1. Auf der einen Seite ist mir alles Wurst, auf der andern alles Pomade. – Gartenlaube, 1869, 154.
Berliner Lokalsprichwort. Bei der Kreuzung von Oberwall- und Jägerstrasse ist auf der einen Seite die bekannte Parfümerie von Treu und Nuglisch, auf der andern das vielbesuchte Wurstgeschäft von Niquet.
2. Auf einer Seite ist die Partie immer fertig. – Blass, 6.
3. Die auff der fliehenden seiten haben nie gesigt. – Franck, I, 51a; Petri, II, 123; Henisch, 1151, 25; Lehmann, II, 69, 18; Simrock, 2551; Körte, 5528.
4. Es hat alles zwei Seiten. (S. ⇒ Ding 903.)
Engl.: Every medal has its reverse. – Every thing has a good and a bad side.
Holl.: Alles heeft zijne goede en zijne kwade zijde. (Harrebomée, II, 502a.)
It.: Ogni medaglia ha il suo rovescio. – Ogni dritto ha il suo riverso.
5. Jeder hat seine schwache Seite.
Frz.: Chacun a son faible.
6. Jeder sieht's von seiner Seite an.
Die Ansicht einer Sache richtet sich nach der Neigung, nach dem Vortheil eines jeden.
Engl.: Every body sees things as he is concerned in them.
7. Kommt eine Seite weiter, so folgt die andere nach.
»In seiner Predigt hält Herr Teute sich immer nur an einer Seite, nur an Verstand und nie ans Herz. So hatt' auch Hudibras, der Reiter, nur einen Sporn und sprach: Bring' ich die eine Seite weiter, so folgt gewiss die andere nach.« (Witzfunken, IIb, 141.)
8. Viele halten sich an die Seite des Schiffs, da es guten Wind hat. – Petri, II, 572.
9. Von derselben Seite, woher das Licht kommt, kommt auch der Schatten.
10. Was man nicht von beiden Seiten gesehen hat, das hat man gar nicht gesehen.
Engl.: He considers ill, that considers not on both sides.
11. Wer auf der rechten Seite wund ist, legt sich auf die linke.
[527] 12. Wer in der linken Seite hohl ist, sieht eine Katze für einen Wehrwolf an.
Wem das Herz fehlt, sieht überall Gefahren ohne Mass.
*13. An ein Sît wärm sîn. (Meurs.) – Firmenich, I, 400, 11.
*14. An jemandes grüner Seite sitzen.
Auf der Seite des Herzens, das dem Nachbar gewogen ist.
Holl.: Aan iemands groene zijde zitten. (Harrebomée, II, 502a.)
*15. Auf beiden Seiten auf Einem Stecken reiten. – Murner, Schelm., 21.
Gott und dem Teufel gleichzeitig dienen. »Wir wolten gern auff beiden seiten ehrlich auff eim stecken reiten. Vnd wenn wir haben den dienst gethan, so gibt vns doch jr keiner lohn.« (Kloster, I, 853.)
*16. Auf beiden Seiten Wasser tragen. – Parömiakon, 2326.
Es mit keiner Partei verderben.
*17. Auf beyden seyten hincken. – Franck, Zeytbuch, CCXXXVb.
»Wer sich mit gschenk lesst machen bendig, der ist im rechte vnbestendig, der vnbestandt jn dahin zwingt, das er zu beiden seiten hinkt.« (Waldis, IV, 94.)
Holl.: Hij hinkt op beide zijden. (Harrebomée, II, 502b.)
*18. Auf die Seite sehen, wie eine Gans, die Aepfel sucht.
»Man sagt gemeiniglich: So sieht ein Entrich, eine wilde Ente, mit einem Auge auf das Erdreich, wo die Speise ist, und mit dem andern Aug' an den Himmel, wo der Sperber ist.« (Geiler.)
*19. Auf eine seit setzen. – Simplic., Galgen-Männlein.
In dem Sinne, wie wir heute sagen: beiseite setzen.
*20. Auf eine Seite hängen wie Frössen.
So sagt man im reussischen Oberlande, um das Parteinehmen für etwas auszudrücken. Frössen ist ein Dorf bei Lobenstein, das am Abhange eines Bergs liegt.
*21. Auf eine Seite sehen, wie der Hund, der an einem Bein nagt.
*22. Das ist seine schwache Seite. – Körte, 5528c; Braun, I, 4078.
*23. Der legt sich auf die liederliche Seite. – Klix, 84.
*24. Dî äs af alle Sêgten (Seiten) beschlôen. (Siebenbürg.-sächs.) – Frommann, V, 33, 32.
*25. Einem die weiche (schwache) Seite abgehen.
Seine schwache Seite aufsuchen, ihn da angreifen und für seinen Zweck gewinnen.
*26. Einem zur Seite gehen.
Sorgfältig Acht haben, wann und wo er Hülfe bedarf und sie schnell leisten.
*27. Einen auf seine Seite bringen.
Frz.: Attirer quelqu'un à sa cordéle. (Kritzinger, 173b.) – Attirer quelqu'un dans son parti (dans ses interêts). – Engager quelqu'un à ses interêts. (Kritzinger, 43a u. 272e.) – Jetter quelqu'un dans son parti. (Kritzinger, 387a.)
*28. Einen bei seiner schwachen Seite fassen.
Holl.: Hij pakt (vat) hem aan zijne zwakste zijde aan. (Harrebomée, II, 502b.)
*29. Einen von der Seite ansehen.
Schel, verächtlich.
*30. Ên de wêke Sit geben. – Eichwald, 1722.
*31. Er hat es an die Seite gehängt wie eine Fuhrmannstasche. – Facet., 467.
*32. Er hät lange Site. (Zürich.)
Von einem starken Trinker. (S. ⇒ Mass 94, ⇒ Molum und ⇒ Trinken.)
*33. Er hat seine guten und schlechten Seiten.
Lat.: Ex habitu bonum virum prae se fert. – Polypi caput. (Erasm., 70; Philippi, II, 101.)
*34. Er hat sich auf die schwere Seite gelegt. – Tendlau, 357.
Ist zu der Partei übergegangen, welche in der Mehrzahl ist und den meisten Vortheil bietet.
*35. Er ist auch auff der nemenden seiten. – Franck, II, 62b; Körte, 5528a.
*36. Er ist auf allen Seiten gedeckt.
Lat.: Non vulgari anchora nititur. (Philippi, II, 46.)
*37. Er legt sich auf die faule Seite. – Körte, 5528b; Frischbier2, 3479.
*38. Er nimmt alles auf die schlimme Seite.
Frz.: C'est un homme à qui il ne faut pas dire plus haut que son nom. (Lendroy, 1086.)
*39. Er sihet auff ein seit, wie ein ganss, die ein apffel sucht. – Henisch, 1348, 14.
[528] *40. Etwas auf die Seite bringen.
Frz.: Mettre quelque chose du côté de l'épée. (Lendroy, 506.)
*41. Jemand auf seine Seite ziehen.
Holl.: Iemand aan zijne koord krijgen. (Harrebomée, I, 436a.)
*42. Mer hän no vier Site im Chämi. – Sutermeister, 33.
Der Hörer versteht vier Speckseiten, während der Sprechende meint: vier Wände.
*43. 'S hat älles wieder au sei guate Seite. (Ulm.)
*44. Se hôt a houcha Seita am Hols. – Michel, 276; Nefflen, 465.
D.h. einen dicken Hals.
*45. Se op de brêd Sîd kriege. – Frischbier2, 3481.
*46. Setze dich an meine grüne Seite. die Redensart kommt in dem ersten Verse des bekannten Volksliedes: Mädle, ruck, ruck, ruck an meine grüne Seite. Doch findet sie sich schon bei Fischart in dessen Geschichtklitterung, Kap. 8 und 42, vgl. Kloster, VIII, 451.
*47. Sich auf die schlechte (schlimme) Seite legen. – Braun, I, 4075.
Träge werden, sich dem Laster ergeben. »Wer sich legt auff die faule seiten.« (Waldis, III, 80, 23.) Im Niederdeutschen: Sick up de fule Sîde leggen. (Dähnert, 137.)
*48. Sich auf die Seite machen.
Sich schnell und heimlich entfernen.
Frz.: Il s'est absenté du païs. (Kritzinger, 4b.)
*49. Sich auf eines (jemandes) Seite schlagen.
Seine Partei nehmen. Wer sich des Angeklagten vor Gericht annehmen wollte, der stellte sich auf seine Seite.
*50. Sie neigt sich auf die Seite, wo die Börse hängt.
Holl.: Hij kraauwt aan de zijde, daar de beurs hangt. (Harrebomée, II, 502b.)
*51. Stets auf die weiche Seite fallen. – Frischbier2, 3480.
*52. Uf oa Seita g'lada. – Michel, 279; Nefflen, 467.
Auf eine Seite geladen, d.i. nicht mehr aufrecht, geradeaus gehen, das Gleichgewicht verloren haben, stark angetrunken sein.
*53. Ût de Sît, de Höner willen pissen. – Bueren, 1189.
*54. Von de linke Síd e Prêmke, von de rechte Sîd e Pîp Toback, on ön e Möod besape. – Frischbier2, 3482.
*55. Wat du op de êne Sîd backst, dat kakt de Sunn op de annere weder ut. (Danzig.) – Frischbier2, 3483.
56. Wer auf der linken Seite ruht, hat frei das Herz, wer auf der rechten Seite ruht, verspüret Schmerz.
It.: Chi dorme nel lato manco, il cuor è franco; chi nel lato dritto, il cuor è afflitto. (Giani, 603.)
*57. Ar trejt uf zwej Seiten. – Larisch, 32.
*58. Etwas bei Seite legen.
Unerörtert lassen, mit Stillschweigen übergehen.
Lat.: In medio relinquere. (Faselius, 115.)
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