- u. Verlagsort der meisten lettischen Schriften war, 1824 die Lettisch-literärische Gesellschaft, welche seit 1828 ein Magazin herausgibt. Auch die Kurländische Gesellschaft für Literatur u. Kunst hat in ihren Jahresverhandlungen (Mitau 1819 etc.) manche Beiträge geliefert. Das erste gedruckte lettische Buch war der 1586 auf Gotth. Kettlers Kosten gedruckte Lutherische Katechismus. Ihm folgten dann die Übersetzung mehrer biblischer Bücher, so 163142 der Bücher Salomonis u. Jesus Sirach vom kurländischen Pfarrer Georg Mancel, welcher sich auch um Orthographie u. Grammatik der Lettischen Sprache sehr verdient machte; nach ihm übersetzte Fürecker die Psalmen metrisch u. der Propst Gluck in Marienburg das A. u. N. Von Mancels Predigten erschien 1826 die 6. Ausgabe. Die Grundsätze der Moral erläuterte Maczemsky in seinen Reden (1793). Die Letten besitzen einen reichen Schatz von Volkspoesie, in welcher gewöhnlich häusliche Begebenheiten u. zärtliche Gefühle besungen werden, oft ohne Zucht u. Anstand. Außerdem bes. Frühlings- u. mythologische Lieder, Sinngedichte u. Spottlieder (bes. auf die deutschen Herren). Der Charakter der lettischen Volkspoesie ist lyrischidyllisch. Die Verse bestehen aus Doppelstrophen ohne Reime; für das Versmaß (meist jambisch u. trochäisch, doch auch daktylisch) haben die Letten ein sehr geübtes Ohr. Es gibt lettische Lieder unter And. von Diez aus dem Ende des 17. Jahrh., von dem blinden Heinrich, einem kurländischen Bauer, aus dem 18. Jahrh.; Sammlungen von Stender (2. A. 1789), von Bergmann u. Wahr (2. A. 1809). Der erste dramatische Versuch in Lettischer Sprache war eine Übersetzung von Holbergs Lustspiel: Der verwandelte Bauer (1790); 1823 schrieb Baumann ein dramatisches Idyll u. das ländliche Drama: Karl Johanns letzter Abschied von Freunden u. Verwandten; auch Eversberg lieferte mehre Schauspiele, u. in seiner Idylle Berthul u. Maja wendete er zuerst den Hexameter in der Lettischen Sprache an. Man hat außerdem mehrere Erzählungen, Fabeln, Geschichten, Räthsel von Bergmann (1790), Eversberg, Girgensohn u. A., für das Volk, für welches man schon seit dem vorigen Jahrh. Mehreres schrieb. Auch die erste Lettische Zeitschrift (Latwiska Gadda Grahmata) kam zu Ende des 18. Jahrh. heraus, an welcher meist Landprediger arbeiteten, u. welcher mehrere Volkskalender folgten, die für Belehrung u. Unterhaltung des Volkes bestimmt waren. Eine lettische Zeitung (Latweeschu Awises) gab Watson seit 1822 in Mitau heraus. Außerdem gibt es auch politische, ökonomische u.a. Schriften, deren Zahl sich bes. seit 1819 gemehrt hat, wo die Leibeigenschaft aufgehoben wurde, u. die bes. das Volk über die neue Verfassung belehren sollten. Auch Übersetzungen wurden noch geliefert, wie z.B. Girgensohn den Campeschen Robinson 1824 übersetzte. Vgl. Zimmermann, Geschichte der Literatur der Letten, 1842; Napiersky, Chronologischer Conspect der Lettischen Literatur von 15071830, Mitau 1831; Derselbe mit von der Recke, Allgemeines Schriftsteller- u. Gelehrtenlexikon der Provinzen Livland, Estland u. Kurland, ebd. 1827 etc. Übersichten über die neueren literarischen Erscheinungen in Lettischer Sprache geben Berkholz[310] u. Ulmann in den Mittheilungen u. Nachrichten für die evangelische Geistlichkeit Rußlands (seit 1836).
Brockhaus-1809: Die Literatur · Die Sprache
Brockhaus-1837: Niederländische Kunst, Literatur, Sprache und Wissenschaft · Hebräische Sprache und Literatur · Spanische Sprache, Literatur und Kunst · Römische Sprache und Literatur · Griechische Sprache und Literatur · Englische Literatur · Schwedische Literatur, Wissenschaft und Kunst · Deutsche Kunst, Literatur und Wissenschaft · Italienische Kunst, Literatur und Wissenschaft · Literatur · Französische Kunst, Literatur und Wissenschaft · Sprache
Brockhaus-1911: Lettische Sprache · Niederländische Sprache und Literatur · Irische Sprache und Literatur · Holländische Sprache und Literatur · Norwegische Sprache und Literatur · Böhmische Sprache und Literatur · Chinesische Sprache, Schrift und Literatur · Finnische Sprache und Literatur · Estnische Sprache und Literatur · Flämische Sprache und Literatur · Isländische Sprache und Literatur · Dänische Sprache und Literatur · Spanische Sprache und Literatur · Schwedische Sprache und Literatur. · Angelsächsische Sprache und Literatur · Syrische Sprache und Literatur · Türkische Sprache und Literatur · Altnordische Sprache und Literatur · Tibetische Sprache und Literatur · Portugiesische Sprache und Literatur · Persische Sprache und Literatur · Provenzalische Sprache und Literatur · Rumänische Sprache und Literatur · Hebräische Literatur · Indische Literatur · Illyrische Literatur · Italienische Literatur · Nordamerikanische Literatur · Niederdeutsche Literatur · Polnische Literatur · Osmanische Literatur · Neugriechische Literatur · Kleinrussische Literatur · Jüdische Literatur · Literatur · Kroatische Literatur · Englische Literatur · Armenischer Literatur · Französische Literatur · Brasilianische Literatur · Dalmatinische Literatur · Chinesische Literatur · Deutsche Literatur · Griechische Literatur · Amerikanische Literatur · Arabische Literatur · Altpreußische Sprache · Altslawische Sprache · Cornische Sprache
Herder-1854: Schwedische Sprache u. Literatur · Serbische Sprache und Literatur · Provenzalische Sprache und Literatur · Russische Sprache und Literatur · Syrische Sprache, Schrift, Literatur · Ungarische Sprache und Literatur · Vlämische Sprache u. Literatur · Tibetanische Sprache und Literatur · Türkische Sprache und Literatur · Chinesische Sprache, Schrift und Literatur · Holländische Sprache und Literatur · Arabische Sprache und Literatur · Armenische Sprache und Literatur · Neugriechische Sprache und Literatur · Polnische Sprache und Literatur · Portugiesische Sprache und Literatur · Niederländische Sprache u. Literatur · Persische Sprache und Literatur
Meyers-1905: Lettische Sprache und Literatur · Äthiopische Sprache und Literatur · Angelsächsische Sprache und Literatur · Afghanische Sprache und Literatur · Albanesische Sprache und Literatur
Pierer-1857: Lettische Mythologie
Buchempfehlung
Ohnerachtet Schande und Laster an ihnen selber verächtlich / findet man doch sehr viel Menschen von so gar ungebundener Unarth / daß sie denenselben offenbar obliegen / und sich deren als einer sonderbahre Tugend rühmen: Wer seinem Nächsten durch List etwas abzwacken kan / den preisen sie / als einen listig-klugen Menschen / und dahero ist der unverschämte Diebstahl / überlistige und lose Räncke / ja gar Meuchelmord und andere grobe Laster im solchem Uberfluß eingerissen / daß man nicht Gefängnüsse genug vor solche Leute haben mag.
310 Seiten, 17.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.
424 Seiten, 19.80 Euro