Sparkassen

[499] Sparkassen (engl. Savingbanks), Anstalten, welche dazu bestimmt sind, unter genügender Garantie der Sicherheit, kleinere Ersparnisse von Privatleuten anzunehmen u. durch Verzinsung auch kleinerer Posten die Ansammlung eines Nothpfennigs zu erleichtern. Die S. bilden eine der wohlthätigsten Einrichtungen der Neuzeit; sie scheinen zuerst in England entstanden zu sein, verbreiteten sich aber schon seit Ende des 18. Jahrhunderts über Deutschland u. alle andern civilisirten Länder. Die erste bekannte Anstalt dieser Art in Deutschland war die 9. Klasse der Versorgungsanstalt zu Hamburg vom Jahre 1778, welche indessen keine Summen unter 15 Mark (6 Thlr.) annahm. Im Jahre 1786 folgte das Herzogthum Oldenburg mit Gründung einer Ersparungskasse nach, 1798 die Zinskasse in Kiel. In der letzteren Stadt hielten die Gründer ihr Kapital von vornherein für verloren u. gaben daher den Antheil scheinen den Namen von Verlustactien; allein diese Voraussetzung traf später so wenig ein, daß im Gegentheil zu Anfang der vierziger Jahre des 19. Jahrhunderts die Kasse ein eigenes Kapital von mehr als 80,000 Thlrn. besaß. Im Jahre 1801 erhielten Altona u. Göttingen gleiche Institute. Vom Auslande schloß sich dann zuerst die Schweiz an; in Bern entstand die Zinskasse für Dienstboten bereits 1787, in Basel 1792 (doch nahm letztere Anfangs keine Einlagen unter 60 Franken, 24 Thlr., an), in Zürich 1805, in Aarau 1811. Die englischen S. brachten hierauf seit Anfang des 19. Jahrhunderts in sofern für die Ausdehnung des Sparkassenwesens einen bedeutenden Fortschritt, als sie immer mehr darauf berechnet wurden die Einlagen auch in den kleinsten Beträgen zu gestatten. Ein bemerkenswerther Versuch wurde in dieser Hinsicht zunächst 1804 in Tottenham gemacht, indem eine wohlhabende Wittwe, Priscilla Wakefield, der dortigen Kasse die Füglichkeit verschaffte der ärmeren Klasse kleine Einlagen schon von 1 Schilling an mit 5 Procent zu verzinsen. Ähnlich wurde 1808 eine Anstalt zu Bath eingerichtet; den meisten Einfluß erlangte aber eine S. zu Ruthwell, welche 1810 auf Anregung Wilberforce's (s.d.) durch den Pfarrer Duncan daselbst organisirt wurde u. das Muster für alle später gegründeten Anstalten dieser Art geworden ist. Man fing an Beträge schon von 1 Penny an anzunehmen; die Sicherheit der Anlage wurde dadurch wesentlich gefördert, daß das Parlament am 12. Juli 1817 den Beschluß faßte, daß Allen, welche ihr Geld in den vorschriftsmäßig errichteten S. anlegen würden, die Verzinsung ihrer Capitalien durch die[499] Londoner Bank garantirt werden solle, sofern die Einlage des Einzelnen im ersten Jahre nicht 100 Psd. St., in den folgenden nicht 50 Pfd. überschreiten würde. Am Ende des Jahres 1817 bestanden bereits 101 S. in England, welche demnach unmittelbare Conti in der Londoner Bank hatten, u. viele dieser größeren S. besorgten überdem zugleich wieder die Geschäfte vieler kleineren. Noch rascher verbreiteten sich die S. in Schottland; als Musteranstalt galt daselbst die S. zu Edinburg. In Nordamerika wurde die erste S. 1817 in Boston errichtet. In Frankreich gaben 1818 mehre Pariser Bankiers den Anstoß zu einer solchen, jedoch stieß man dabei auf Schwierigkeiten, indem die Regierung daraus eine Beeinträchtigung der Lotterieeinnahmen fürchtete, so daß bis 1830 Frankreich erst 10 S. zählte. Mit der Julirevolution erhielten dieselben indessen auch hier größere Verbreitung. Italien erhielt die erste S. 1824 in Mailand mit Filialen in Bergamo u. Brescia; 1835 folgten die S. zu Venedig u. Verona, 1836 zu Rom, 1837 zu Lucca. In Ungarn gründete Presburg 1842 eine S. In Deutschland nahm das Sparkassenwesen einen neuen Aufschwung seit 1818 durch die Gründung der nach englischem Muster eingerichteten S. zu Berlin, Stuttgart u. Karlsruhe. Durch die günstigen Erfolge angeregt, welche man dadurch erzielte, daß die eingelegten Gelder in der Regel mit 1–11/2 Procent niedriger verzinst wurden, als es gelang die Gelder dann wieder anderweit auszuleihen, verbreiteten sich die S. bald über alle größeren Städte, u. gegenwärtig gibt es in Deutschland wohl kaum eine Stadt von auch nur mittlerem Umfange, welche nicht ihre S. hätte. In Preußen kam Ende 1859 schon auf 11 QM. od. 38,257 Ew. eine S., im Königreich Sachsen schon auf 2,5 QM. od. 19,400 Ew., im Herzogthum Sachsen-Altenburg sogar schon auf 2,4 QM. od. 13,700 Einw., dagegen in England zu gleicher Zeit erst auf 44,300 Ew., in Frankreich aber erst auf 87,000 Ew. eine solche Anstalt. Dabei ist indessen für England zu bemerken, daß hierunter nur die eigentlichen S., nicht auch die Penny-Banks begriffen sind, welche ihrer Bestimmung u. Einrichtung nach doch auch nur S. sind u. sich von den eigentlichen S. (Savingsbanks) nur dadurch unterscheiden, daß sie blos Couten von 5 Pf. St. enthalten, sobald aber ein Conto diesen Betrag erhalten hat, das Guthaben an eine S. abgeben.

Bei der Einrichtung der S. tritt zunächst der Unterschied entgegen, daß dieselben entweder von einem sicher begründeten Privatverein od. von einer öffentlichen Behörde, Stadtgemeinde od. auch vom Staate ausgehen. In Deutschland haben sich meist die städtischen Communen der Errichtung solcher Kassen angenommen, doch gibt es auch S. genug, welche nur von Privatvereinen (z.B. in Aachen, Altenburg) geleitet u. garantirt sind od. für ganze Bezirke als staatliche Institute bestehen. Jedenfalls gebührt dem Staate eine Oberaufsicht, welche sich bes. auf sichere Anlegung der eingehenden Gelder u. Ordnung u. Regelmäßigkeit im Geschäftsbetriebe zu erstrecken hat. Zum Theil sind allgemeine Vorschriften für die S. des ganzen Landes gesetzlich aufgestellt, wie in Preußen durch Reglement vom 12. Decbr. 1838, ergänzt durch die. Cabinetsordre vom 26. Juli 1846 u. Ministerialerlaß vom 12. Decbr. 1850. Zu größerem Rechtsschutze sind ihnen meist die Rechte milder Stiftungen verliehen. Sehr zweckmäßig ist es, wenn die S. sich einen offenen Credit bei einer großen Kasse od. einem Geldinstitut zu verschaffen weiß, um die Rückzahlungen stets durch Baarzahlungen gewähren zu können, bis die Kasse selbst durch Zinsüberschüsse od. wohlthätige Beiträge einen eigenthümlichen Fonds besitzt, welcher hinreicht, um die Forderungen jederzeit zu realisiren. Um den Sparsinn möglichst rege zu halten u. möglichst Vielen die Gelegenheit zum Sparen zu geben, muß die S. so oft als möglich geöffnet sein, wenn thunlich, auch am Sonntage. Die Einlagen müssen auch in den kleinsten Beträgen geschehen dürfen, u. je niedriger das Minimum in dieser Beziehung gestellt ist, um so mehr wird die S. ihrem Zwecke entsprechen. Die Minimalsätze schwanken nach den verschiedenen Kassen zwischen 5 Thlr., 5 Fl., 1 Thlr. bis zu 5 u. 21/2 Ngr. od. 15 u. 12 Kreuzer herab. Andererseits muß aber auch ein Maximum der Einlagen (50 Fl. in Stuttgart, bis 1200 Thlr. in Hirschberg) festgesetzt sein, damit nicht den S. die Capitalien reicher Leute, für welche sie nichtbestimmt sind, zufließen. Zinsen sind schon von geringen Einlagen zu gewähren u. dabei der Zinsfuß so hoch zu stellen, als dies mit dem, durch den Überschuß der wieder zu höherem Zinsfuß auszuleihenden angesammelten Capitalien zu deckenden Verwaltungsaufwand irgend verträglich ist. In vielen Kassen beginnt die Verzinsung schon mit 1 Fl. od. 1 Thlr. Gut ist, wenn für solche Fälle, in denen sich eine Mehrung der Sparlust zeigt, od. für die Klassen, bei denen das Sparen bes. zu wünschen ist, noch besondere Begünstigungen gewährt werden. Dies kann theils so geschehen, daß z.B. für größere Summen, od. für solche Summen, welche längere Zeit stehen gelassen werden, od. bei der Zuschlagung der Zinsen zum Capital, bei regelmäßig wiederkehrenden Einlagen, od. wenn die Einleger dem Fabrikarbeiterstande angehören, od. sich in einem jugendlichen Alter befinden, höhere Zinsen als den andern Einlegern bewilligt werden. So zahlt z.B. die S. in Aachen für gewöhnlich nur 31/3 Procent, an Handwerker aber bis zu 200 Thlr. 5 Procent u. für die ersten 20 Thlr. des Guthabens eine Prämie von 15 Procent. Der Zinsfuß schwankt bei den einzelnen S. von 3–5 Procent; doch können letztere nur da gewährt werden, wo die S. durch Beiträge wohlthätiger Anstalten od. sonst unterstützt werden. Die Zinsenberechnung muß auf möglichst kurze Termine, etwa volle Monate, gestattet sein. Die Zinsen werden am Verfallstage ausgezahlt od. zugeschrieben; das Letztere geschieht bei manchen S. stets. Die Rückzahlung des Guthabens selbst darf ebenfalls nicht an zu lästige Bedingungen geknüpft sein, da der kleine Arbeiter nur zu leicht in die Lage versetzt wird schnell seine Ersparnisse zu brauchen. Die Unterbringung der eingelegten Ersparnisse in größeren Posten muß mit aller Vorsicht geschehen, entweder auf Hypothek od. durch Ankauf leicht realisirbarer, nicht zu sehr Schwankungen des Curses ausgesetzter Staatspapiere. In England u. Irland muß alles in den S. eingelegte Gelb an die Banken von England u. Irland gezahlt werden, welche sodann die eingehenden Summen in Schatzkammerscheinen u. anderen zinstragenden Staatspapieren anzulegen haben. In Frankreich wurde nach dem Gesetz vom 5. Juli 1635 die Staatskasse zugleich für die Verwaltungskasse der S. erklärt. Ein Gesetz vom 31. März. 1837 änderte dies dahin ab, daß[500] die Einlagen an die Depositen- u. Consignationskasse abgeliefert werden, welche sie aber dann meist auch bei der Staatskasse od. in Staatspapieren anlegt. In mehren deutschen Handelsstädten ist mit den S. zugleich eine Discontobank für gute Wechsel verbunden, was zwar den Ertrag erhöht, indessen leicht auch die Sicherheit, welche gegenüber den kleinen Sparern doppelt nöthig zu wahren ist, vermindert. Jeder Einleger erhält ein Buch (Sparkassenbuch), in welches die Einlagen, die davon gutgeschriebenen Zinsen, die Abzahlungen etc. eingetragen werden. Der Überschuß, welchen die S. durch die Einnahme der höheren Zinsen von den wieder ausgeliehenen Capitalien macht, ist in erster Linie zur Ansammlung eines genügenden Reservefonds für Fälle, wo wegen Nahrungsnoth etc. schnell viele Einleger ihre Einlagen zurückfordern, zu verwenden. In zweiter Linie sollte er, da der Gewinn nur durch die Gelder ärmerer Personen gemacht wird, überall zu gemeinnützigen Zwecken, Unterstützungen, Gewährung von Prämien an bes. rege Sparer etc. verwendet werden. Im Übrigen bieten die S. noch dadurch eine nicht gering anzuschlagende volkswirthschaftliche Seite dar, als sie als ein wesentliches Mittel erscheinen, um die Circulation des Geldes zu befördern, den kleinen Summen einen Sammelpunkt zu bieten u. diese sofort wieder als Capitale in den Verkehr zu bringen. Diese Bedeutung läßt sich erkennen, wenn man die Summen übersieht, welche durch die S. in einem Lande zusammengebracht werden. So betrug in Frankreich die Gesammtsumme der bei den S. eingezahlten Gelder am 1. Januar 1855 271,681,908 Fr.; in England wurde 1853 der Betrag der Einlagen auf 225,678,990 Thlr., in Preußen auf 26,378,500 Thlr., in der Schweiz auf 16,830,141 Thlr., in Belgien auf 5,440,744 Thlr., in Hannover auf 3,153,987 Thlr., in Sachsen auf 14,228,671 Thlr., in Mecklenburg-Schwerin auf 4,393,031 Thlr., in Bremen auf 2,741,068 Thlr., in Hamburg auf 2,643,718 Thlr., in Oldenburg auf 616,507 Thlr. berechnet. Im Jahre 1859 gab es im Königreich Sachsen, welches unter den deutschen Ländern im Sparkassenwesen die erste Stelle einnimmt, 110 S, deren Gesammtvermögen sich auf 16,848,411 Thlr. belief. Das Guthaben der Einlagen, welches 15,408,221 Thlr. betrug, war in 258,467 Conten vertheilt, von denen 107,687 unter 20 Thlrn., 59,349 von 20–50 Thlrn., 42,081 von 50–100 Thlrn, 33,684 von 100–200 Thlrn. u. 15,666 über 200 Thlr. umfaßten. Die in die S. eingelegten Capitalien waren, mit 11,975,505 Thlrn. in Hypotheken, mit 2,703,220 Thlrn. in Staats- od. sonstigen Creditpapieren, mit 1,504,687 Thlrn gegen Pfand od. Bürgschaft angelegt; an unverzinslichen Außenständen u. restirenden Zinsen kamen außerdem 189,595 Thlr. u. an baarem Kassenbestand 475,402 Thlr. hinzu. Die neuen Einzahlungen während des Jahres 1859 beliefen sich auf 215,474 mit 5,144,433 Thlrn., die Rückzahlungen auf 132,504 mit 4,850,828 Thlrn. An Zinsen wurden den Einlegern ausgezahlt 79,216 Thlr., gutgeschrieben 428,555 Thlr. Vgl. Richardson, Annalen der S. (deutsch von Krause, 1821); Ducpetiaux, Des caisses d'épargues, Brüssel 1834; Titt-Pratt, History of Saving-Banks, Lond. 1833; Herrmann, Über S., München 1635; Malchus, Die S. in Europa, Heidelb. 1836; Decandolle, Les caisses d'épargues de la Suisse, 1838; außerdem die statistischen Notizen in Neue Zeitschrift des königlich preußischen statistischen Bureaus Nr. 4 (1859); Zeitschrift des statistischen Bureaus des königlich sächsischen Ministeriums, 6. Jahrg. (1860).

Verschieden von den S. sind die Sparvereine (Spargesellschaften). Sie bilden S. zu einem bestimmten Zweck, um zur Bestreitung einer einzelnen größeren Ausgabe, welche mit Gewißheit eintreten wird, das erforderliche Capital in Zeiten anzusammeln. Dies kann entweder geschehen durch die frühe Einzahlung einer kleinen Summe, welche durch die Zuschlagung der Zinsen u. Zinseszinsen allmälig die erforderliche Höhe erreicht, od. durch die regelmäßige Zahlung wiederkehrender Beiträge. Die in das Auge gefaßten Fälle sind gewöhnlich: Krankheiten, Begräbnisse, Ausstattungen von Töchtern, Studienkosten von Söhnen. Die Mehrzahl dieser Kassen kann auch auf aleatorische Weise eingerichtet werden, so daß das Capital der vor Eintritt des bestimmten Falles sterbenden Mitglieder nicht deren Erben ausgezahlt wird, sondern den überlebenden Gesellschaftsmitgliedern zunächst, vermöge einer Art Tontine (s.d.). In neuerer Zeit hat man die S. auch zur Beschaffung der unentbehrlichen Lebensbedürfnisse für den Winter eingerichtet, bes. ist dies in Berlin durch Liedtke (s.d.) geschehen. Die Mitglieder zahlen allwöchentlich in den Jahreszeiten, wo die meiste Arbeit u. der beste Verdienst ist, so viel an baarem Gelde an den Kassirer des Sparvereins, als sie entbehren können. Für die Gesammteinlagen werden dann durch die Vorsteher des Vereines die nothwendigen Lebensbedürfnisse an Holz, Kohlen, Mehl, Kartoffeln etc. in größeren Quantitäten, u. deshalb natürlich billiger, eingekauft, u. jeder Einleger kann dann so viel davon beziehen, als sein Guthaben beträgt, jedoch auch das eingezahlte Geld selbst zurückfordern. Die Sparvereine dienen so nicht blos der Beförderung der Sparsamkeit, sondern auch zugleich dem Zwecke den Mitgliedern die Lebensbedürfnisse möglichst billig zu verschaffen. Zinsen können bei dieser letzteren Art von Sparvereinen bei der Kürze der Zeit meist nicht bezahlt werden. Derartige Sparvereine bestehen in Berlin fast in allen Districten. Im Jahr 1848 zählte der Liedtke'sche Sparverein daselbst allein 1019 Mitglieder, welche 6547 Thlr. ersparten, dafür wurden 591 Klaftern Holz, 437 Klaftern Torf u. 581 Scheffel Kartoffeln angekauft, 568 Thlr. aber baar zurückgezahlt. In Hannover entstand ein solcher Sparverein 1847 mit 250 Mitgliedern, ebenso in Leipzig, Dresden, Heidelberg, Halle u. and. O. Selbst auf Dörfern haben sich solche Sparvereine mit großem Nutzen ausgedehnt.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 16. Altenburg 1863, S. 499-501.
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