[920] Wasserstoff (Hydrogenium, hydrogen, Inflammable air, Gas pingue, Wasserstoffgas), chemisches Zeichen H, Äquivalent=1, od. 12,5 (0=100); gasförmiges Element, neben Sauerstoff Bestandteil des Wassers; ist farb-, geruch- u. geschmacklos, permanent, von specifischem Gewicht 0,0691 (Luft = 1), daher 16 Mal leichter als Sauerstoffgas, 14,5 Mal leichter als die atmosphärische Luft u. somit der leichteste unter allen Körpern, wird daher zum Füllen der Luftballons benutzt; 1 rheinländischer Kubikfuß wiegt 45,478 Gran; 1 Liter wiegt bei 0° 0,0894 Gramme Thiere sterben sehr bald, wenn sie in demselben zu athmen genöthigt werden, u. brennende Körper verlöschen darin, denn er ist weder im Stande sich direct mit diesen Körpern zu verbinden, noch das Athmen zu unterhalten; dagegen kann er ohne Nachtheil eingeathmet werden, wenn er mit einer großen Menge Luft gemischt ist. Der W. ist selbst höchst brennbar; entzündet man das aus einer engen Glasröhre strömende Gas, so verbrennt es mit kleiner, sehr wenig leuchtenden, aber sehr heißen Flamme zu Wasser. Mit Luft od. Sauerstoffgas gemischt, verbrennt der W. schnell u. unter Explosion, welche am heftigsten ist, wenn der W. mit so viel Luft od. Sauerstoffgas gemengt ist, als zu seiner vollständigen Verbrennung hinreicht, d.h. wenn zwei Volumen Wasserstoff mit fünf Vol. Luft od. einem Vol. Sauerstoff gemengt ist. Läßt man diese Explosionen rasch auf einander folgen, so können eigenthümliche Töne hervorgebracht werden; hält man nämlich über eine kleine Wasserstoffflamme ein an beiden Enden offenes Glasrohr, so entsteht eine Reihe rasch auf einander folgender Verpuffungen, indem sich der W. mit der Luft der Röhre mengt, wodurch ein ununterbrochener Ton erzeugt wird, welcher höher od. tiefer ist, je nach der Größe der Röhre u. je nach dem man die Flamme weit od. weniger weit in den Cylinder hineinragen läßt. Man nennt einen solchen Apparat Chemische Harmonika (s. Harmonika f). Das Gemisch von zwei Vol. W. u. einem Volumen Sauerstoff ist das Knallgas. Verbrennt man W. in Sauerstoffgas od. läßt man die beiden Gase in dem Verhältniß, in welchem sie Knallgas bilden, zusammenströmen u. brennt das Gemisch an, so entsteht einer der höchsten Hitzegrade, welche man künstlich erzeugen kann. In dieser Knallgasflamme schmelzen die am schwersten schmelzbaren Substanzen, wie Thonerde, Kieselerde, Platin, letzteres verdampft sogar. Leitet man die Flamme auf ein Stück Kalk od. Kreide, so leuchtet dieses mit einem außerordentlich intensiven weißen Licht (Drummond'sches Kalklicht, s. Siderallicht). In Folge seiner Verwandtschaft zum Sauerstoff ist der W. im Stande Metalloxyde zu reduciren, indem er sich mit dem Sauerstoff derselben zu Wasser verbindet. Auf Platinschwamm strömend bringt er diesen zum Glühen, während er sich selbst entzündet; hierauf gründet sich das Döbereiner'sche od. Platinfeuerzeug. In seinen chemischen Eigenschaften[920] ist der W. von dem Sauerstoff sehr verschieden, er verbindet sich nur mit sehr wenigen Körpern u. zwar in Bezug auf die Leichtigkeit, mit welcher die Verbindung vor sich geht, in folgender Ordnung: Fluor, Chlor, Sauerstoff, Brom, Jod, Schwefel, Selen, Phosphor, Kohlenstoff, Stickstoff, Arsenik, Antimon, Tellur. Die zuerst genannten sieben Elemente, ausgenommen der Sauerstoff, gehen mit dem W. Verbindungen ein, welche Sauerstoffsäuren sehr ähnlich sind, während die der letzten vier in vielen Beziehungen den Sauerstoffbasen gleichen. Die Verbindung des W-s mit dem Sauerstoff ist fähig, bald als Base, bald als Säure aufzutreten; die Verbindungen mit Kohlenstoff sind indifferente Körper Mehre Chemiker nehmen an, daß in den Säuren, welche aus W. u. aus einem der genannten Elemente bestehen, der W. das säuernde Princip sei, so daß sie die Säuren in Wasserstoffsäuren u. Sauerstoffsäuren (s. Säuren) eintheilen, während Davy die Ansicht ausgesprochen hat, daß das säuernde Princip nicht der W., sondern das Chlor, Brom, Jod, Fluor etc. sei. Der W. verbindet sich aber mit allen diesen Körpern direct; mit dem Kalium, Natrium, Barhum etc. verbindet sich hingegen der W. nicht, ersetzt aber diese Körper, ohne daß dadurch der Charakter der Verbindung wesentlich geändert wird. Der säurebildende Charakter des Sauerstoffs, Chlor, Brom etc. ist so überwiegend, daß er durch den basenbildenden des W-s nicht aufgehoben werden kann. Das kleine Atomgewicht des W-s zeigt ferner in welch hohem Grade dasselbe fähig ist, die Eigenschaften eines anderen Stoffes umzuändern. So ist ein Theil W. im Stande, mit acht Theilen Sauerstoff einen Körper, das Wasser, zu bilden, welcher bald als Säure, bald als Base austritt, während 16 Theile Schwefel damit eine schwache Säure, die dithionige Säure, geben. Mit den übrigen der oben genannten Elemente, nämlich mit dem Stickstoff, Arsenik, Antimon etc., welche fähig sind, selbst noch mit mehren Äquivalenten Sauerstoff Basen zu bilden, kann der W. sich in größerer Menge verbinden, die so entstandenen Körper haben aber einen entschieden basischen Charakter. Alle Elemente, welche in die Sauerstoffordnung gehören, nämlich Chlor, Jod, Brom etc. sind Unionen, d.h. sie gehen zum positiven Pol, u. sind negativ, während der W. in allen Fällen, wo er als Ion auftritt, stets zum negativen Pole geht u. wohl der elektropositivste unter allen Grundstoffen ist. Der W. findet sich in größter Menge in der Natur an Sauerstoff gebunden als Wasser, außerdem bildet er den Bestandtheil der meisten organischen Körper, der Salzsäure, des Ammoniaks etc. Freier W. entwickelt sich zuweilen, jedoch selten rein, in Steinsalz- u. Steinkohlengruben, vielleicht wird er auch von Vulkanen ausgehaucht. Zur Darstellung des W-s bedient man sich immer des Wassers, indem man demselben den Sauerstoff entzieht; dies geschieht entweder durch galvanische Zerlegung od. mittelst Kalium u. Natrium od., wo es sich um die Darstellung größerer Mengen handelt, indem man Wasserdampf durch eine glühend gemachte eiserne Röhre (Flintenlauf) streichen läßt, in welcher sich Eisendraht befindet; das glühende Eisen verbindet sich mit dem Sauerstoff des Wassers u. W. entweicht. Am häufigsten wendet man zur Zerlegung des Wassers Zink u. Schwefelsäure od. Eisen u. Schwefelsäure an. Bei Gegenwart von Schwefelsäure zerlegen diese Metalle nämlich das Wasser, indem sich schwefelsaures Zinkoxyd (od. Eisenoxydul) bildet: HO + Zn + SO3 = ZNO3 + HO. Ein Loth Zink liefert auf diese Weise 300 Cubikzoll W. Die im käuflichen Zink u. der gewöhnlichen Schwefelsäure enthaltenen Unreinigkeiten veranlassen bei der Darstellung von W. die Bildung anderer Gasarten, daher das so dargestellte Gas immer einen eigenthümlichen Geruch zeigt; diese dem W. beigemengten Gasarten sind bes. Schwefelwasserstoff, Phosphorwasserstoff, Arsenikwasserstoff, Stickoxyd. Zur Darstellung von reinem W. muß man daher reines Zink u. reine Schwefelsäure anwenden, das Gas erst durch Kalilauge, dann durch ein Rohr streichen lassen, in welchem sich mit Quecksilberchlorid od. salpetersaurem Silberoxyd getränkte Bimssteinstücken befinden, endlich zur Entfernung des ihm noch beigemengten Wasserdampfes durch Chlorcalcium od. Schwefelsäure leiten.
Die älteren Alchemisten scheinen keine Kenntniß von dem W. gehabt zu haben. Paracelsus im 16. Jahrh. machte zuerst darauf aufmerksam, doch verwechselte man es lange Zeit mit anderen brennbaren Gasarten. Erst Cavendish zeigte 1766, daß das Wasserstoffgas eine eigenthümliche Luftart sei, welche entstehe, wenn man Eisen, Zinn od. Zink in verdünnter Schwefelsäure od. Salzsäure auflöse; nachher entdeckten De Lassone u. Scheele, daß das Zink auch bei seiner Auflösung in ätzendem od. fixem Alkali solche entzündliche Luft entwickele. Daß das Wasserstoffgas bei Mischung mit Luft durch den kleinsten elektrischen Funken entzündet wird, entdeckte Volta 1777. Man wendet den W. wegen seiner Leichtigkeit zum Füllen der Luftballons an, für die zu Luftschifffahrten bestimmten benutzt man indessen in neuerer Zeit ausschließlich das Leuchtgas. Seit einiger Zeit ist die Erzeugung u. Anwendung des Wasserstoffgases zur Beleuchtung u. Heizung in Aufnahme gekommen. Das Anfangs von dem Erfinder Gillard zu Grunde gelegte Princip bestand in der Reduction von Wasserdampf in einer mit Eisendraht gefüllten, glühenden Retorte, aber mit einer Einrichtung, welche es möglich machte, den oxydirten u. dadurch unwirksam gemachten Draht sofort u. zur Stelle wieder wirksam zu machen. Die bloße Drehung eines Wechselhahnes sperrte nämlich zugleich den Zutritt des Wasserdampfes u. eröffnete zugleich einem, zu diesem Zweck bes. aus Coaks entwickelten Strom von Kohlenoxyd den Weg durch die Retorte. Es bildete sich Kohlensäure, welche nicht zu dem W., sondern getrennt abgeleitet wurde, u. metallisches Eisen, welches nach wiederhergestellter Richtung des Hahnes wieder zur Wasserstoffentwickelung diente, u. so in ununterbrochener Abwechselung fort Durch verschiedene Schwierigkeiten wurde jedoch Gillard veranlaßt, dieses System gegen ein anderes zu vertauschen u. zwar gegen die Zersetzung des Wasserdampfes mittelst Hindurchleiten durch eine Retorte mit glühenden Kohlen. Das durch eine Reaction entwickelte Gas besteht in der Regel aus ungefähr 4 Vol W., 1 Vol. Kohlensäure, 2 Vol. Kohlenoxyd, welches letztere allerdings durch einen großen Überschuß von Wasserdampf vermindert werden kann. Nichts desto weniger behauptet Gillard, ein kohlenoxydfreies Gemenge von W. u. Kohlensäure, welche er durch einen gewöhnlichen Kalkreiniger abscheidet, erhalten zu haben; dasselbe soll wohlfeiler als irgend ein zu diesem [921] Zweck gebrauchtes (namentlich blos 1/16 des Preises von Steinkohlengas kosten), frei von allem unangenehmen Geruch u. auch wegen seiner kräftigen desoxydirenden Wirkung für manche Gewerbe, z.B. zum Löthen, von großem Nutzen sein. Behufs der Beleuchtung soll das Gas in einem geeigneten Verhältniß mit atmosphärischer Luft gemengt u. in die Flamme ein Cylinder von seinem Platindraht eingesetzt werben, welcher durch sein Glühen das Licht entwickelt. Nach Erfahrungen, welche man mit Gas in Manchester gemacht hat, ist seine Leuchtkraft nur halb so groß, als die des Gases aus Cannellohle u. erfordert demnach geräumigere Apparate u. Röhren, auch ist es noch kostspielig wegen des großen Kalkverbrauchs u. des Mangels an nutzbaren Nebenproducten. Zur Zimmerheizung findet Gillard sein Gas bes. geeignet, weil sämmtliche Wärme in dem geheizten Raum bleibt. Aus Allem folgt, daß die Anwendung des W. zur Beleuchtung u. Heizung noch weit davon entfernt ist, allgemein eingeführt zu werden. Versuche, Wasserstoffgas durch Dämpfe von Terpentinöl, Benzol u.a. Kohlenwasserstoffe in ein Leuchtmaterial überzuführen, waren fruchtlos.
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