[181⇒] Sphinx, in der griechischen Sage eine Tiergestalt mit weiblichem Kopf, Brüsten und Flügeln (Fig. 1). Bei den Aegyptern das Symbol der Fruchtbarkeit und der göttlichen Herrschermission, wurde sie mit männlichem Kopf ohne Flügel meist liegend (Fig. 2) dargestellt.
Die berühmteste ist die bei der Pyramide des Cheops, 50 m lang und 20 m hoch. Auch wurden sie in langen Reihen zu den Seiten des Tempelzugangs aufgestellt.
Weinbrenner. [⇐181]
[739⇒] Sphinx, phantastische Figur, aus Löwenleib und Menschen- oder Widderkopf zusammengesetzt [Abb. 1777], im alten Ägypten Symbol des Sonnengottes, häufig vor Tempeln. Die griech. S., Tochter des Typhon und der Schlange Echidna, gab auf einem Felsen bei Theben jedem Vorübergehenden ein Rätsel auf und verschlang den, der es nicht lösen konnte. Oidipius erriet es, worauf die S. sich vom Felsen herabstürzte. [⇐739]
[729⇒] Sphinx, Name von Steinbildern in Löwengestalt mit Menschenkopf, stehend oder auf einem Sockel liegend, die Vorderbeine vorwärts gestreckt, die Hinterbeine untergeschlagen. Das Fabeltier des (männlichen) S. ist wohl in Ägypten heimisch, wo es als Verkörperung der königlichen Macht galt, und wo man es daher auch liebte, die Könige in der Gestalt eines S. darzustellen; man verlieh dann dem menschlichen Kopfe die Porträtzüge des Herrschers. Der S. trägt demgemäß auch das dem Könige eigentümliche gefältelte Kopftuch und an der Stirn sein Abzeichen, die Uräusschlange. Auch Sphinxe in Gestalt von Löwen mit Sperberköpfen kommen als Verkörperungen des Königs in Ägypten vor. Am berühmtesten ist der bei den Pyramiden von Gizeh gelegene S., der aus dem Felsen gehauen ist und eine Hohe von 20 m bei einer Länge von 57 m besitzt (s. Tafel »Architektur I«, Fig. 1); er stammt vielleicht noch aus vorgeschichtlicher Zeit und ist das älteste Denkmal auf dem Totenfelde von Memphis; neuerdings hat man ihn auch für ein Bild des Königs Amenemhet III. aus der 12. Dynastie gehalten; die Ägypter der spätern Zeit halten ihn für ein Bild des »im Horizont befindlichen« Sonnengottes Horos, des Harmachis (s. Horos). Wiederholt ist der S. von Gizeh aus dem Wüstensand ausgegraben worden, zuletzt 1886 durch Maspero. Bei vielen Tempeln führten Alleen von Sphinxen zu dem Eingangsgebäude. Auch in der assyrischen Kunst findet sich der S. als Hüter des Tempeleingangs (Palast zu Nimrud und Portal von Chorsabad). Mannigfaltiger nach Gestalt und Bedeutung erscheinen die Sphinxe in Griechenland, wo sie immer als weibliche Gestalten aufgefaßt werden.
Ursprünglich ein geflügelter Löwenkörper mit Kopf und Brust einer Jungfrau (s. Abbildung), wurden sie später von Dichtern und Künstlern in den abenteuerlichsten Gestalten dargestellt, z. B. als Jungfrau mit Brust, Füßen und Krallen eines Löwen, mit Schlangenschweif, Vogelflügeln, oder vorn Löwe, hinten Mensch, mit Geierkrallen und Adlerflügeln, und zwar nicht immer liegend, sondern auch in andern [⇐729] [730⇒] Stellungen. Berühmt ist die thebaische S. im böotischen Mythus, Tochter des Typhon und der Schlange Echidna, die jedem, der ihr nahte, das Rätsel aufgab: »Welches Geschöpf geht am Morgen auf vier Füßen, am Mittag auf zweien, am Abend auf dreien?« Wer es nicht losen konnte. mußte sich vom Felsen in den Abgrund stürzen. Ödipus deutete es richtig auf den Menschen, worauf sich die S. vom Berge herabstürzte. Von der griechischen Kunst aus der ägyptischen und orientalischen frühzeitig übernommen und eigentümlich (immer weiblich) umgebildet, galt hier die S. als Sinnbild des unerbittlichen Todesgeschicks und ward daher auf Gräbern oft dargestellt (vgl. Bachofen, Gräbersymbolik der Alten, Bas. 1859). Auch an altchristlichen Kirchen kommen die Sphinxe manchmal vor. Wieder angewendet wurden sie von der Spätrenaissance, insbes. häufig aber von der Barockkunst, die mit denselben Eingänge zu Palästen, Gärten u. dgl. verzierte. Vgl. Ilberg, Die S. in der griechischen Kunst und Sage (Leipz. 1896). [⇐730]
[418⇒] Sphinx (Aegypt. u. gr. M.), ursprünglich colossale Steinbilder in Aegypten, von unbekannter Bedeutung; man hält sie im Allgemeinen für mystische Hüter und Schutzgeister der Tempel und Todtenwohnungen. Die Figur ist ein (ungeflügelter) liegender Löwe, entweder mit dem Gesicht und der Brust eines Weibes, manchmal mit einem Bärtchen am Kinn, oder auch mit Widder- oder Sperberköpfen. Unter den unzähligen ägyptischen S.en ist die grösste, die auch am meisten Kunststil verräth, jene S. bei Memphis, von der nur noch Hals und Kopf aus dem Sande hervorragen; der Umfang des Kopfes beträgt 102 Fuss, die Länge des Leibes 113 Fuss. Kleinere dergleichen Gebilde fanden und finden sich noch in Aegypten vor den Tempeln in eigentlichen, oft halbe Stunden langen Alleen zu vielen Hunderten an einander gereiht, in colossaler Grösse, und gehören zu den höchsten Zierden jener Wunderbauten. Die Griechen, welche sich alles Fremde aneigneten, sobald es ihnen der Mühe werth schien, thaten es auch mit der S., welche sie eine Tochter der Echidna und ihres eigenen Sohnes, des Hundes Orthrus, nannten. Juno hatte sie nach Theben geschickt, und zwar ans dem fernsten Aethiopien (hierin scheint der Zusammenhang mit Aegypten verborgen zu liegen), um die Thebaner zu strafen, weil sie die Frevel des Laius ungestraft hingehen liessen. Das Weitere des Mythus siehe unter ⇒ Oedipus. Die griechische Kunstdarstellung der S. ist von der ägyptischen verschieden; ursprünglich ist es ein geflügelter Löwenkörper, mit Kopf und Brust einer Jungfrau; später eine Jungfrau mit Brust, Füssen und Krallen eines Löwen, Schlangenschweif, Vogelflügeln, oder vom Löwe, hinten Mensch, mit Geierkrallen und Adlerflügeln, und zwar nicht immer liegend, sondern auch in andern Stellungen. Die thebanische S. hat zuweilen auch einen Hundeleib. [⇐418]
[538⇒] Sphinx (d.i. Würgerin), ursprünglichägyptisches Symbol des Königs, abgebildet als Löwe mit Menschenkopf. Sphingen fanden sich gewöhnlich vor den ägyptischen Tempeln in ganzen Alleen. Noch findet sich ein großer, aus Fels gehauener S. bei der Pyramidengruppe von Dschizeh, 300 Schritte östlich von der mittelsten entfernt. Nach Plinius war der Umfang des Kopfes an der Stirn 102 Fuß, die Länge 113 u. die Höhe in liegender Stellung 63 F., der jetzt noch aus dem Sande hervorragende Theil beträgt etwa 27 Fuß. Neuere, wie Caviglia u. Mariette, haben die Ausgrabung versucht u. theilweise vollendet, doch deckte Flugsand das Enthüllte bald wieder zu. Übertragen nach Griechenland wurden die Sphingen hier Veranlassung zu der Fabel, welche zuerst bei Hesiodos vorkommt. Auf griechischem Boden erhielten sie aber nicht allein andere Bedeutung, sondern auch anderes Geschlecht; die ägyptischen S-e sind männliche Wesen, was man noch an dem Bart erkennen kann, welcher freilich bei vielen abgebrochen ist, da er gewöhnlich sehr spitzig gebildet war. Den Griechen war S. die Tochter der Echidna u. des Orthros, od. der Echidna u. des Typhaon, hatte Hundsleib, Löwenklauen, Drachenschwanz, Mädchenkopf u. bei Spätern Flügel, od. auch vorn weiblichen Leib mit dem Hintertheil eines männlichen Löwen (Androsphinx) Here sendete den Thebanern dieses Ungeheuer aus Zorn über Laïos; nach And. schickte dasselbe Ares wegen der Tödtung des Drachen durch Kadmos. Sie hauste auf dem westlich von Theben liegenden Felsen Sphingion u. sagte jedem ihr Nahenden das Räthsel vor: Welches Geschöpf geht am Morgen auf Vieren, am Mittag auf Zweien, am Abend auf Dreien? Wer dasselbe nicht löste, den tödtete sie, wenn es gelöst war, sollte sie weichen. Um von dieser Plage frei zu werden, versprachen die Thebaner demjenigen, welcher es lösen würde, die Herrschaft über ihre Stadt nebst der Hand der Königinwittwe Jokaste. Ödipus deutete es richtig auf den Menschen, welcher als Kind auf Händen u. Füßen krieche, als Erwachsener aufrecht auf den Füßen gehe u. als Greis sich durch Stab od. Krücke stütze, u. nun stürzte sich S. vom Berge herab, s.u. Ödipus. Vielfältig kommen Sphingen auf Münzen, bes. von Chios, Gergis in Troas etc. vor. [⇐538]
[283⇒] Sphinx, griech. Würger, abenteuerliche Figur, aus Löwenleib und Menschenkopf zusammengesetzt, soll bei den Aegyptern Symbol der Sonne und des Königs gewesen sein; die berühmteste ist die weibliche S. (die meisten haben männliche Köpfe) bei der Pyramide des Cephren, deren Kopf bis zum Scheitel 26', die Länge des Leibes 90' mißt. In der griech. Mythe erscheint die thebanische S., eine Jungfrau mit Löwenleib, saß auf dem Cithäron u. legte jedem Wanderer ein Räthsel vor und tödtete den, der es nicht errieth; Oedipus löste es, worauf sich die S. vom Felsen herunterstürzte. [⇐283]
[243⇒] Sphinx (die) war bei den alten Ägyptern eine sinnbildliche Gestalt, ein liegender Löwenkörper mit Menschenhaupt, welche ein Sinnbild der Fruchtbarkeit zu sein scheint, die das Land den Überschwemmungen des Nils dankte.
Es haben sich noch bis auf unsere Tage alte Steinbilder der Sphinx in Ägypten erhalten, unter welchen das kolossalste das hier abgebildete ist, welches sich in der Nähe der Pyramidengruppe von Kairo findet. Es ist unmittelbar aus dem Felsen gehauen, auf welchem es zu stehen scheint. Die Länge dieser Sphinx beträgt 148 F., die vordere Höhe [⇐243][244⇒] 62 F., doch ist sie über die Hälfte verschüttet, sodaß nur noch etwa 27 F. hervorragen. Im Scheitel hat man eine Öffnung gefunden, welche nach den hohlen Augen führte; wahrscheinlich wurde dieselbe zu Priestertrug benutzt. Man hat neuerdings Untersuchungen über den verschütteten Theil angestellt und gefunden, daß sich die vorgestreckten Füße noch 50 F. weit von dem Körper aus erstrecken. Die ganze Sphinx ist mit einer Mauer umgeben, die überall 30 F. von der Gestalt absteht, aus ungebrannten Ziegeln gebaut und inwendig mit behauenen Steinen belegt ist. Man hat auch noch die Überreste zweier Altäre mit griech. Inschriften gefunden. Ein Altar steht auch zwischen den ausgestreckten Vorderfüßen. Auf diesem Altar lag ein Granitblock mit Bildarbeit und einer Hieroglypheninschrift. Die Sphinx von Sais, welche aus einem rosenfarbenen Granitblock von 22 F. besteht, findet sich gegenwärtig in der ägypt. Sammlung des Louvre zu Paris. – Auch in der griech. Sage kommt die Sphinx vor, aber als ein Ungeheuer, welches die Juno den Thebanern, um sie zu züchtigen, sendete. Dieselbe, eine Tochter des Typhon und der Echidna, ließ sich auf einem Felsen vor dem siebenthörigen Theben nieder und sang Räthsel. Wer dieselben nicht zu lösen vermochte, war eine Beute des Todes. Sie hatte, wie erzählt wird, das Angesicht eines Weibes, den Leib eines Hundes, die Flügel eines Adlers, die Klauen eines Löwen, den Schwanz eines Drachen. Ihr Räthsel, von dessen Lösung die Befreiung Thebens von ihr abhängig war, hieß: »Welches Thier geht des Morgens auf Vieren, des Mittags auf Zweien und des Abends auf Dreien?« Niemand vermochte dies Räthsel zu lösen, und sehr viele Thebaner waren schon von dem Ungeheuer umgebracht worden, als Ödipus (s.d.) erschien und es errieth. Dieses Thier ist der Mensch, denn er kriecht am Morgen seines Lebens, in der Jugend, auf Händen und Füßen, geht in der Blüte seines Alters auf zwei Füßen, und im Alter als Greis auf dreien, denn der Stab wird ihm zum dritten Fuße. Die Sphinx stürzte sich nun selbst herab von dem Felsen und Ödipus hatte durch die Lösung des Räthsels die Hand der Jokaste und den Thron von Theben gewonnen. Man hat diese Sage allegorisch dahin gedeutet, daß es die Griechen gewesen, welche das geheimnißvolle Räthsel höhern Alterthums gelöst, indem in Griechenland das Licht des Selbstbewußtseins dem Geiste zuerst aufgegangen und dadurch die dunkle Symbolik der Ägypter zur lichten Kunst der Griechen sich umgestaltete. [⇐244]
[348⇒] Sphinx (Mythologie), ein abenteuerliches Gebilde des alten Aegyptens, in mancherlei Form dargestellt, meist als Löwengestalt mit einem Jungfrauenkopf und Busen, in liegender Stellung, die Löwenfüße vorgestreckt. So stand es in langen Reihen vor den Tempeln, gleichsam als stumme Wächterschaar, doch hat man auch einzelne [⇐348] [349⇒] Sphinxe von kolossaler Größe in der Wüste und in den zerstörten Tempelstädten gefunden. Griechen und Römer ließen durch ihre Künstler die Sphinx häufig nachahmen, und auch die spätere europäische Kunst benutzte sie gern als architektonische Zier, wo sie als Symbol des Schweigens, des Geheimnisses, der Stärke und Weisheit dienen konnte. Die Mythe nennt uns das Ungeheuer S. als Tochter der Echidna und des Hundes Othros, und erzählt, daß die zürnende Juno dieselbe nach Theben gesandt, die Stadt und das Land zu verwüsten. Da lagerte sie auf hohem Fels und lauerte den Wanderern auf. Wen sie ergriff, dem legte sie ein Räthsel vor, und stürzte alle, die es nicht lösen konnten, vom Felsen herab. Endlich kam Oedipus auf seiner Wanderung nach Theben auch in ihren Bereich, und vernahm das Räthsel: »Welches Geschöpf geht am Morgen auf vier Füßen, Mittags auf zweien, Abends auf dreien?« Und Oedipus antwortete: »Der Mensch, der als Kind auf allen Vieren kriecht, und im Alter des Stabes sich als dritten Fußes bedient.« Da stürzte die Sphinx sich selbst vom Fels herab, und das Land war von dem Ungeheuer befreit.
ch [⇐349]
[331⇒] Die Sphynx: dieses fabelhafte Ungeheuer aus der Mythologie (die Erzählung davon s. m. in dem Art. Oedipus) wurde von Mahlern und Bilddauern bald unter männlicher, bald unter weiblicher Figur am Kopfe und an der Brust, und mit einem Löwenkörper, als Zierrath auf Altären, an den Thüren vor Tempeln und bei Gräbern angebracht. Eine Abbildung davon befindet sich unter den berühmten Denkmählern der Egyptier, die noch in der Nähe der bekannten Pyramiden-Gruppe unweit Kahiro zu sehen, und aus einem einzigen Felsenstück gehauen, 143 Fuß lang und von vorn 62 hoch ist; sie ragt aber jetzt nur noch 27 Fuß über den Sand hervor. – Heut zu Tage pflegt man sie theils auf Treppen, theils auch an den Pforten großer Gebäude aufzustellen. [⇐331]
[2253⇒] SPHINX, gis, Gr. Σφίγξ, γος, (⇒ Tab. V.)
1 §. Namen. Einige leiten diesen Namen von dem griechischen Worte σφίγγινειν, zusammenziehen, her, weil solches Ungeheuer mit seinen Räthseln die Menschen gleichsam verstrickt habe. Casal. de Rit. veter. Aegypt. c. 16. Andere holen ihn von dem ebräischen, oder [⇐2253][2254⇒] phönicischen Worte Saphach für Sabbach, her, von welchem Sphicha so viel, als irre gemacht, oder auch Todtschläger heissen soll, welches sich beydes gar wohl auf solche Sphinx schicket. Cleric. ad Hesiod. Theog. v. 326. Allein, noch andere leiten ihn von dem phönicischen Phicea her, welches so viel, als listig und verschlagen, heissen und das griechische φὶξ seyn soll, welches nach böotischer Mundart eben so viel, als Σφίγξ, gewesen. Bochart. Chan. l. I. c. 16.
2 §. Aeltern. Diese waren ein Paar Unthiere, Typhon und Echidna. Hesiod. Theog. 326. Apollod. l. III. c. 5. §. 8.
3 §. Wesen und Schicksal. Weil Juno einen ungemeinen Haß auf die Thebaner geworfen hatte, so schickte sie dieses Unthier ab, ihnen alles Herzeleid anzuthun. Es nahm daher seinen Aufenthalt auf dem phiceischen Berge, unsern von Theben; und, nachdem es allerhand Räthsel von den Musen erlernet hatte, so legete es den Thebanern insonderheit dieses vor: Was es für ein Thier sey, das eine Stimme und Gestalt habe, jedoch erst vierfüßig, hernach zweyfüßig, und endlich dreyfüßig sey: Weil nun den Thebanern von dem Orakel war gesaget worden, sie würden solche Plage nicht eher los werden, als bis jemand solches Räthsel erriethe: so versuchten sie ihr Heil gar oft damit. Wer es aber nicht errathen konnte, der mußte mit dem Leben bezahlen, indem ihn solche Sphinx ergriff, zerriß und fraß. Sie kam fleißig zu den Thebanern, wenn sie beysammen waren, und verlangete die Auflösung, da sie denn nahm, welchen sie bekommen konnte. Endlich traf das Unglück selbst des Königs Kreons Sohn, den Aemon. Hierauf ließ dessen Vater öffentlich ausrufen, wer solches Räthsel errathen könnte, sollte nicht allein seine Schwester Jokaste, die verwitwete Königinn, zur Gemahlinn, sondern auch das Königreich dazu haben. Oedipus gab sich deswegen an und errieth, daß der Mensch damit gemeynet sey, welcher in seiner Jugend auf allen Vieren krieche, [⇐2254][2255⇒] hernach auf zweyen Beinen einher gehe, und sich im Alter eines Stockes bediene und also auf dreyen herum schleiche. Hierauf stürzte sich die Sphinx von ihrem Felsen herab, Oedipus aber bekam den ausgesetzten Preis. Apollod. l. III. c. 5. §. 8. Diod. Sic. l. IV. c. 66. p. 185. Es zeiget sie noch ein geschnittener Stein auf einem Felsen sitzend, wie Oedipus, oder ein anderer, vor ihr steht, und ihr Räthsel aufzulösen Willens zu seyn scheint. Gorlæl Dact. T. II. n. 526. Auf einem andern hat sie einen unglücklichen Auflöser ergriffen, und aus der Art, wie sie ihn gefaßt, kann man schließen, daß sie etwas unzüchtiges von ihm begehret; oder, daß wenigstens der Steinschneider dergleichen hat anzeigen wollen. Ib. n. 527. Nach einigen soll nicht Juno, sondern Dionysus, diese Sphinx über die Thebaner geschicket haben. Schol. ad Hesiod. Theog. ap. Munck. ad Hygin. Fab. 67. Sie soll dem Kreon selbst gedrohet haben, daß, wo er ihr Räthsel nicht erriethe, sie ihn noch selbst aufreiben wollte; daher er denn bewogen worden, solche große Belohnung darauf zu setzen. Hygin. l. c.
4 §. Gestalt. Nach einigen soll sie zwar ein Jungferngesicht, allein Brust, Füße, und Schwanz eines Löwen, nebst Flügeln eines Vogels gehabt haben. Apollod. l. III. c. 5. §. 8. So kömmt sie vielfältig auf alten Denkmälern vor, und sonderlich trifft man sie auf den Münzen der Chier an, wo sie zuweilen den einen Fuß auf eine Harfe setzet, oder vor einer Traube sitzt, oder den Fuß auf einen Schiffsschnabel stellet. Beger. Thes. Brand T. I. p. 419. 420. & T. III. p. 46. Sie ist, außer den beyden Weiberbrüsten vorn, noch mit vielen andern unter dem Leibe versehen. Mit diesen erblicket man sie auch ganz deutlich auf einem Carneol, wo sie ein Sistrum vor sich und das Getraidemaaß auf dem Kopfe hat. Maffei gem. ant. P. II. t. 17. Auf einem andern, wo sie in vollem Laufe ist, sieht man solche nicht weniger. Gorlæi Dactylioth. T. II. n. 627. Man findet sie noch mit vielen andern Zeichen, z.B. einem [⇐2255][2256⇒] Mercuriusstabe, Rade, Todtenkopfe, u.s.w. auf Gemmen. Lipp. Dactyl. I Taus 916–925 N. Was das Geschlecht anbetrifft, so findet man gleichwohl auch männliche, und einige sollen so gar beyderley Geschlechtes seyn. Winkelm. Descr. des pier. gr. du Cab. de Stosch. p. 4. n. 7. & ej. Monum. ant. p. 103. Hingegen wollen andere, daß sie ein Gesicht und Hände wie eine Jungfer, einen Leib wie ein Hund, eine Stimme wie ein Mensch, einen Schwanz wie ein Drache, Klauen wie ein Löwe, und Flügel wie ein Vogel gehabt. Clearch. ap. Nat. Com. l. IX. c. 18. Dergleichen Abbildung findet man in alten Denkmälern wenig: doch gehöret ein Carneol dahin, wo man sie geflügelt nur mit zweenen Vorderfüßen liegen sieht, der Hintertheil aber sich wie eine Schlange windet. Chauss. gem. ant. fig. t. 193. Noch andere legen ihr von vorn die Gestalt eines Löwen, von hinten zu aber eines Menschen bey, wobey sie Klauen eines Greifs, und Flügel eines Adlers gehabt haben soll. Tzetz. ad Lycophr. v. 7. Alles dieses gilt indessen nur von der thebanischen Sphinx. Man hat aber noch eine ägyptische, die sich von derselben vornehmlich dadurch unterscheidet, daß sie ungeflügelt und der Kopf ihr mit einer Haube bedecket ist, die ihr über die Achseln herunter geht und sich auch wohl ein Stück auf dem Rücken hin erstrecket. Beger. Thes. Brand. T. III. p. 369. Es finden sich solche auch vielfältig, und eine derselben mit Menschenhänden, wiewohl langen Nägeln an den Fingern, zeiget ein Obelisk. Winkelm. Monum. ant. n. 78. p. 102.
5 §. Wahre Beschaffenheit. Einige wollen, sie sey nichts mehr, als eine Art eines zottichten Affen gewesen. Schol. Stat. ad Thebaid. l. I. v. 66. & Vives ad Augustin. de C. D. l. XVI. c. 8. Allein, andere suchen doch billig was mehrers dahinter, und wollen also, Kadmus habe eine Amazone, welche Sphinx geheissen, zur Gemahlinn gehabt, hernach aber noch die Harmonia dazu genommen, welches denn die Sphinx dergestalt verdrossen, daß sie [⇐2256][2257⇒] mit einem guten Theile ihrer getreuen Leute sich auf den Berg Sphingius begeben, und von da auf den Kadmus und seine Leute gestreifet. Weil sie nun alles insonderheit mit List gethan, so habe man solche für ein Räthsel von ihr angegeben. Als aber Kadmus endlich dem eine große Belohnung versprochen, der sie erlegen würde, so bewerkstelligte solches Oedipus, der sie des Nachts überfiel und erlegete. Palæphat. de Incred. c. 7. Nach einer andern Sage war sie eine natürliche Tochter des Lajus, welcher ihr, weil er sie liebete, den Orakelspruch entdecket hatte, der dem Kadmus war ertheilet worden, und den vorher sonst niemand, als die Könige, gewußt. Diese Weissagung gieng indessen nur auf die Söhne der Epikaste und deren Kinder: Lajus aber hatte viele Söhne von Kebsweibern. Wenn nun jemand von diesen zu der Sphinx kam, der ein Recht auf das Reich behaupten wollte, so sagete sie listiger Weise, wenn er des Lajus Sohn wäre, so wüßte er das Orakel. Konnte er nun das nicht anzeigen, so kostete es ihm das Leben, weil er sich unbefugter Weise für einen Prinzen ausgegeben und des Reiches anmaßen wollen. Endlich kam Oedipus, welchem das Orakel im Traume eröffnet worden. Pausan. Bœot. c. 28. p. 580. Die meisten halten sie für eine leichtsinnige Frauensperson, die einen großen Anhang von Räubern und dergleichen Gesindel um sich gehabt, womit sie den Reisenden und andern aufgepasset, und, da sie dieselben ertappet, elendiglich hingerichtet. Schol. Hesiod. ad Theog. v. 326. Ttetz. ad Lycophr. v. 7. Pausan. l. c. Banier Entret. XVI. ou P. II. p. 148. Dess. Erl der Götterl. V B. 55 S. Insonderheit aber wollen einige, daß der Namen Sphicha Gelegenheit zu der Fabel von ihr gegeben habe, indem man solchen mit αἰνιγματώδης übersetzet, da man ihn mit Βατώδης geben sollen, weil sie mit ihren Leuten sich hinter den Dornen und Hecken aufzuhalten gewohnt gewesen, und von daraus so wohl ihre Aufsucher, als andere, überfallen habe. Cleric. ad Hesiod. Theog. v. 226. [⇐2257]
[2258⇒] 6 §. Anderweitige Deutung. Einige deuten die Sphinx auf die Wissenschaften. Verulam. de Sap. Vet. c. 28. Andere wollen, daß sie die Monate Julius und August bey den Aegyptern vorgestellet, in welchen die Sonne in der Jungfer u. dem Löwen laufe, bey ihnen aber so dann der Nilus übergetreten. Bellonius ap. Casal. de Rit. Vet. Aegypt. c. 16. Man fand dergleichen viele in Aegypten; besonders war nicht weit von den Pyramiden eine, deren Kopf über hundert Fuß in die Runde hielt. Ihre Höhe vom Bauche an war zwey und sechzig und die Länge des Leibes hundert und drey und vierzig Fuß. Man hielt sie für das Grab des Amasis. Plin. H. N. l. XXXVI. c. 12. Noch jetzt sieht man den Kopf davon, das Uebrige aber ist mit Sande bedecket. Thevenot Voyages. P. I. c. 5. Wenn man dieses ihr Bild auch vor die Tempel gesetzet, so solle es bedeuten, daß Gott so wohl zu lieben, als zu fürchten sey. Casal. l. c. Gleichwohl hält man sie auch für nichts weiter, als für das Bild einer bösen Weibesperson, die von vorn besser erscheint, als man sie hinten nach findet. Damms Götterl. 282 §. Des Aeschylus Tragödie von ihr ist verloren gegangen. Fabric. Biblioth. Gr. l. II. c. 16. §. 7. [⇐2258]
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