Glasmalerei

[386] Glasmalerei, 1) Methode, mit Deckfarben auf die Rückseite von gewöhnlichen Glasscheiben zu malen, so daß das Bild auf der Vorderseite erscheint. Eine sehr untergeordnete Malart; sie wird bes. in Tyrol u. dem Baierischen Hochland ausgeübt u. ein bedeutender Handel damit, bes. nach Amerika, getrieben. Von dieser Art ist die ausradirte Arbeit, wo eine Glasscheibe mit farbigem Firniß überzogen u. auf demselben, wenn er trocken geworden ist, eine Zeichnung, Inschrift u. dgl. entworfen[386] wird; innerhalb der Umrisse wird der Firniß weggekratzt u. auf die leeren Stellen dann mit durchsichtigem Firniß Gold- od. Silberblättchen geklebt. In ähnlicher Art marmorirt man auch Glas. 2) Die Kunst, auf buntes Glas mit schwarzen (Schwarzloth), od. auch auf farbloses mit bunten, aus Metalloxyden bereiteten Schmelzfarben (vgl. Glaspasten) zu malen, die, wie auch das Schwarzloth, nach der Vollendung des Bildes im Feuer eingeschmolzen werden. In ersterem Falle wird das schon im Fluß, also durch u. durch farbige Glas nach den Theilen der Zeichnung, welche ein farbiges Ganze bilden, mit dem Diamant zugeschnit ten u. der Zeichnung gemäß mit Schwarz schattirt, gebrannt u. durch Bleistreifen zusammengefügt, so daß eine Art großer Mosaik entsteht; im zweiten Fall wird das Bild mit eben solchen Schmelzfarben auf das farblose Glas aufgetragen, daß es sich im Schmelzofen in das Glas einbrennt u. somit eine Festigkeit gegen Wasser u. Säuren erhält. Zwischen beiden letzteren Methoden liegt eine dritte, nach welcher zwei Gläser von verschiedener Farbe (Überlanggläser) an einander geschmolzen werden, wo sodann durch Ausschleifen mit Schmirgel der beabsichtigte Wechsel der Farbe erreicht wird. Aus der seit dem 4. Jahrh. n. Chr. nachweislichen Gewohnheit, die Fenster der Kirchen mit buntem Glas zu schließen, entwickelte sich zunächst eine Art Mosaik von Glastafeln, aus welcher dann noch vor Ablauf des 10. Jahrh. die wirkliche G. od. die bildliche Darstellung von Figuren durch zugesetzte Stücke verschieden gefärbten Glases entwickelte, dessen Bleifassung zugleich als Contour der Zeichnung diente.

Die Erfindung gehörte den Deutschen an, wurde aber wahrscheinlich auch gleichzeitig in Frankreich gemacht. Gewiß ist, daß die G. von Frankreich an England, von Deutschland dagegen an Italien u. Spanien mitgetheilt wurde. Der Mönch Theophilus zu Anfang des 11. Jahrh. beschreibt das Verfahren der G. genau, wie es seiner Zeit in Deutschland ausgeübt wurde. Die ältesten bekannten G-en waren im Kloster Tegernsee in München 999, als ihr Maler wird der Mönch Wernher genannt. In Frankreich u. England kommen erst im 12. Jahrh. G-en vor, in der Schweiz u. Italien erst im 14. Jahrh. Die ältere deutsche G. entwickelte sich in zwei Epochen. Die erstere derselben ist das Zeitalter der Glasmosaik; man malte nicht auf, sondern eigentlich nur mit Glas. Derartige Bilder, die sich mit Teppichen vergleichen lassen, sind aus farbigen Tafeln stückweise ausgeschnitten, die Stücke mit Schatten aus eingebrannter Schmelzfarbe versehen u. mit Blei dergestalt verbunden, daß dieses möglichst mit den Umrissen zusammenfiel. Man findet dergleichen in den ältesten Kirchen u. Baudenkmälern des Mittelalters. Die zweite Epoche in der Kunst der G., welche um die Mitte des 14. Jahrh. beginnt, wird durch zwei wichtige Erfindungen bedingt, die Erfindung der Überfanggläser u. die Erfindung, außer dem Schwarzloth auch andere Schmelzfarben mit dem Pinsel auf das Glas zu tragen u. durch Einbrennen od. Anschmelzen auf demselben zu befestigen. Diese Kunst der G. im engeren Sinne erreichte im 15.–16. Jahrh. ihre höchste Blüthe. Die bedeutendsten Werke dieser Zeit sind die 40 Fenster im Kreuzgang zu Hirschau, 1490, die 44 Fenster der Johanniskirche in Gouda, 1555, die Fenster des nördlichen Seitenschiffes im Kölner Dome 1509, die 23 Fenster in der Kirche von S. Foy zu Conches in Frankreich, 1552, u. 90 Fenster der Kathedrale von Sevilla in Spanien, 1550. In der Schweiz bildete sich zu derselben Zeit mehr zu Privatzwecken eine Art Cabinetsglasmalerei, die Vorzügliches leistete. Die berühmtesten Glasmaler dieser Zeit sind Jakob von Ulm, 1411, Hugo van der Goes um 1480. Veit Hirsvogel in Nürnberg um 1490, Jodocus Veregius, Simon Borghese (nach Vasari, aber wahrscheinlich Burgens) von Antwerpen, Walther u. Theodor Crabeth in Gouda, Bernhard v. Orley, Wilhelm Thibaut von Harlem, Roger van der Weiden, Jean Cousin, um 1551 in Paris, u. Robert Pinaigrier daselbst, Christoph Maurer in der Schweiz 1564, Arnao zu Sevilla. Daß Albrecht Dürer, Lucas v. Leyden, Joh. v. Eyk Glasmaler gewesen, ist eine durchaus irrige Meinung, daher entstanden, daß man Zeichnungen od. Gemälde derselben in Glas copirte. Seit Ende des 16. Jahrh. sank die G. mit der veränderten Richtung des Geschmacks in Vergessenheit, denn nicht allein in protestantisch gewordenen Kirchen entfernte man die alten farbigen Glasfenster, um das dadurch hervorgebrachte mystische Dunkel daraus zu entfernen u. durch Licht zu ersetzen, sondern auch der neue Kirchenstyl, von den der Kunst abholden Jesuiten ausgehend, verlangte das nüchterne Weiß für die Fenster der Kirchen. Die Glasmaler begnügten sich jetzt fast ausschließlich damit, kleinere Sujets auf Einer Glastafel auszuführen, indem man das ganze Bild mit allen Hauptfarben u. Mittellinien auf eine u. dieselbe Glastafel einschmolz. Man nannte dies Verfahren Peinture en apprêt (Cabinetsmalerei); diese Bilder fand man meist in Privathäusern, in ihnen herrschte die Landschaft vor. Die schnelle Technik, welche bei diesem Verfahren der G. angewendet wurde, schadete der Schönheit u. Stärke der Farben, u. obgleich auch im 18. Jahrh. immer noch Glasgemälde von deutschen, englischen, französischen u. niederländischen Künstlern geliefert wurden, so kamen diese weder an Menge, noch an Vollkommenheit mit den älteren in Vergleich, u. die Kunst der G. kam immer mehr u. mehr in Vergessenheit, um erst im 19. Jahrh. durch die Bemühungen von Mohn u. Vörtel in Dresden, Scheinert in Meißen u. Michael Sigismund Frank in Nürnberg wieder eingeführt zu werden u. zu einer hohen Vollkommenheit zu gedeihen. Frank führte im Auftrag des Königs Ludwig I. von Baiern einige Fenster für den Dom in Regensburg aus. Als dieser Versuch gelang, gründete der König ein eigenes Institut für die G., zuerst unter der Direction des Bauraths Gärtner, dann unter der von Heß u. Ainmüller, aus welchem neben vielen anderen die, für die im altdeutschen Style neuerbaute Kirche der Münchener Vorstadt Au u. die 4 Fenster für den Kölner Dom hervorgingen. Seitdem sind ähnliche Institute in Nürnberg, Berlin, Wien, Brüssel u. Paris gestiftet worden, welche sich bereits durch mehrfache Kunstwerke ausgezeichnet haben.

Die bedeutenden Fortschritte, welche die G. in der neuesten Zeit gemacht hat, hat dieselbe wesentlich der Chemie zu verdanken. In technischer Beziehung verdienen die modernen Kunstwerke den Vorzug vor den älteren, wenn sie auch künstlerisch[387] genommen, gerade in ihrer edelsten Bestimmung, der Kirchenmalerei, mit dem erhabenen Style der Architekturen nicht in so vollem Einklange wie die des Mittelalters, sondern eher durch fast kleinliche Behandlungsweise zum Ganzen in geistigem Widerspruche stehen. In der G. kommen drei wesentliche Dinge in Betracht, das zu bemalende Glas, die Farbe, der Fluß. Unter dem Fluß versteht man diejenigen Zusätze, welche dem färbenden Metallpräparate zugesetzt werden müssen, um damit ein Glas zu bilden. Farbe u. Fluß werden mit einander abgerieben u. als ein zartes Pulver mittelst des Pinsels u. einer passenden Flüssigkeit, z.B. Lavendelöl, auf das Glas aufgetragen. Wird das Ganze nunmehr erhitzt, so geräth das aufgetragene Gemenge in Fluß u. bildet eine durchsichtige Glasschicht, die fest auf der Glasfläche haftet. Ein guter Erfolg der Arbeit ist nur dann gesichert, wenn man gewisse Grenzen der Schmelzung der Malerei (das sogenannte Einbrennen) auf- u. abwärts nicht überschreitet. Bei zu schwacher Hitze gerathen die als Farbe dienenden Glasflüsse nur unvollkommen in Fluß, erscheinen deshalb nicht gehörig durchsichtig u. geben keinen od. nur einen mangelhaften Effect, Bei zu starker Hitze dagegen würden sie dünnflüssig werden, in einander fließen, sich ausbreiten, über die Conturen austreten u. verwischte Bilder liefern, od. das zu bemalende Glas würde selbst durch die Hitze erweichen, die Form verlieren etc. Es sind dies Fehler, die nicht zu verbessern sind. Um ein Gemälde auszuführen, legt der Maler eine Zeichnung auf Papier (Carton) unter, trägt die abgeriebenen Farben auf u. brennt sie sodann ein. Nach dem älteren Verfahren schichtete man die Scheiben mit zerfallenem Kalk in eine eiserne Pfanne, die nun in einem besonderen Ofen bis zum Rothglühen erhitzt wurde; hierbei richtete sich das Auge des Malers nach der Glühfarbe der Pfanne u. nach den sogen. Wächtern, d.h. Probescheiben, welche mit eingesetzt werden u. mit den nämlichen Farben bemalt sind, u. von Zeit zu Zeit untersucht werden. Bei der G. ist die Wirkung auf das durchgehende Licht, also stets auf durchsichtige Farben, berechnet; das Gegentheil, also Wirkung auf zurückgeworfenem Lichte beruhend, wie bei jedem gewöhnlichen Gemälde, findet bei dem Email statt, worunter man undurchsichtige, leichtflüssige Gläser versteht, welche eben so wie die durchsichtigen als Grund od. Farbe gebraucht werden können. Vgl. Schmithals, Die G. der Alten, Lemgo 1826; F. de Lasteyrie, Hist. de la peinture sur verre d'après des monuments en France, Par. 1838–58, Fol., mit 110 Tafeln; Gessert, Geschichte der G., Stuttg. u. Tüb. 1839; Derselbe, Die Kunst, auf Glas zu malen, Stuttg. 1842; Eberlein, Deutsche Kunstwerke aus dem Mittelalter, Stuttg. u. Nürnb. 1848; Warrington, The History of Stained Glas, Lond. 1850; Kugler, Über den Betrieb der monumentalen G. (in dessen Kleinen Schriften, 3. Bd.); Levy, Histoire de la peinture sur verre dans les diverses contrées et particulièrement en Belgique, Brüssel 1853 f.; Wackernagel, Geschichte der deutschen G., Lpz. 1855; Camesina, Die ältesten Glasgemälde des Chorherrnstifts Kloster-Neuburg, Wien 1857.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 7. Altenburg 1859, S. 386-388.
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