Hexe [1]

[355] Hexe (lat. Striga), 1) in alter Zeit weissagende Frauen, die in Verbindung mit den Opfern, Volksversammlungen u. vermeintlich mit der Geisterwelt standen, daher sie zusammenkamen u. in Kesseln kochten, um dann aus dem Kessel zu weissagen; vgl. Deutsche Mythologie. Später 2) Weib, welches[355] vermeintlich kraft eines mit dem Teufel eingegangenen Bündnisses, das Vermögen erhalten. hatte, auf Menschen, Thiere od. auch leblose Gegenstände übernatürlich schädlich einzuwirken. Dieser Aberglaube bildete sich schon in dem frühern Christenthum u. wurde bes. durch die Heiligenlegenden, in denen dein Teufel das Vermögen der Erscheinung in leiblicher Gestalt u. bes. auch unzüchtiger Umgang mit Menschen eingeräumt wurde, begünstigt, bald allgemeiner Volksglaube. Schon im Sachsenspiegel ist der Scheiterhaufen als Strafe für Zauberer u. H-n aufgestellt. 1484 wurde vom Papst Innocenz VIII. den damals in Deutschland aufgestellten Inquisitores haereticae pravitatis aufgetragen, auch gegen Zauberer u. H-n zu verfahren. In dem von H. Krämer u. J. Sprenger verfaßten u. 1489 erschienenen Hexenhammer (Malleus maleficarum), wurde das Verfahren dargestellt, u. dies die Grundlage für unzählige seit jener Zeit instruirte Hexenprocesse, denen zu Folge in allen Ländern viele Menschen u. bes. Weiber hingerichtet wurden. Nach den damaligen Vorstellungen waren die H-n nicht nur im Stande, unter Beistand des Teufels zu wahrsagen, Mäuse u. Ungeziefer hervorzubringen, durch bloßes Anhauchen od. Berühren Menschen u. Vieh krank, Männer zeugungsunfähig, Weiber unfruchtbar zu machen, sondern auch Gewitter u. Hagelwetter zu erregen, sich in Katzen u. andere Thiere zu verwandeln etc. Wenn der Teufel die H-n besuchte, erschien er als stattlicher Jüngling mit Federn geschmückt; seinen Pferde od. Gänsefuß bemerkten die H-n erst später. Zuweilen kam er auch als Maus, Krähe, Fliege, Bock u. verwandelte sich dann in menschliche Gestalt. Bei dem Bündniß mit dem Teufel mußte die H. zuerst Gott entsagen, dann wurde sie vor Zeugen getauft, erhielt einen Namen u. an ihren Leib ein Zeichen (Stigma) eingedrückt, dessen Stelle nun unempfindlich war. Die H. war hierdurch gehalten, mit dem Teufel zu buhlen u. ihm in Allem gehorsam zu sein. Auch bei wiederholter Buhlerei empfing die H. von dem Teufel nur kleine Geldgeschenke, was er als glänzendes Gold gab, verwandelte sich dann bei Licht in Koth u. Mist. Darum blieben die H-n immer arm. Von Zeit zu Zeit hatten die H-n an besonderen Orten, bes. in Wäldern, Höhlen u. auf Bergen, mit dem Teufel Zusammenkünfte. In Deutschland ist es vornehmlich der Blocksberg (Brocken) u. der Heuberg in Württemberg, wo die H-n der Sage nach, weit her jährlich, bes. in der Walpurgisnacht, den 1. Mai, zusammenkamen. Zu der Fahrt nach dem Versammlungsort (Hexenfahrt), welche des Nachts geschah u. wozu sie ein Teufel abholte u. bestellte, bestrichen sie sich Füße u. Achseln mit einer, aus dem Fett noch ungetauft ermordeter Kinder bereiteten Salbe (Hexensalbe), setzten sich dann auf Stecken, Rechen, Besen, Spinnrocken, Kochlöffel od. Ofengabeln u. fuhren unter Hermurmeln einer Formel durch den Schornstein u. durch die Lüfte über Berg u. Thal. Wenn der Teufel sie abholte, so saß er vorn auf dem Reitzeug, od. er erschien auch als Bock, den die H. bestieg, od. sie fuhr auf einem Pferdegespann, das aus der Erde kam. Bei der Versammlung (in den Hexenprocessen Hexensabbath) erschien jede H. mit ihrem Buhlteufel, die vornehmern verlarvt u. vermummt; der oberste Teufel saß in Bocksgestalt mit menschlichem Angesicht auf einem hohen Stuhle od. steinernem Tisch in der Mitte des Kreises, die Huldigung wurde ihm durch Knieen, Fuß- od. Steißkuß dargebracht, u. wenn ihm eine der H-n bes. wohlgefiel, so wurde sie zur Hexenkönigin ernannt u. erhielt den Rang vor den andern. Zuerst wurde ein Gastmahl gehalten, gegessen wurde ohne Salz u. Brod, getrunken Wein aus Kuhklauen u. Pferdeköpfen. Über dem Essen wurden Unthaten erzählt (wer deren nicht genug gethan hatte, wurde vom Teufel geschlagen) u. neue vorbereitet Nach dem Mahl begann der Hexentanz, wobei sich die Tanzpaare nicht die Gesichter, sondern den Rücken zukehrten, u. der Spielmann, der statt der Geige einen Pferdekopf, statt der Pfeife einen Knittel od. Katzenschwanz hatte, auf einem Baume saß Nach dem Reigen schlugen sie einander mit Schwingen u. Mangelhölzern. Junge, noch unerfahrne H-n mußten während Gastmahl u. Tanz beiseits stehen u. mit weißen Stecken Kröten hüten. Das Fest endigte sich damit, daß sich der große Teufel zu Asche verbrannte, die dann als Mittel zum Beschädigen an die H-n vertheilt wurde. Die H-n eilten nun, vor dem Geläut zum Morgengebet wieder daheim zu sein; die Rückfahrt geschah wie die Hinfahrt. In dem Bett des Mannes hatte während der Abwesenheit der Frau ein Stab gelegen, den jener für die Frau angesehen u. deren Abwesenheit nicht gemerkt hatte. Alle diese Angaben u. Annahmen beruhen auf Geständnissen, welche der Hexerei Beschuldigte wirklich vor Gericht gethan haben; aber diese Geständnisse waren nicht freie Aussagen, sondern wurden den Verdächtigen u. Beschuldigten, meist ungebildeten Leuten, durch Fragen in den Mund gelegt od. durch die Folter abgepreßt, zu deren Anwendung eine bloße Anklage, od. irgend eine Ungewöhnlichkeit in dem Ansehen od. den Lebensverhältnissen (z.B. rothe, triefende Augen), bes. bei bejahrten Weibern, schon hinreichte. Als Beweis für die Hexerei diente u.a. die sogenannte Hexenprobe od. das Hexenbad, indem man die Bezüchtigten mit kreuzweise zusammengebundnen Daumen u. großen Fußzehen langsam in einen Fluß od. Teich legte u. sie für überwiesen erachtete, wenn sie dabei nicht ganz untersank. Wohl verleiteten phantastische Träume, durch den Genuß narcotischer Mittel, als vermeintliches Hexenpulver od. Hexentränke, erregt, einzelne Weiber zu dem Glauben, mit dem Teufel in Gemeinschaft getreten zu sein u. an teuflischen Zusammenkünften Antheil genommen zu haben, die dann auch wohl ungezwungen Aussagen dieser Art vor Gericht thaten. Das Verfahren bei Hexenprocessen war: wenn die Hexe das ihr Schuld Gegebene leugnete, so wurde sie gefoltert u. wenn sie bekannte, wurde sie sogleich verdammt u. verbrannt. Diese Processe verminderten sich, als in neuerer Zeit richtigere Ansichten von der Übermacht der satanischen Gewalt über die Menschen sich verbreiteten; zuerst trat 1563 Joseph Weier, dann Cornelius Losäus in Trier u. Friedrich von Spee gegen das Unwesen auf; Letzter schrieb 1631 seine Cautio criminalis u. obgleich er sich damit zu dieser Zeit vielen Gefahren aussetzte, so wurden doch die Hexenprocesse in Folge dieser Schrift unter Kurfürst Johann Philipp von Mainz eingestellt, doch hat erst Chr. Thomasius das Verdienst, Hexenprocesse aus den Gerichtshöfen allmählig ganz verdrängt zu haben, nachdem zugleich der Glaube an H-n von dem Niederländer Balthasar Bekker (s.d.) in seinen Grundfesten erschüttert worden war. 1670[356] wurden in Schweden 72 Frauen u. Kinder als H-n, 1627–29 in Würzburg 157 u. 1659 in Franken, bes. in den Bisthümern Würzburg u. Bamberg, 1000 H-n verbrannt. Außer Maria Renata (s.d.), welche noch 1749 in Würzburg, u. einem 13- u. einem 14jährigen Mädchen, die 1752 u. 1754 in Baiern (letzteres in Landshut), wegen Hexerei hingerichtet wurden, wurde 1750 in Quedlinburg u. 1782 in Glarus eine Hexe verbrannt, u. noch 1823 nahm man zu Delden in Holland an einer vermeinten H. die Wasserprobe vor. Vgl. Heuber, Bibliotheca, acta et scripta magica, Lemgo 1738–41, 3 Bde.; Horst, Dämonomagie, Frankf 1818, 2 Bde.; Ders., Zauberbibliothek, Mainz 1821–26, 6 Bde.; Ders., Deuteroskopie (Beitr. zu dem vor.), ebd. 1830, 2 Bde.; Walter Scott, Letters on demonology and witchcraft. Lond. 1830; Scheltema, Geschiedenis der Heksenprocessen, Harlem 1828; Cannaert, Bydragen tot het oude strafregt in Belgie, Brüssel 1829; Soldan, Geschichte der Hexenprocesse, Stuttg. 1843; Schindler, der Aberglaube des Mittelalters, Breskan 1858.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 8. Altenburg 1859, S. 355-357.
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