Fluss

1. Alle Flüsse laufen ins Meer.Simrock, 2574; Körte, 1460.

Frz.: Les rivières retournent à la mer. (Leroux, I, 52.)

Holl.: Alle rivieren lopen in die see. (Tunn., 3, 1.)

Lat.: Ad mare declivus omnis currit cito rivus. (Fallersleben, 51.)


2. Auch der grösste Fluss muss dem Meer sein Wasser geben.

It.: Ogni gran fiume porta tributo al mare. (Pazzaglia, 136, 6.)


3. Auf kleinen Flüssen schifft man am sichersten.


4. Baue auf keinen gefrorenen Fluss und traue keinem Judaskuss.Parömiakon, 363.


5. Der Fluss artet nach der Quelle.Parömiakon, 3101.


6. Der Fluss aus dem rechten Arm bringet manchen jungen (starken) Mann vmb sein Leben.Mathesy, 213b.

Folgen des Trunks; daher, weil man mit der rechten Hand das Glas zu halten pflegt.

7. Der Fluss trägt nicht immer Aexte. (Altgr.)

Was einmal geschieht, gelingt oder geschieht nicht immer. Von der Fabel des Aesop, nach welcher einem Zimmermanne seine Axt in den Fluss gefallen war und er durch die Gunst Mercur's eine goldene herauszog, was ein Geizhals nachmachen wollte, um auch für eine alte eiserne eine neue goldene Axt zu erhalten.


8. Der grösste Fluss muss seine Schatzung dem Meer geben.Winckler, XX, 49.


9. Der kleine Fluss kommt eher zum Meer als der grosse.


10. Die flüss befeuchten nur das weit von dann. Franck, I, 1b; Gruter, I, 20; Lehmann, 907, 5.

Ihre befruchtenden Wirkungen treten erst entfernt von der Quelle hervor.

Lat.: Fluvius quae procul absunt irrigat. (Franck, I, 1b.)


11. Die Flüsse befeuchten das Land ihres Ursprungs nicht.Sutor, 613.


12. Die Flüsse fressen mehr Schiffe als das Meer.


13. Die Flüsse schimmern, wenn die Sonne darauf scheint.


14. Die Flüsse schwellen nicht an vom klaren Wasser.Winckler, XVIII, 27.

Grosser Reichthum ist nur selten das ausschliessliche Product redlichen Erwerbs.

It.: I fiumi non ingrossano d'acqua chiara. (Pazzaglia, 136, 2; Bohn I, 102.)


15. Die kleinen Flüsse gehen in die grossen.

Holl.: Alle cleine beken lopen in die grote. (Tunn., 3, 22.)

Lat.: Undique per montes currunt in flumina fontes. (Fallersleben, 50.)


16. Durch einen unbekannten Fluss muss man zuletzt1 waten.Winckler, XVII, 15.

1) D.h. als der letzte in der Reihe, um zu sehen, ob die ersten Grund behalten.


17. Ein ausgetretener Fluss ist ein Vortheil für die Fischer.


18. Ein Fluss, der sich in zu viel Arme spaltet, versiegt.


[1083] 19. Ein Fluss, der sich theilt, wird zum Bach.


20. Ein Fluss ohne Fisch', eine Stube ohne Tisch, ein Baum ohne Frucht, eine Jungfrau ohne Zucht, eine Festung ohne Geschütz und ein Mensch ohne Witz, diese Dinge sind zu schätzen geringe.Parömiakon, 2728.


21. Ein rinnender Fluss lässt sich schwer aufhalten.Parömiakon, 2210.


22. Ein ruhiger Fluss hat blühende (fruchtbare) Ufer.


23. Es gehen nicht alle Flüsse gerad' ins Meer.

Manche ergiessen sich auf Wegen in den Ocean, die lange unerforschlich bleiben. Mit der Handlungsweise grosser Köpfe geschieht oft ein Aehnliches.


24. Es ist besser in einem grossen Flusse sterben, als in einem kleinen Graben.

Die Neger in Surinam sagen: Besser auf grosser Plantage schwitzen, als auf einer kleinen sitzen. (Wullschlägel.)


