Schiff [1]

[765] Schiff, allgemein jedes schwimmende, gefäßartig geformte, ortsverändernde Bauwerk, das dazu dient, Menschen und Güter oder Waffen in größerer Zahl und Menge über Wasser fortzuschaffen, im Gegensatz zum Fahrzeug, das der Größe nach zwischen kleinem S. und Boot steht. Nach dem Gebrauchszweck unterscheidet man Handelsschiffe und Kriegsschiffe, nach dem Verwendungsbereich Binnen-, Fluß-, Küsten- und Seeschiffe, nach dem Bewegungsmechanismus Segelschiffe (Segler), Dampfschiffe (Dampfer) und andre Motorschiffe, früher auch Ruderschiffe.

In der Handelsmarine bezeichnet man als S. im engern Sinne nur das Vollschiff und das Barkschiff, also nur voll- oder nahezu vollgetakelte Dreimaster bis Fünfmaster; die übrigen kleinern Segelschiffe: Brigg, Brigantine, Goletta, Schoner und seine Abarten, bezeichnet der Seemann als Fahrzeuge, ebenso die Fischerfahrzeuge und Küstenfahrzeuge: Galjaß, Ewer, Kuff, Jacht, Jolle, Kutter, Lugger u.a. Über die verschiedenen Arten der Segelschiffe s. Takelung. Bei Dampfern ist im Sprachgebrauch Dampfboot und Dampfschiff gleichwertig; Segler mit Hilfsmaschinen werden zu den Segelschiffen gerechnet,[765] während viele Frachtdampfer, Walfischfänger, Fischdampfer und Robbenfänger mit schwacher Maschine meist starke Takelung führen, um zur Kohlenersparnis oder im Notfall auch selbständig segeln zu können.

Die Schiffsform ist vom Gebrauchszweck und Verwendungsbereich des Schiffes abhängig; Schnelldampfer und -Rennjachten haben schlanke, schmale und lange, Frachtdampfer und Segelschiffe volle, breite und kürzere Form. Seeschiffe sind stets auf Kiel (oder Kastenkiel) gebaut, der Standfestigkeit wegen, Binnen- und Flußschiffe sind meist flach und plattbodig; Küstenfahrzeuge bilden in ihren Formen den Übergang vom Fluß- zum Seeschiff. Als Schiffstreiber verwendet man neben Schiffsschraube und Rad auch Reaktionspropeller, doch bisher mit geringem Erfolg; der Flossenmotor des Lindenschen Autonaut hat sich auch in Booten wenig bewährt; dagegen hat die Dampfturbine statt der Dampfmaschine eine aussichtsreiche Zukunft. – Die Schiffsausrüstung der Handelsschiffe umfaßt Takelung, Segel, Blitzableiter, Flagge und Hausflaggen, Anker und Boote, ferner für die Ladung Ladebäume, Ladepforten und Ballast. Über die einzelnen Schiffsteile s. Schiffbau.

Geschichtliche Entwickelung der Schiffsarten.

(Hierzu Tafel, »Schiffsarten I-III«.)

Die Uranfänge der Schiffahrt auf Flüssen und in vor Seegang geschützten Küstengewässern, zwischen Inseln und Rissen weisen ähnliche Schiffsfahrzeuge auf, wie die der heutigen Naturvölker (vgl. Schiffbau der Naturvölker). Neben dem Floß ist der Einbaum, ein ausgehöhlter Baumstamm, das älteste Fahrzeug. Von den Chaldäern nimmt man an, daß sie schon im 5. Jahrtausend v. Chr. Schiffahrt trieben. Um 3800 v. Chr. ist der babylonische Herrscher Sargon von Agane von der nordsyrischen Küste nach einer Insel (wahrscheinlich Cypern) gefahren. Die babylonischen und assyrischen Schiffe waren kurze, bauchige Ruderschiffe mit einem Mast und einem Rahesegel; einzelne Kampfschiffe hatten schon einen nach vorn verlängerten Kiel, der als Sporn diente. Im 17. Jahrh. v. Chr. schickte die ägyptische Königin Makara-Hatscho eine mit Kriegern besetzte Handelsflotte an die arabische Küste des Roten Meeres (wo damals die Phöniker saßen). Diese Schiffe (Tafel I, Fig. 1) waren lang und schmal, ähnlich den Nilschiffen, aber größer und stärker gebaut; 30 Ruderer trieben die Riemen, der kräftig getakelte Mast führte ein sehr breites Rahesegel, dessen Ober- und Unterrahe aus mehreren Stücken zusammengelascht war. Vorn und hinten sind Hüttenaufbauten; Bug und Heck sind durch straff gespreizte Taue zusammengehalten. Am Heck ist ein großes, in einer Gabel bewegliches Ruder zum Steuern. Die Phöniker waren Jahrhunderte hindurch die berühmtesten Schiffbauer; sie bauten aus Zedernholz für Ramses II. (1348–1281 v. Chr.) ein 280 Ellen langes Prachtschiff. Als Kriegsschiffe (zur Überführung von Kriegern) bauten sie schnellsegelnde, lange und schmale Schiffe, als Frachtschiffe kurze, vollbauchige, »runde« Schiffe, alle einmastig mit einem großen Rahesegel; als Ruderer verwendeten sie meist kriegsgefangene Sklaven. Die Seetüchtigkeit der phönikischen Schiffe ist durch deren weite Seefahrten erwiesen. Die griechischen Schiffe um 1000 v. Chr. waren den phönikischen ähnlich, hatten bis 120 Ruderer, 60 an jeder Seite, einen Mast zum Umlegen und einen spornartigen spitzen Schiffsschnabel; im Winter wurden die Schiffe auf Land geschleppt (mit untergelegten Rollhölzern) und mit Holzdach und Steinmauern vor der Witterung geschützt. Als Anker benutzte man durchlöcherte oder netzumsponnene Steine. Um 700 v. Chr. hatten die griechischen Schiffe nach vorn überliegende Masten, wie man sie noch jetzt im Mittelmeer auf kleinen Seglern häufig findet. Auch Figuren als Sinnbilder kamen schon am Bug vor, ähnlich den Augen der chinesischen Dschonken (die den Schiffsweg überwachen sollen). Themistokles ließ hauptsächlich Triëren bauen; so wenig Zuverlässiges auch über die Ruderschiffe des Altertums bekannt ist, so ist doch sicher, daß sie schnelle, gut manövrierende Kriegsschiffe waren, die im Kampf nur mit Riemen fortbewegt wurden. Später baute man auch Penteren, die zuverlässig seemännische Mißgeburten gewesen sein müßten, wenn sie fünf Reihen von Ruderern auf Bänken übereinander gehabt hätten; wahrscheinlich hatten sie fünf Ruderknechte an jedem Riemen. Die spätern karthagischen Penteren hatten 300 Ruderknechte und Matrosen sowie 120 Kriegsleute; das gäbe je 30 schwere Riemen auf jeder Seite, jeder Riemen bedient von fünf Mann. Polybius berichtet, daß Pyrrhus ein Siebenruderschiff gehabt habe; dieses ist ebenso wie die Oktere des Lysimachus, die Dekere Alexanders, die Fünfzehn- und Sechzehnruderer des Demetrius Poliorketes anders als in Galeerenform undenkbar. Von Ptolemäus Philopater wird überliefert, er habe einen Vierzigruderer gebaut, um die Römer zu übertrumpfen; das S. soll 4000 Ruderknechte gehabt haben. Nimmt man an, daß die Leute sich zu zweien ablösten, und daß auf jeder Schiffsseite 50 sehr schwere Riemen, jeder Riemen von 20 Mann, zu bedienen waren, so ist die Sache denkbar. Ähnlich war das Prachtschiff Alexandria des Hiero von Syrakus (Tafel I, Fig. 2), das nach ziemlich unsichern Überlieferungen in seiner Mitte einen Leuchtturm trug und turmartige Masten gehabt haben soll; seetüchtig soll es nicht gewesen sein. Die römischen Triremen (Tafel I, Fig. 3) und Quinqueremen waren nach karthagischem Vorbild (nach einer in der Straße von Messina gestrandeten Pentere) schnell erbaut, nach Plinius entstanden die 220 Schiffe des Duilius und Scipio in 45 Tagen, andre Geschwader gingen sogar 30 Tage nach dem Holzfällen in See, danach muß die Bauart der Schiffe mehr die von Kähnen gewesen sein als von Seeschiffen. Nach Fincati waren es flachbodige Schiffe; denn juach der Trajanssäule fahren römische Triremen die Save und die Donau hinaus. Alexander d. Gr. ließ 700 Hepteren bei Thapsakus bauen und ging mit ihnen den Euphrat hinab. Nach Tacitus haben die Deutschen eine römische Trireme die Lippe hinauf geschleppt. Die Geschwindigkeit all dieser Fahrzeuge, die sich meistens auf die Ruder verließen, war nur gering, im Mittel etwa 5 Seemeilen. Die von den Griechen vernachlässigte Segelfähigkeit wurde von den Römern weiter ausgebildet. Immerhin blieben, dem begrenzten Wirkungskreis der Flotten entsprechend, die Riemen (Ruder) die eigentlichen Triebmittel der Schiffe, wenn auch, sowohl im Mittelmeer als in den nordischen Gewässern, daneben die Segel bei günstigen Windverhältnissen benutzt wurden. Fast alle Bilder römischer Triremen zeigen nur eine Ruderreihe, so daß man mit Berghaus (1792) annehmen kann, daß Bireme, Trireme und Quinquereme lediglich Rang- oder Größenbezeichnungen der Schiffe waren. In der Kaiserzeit waren die römischen Kriegsschiffe stärker gebaut, ihre Masten blieben im Gefecht stehen, im Mastkorb waren Schleuderer und Bogenschützen; an jedem Riemen saßen drei Mann. Allmählich entwickelten sich im 5.–10. Jahrh. n. Chr. aus der alten Triremenform die Dromones der byzantinischen Flotte, aus denen wiederum das eigentliche[766] Ruderkriegsschiff des Mittelalters, die Galeere, hervorging, die sich besonders im Mittelmeer in zahlreichen Seekämpfen trefflich bewährte. Die Galeere erhielt sich noch lange nach der Erfindung der Geschütze, und die Ruderkanonenboote, die z. B. in Deutschland noch in den 50er Jahren des 19. Jahrh. gebaut wurden, waren eine Abart der Galeeren (Tafel I, Fig. 4).

Die nordischen Boote, mit denen die Bewohner der deutschen und dänischen Küsten das Meer und die Flüsse befuhren, und von denen z. B. in Kiel ein wiederhergestelltes zu sehen ist, waren schlanke, scharf gebaute Ruderboote bis zu 23 m Länge bei 3 m Breite und für 30 Ruder eingerichtet. Ihre Form machte sie geeignet zum Vor- und Rückwärtsrudern. Der flache Kiel gestattete bequemes Ausziehen auf den Strand. Die Boote waren klinker gebaut und die einzelnen Planken unter Benutzung von Holzkauschen mit Flechtwerk innenbords fest verbunden. Ein altgermanisches Ruderboot (Tafel I, Fig. 5) aus dem 3. Jahrh. n. Chr., wie das im Sundewitt im Nydamer Moor gefundene, enthielt römische Kriegsbeute aus dem 2. und 3. Jahrh. n. Chr. Das 1880 im Sandefjord in Norwegen aufgefundene Boot war auch etwa 23 m lang, aber 5 m breit, hatte 32 Riemen von 6 m Länge, einen Mast zum Niederlegen mit Rahesegel und stammte aus dem 9. Jahrh. Ganz ähnlich in der Bauart, nur mit höhern Steven (Vorsteven stets mit Tierkopf) waren die nordischen Wikingerschiffe (auch Meerdrachen, Drachen oder Wellenrosse genannt; Tafel I, Fig. 6); sie waren etwa 25 m lang, 5 m breit mit 1,5 m Tiefgang. Vorn auf dem kurzen Halbdeck standen die besten Kämpfer beim Angriff, hinten war eine Hütte für den Befehlshaber. Der Mast mit einem großen viereckigen Rahesegel stand in der Mitte, das Segel konnte gerefft werden, ähnlich wie es noch heute geschieht. Diese Drachen waren sehr seetüchtig, die kühnen Nordmänner sind auf ihnen bis Island, Grönland und sogar nach Nordamerika gesegelt; später gelangten die Normannen auf ihren Raubzügen bis ins Mittelmeer auf Schiffen, die nur wenig größer waren. Noch heute findet man im nördlichen Norwegen Segelfahrzeuge, die fast wie die Wikingerschiffe gebaut sind. Ein genau nachgebauter Drache segelte 1893 von Norwegen nach Chicago zur Weltausstellung. Verschiedenartige Schiffsformen entwickelten erst im 13.–15. Jahrh. im Mittelmeer die Galeassen und Gallionen, später die Karavellen (Tafel I, Fig. 7), die nur in damaliger mittlerer Größe zu den großen Entdeckungsfahrten benutzt wurden, wohl weil die größten Schiffe jener Zeit nicht mehr seetüchtig genug waren. Eine möglichst genaue Nachbildung der 150 Ton. großen Santa Maria, des Flaggschiffs des Kolumbus, wurde zur 500jährigen Feier der Entdeckung Amerikas von Spanien (San Lucar) aus nach Nordamerika auf demselben Wege geschickt, den Kolumbus gesteuert war. In der Nord- und Ostsee entwickelten sich die Schiffsgrößen sehr langsam. Richard Löwenherz benutzte zu seinem Kreuzzug ähnliche Schiffe wie die Wikinger; seine neun »großen« Schiffe trugen 40 Pferde, ebenso viele Krieger, aber nur 14 Seeleute; 1240 waren die größten englischen Schiffe nur 80 Ton. groß und hatten zwei Masten. Allmählich entwickelte sich die Form der Koggen (Tafel I, Fig. 8), die etwa 200 Ton. groß waren, plump, aber seetüchtig gebaut, in der Form des Unterschiffs fast genau wie die heutige Kuss. Die hansischen Koggen hatten 1370 bis zu 100 Krieger und 20 Pferde an Bord; auf den Kastellen vorn und achtern war leichtes Schießgerät aufgestellt, während die Blyden und »treibenden Werke« mittschiffs standen. Um 1400 waren die englischen Koggen schon bis zu 600 Ton. groß, hatten dann drei Masten mit kurzen Stängen, an denen über den Untersegeln noch kleine Marssegel gesetzt wurden. Viel voller getakelte Schiffe, mit vier Masten und sehr steilem Bugspriet, findet man im 16. Jahrh.; die Segel waren oft bunt mit Wappen etc. bemalt, große farbige Wimpel flatterten an den Mastkörben. Schiffsgeschütze waren auf hansischen Koggen schon im 14. Jahrh. im Gebrauch; doch in größerer Zahl findet man sie erst im 16. Jahrh. auf Kriegsschiffen. Einer der ersten Zweidecker, das große englische S. Henry Grace à Dieu (Tafel I, Fig. 9), erbaut 1514 in Woolwich, führte schon etwa 34 Geschütze, außerdem noch etwa 90 leichte Rohre; die schweren Geschütze standen in der untern Batterie dicht über Wasser, die Kanonenpforten waren nur klein. Ähnlich gebaut, ausgerüstet und bewaffnet war der für seine Zeit sehr große englische königliche Zweidecker Great Harry (Tafel I, Fig. 10), 1555 erbaut; diese Schiffe waren schon etwa 1000 Ton. groß. Die großen Orlogschiffe der Hansa und Schwedens im 16. Jahrh. waren noch größer. Bei den Handelsschiffen blieb die Kufform vorherrschend, nur kleine Jachten wurden als Schnellsegler schärfer und schmäler gebaut. Im 17. Jahrh. wurden viele Verbesserungen eingeführt (Spill, Bramsegel, Leesegel, Dreimast-Vollschiffstakelung mit Bugsprietmast u.a.); gegen den Bohrwurm erhielten die in tropische Gewässer segelnden Schiffe doppelte Bodenplanken. Die wichtigsten Schiffe des 17.–19. Jahrh. wurden die Linienschiffe, nach deren Vorbild auch die großen bewaffneten Handelsschiffe (Ostindienfahrer) gebaut wurden. In dieser Zeit setzte Frankreich seine Seenachbarn oft durch vorzügliche Schiffsbauten in Erstaunen und zwang England, französische Bauten nachzuahmen. Es entstanden Zwei-, Drei- und Vierdecker. 1637 erbaute Thineas Pett den ersten englischen Dreidecker, den Sovereign of the Seas (Royal Sovereign, Tafel II, Fig. 1), der 1600 Ton. Gehalt hatte und 100 Kanonen führte, 252 engl. Fuß lang und 43 Fuß breit war. Das S. hatte 800 Mann als Besatzung. Diese Linienschiffe, vervollkommt (Nelsons Victory, Tafel II, Fig. 2) und schließlich mit Maschinen versehen und rasiert zu Panzerfregatten umgestaltet, beherrschten die Meere bis in die 60er Jahre des 19. Jahrh.

Neben ihnen her gingen als kleinere Schiffe die Fregatten, Korvetten, Briggen, Schoner und Kutter; nur erstere waren eigentliche Kriegsschiffe, während die andern Schiffe Handelszwecken dienten. Seit 1761 wurde der Schiffsboden der Holzschiffe mit Kupferhaut zum Schutz gegen den Bohrwurm beschlagen. 1787 erschien in England das erste größere S. aus Eisen, nachdem man es erlernt hatte, das Eisen zu walzen (an Stelle des Hämmerns). Das S. war 70 Fuß lang und 6 Fuß 8 Zoll breit. Ch. Napier fuhr 1822 mit einem eisernen Dampfer (Aron Manby) von London nach Paris. Der Eisenschiffbau fand 1851 in Deutschland Eingang und zwar durch Fürchtenicht und Brock zu Stettin auf der Werft, aus welcher der Vulkan hervorging. Anfangs baute man nur Raddampfer mit Vollschiffs- und Schonertakelung; schon 1838 wurde der erste größere Schraubendampfer Archimedes in England gebaut. Die ersten Dampfer aus Stahl wurden 1857 durch Samuda Brothers erbaut. Die Einführung des Dampfes (s. Dampfschiff) und der Panzerschiffe (s. d.) waren von ein schneidendem Einfluß auf die[767] Schiffsbauten. Die Segelkriegsschiffe begannen in den 60er Jahren des 19. Jahrh. auszusterben (preußische Segelkorvette Amazone, Tafel II, Fig. 3); die hölzernen Dampffregatten (norddeutsche Dampffregatte Elisabeth, Tafel III, Fig. 2) und Korvetten (preußische Dampfkorvette Augusta, Tafel III, Fig. 1) bildeten nur den Übergang vom Segelkriegsschiff auf die moderne Form der Kreuzer. Die Einführung des Eisens gab den Schiffen größere Dauerhaftigkeit als das Holz und gestattete bei größerer Festigkeit den Schiffen größere Länge und schärfere Linien zu geben, d.h. Formen, die größere Schnelligkeit erzielen. Das bisherige Verhältnis von Länge zur Breite wie 3: 1 wurde verändert, und es entstanden Schiffe von 5: 1, ja von 8: 1. Anfangs baute man besonders Kriegsschiffe als Kompositschiffe, eiserne Spanten mit Holzbeplankung, später ging man zum reinen Eisenbau und schließlich zum Stahlbau über, da Stahlschiffe bei gleicher Widerstandsfähigkeit am leichtesten sind. So hat das von J. Tecklenburg in Geestemünde 1894 erbaute sehr große Segelschiff aus Stahl 8580 Ton. Wasserverdrängung und 6150 T. Ladefähigkeit, das Eigengewicht 2430 T. Dieses S. Potosi (Tafel III, Fig. 3) ist ein Fünfmaster, 120 m lang, 15,2 m breit, Raumtiefe 8,75 m und vermessen für 11,200 cbm brutto, 10,700 cbm netto; eine Besatzung von 44 Mann soll es fahren. Ältere Dampfer, noch verhältnismäßig breit gebaut, wurden, um konkurrenzfähig zu bleiben, ins Dock gebracht, auseinander geschnitten und verlängert, so die Postdampfer Stettin, Preußen, Bayern und Sachsen um etwa 20 m, d.h. um 20 Proz. Den größten Umschwung brachte die Verwendung der Schraubenschiffe als Seeschiffe für weite Fahrten durch Einführung der billig arbeitenden Verbundmaschinen, denn nun wurde der Segelschiffahrt ein starker Wettbewerb geschaffen. Sowohl im Frachtals im Personenverkehr wuchsen die Schiffe. 1906 gab es bereits 100 Handelsdampfer von 10,000 und mehr Registertonnen Bruttoraumgehalt, darunter 26 deutsche, sämtlich Doppelschraubendampfer (größter Kaiserin Auguste Victoria mit 25,000 Reg.-Ton.), und 50 englische, auch nur Doppelschraubendampfer mit Ausnahme von 3 Dampfturbinenschiffen mit je drei Schrauben (größter Baltic mit 23,876 Reg.-Ton.). Auch baute man mächtige Segelschiffe, wie R. C. Rickmers mit 5548 Reg.-Ton., und gab ihnen für gewisse Verhältnisse kleine Hilfsmaschinen, d.h. man verfuhr mit den Seeschiffen ebenso wie auf den Flüssen mit den großen Frachtkähnen, die man neuerdings mit Motoren versieht, konnte aber den Wettbewerb mit der Dampfschiffahrt nicht bestehen.

Aller der Schiffe. Hölzerne Schiffe erreichten im 18. und 19. Jahrh. hohes Alter, bis zu 100 Jahren und mehr; in der englischen Handelsflotte sind noch einige dieses Alters; der 1841 erbaute Dampfer Swift ist das älteste eiserne Schiff. Am 1. Jan. 1905 waren von den deutschen Seeschiffen 947 mit 135,847 Reg.-Ton. brutto über 20 Jahre alt, 377 mit 63,056 Reg.-Ton. brutto waren unter fünf Jahre alt. Von den deutschen Seedampfern waren gleichzeitig 326 mit 237,603 Reg.-Ton. brutto über 20 Jahre alt, 467 mit 1,087,088 Reg.-Ton. brutto waren unter fünf Jahre alt. Hieraus ergibt sich das Bestreben, die Handelsschiffe möglichst zu verjüngen, um Schiffe mit den neuesten Einrichtungen für Sicherheit, Betriebsbilligkeit, Wohnlichkeit zu verwenden; die großen deutschen Dampfergesellschaften stehen in dieser Hinsicht allen andern voran. Als Lebensdauer für große stählerne Dampfer (Schnelldampfer) rechnet man je nach der Bauart 20 bis 15 Jahre, für Linienschiffe etwa 20, für Panzerkreuzer etwa 15 Jahre, für kleinere Kriegsschiffe und Torpedoboote 10 Jahre. Unter den fremden Handelsflotten sind die norwegische, französische und russische reich an alten Schiffen, während bei den übrigen das Alter ähnlich wie in der deutschen Handelsflotte ist.

Vgl. Rühlmann, Allgemeine Maschinenlehre, Bd. 5: Schiffe (2. