Bildgießerkunst

[778] Bildgießerkunst (Kunstguß, uneigentlich Torentik, da dieses eigentlich auch Bearbeitung des Metalls mit scharfen Instrumenten u. Bunzen bezeichnet), die Kunst, aus erweichten, später durch Erkalten od. Austrocknen wieder die feste Form annehmenden Stoffen, wie Wachs, Gyps u. dgl. in eignem gewöhnlichen Sinne, u. bes. aus geschmolzenen Metallen (Eisen, Kupfer, Bronce, Zink u. dgl., Monumente, Statuen od. Bijouteriegegenstände herzustellen. I. Es geschieht dies auf doppelte Weise auf die Wachs- od. auf die Thonmanier. A) Wachsmanier. Beim Bildgießen wird das vom[778] Bildhauer od. Bildschnitzer verfertigte Modell in eine weiche Masse, z.B. Thon, Lehm od. eine Mischung von seinem Sande u. Asche gedrückt. Soll, wie bei kleineren Figuren, das Bild freistehend, doch massiv werden, so braucht man nur eine Form, welche in zwei od. mehreren Stücken von dem Modell genommen ist. Größere Statuen hingegen muß man, um das Metall u. Gewicht zu sparen, hohl gießen; es bedarf also dazu eines Kerns, wie beim Glockengießen. Die Figur, welche gegossen werden soll, muß daher erst in Gyps geformt werden, über welches Modell die Form oft in mehreren hundert Stücken genommen wird. Da, wo die Statue gegossen werden soll, baut man sodann eine ausgemauerte Dammgrube, auf deren Boden sich ein eiserner Rost befindet. Auf diesem Boden wird der Kern der Statue nach der Gestalt derselben errichtet; dieser besteht nach innen aus eisernen Stäben u. starkem Drahte, gleichsam das Knochengerippe der Figur, dieses wird, gleichsam statt des Fleisches, mit eine Masse von Werg, Haaren, Lehm, Pferdemist belegt u. sodann da, wo es nöthig scheint, mit Draht umwunden. Von den einzelnen Stücken der Form werden nun dünne Wachsab. rücke gemacht u. diese statt der Haut über den Kern gezogen. Jetzt steht eine Figur da, deren Äußeres ganz der künftigen Statue gleicht, u. glaubt der Künstler noch hie u. da etwas verbessern zu müssen, so muß es jetzt geschehen. So stark die Wachsabdrücke sind, so stark wird das Metall der künftigen Figur; die Theile der Statue, welche viel zu tragen haben, müssen daher schon in dem Wachsabdrucke dick sein. Auf den Wachsüberzug des Kerns werden die Röhren gesetzt, durch welche das Metall aus dem Ofen in die Form laufen soll. Kleinere Röhren, welche mit den Hauptröhren in Verbindung stehen, führen zu den entfernteren Theilen; außerdem müssen auch noch Röhren aufgesetzt werden, durch welche die Luft aus der Form weicht, wenn das Metall hineinfließt. Die beschriebene Wachsfigur wird nun mit einer Tünche aus seinem Thon (Formkitt) so oft überstrichen, bis der Überzug einige Zoll dick ist, worauf er noch mit einigen dünnen Thon- u. Lehmlagen überzogen wird. Ist diese Hülle getrocknet, so wird sie mit eisernen Bändern u. Draht befestigt, u. der Mantel ist fertig. Das Ganze wird nun mit einer Mauer eingefaßt u. der leere Raum mit Erde ausgefüllt, so daß man nur noch die Öffnungen der Röhren sieht. Jetzt wird auf dem oben erwähnten Rost im Boden der Dammgrube Feuer angemacht, wodurch Kern u. Mantel fest gebrannt werden u. die Wachsabdrücke zwischen beiden schmelzen u. herauslaufen. Dadurch entsteht der leere Raum, in welchen das geschmolzene Metall fließt. Von dem Mundloch des Ofens, worin das Metall geschmolzen wird, führen Rinnen bis zu den Öffnungen der Röhren, auf welchen Trichter von Thon angebracht sind, durch welche das Metall in die Form fließt. Sobald der weiße Rauch anzeigt, daß das Metall völlig im Flusse ist, wird mit der Stechstange der Gußofen ausgestochen. Anfangs werden die Öffnungen der Trichter mit einem eisernen Stöpsel zugehalten u. erst geöffnet, wenn die Rinnen u. der obere Rand des Trichters voll Metall gelaufen ist. Ist der Guß vollendet, so läßt man das Ganze erkalten. wirft die Erde aus der Grube u schlägt den Mantel von der Statue ab, welche dann vorsichtig in die Höhe gewunden wird. Die durch die Röhren entstandenen Angüsse werden abgesägt, der Kern u. die überflüssige Armatur wird beseitigt u. die Oberfläche des Gusses mit Meißel, Feile u. Schabeisen bearbeitet. Die Übelstände der Wachsmanier beim Bildgießen, daß z.B. oft Wachs unaufgelöst zurückbleibt etc., haben schon in alten Zeiten B) zu einer zweiten Manier, der Thonmanier, geleitet, deren man sich, der größeren Sicherheit wegen, jetzt fast allgemein bedient. In die von Sand u. Lehm über dem Gypsmoell gemachten Formstücke werden weiche Thonplättchen, von der Stärke des beabsichtigten Erzgusses, genau eingedrückt; die Formstücke mit diesem Inhalt sodann zusammengesetzt u. das Innere mit einer Erdmasse, die im Brennen verhärtet, ausgefüllt. Nachdem alles getrocknet ist, werden die Formtheile auseinander, die Thonplatten von dem inneren Kern ab- u. ganz herausgenommen. Indem hierauf die Form wieder über den Kern gepaßt wird, entsteht zwischen beiden der leere Raum, den bisher die Thonplatten anfüllten u. den das Erz einzunehmen bestimmt ist. Das übrige Verfahren gleicht dem obigen. In neuerer Zeit hat C) der Metallguß auf kaltem Wege od. die Galvanoplastik große Wichtigkeit für die Herstellung von Kunstgüssen erlangt. Die Vorbereitung zu einem großen Gußbild dauert bisweilen länger als ein Jahr. Zuletzt folgt nun noch das Ciseliren, wo die Unebenheiten, Gußnähte u. Gußfehler weggenommen u. bei feineren Partien, wie Haaren od. dgl., mit dem Grabstichel u. Meißel nachgeholfen wird. Der Kunstguß hat seine Aufgabe um so besser gelöst, je genauer u. vollständiger er das Original in allen seinen Theilen wiedergegeben hat, je weniger dabei de Nachhülfe anderer Theile überlassen ist u. je dicker u. fester das anzuwenden e Metall war.

II. Die B., unter welcher man aber nicht stets das eigentliche Bildgießen, sondern auch Bearbeitung des Metalls mit dem Meißel u. dem Hammer (eigentlich Toreutik im engeren Sinn) verstehen muß, entstand aus der Bildformerkunst u. ist sehr alt, da bei den Juden Aarons Kalb u. die Metallarbeiten Bezaleels an der Bundeslade u. ihrem Zubehör schon eine bedeutende Vollkommenheit in dieser Kunst beweisen Wahrscheinlich lernten sie dieselbe von den Ägyptiern, doch kannten sie auch andere orientalische Völker, ja die Phönicier zeichneten sich in derselben aus, wie schon Homer in der Iliade (23, 740–14) einen von ihnen gefertigten Becher preisend erhebt, Salomo den Hiram zu Anfertigung vieler Metallarbeiten (z.B. des Eherner Meeres), beim Tempelbau nach Jerusalem rief. Auch den Babyloniern war die B. eigen, da die ältesten Schriftsteller mehrere Metallbildsäulen u. Geräthe im Tempel des Baal, einer von Semiramis ihrem Gemahl gesetzten Statue, einer auf Nebukadnezars Befehl gegossenen 60 Ellen hohen Bildsäule in der Ebene von Duda u. ähnliche Kunstwerke erwähnen. Vielleicht waren aber diese Bildwerke von getriebenem Metall. Zeichen der B. in anderen Theilen Asiens sind der goldene Thron des Midas, die 6 Becher des Gyges; auch die Beschreibung des Schildes des Achilles von Homer beweist, daß man damals doch mindestens Ähnliches kannte. Alle ausgezeichnete Kunstwerke dieser Art schreibt Homer dem Hephästos zu. Als ältestes griechisches Denkmal der B. nennt man ein 60 Fuß hohes, unter Amvklas, König von Sparta, etwa,[779] 1500 v. Chr., gefertigtes Standbild Apollons, welchem kolossalen Unternehmen früher schon kleinere vorausgegangen sein mußten. Doch war auch da wohl nur getriebene Arbeit. Ausgezeichnete Toreuten unter den Griechen waren Rhökos, Theodoros aus Samos, Bupalos, Anthermos, Bathykles, Kallimachos, Ageladas. Die eigentlich glänzende Epoche dieser Kunst begann jedoch erst mit Phidias, Alkamenes, Agorakritos, Polykletos, Praxiteles, Skopas u. Lysippos (Pferde an der Marcuskirche zu Venedig), Chares (Koloß zu Rhodos). Auch die Erzstatuen dieser Meister mögen zum Theil wenigstens getrieben gewesen sein, z.B. die des Letztern. Als man um 512 v. Chr. auch Privatpersonen eherne Statuen zu setzen begann u. Regenten u. Vornehme sich endlich selbst in denselben abbilden ließen, wurde die B. sehr gewöhnlich; sie sank indessen nach u. nach wieder, u. zu Plinius Zeiten war sie schon sehr in Verfall gekommen, ja theilweise selbst verloren gegangen, obgleich sie in Italien eben so, wie in Griechenland, beliebt gewesen war u. man schon 508 v. Chr. verdienten Männern zu Rom metallene Bildsäulen setzte, ja später eine große Menge gegossener Bildsäulen von Griechenland nach Rom brachte u. neue durch griechische Künstler anfertigen ließ. Selten goß man (bes. in früherer Zeit) ein Bild zusammen, sondern meist nur gliederweise u. vereinigte sodann das Ganze durch Heftchen. Im frühen Mittelalter wurde die B. bes. in Constantinopel ausgeübt u. broncene Kirchthüren etc. dort selbst für Rom gearbeitet. Vom 14. Jahrh. an war Italien u. bes. Florenz der Mittelpunkt dieser Kunst. Andreadi di Cione, Piero da Firenze, Lor. Ghiberti u. Donatello weckten die B. wieder; mit Glück folgten A. Verocchio, I. Tatti, della Porta, Benvenuto Cellini, Joh. v. Bologna, P. Tacca, Bernini, u. unter den Franzosen P. Biard. Marsys, Coysevox, Bouchardon, Coustou, Lemoyne. Baugaerten u. Girardin waren hier die ersten, welche bei Reiterbildsäulen Pferd u. Reiter aus einem Guß verfertigten, da diese bisher getrennt gegossen worden waren. Außerdem zeichnete sich B. de Costa in Portugal, Lione Lioni u. Vergara in Spanien, Peter Vischer (der in Nürnberg das Grabmal des St. Sebaldus goß), G. Schweigger u. Joh. Jacobi (der die Reiterstatue des großen Kurfürsten nach Schlüters Entwurf goß) in Deutschland, u. der Franzose Falconet durch die kolossale Broncestatue Peters des Gr. zu Petersburg in Rußland aus. Die wichtigsten monumentalen Güsse der Neuzeit sind Zauners Reiterbildsäule Josephs II. in Wien, die Siegessäule auf dem Place de Vendôme in Paris, Ludwig XIV. u. Heinrich IV. zu Pferde (erst seit der Restauration aufgestellt), auch zu Paris, u. die in Berlin gegossenen Statuen Blüchers zu Rostock u. Breslau, die desselben zu Berlin, die Gutenbergs zu Mainz. Was der Kunstguß der Gegenwart zu leisten vermag, das haben die Werkstätten von Stiglmayr u. Miller in München, Burgschmidt in Nürnberg u. die Berliner Gießerei in der Bavaria, in dem Denkmal Friedrich des Großen, in dem Radetzkymonument, in dem Zinkguß, den Arbeiten von Gaiß in Berlin (die Kißsche Amazone u.a.) zur Genüge gezeigt.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 2. Altenburg 1857, S. 778-780.
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