25. Es ist kein Fluss so gross, dass nicht ein trüber Bach mit einfliesse.Winckler, XII, 21.


26. Flüss, husten, zittern, schwindel, kretz, das sind des alters gewisse schätz.Henisch, 1167; Petri, II, 312.


27. Flüsse wässern erst fern vom Quell.Körte, 1459.


28. Geht's über grossen (angeschwollenen) Fluss, so drängt sich niemand vor.

It.: A gran ruscello passate l'ultimo. (Bohn I, 68.)


29. Grosse Flüsse, grosse Fische, grosse Städte, grosse Diebe.

Port.: De grande rio, grande peixe. (Bohn I, 274.)


30. Grosse Flüsse, grosse Wege und grosse Herren sind schlechte Nachbarn, sie nehmen immer etwas mit fort.

Frz.: De grand seigneur, grand fleuve et grand chemin fuis, si tu peux, d'être voisin. (Cahier, 1617.)

It.: Vicino al fiume non comprar vigna nè casa. (Pazzaglia, 136, 4.)


31. Grosse Flüsse haben selten klares Wasser, grosser Reichthum selten ein gutes Gewissen.


32. Grosse Flüsse laufen friedlich.


33. Grosse Flüsse quellen leise aus den Bergen.


34. Grosse Flüsse wässern weit und breit.Eiselein, 177.

Lat.: Fluvius, quae longe dissita sunt, irrigat, quae proxima sunt praeterit. (Eiselein, 177.)


35. Ich bin sehr den Flüssen unterworfen und soll die Nacht unter freiem Himmel bleiben, sagte der Dieb, den man zum Galgen führte, da bat er um eine Prise Taback.


36. Ich bin kein Fluss, der nicht zurückkommen kann. (Span.)

Der Mensch kann ja, wenn er irrt, seine Ansichten ändern.


37. Im trüben Flusse macht der Fischer gute Beute.


38. In einem Flusse mit Triebsand muss man nicht baden.


39. In Flüssen ohne Fische wirft man keine Netze aus.Winckler, XX, 53.


40. In grossen Flüssen ertrinkt man leicht.Eiselein, 177.

Lat.: In magnis fluminibus facile submergitur. (Eiselein, 177.)


41. In grossen Flüssen fängt man grosse Fische.

Grosse Herren können einen armen Gesellen wol reich machen, sagt Luther.


42. In solchen Flüssen fängt man solche Fische.

Holl.: In zulken riviere vanct men zulke visschen. (Tunn., 16, 3; Harrebomée, II, 380.)

Lat.: In tali tales capiuntur flumine pisces. (Fallersleben, 437.)


43. Nicht jeder Fluss spült Goldsand aus.


44. Tiefe Flüsse gehen langsam.


45. Ueber krumme Flüsse gehen gerade Stege (Brücken).


46. Von grossen Flüssen sind die Quellen schiffbar.Eiselein, 177.

Eine geringe Anstrengung des Mächtigen vermag mehr als die ganze Kraft des Armen, Schwachen.

Lat.: Magnorum fluminum navigabiles fontes. (Eiselein, 177.)


47. Wenn der Fluss austritt, ist's nicht an der Seite, wo er eine Bergwand zum Ufer hat.


[1084] 48. Wenn der Fluss über die Ufer gegangen, sind die Fische leicht zu fangen.


49. Wenn der Fluss überschritten, ist der Heilige vergessen.Winckler, X, 60.

It.: Passato il fiume, è scordato il santo. (Bohn I, 118.)


50. Wenn die Flüsse auch voll Honig und Milch wären, die Armen würden doch nicht schöpfen dürfen. (Moskau.) – Altmann V.

Man würde Dämme und Schleusen bauen und jeden Zugang hoch besteuern.


51. Wenn ein Fluss vertrocknet (ausbleibt), fängt ein anderer an zu fliessen. (Altgr.)

Die Griechen gebrauchten dies Sprichwort, wenn nach Beseitigung eines Uebels sogleich ein anderes einbrach; es lässt sich aber offenbar ebenso gut für Segnungen, Hülfsmittel u.s.w. anwenden.


52. Wenn hat der Fluss genug Halme (Reiser) gehabt! (Lit.)

D.h. er ist mit Reisern, Halmen u.s.w. nicht auszufüllen.


53. Wenn's geht über den Fluss, der Diener voran muss.

Frz.: A passage et à rivière laquais devant, maître derrière. (Cahier, 514.) – Valet devant, maître derrière, en pont, en planche, en rivière. (Bohn I, 63.)


54. Wer dem Fluss nachgeht, kommt bis ans Meer.

Engl.: Follow the river, and you'll get to the sea. (Bohn II, 94.)

Frz.: Suivez la rivière et vous gagnerez la mer. (Bohn I, 57.)


55. Wer dem Fluss wehren will, der muss den Brunnquell verstopfen.Lehmann, 19, 53.

Lat.: Culpa fontis est, si unda turbida. (Blinder II, 636; Lehmann, 19, 53.)


56. Wer durch den Fluss gewatet, weiss, wie tief er ist.Winckler, XIII, 72.


57. Wer einen Fluss durchwatet, der zeigt dem andern die Strasse.Kirchhofer, 141.


58. Wie der Fluss, so die Brücke.Winckler, XIII, 17.


59. Wie Fluss, so Schiff.Winckler, XVII, 94.


60. Wo der Fluss am engsten ist, macht er das meiste Geräusch.Scheidemünze, II, 234.


61. Wo der Fluss am tiefsten ist, ist er am stillsten (oder: macht er das wenigste Geräusch). Körte, 1461.

Holl.: Daar de rivier diepst is, maakt ze minst gerucht. (Harrebomée, II, 231.)

It.: Dove il fiume è più fondo fa minor strepito. (Pazzaglia, 136, 5.)


62. Wo die Flüsse entspringen, geben sie das wenigste Wasser (oder: bewässern sie keine Wiesen, treiben sie keine Mühlen).

Lat.: Fluvius, quae procul absunt, irrigat. (Erasm., 9.)


63. Wo die Flüsse leise gehen, da ist das Wasser tief.


64. Zu grossen Flüssen laufen die kleinen ein. Winckler, XX, 48.


*65. An eim fluss ein prunnen graben.Franck, I, 3a.


*66. Dat sind Flöte (Flüsse), die möten êren Willen hebben.Richey, 60.

Das muss man geschehen lassen, weil man es nicht ändern kann.


*67. Der Fluss ist gut, es ist nur kein Wasser drin.

Frz.: Cela ne manque pas plus que l'eau en la rivière. (Leroux, I, 42.)


*68. Der Fluss ist wol seicht, aber seine Ufer sind hoch (steil).


*69. Der Fluss streitet mit dem Meere.

Wenn der Kleine, Schwache sich mit dem Mächtigen in einen Streit einlässt.


*70. Der Fluss wird eher zu seiner Quelle zurückkehren.

Ehe nämlich irgendetwas geschieht.


*71. Einen zum Flusse führen und durstig zurückbringen.Burckhardt, 719.


*72. He hett Flöte im Koppe.Richey, 60.

Eigene, sonderbare Einfälle, Kniffe.


*73. Neben dem Flusse Brunnen bohren (graben).Körte, 1462; Eiselein, 99.


*74. Wenn man ihn in den Fluss würfe, er käme gewiss mit einem Fisch im Maul wieder heraus.Burckhardt, 123.

Er hat ausserordentliches Glück.


[Zusätze und Ergänzungen]

75. Der Fluss enthält allerlei.Bertram, 58.

D.i. in Gesellschaften spricht man über Vieles. Ausweichende Antwort für neugierige Frager.


76. Ein Fluss an seiner Quelle ist leicht zu dömme.


77. In einem Flusse sind viel Krümmen, wenn man sie alle rudern will.Bertram, 70.


78. Wer schon gefallen in den Fluss, der fürchtet keinen Regenguss.Schuller, 28.


Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 1. Leipzig 1867.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Gryphius, Andreas

Papinianus

Papinianus

Am Hofe des kaiserlichen Brüder Caracalla und Geta dient der angesehene Jurist Papinian als Reichshofmeister. Im Streit um die Macht tötet ein Bruder den anderen und verlangt von Papinian die Rechtfertigung seines Mordes, doch dieser beugt weder das Recht noch sich selbst und stirbt schließlich den Märtyrertod.

110 Seiten, 6.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon