[59] Mediatisirte, deutsche reichsständische Familien, denen bei Bildung der neueren Staatenverhältnisse ihre frühere Reichsunmittelbarkeit, jedoch mit Reservation bestimmter ausgezeichneter Rechte, genommen wurde, u. welche mit ihrem Besitz an Land u. Leuten der Landeshoheit eines andern deutschen Landesherrn unterworfen worden sind Schon zur Zeit des Deutschen Reiches findet sich der Begriff der Mediatisirung (auch Exemtion genannt) in der Weise, daß man darunter die Fälle verstand, in denen ein größerer Reichsstand (Eximent) entweder in Folge Vertrags od. unter dem Schein anderen Rechtes einen kleineren Reichsstand seiner landesherrlichen Botmäßigkeit unterwarf u. denselben so aus der Matrikel des Reiches herausnahm. Man unterschied dabei Exemptiones cum onere u. E. sine onere, je nachdem der Eximent dabei die ordentlichen Reichslasten für den eximirten Stand (Mediatstand) übernommen hatte od. nicht. Alle solche Exemptionen betrachtete indessen das Reich als eine Verminderung seiner Mitglieder, u. der Westfälische Frieden schrieb deshalb vor, daß auf die Wiederherstellung dieser Stände baldigst Bedacht genommen werden sollte. Später aber betrachtete man das Bestehen einer so großen Anzahl kleinerer Reichsstände nur als ein Hemmniß der Entwickelung selbständiger Territorien u. brachte die Mediatisirung bei jeder passenden Gelegenheit, ungeachtet des Widerstrebens der betheiligten Stände u. ihrer Unterthanen, zur Anwendung. In größter Ausdehnung erfolgte die Mediatisirung bei der Gründung des Rheinbundes im Jahre 1806, indem den 16 deutschen Reichsständen, welche sich zunächst zur Bildung desselben verbanden, die Autorisation zur Besitzergreifung der zwischen ihren Gebieten liegenden od. enclavirten Besitzungen von Reichsständen, u. zwar von 72 Fürsten u. Grafen, der gesammten reichsunmittelbaren [59] Reichsritterschaft, der geistlichen Orden, sowie zweier von den seit dem Reichsdeputationshauptschluß von 1803 allein noch übrig gebliebenen 6 Freien Städte (Nürnberg u. Augsburg) ertheilt wurde. Hierdurch erhielten namentlich Baiern, Württemberg, Baden u. Hessen-Darmstadt bedeutende Erweiterungen ihrer Gebiete; den Mediatisirten wurde eine bevorzugte privatrechtliche u. persönliche Stellung zugesichert, namentlich wurden ihnen ihre Domänen, alle Herren- u. Feudalrechte, die niedere u. mittlere Gerichtsbarkeit, überhaupt alle Befugnisse, welche nicht wesentlich mit der Souveränetät zusammenhingen, ferner das Recht, in Criminalsachen durch ein Judicium parium gerichtet zu werden, das Recht, ihren Wohnsitz in allen Rheinbundsstaaten nehmen zu können, u. die Freiheit von Capital- od. Rentensteuern zugesichert. Nach den Freiheitskriegen versuchten die M-n vergeblich, die ihnen entzogene Landeshoheit wieder zu erlangen. Von den Gründern des Deutschen Bundes wurde diese Herstellung als eine politische Unmöglichkeit betrachtet; im Gegentheil traten einige neue Mediatisirungen (Leyen, Salm-Salm, Salm-Kyrburg, Isenburg-Birstein) ein. Dagegen wurden den M-n von Bundes wegen die Vorrechte garantirt, welche mit den gegenwärtigen Verhältnissen als vereinbar erschienen u. die staats- u. privatrechtlichen Verhältnisse der M-n durch den Artikel 14 der Deutschen Bundesacte, zu welchem Artikel 63 der Wiener Schlußacte noch einen Nachtrag brachte, geregelt. Hierüber sind in den einzelnen Bundesstaaten theils allgemeine Gesetze, theils besondere Vereinbarungen mit den einzelnen Häusern erschienen, in denen die Stellung der M-n noch näher bestimmt wurde. Die wichtigsten dieser Gesetze u. Vereinbarungen sind für Preußen das Edict vom 21. Juni 1815, Instruction vom 30. Mai 1820 u. eine Declaration vom 14. Juli 1829; für Baiern neben einer Declaration, die Souveränetäts- u. Subjectionsverhandlung in den subordinirten Ländern betreffend, vom 19. März 1807, welches für die weitere Erklärung des Art. 14 der Deutschen Bundesacte als subsidiäre Norm erklärt wurde, das neuere Edict vom 26. Mai 1818; für Hannover die Verordnungen in Betreff des fürstlichen Hauses Bentheim vom 18 April 1823, des Herzogs von Aremberg vom 9. Mai 1826, des Herzogs von Looz-Cooswaaren vom 17. Septbr. 1826; für Baden eine Verordnung vom 23. April 1818 u. ein Edict vom 16. April 1819; für das. Kurfürstenthum Hessen die Verordnung vom 1. Mai 1818; für das Großherzogthum Hessen das Edict vom 17. Febr. 1820. Die M-n sollen nach der Bundesacte in allen deutschen Staaten die privilegirteste Klasse der Unterthanen bilden. Obwohl sie daher die allgemeinen Rechte u. Pflichten der Unterthanen haben, insbesondere hinsichtlich ihrer Personen, Familien u. Besitzungen der Landesgesetzgebung u. der richterlichen Gewalt des Staates unterworfen sind, so müssen ihnen doch alle Rechte eingeräumt werden, welche sonst einer privilegirten Klasse im Staate zukommen, im Weigerungsfalle od. bei Beeinträchtigungen würde ihnen ein Recurs an die Bundesversammlung zustehen. Die einzelnen Vorrechte sind theils persönliche, theils solche, welche durch den Besitz einer Standesherrschaft bedingt sind. Zu ersteren gehören namentlich der hohe Adel u. das Recht der Ebenbürtigkeit mit den souveränen Familien, das Recht der Autonomie in Betreff ihrer Güter u. Familienverhältnisse, der Befreiung von aller Militärpflichtigkeit, das Recht eines privilegirten Gerichtsstandes vor den höheren Landesgerichten u. das Recht der unbeschränkten Freiheit, ihren Aufenthalt in jedem Bundesstaate od. einem der mit dem Bunde in Frieden lebenden Staaten zu wählen; zu den Rechten der letzteren Art das Recht eigener Gerichtsbarkeit in erster u., wo die Besitzung groß genug ist, auch in zweiter Instanz, das Recht der Ortspolizei, Aufsicht über Kirchen u. Schulen etc. Außerdem ist nach den Landesgesetzen den Häuptern der standesherrlichen Familien überall ein Sitz in der ersten Kammer der Landstände eingeräumt worden. Hinsichtlich der Ehrenprädicate wurde durch zwei Bundesbeschlüsse vom 18. Aug. 1825 u. 13. Febr. 1829 festgesetzt, daß den Häuptern der fürstlichen Familien das Prädicat Durchlaucht, den Häuptern der vormals reichsständischen gräflichen Familien das Prädicat Erlaucht ertheilt werden solle. Im Übrigen können jedoch alle diese Rechte, mindestens soweit sie auf bundesgesetzlichen Anordnungen beruhen, nur von denjenigen ehemaligen Reichsständen u. Reichsangehörigen in Anspruch genommen werden, welche im Jahre 1806 u. seitdem mittelbar geworden sind, od. denen durch besondere Bundesbeschlüsse nachträglich dieselben Rechte zugestanden wurden (wie dies z.B. hinsichtlich der Fürsten, Grafen u. Herren von Schönburg, der Grafen von Pappenheim, von Bentinck, von Schliz genannt Görz, von Platen-Hallermund, von Neipperg der Fall ist), nicht auch von denjenigen Standesherren, denen erst später durch einzelne deutsche Souveräne wegen ihres ausgedehnten Besitzes fürstliche Würden u. Titel beigelegt worden sind. Vielfach kam die Stellung der M-n im Jahre 1848 in Frage u. die damaligen Nivellirungsbestrebungen dehnten die allgemeinen Gesetze über Organisation der Gerichtsbarkeit, Polizei, Wahlrechte, Ablösungen von Grundberechtigungen etc auch auf die M-n aus. In Folge hiervon wurden vielfache Reclamationen der M-n bei den Regierungen u. Beschwerden beim Bunde erhoben, welche dazu führten, daß die M-n fast überall, soweit dies möglich war, wieder in ihre Rechte eingesetzt wurden. Freiwillig unterwarfen sich in Folge Vertrags mit der Krone Preußen vom 7. Decbr. 1849 einer Mediatisirung die beiden fürstlichen Häuser Hohenzollern-Hechingen u. Hohenzollern-Sigmaringen (s.d.). Vgl. v. Sensburg, Entwurf für eine umfassende u. gleichheitliche Bestimmung der standes- u. grundherrlichen Rechtsverhältnisse, Karlsr. 1821; Archiv für Standes- u. grundherrliche Rechte u. Verhältnisse, Heilbr. 1821 f., 2 Bde.; Vollgraff, Die deutschen Standesherrn, Gieß. 1823; v. Dresch, Von den Rechtsverhandlungen der Standesherren in dessen Abhandlung, Münch. 1830; Köhler, Die staatsrechtlichen Verhältnisse des mittelbar gewordenen, vormals reichsständischen Adels in Deutschland, Sulzb. 1844; Vahlkampf, Die deutschen Standesherren, Jena 1844.