1. Alle Stich zieh' ich, sagt der Schuster, und das muss halten. – Frischbier2, 3626.
2. Da geschieht auch der erste Stich zu einem Paar kalbledernen Schuhen, sagte der Bauer, als der Stier auf die Kuh stieg. (Würtemberg.) – Hoefer, 112.
3. Den ersten Stich lobt jeder Fechter. – Frischbier2, 3629.
Beim Kartenspiel.
4. Der Stich bedarf keine Länge. – Graf, 321, 244; Nering, III, 11.
Stîchwunden waren in der Regel wegen ihrer Gefährlichkeit alle kampfbar, d.h. es konnte über sie, wenn der Beklagte die Busse verweigerte, mittels Zweikampf darüber entschieden werden. (S. Kampfbar und ⇒ Wunde.)
5. Durch einen einzigen Stich kann man verhüten, dass eine ganze Naht trennt.
Engl.: A stich in time saves nine.
6. Ein Stich, der nicht blutet, wird mit drei Heller vergutet. – Eiselein, 579; Simrock, 9889.
7. Ein Stich beizîten kann manch Loch verhüten.
8. Ein stich ist bald geschehen in einen nackenden menschen. – Tappius, 53a; Simrock, 9888; Lehmann, II, 131, 195.
9. Ein Stich mit der Zunge ist gefährlicher als ein Stich mit der Lanze.
Frz.: Un coup de langue est plus dangereux qu'un coup de lance. (Kritzinger, 180a.)
10. Ein Stich muss den andern halten, sagt der Schneider. (Schles.)
11. Ein Stich zu rechter Zeit erspart neun Stiche.
12. Ein Stich zu rechter Zeit erspart zehn andere.
Holl.: Een steek op zijn' tijd voorkomt negen andere. (Harrebomée, II, 301a.)
13. Ein Stich zur rechten Zeit erhält das ganze Kleid.
14. Ên Stich mut den annern verdrîwen. (Holst.) – Schütze, IV, 197.
So sagen die billwärder Bauern (bei Hamburg), wenn sie Seitenstiche oder Magenübel fühlen. Sie stossen dann Glas klein, nehmen es ein und befinden sich wohl danach. »Es klingt unglaublich«, sagt Schütze, »ist aber factisch.«
15. Enge Stiche liet Nôd, wîe Stiche gewet Brôd. – Schambach, II, 159.
Enge Stiche leiden Noth, weite geben Brot. Eine ironische Entschuldigung der Schneider und Näherinnen, um zu sagen, dass sie bei weiten Stichen mehr fertig machen und also auch mehr verdienen, als bei gedrungenem Nähen.
16. Es ist bald ein gefährlicher Stich gethan, sagte der Schneider, als er seine Nachbarin unter dem Knie gehabt hatte.
Holl.: Een ongelukkige steek is haast gedaan, zei de vrijer, en hij had zijne matre onder de knie gehad. (Harrebomée, I, 420a.)
17. Es sind gefährliche Stiche zwischen Nagel und Fleisch.
18. Finstern Stich vndt Nichtere Trinck machen, das ich zittere vnd Hinck. – Keil, 43.
Diesen an die nächtlichen Schlägereien und Saufgelage jener Zeit erinnernden Denkspruch schrieb ein »Liebhaber der Chirurgie « in das Keil'sche Stammbuch.
19. Kan ma doch ken Stîch sahn. – Gomolcke, 685.
20. Man muss etwas auf den letzten Stich behalten. – Simrock, 9891; Körte, 5738.
21. Nicht jeder Stich tödtet.
22. Noa me Stieke (Sonnenstich) kümmet 'ne Bieke (Bach). (Westf.)
[845] 23. Stäch wekt beferdert de Lekt (Leute). (Siebenbürg.-sächs.) – Schuster, 497.
24. Stich, die nit bluten, thund weer, denn die andern. – Franck, II, 169a; Petri, II, 541; Gruter, I, 66; Guttenstein, I, 109; Sutor, 208; Gaal, 1471; Eiselein, 579; Simrock, 9890; Körte, 5737.
»Stiche, die nicht bluten, thun am wehsten.« (Fischer, Psalter, 539, 2.)
Holl.: Steken, die niet bloeden, doen meer pijn dan de andere. (Harrebomée, II, 301a.)
Lat.: Contumelia quaevis aculam habet. (Gaal, 1457.) – Non est remedium ad versus Sycophantae morsum. (Philippi, II, 36.)
25. Weite Stich' fördern sich, aber lange hält es nicht. – Frischbier2, 3629.
Ein Schneiderspruch.
26. Weite Stiche geben auch Brot, sagt der Schneider. – Petri, II, 619.
27. Weite vnd lange Stiche geben auch Brot, enge vnd dicht bringt Jammer vnd Noth. – Petri, II, 619.
*28. A Stoch in der siebten Ripp. (Jüd.-deutsch. Warschau.)
Eine schwere Beleidigung, ein nachhaltiger Schaden, der wehe thut.
*29. A Stoch in Schabbes herein. (Jüd.-deutsch. Warschau.)
Einen Stich in den Sabbat machen. Irgendeine Arbeit bei bereits begonnenem Sonnabend verrichten. Vom Schneider entlehnt, der eine Arbeit vor Anbruch des Sabbats fertig machen will, und, wenn ihm dies nicht gelingt, einen Stich in den Sabbat macht.
*30. A wert mich ju nich im Schtiche lussen. (Schles.) – Frommann, III, 244, 81.
»Man wird dich nicht im Stiche lassen.« (Keller, 132.)
*31. Alle Stiche verlieren. – Kritzinger, 106a.
*32. An an Stich anheng'n.
Ihm eine beissende Rede geben. Wenn diese gar zu verständlich oder persönlich war, nannte man sie Messnerstich. (Hügel, 211a.)
*33. Auf den Stich kommen. – Frischbier2, 3627.
Plötzlich, unangemeldet.
*34. Behalt etwas auff den (letzten) Stich. – Lehmann, II, 46, 9; Schottel, 1122b; Braun, I, 4288.
*35. Das gibt ihr (immer) einen Stich durch's Herz. (Rottenburg.)
*36. Das hält den Stich nicht. – Theatrum Diabolorum, 414a.
Frz.: Cela ne vaut via. (Kritzinger, 414a.)
*37. Das hält Stich wie der calvinische Glaube. – Simrock, 9892.
*38. Den letzten Stich machen.
Lat.: Circulum absolvere. (Faselius, 45; Philippi, I, 82.)
*39. Den stich vnnd striech halten. – Mathesy, 8a.
*40. Der Stich gibt kein Blut.
Das war a Stich der ka' Bluad gibd. (Hügel, 157a.) D.h. eine vergebliche, wirkungslose Anspielung, Stichelei.
Lat.: At missum non transiit ad vitalia telum. – Hoc pungit, non perforat. (Seneca.) (Binder II, 1311.)
*41. Einem einen heimlichen Stich beibringen.
Frz.: Donner un coup fourer à quelqu'un. (Kritzinger, 180.)
*42. Einem einen Stich auf den Pelz geben.
Frz.: Donner sur la draperie de quelqu'un. (Kritzinger, 249b.)
*43. Einem einen Stich bieten. – Mathesius, Postilla, CXXIIIb.
*44. Einem einen Stich in den Arsch geben.
Ich hörte diese Redensart auf einem breslauer Bahnhofe in dem Sinne, ihn (geschäftlich) verderben. » ... Er hat mir früher oft geschadet, ist ein Concurrent von mir, der fast ganz in meinen Händen ist, wenn ich ihm einen Stich in den Arsch gebe, ist's mit ihm vorbei.«
*45. Einem in den Stich kommen.
*46. Einen im Stich lassen. – Mayer, II, 143; Körte, 5738a; Braun, I, 4286.
In Schlesien: A wird mich ju nicht im Stiche lassen. (Gomolcke, 237.)
Engl.: To leave one in the lurch. (Bohn II, 170.)
Frz.: Tourner le dos à quelqu'un. (Kritzinger, 247a.)
Holl.: Hij laat hem in den steek. (Harrebomée, II, 301a.)
*47. Er hält einem nicht Stich.
Von jemand, der die Fortsetzung und das Ende eines Vortrags, der ihm nicht gefällt, nicht anhören will.
[846] *48. Er hat einen Stich zu viel, als wären es Hundstage.
Lat.: Lydus in meridie. (Erasm., 505; Philippi, I, 232.)
*49. Es hält nicht Stich. – Schottel, 1113b; Körte, 5738b; Braun, I, 4287.
Ist ohne Grund, auch: ist nicht standhaft, nicht dauerhaft. Von Zeugen oder vom Leder entlehnt, die beim Nähen ausreissen.
Holl.: Dat houdt geen steek. (Harrebomée, II, 300b.)
Schwed.: Han wil intet hälla streek. (Törning, 50.)
*50. Es ist ein Stich über Wasser.
*51. Es lässt keiner den andern im Stiche.
*52. Es seind stich, die nit bluten. – Tappius, 206a; Eyering, II, 586; Henisch, 430, 66; Sailer, 50; Herberger, I, 542; Eiselein, 579.
Im Oberharz: Es is a Schtich, har blutt awer nett. »Ich goub'n an Stich, der nich blutt.« (Keller, 150b.)
Dän.: Der ere mange hug og sting, som ei bløde, og dog svie meget. (Prov. dan., 309.)
Holl.: Dat is een steek, al bloedt ze niet. (Harrebomée, II, 300a.)
Lat.: Genuino mordere. (Erasm., 690; Philippi, I, 690.) – Sales dentati. (Seybold, 537.) – Qui clanculum obtrectant, genuino mordere dicuntur. (Henisch, 430, 67.)
*53. Es war ihm ein Stich ins Herz.
Die englischen Neger in Surinam sagen sehr sinnig, um den Gedanken auszudrücken, einem auf eine feine Weise empfindlich wehe thun: Einem einen Schlag geben ohne Hand. (Wullschlägel.)
Holl.: Het was een doodsteck in zijn hart. (Harrebomée, II, 145b.)
*54. Es will den Stich nicht halten. – Schottel, 1118a.
*55. Nicht einen Stich sehen. – Körte, 5738c.
Es ist so finster, dass man gar nichts sehen kann.
Frz.: On ne voit ni ciel, ni terre. (Kritzinger, 145a.)
Holl.: Hij ziet geen steek. (Harrebomée, II, 301a.)
*56. Op dat Stieksken1 folget wir en Bieksken. (Grafschaft Mark.) – Woeste, 78, 325.
1) Den Sonnenstich.
*57. Stich, stoss und streich. – Rochholz, 52.
*58. Stumpfe Stiche geben. – Schottel, 1117a.
*59. Von dem Stoch (Stich) blut' ich auch nicht. – Blass, 19.
*60. Wenn alle Stiche reissen.
Wenn alles, worauf man seine Erwartungen und Hoffnungen gesetzt hat, uns täuscht und verlässt, so will man irgendetwas als Aeusserstes versuchen.
*61. Ein Stich drei Loch.
Erinnert an das muthige Benehmen der Bewohner des Dorfes Wackerode bei Dessau, die im October 1806 etlichen in ihren Ort eingedrungenen Franzosen mit dreizinkigen Düngergabeln heimleuchteten. Davon noch jetzt die in der dessauer Gegend übliche Redensart. (Anhaltischer Staatsanzeiger, 1876, Nr. 271.)
Brockhaus-1911: Stich [2] · Stich
Lueger-1904: Stich [1] · Stich [2] · Automatischer Stich · Marlschlag, -stich
Meyers-1905: Stich [2] · Stich [3] · Stich [4] · Stich [1] · Farbiger Stich · Petit-point-Stich · Russischer Stich
Pierer-1857: Stich [1] · Stich [2] · Französisischer Stich · Stich anlegen
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