[506] Kirchengüter (Bona ecclesiastica), die Vermögensobjecte, welche die Kirche u. die mit ihr verbundenen kirchlichen Anstalten besitzen. Man theilt sie in Stiftungsgüter (Dos). welche der Kirche bei der Stiftung als Grundvermögen gegeben, u. neuerworbene Güter (Bona noviter acquisita), welche von der Kirche erst später erworben wurden. Sie sind entwieder Bona particularia, welche zum Nutzen einzelner Kirchenglieder bestimmt sind, z.B. die kirchlichen Pfründen (Beneficia, Bona beneflcialia); od. B. communia, welche zu den allgemeinen kirchlichen Zwecken bestimmt sind. Die letzteren pflegt man jetzt unter dem Namen Kirchenärar (Kirchenkasten, Fabrica ecclesiae) zu begreifen. Schon unter den ersten christlichen Kaisern ging ein Theil des alten Tempelgutes auf die christliche Kirche über, u. zugleich erhielt sie durch Vermächtnisse, Schenkungen, Erbschaften etc. große Reichthümer, die zu Gunsten der Kirchendiener, bes. aber zu Wohlthätigkeitszwecken verwendet wurden. Später bekam die Kirche durch die Fürsten Staatsgüter, u. der im Fränkischen Reiche durch ein Staatsgesetz eingeführte Zehnten vermehrte die Einkünfte der Kirche wesentlich. Bes. in der Zeit der Kreuzzüge erhielten die K. bedeutenden Zuwachs, der ebenfalls vielen Wohlthätigkeitsanstalten zu gute ging, aber auch durch den großen Aufwand einzelner Glieder der höhern Geistlichkeit wesentlich vermindert wurde. Auch gab es damals Streitigkeiten mit den Lehnsherren der Kirche, welche die Vacanzgelder u. die Verlassenschaften der Prälaten für sich in Anspruch nahmen u. auch sonst den K. nicht immer den erwarteten Schutz gewährten. In der Reformationszeit hatten die K. bedeutende Verluste zu erleiden, indem den Landesfürsten, den Vasallen, auch städtischen Ärarien u. einzelnen Kirchengliedern beträchtliche Theile des Kirchengutes zufielen. Doch wurde auch manches zu milden Stiftungen, zu Gründung höherer wissenschaftlicher Anstalten etc. verwendet. Die gesetzlichen Bestimmungen über die rechtlichen Verhältnisse der K. bilden einen Abschnitt des Kirchenrechts (s.d.), u. es hat sich, da die allgemeine kirchliche Gesetzgebung nicht ausreichend erschien, bes. die kirchliche Particulargesetzgebung damit beschäftigt. Zunächst hat man dem Erwerbungsrecht der K. gewisse Schranken gesetzt, was schon im 16. Jahrh. durch die Amortisationsgesetze (s.d.) geschehen war. So sind z.B. in Preußen nach dem Gesetz von 1833 alle Schenkungen an kirchliche inländische Anstalten der Behörde anzuzeigen, u. es ist bei einem Betrag von mehr als 1000 Thlrn. die königliche Genehmigung erforderlich. Ähnliche Bestimmungen bestehen in Baiern, Württemberg, Baden, Hessen-Darmstadt u. anderwärts. In den katholischen Ländern ist dieser Punkt meist in den Concordaten geordnet.
Die Frage über das Subject des Eigenthums, die bei der Besteuerung u. sonstiger Belastung der K. sehr wichtig ist, hat man neuerlich immer mehr dahin beantwortet, daß die einzelne Gemeinde, od. das betreffende Institut als das berechtigte Subject für das Vermögen bezeichnet wird welches für die bes. kirchlichen Zwecke gestiftet worden ist. Jedoch ist das Eigenthumsrecht derselben insofern beschränkt, als die Wahrung der K. u. die Verhinderung jeder zweckwidrigen Gebahrung mit demselben Sache der kirchlichen Oberbehörde ist u. der Gemeinde nur die Verwaltung zusteht. An den vom Staat verwalteten Central- u. Religionsfonds hat nicht die Gemeinde, sondern die Landeskirche das Eigenthum Die von freigemeindlicher Seite bei Separationen vorgeschlagene Theilung der K. unter die Ausscheidenden u. Zurückbleibenden kann daher nicht stattfinden, weil sich dadurch die Substanz des Vermögens, der Parochie gegenüber, vermindern würde; ebensowenig wie der Vorschlag, sämmtliche Kirchenärarien zu einem allgemeinen Hauptfond für kirchliche Zwecke zu vereinigen, wodurch der Charakter der Localstiftung verletzt wird. Bei dem Eigenthum an den Gütern erloschener geistlicher Stiftungen, d.h. solcher, deren fudationsmäßige Bestimmung nicht mehr erreicht werden kann, kommt das frühere Heimfallsrecht nicht in Anwendung, sondern derartige K. sind unter Verfügung des Staats nur wieder zu kirchlichen Zwecken zu verwenden. Rücksichtlich der Besteuerung der K. von Seiten des Staates bildete sich seit der festeren Gestaltung der Steuerverfassungen in Deutschland meist der Grundsatz aus, daß die Kirchen u. kirchlichen Stiftungen hinsichtlich des Totalgutes von den ordentlichen Landessteuern durch Verträge, Verleihungen od. Herkommen gewöhnlich befreit waren, u. nur in außerordentlichen Fällen hielten sich die Landesherren für berechtigt, auch die K., selbst ohne päpstlichen Indult, zur Besteuerung heranzuziehen. In den neueren Gesetzen finden sich die älteren Privilegien der Kirche u. kirchlichen Stiftungen in dieser Beziehung bald erhalten, bald aber auch aufgehoben, od. doch wenigstens auf die unmittelbar zum Gottesdienst u. zur Wohnung der kirchlichen Beamten bestimmten Gebäude beschränkt.[506]
Die Verwaltung der K. steht bei jeder Kirche I besonderer, kirchlichen Beamten zu welche dieselbe zunächst unter der Aufsicht der kirchlichen Obern u. mittelbar des Staates führen. Die Stellung dieser kirchlichen Beamten, sowie deren Pflichtenkreis ist je nach der rechtlichen Natur u. Bestimmung der verwalteten Stiftung etc. sehr verschieden. Bei den Capiteln der Katholischen Kirche steht die Verwaltung zukneift dem Probst oder Dekan zu: bei den einzelnen Pfarrkirchen sind meist Kirchväter (Alterleute, Vitrici, Magistri fabricae) bestellt, die von den Kirchenobern ernannt u. unter unmittelbar: Mitwirkung bei Pfarrers, nach Befinden des Patrons, die K. zu verwalten haben. Zuweilen ist aber auch den Gemeinden durch Bestellung von Ausschüssen, Wahl der Alterleute etc. eine Mitwirkung eingeräumt. In der Evangelischen Kirche findet sich im Ganzen dieselbe Einrichtung, nur daß dabei schon früh ein Recht der Gemeinde auf Theilnahme an der Bestellung der Kirchenväter durch Präsentation od. auch unmittelbare Wahl derselben, sowie aus Mitwirkung bei der Rechnungslegung sich geltend machte. In der neuesten Zeit ist aber auch vermöge der neuen Kirchengemeindeordnungen (s.u. Gemeinde II.) die Verwaltung der K. den Gemeinden selbst, welche zu diesem Zwecke Presbyterien, Kirchencollegien etc. wählen, übertragen worden. Die Verantwortlichkeit der Verwalter des Kirchenvermögen Z richtet sich gemeiniglich nach den Regeln über die Verantwortlichkeit der Vormünder. Die Partikularrechte beschränken aber den Wirkungskreis derselben meist noch mehr, indem diese die Verwalter meist auch bei minder wichtigen Verfügungen aus die erforderliche Genehmigung der Inspektion od. des Kirchencollegiums verweisen, bei wichtigeren aber, namentlich allen Veräußerungen, selbst die Genehmigung der obersten Kirchenbehörde erheischen. Bei Verlusten, welche der Kirche durch Versehen ihrer Verwalter erwachsen sind, steht der verletz Kirche das Recht auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu. Ein anderes Vorrecht der K. besteh: darin, daß Klagen, welche sonst in 30 Jahren erlöschen würden, wenn sie der Kirche zustehen, erst nach Ablauf von 40 Jahren zur Erlöschung kommen. u. daher auch die Ersitzung kirchlicher Grundstücke erst nach Ablauf von 40 Jahren, nicht schon 39 Jahren, vollendet wird. Für den Fall, daß das eigene Vermögen der Kirche nicht ausreichen sollte, die Kirche in baulichem Wesen zu erhalten, wurden bes. durch das Tridentinische Concil (Sess. XXI. 7) allgemeinere Bestimmungen getroffen. Hiernach sollen für diese Baukosten dann, wenn dieselben nicht aus der Fabrica ecclesiae bestritten werden können, zunächst die Patrone u. alle diejenigen eintreten, welche Einkünfte aus der Kirche beziehen, z.B. bei incorporirten Kirchen die Stifter u. Klöster, in welche sie incorporirt sind. Nach diesen sind die Parochianen zur Beitragspflicht heranzuziehen; wo aber auch dies Mittel nicht ausreicht, soll die Gemeinde einer andern Verfahren einverleibt u. das Kirchengebäude zu einem andern anständigen Zwecke verwendet werden. Diese Bestimmungen bilden noch heute die Grundlage für das gemein? Recht der Katholischen sowohl als der Evangelischen Kirche. Doch treten überall bei dieser wichtigen Frage eine Menge particularer Gewohnheiten u. Ordnungen hinzu, welche die Verpflichtung der Einzelnen genauer geregelt haben. Die Pflicht der Parochianen ist gemeinrechtlich z.B. nur als eine persönliche aufzufassen; in den Particularrechten ist sie dagegen meistenteils zu einer dinglichen Beschwerung mit der Natur einer Grundsteuer od. auch einer Reallast geworden, zu welchem Zwecke die Grundstücke einer Flur zuweilen in bes. Hufen (Kirchenhufen) getheilt sind. In Beziehung aus Filialgemeinden besteht der Grundsatz, daß dieselben nur dann zum Van der Mutterkirche beizutragen haben, wenn sie etwa in der letzteren zu Zeiten den Gottesdienst abzuwarten haben; sonst erstreckt sich die Pflicht der Filialen nur aus Unterhaltung der Tochterkirche u. höchstens auf Unterhaltung der gemeinschaftlichen Pfarrgebäude. Vgl. Helfert, Von dem Kirchenvermögen, 3. Aufl. Prag 1834, 2 Bde.; Evelt, Die Kirche u. ihre Institute auf dem Gebiete u. der Vermögensrechte, Soest,845; Gründler, Über die Verbindlichkeit zum Beitrag der Erhaltung der Cultusgbäude, Nürnb. 1833: Permaneder, Die kirchliche Baulast, 2. Ausg. München 1856.
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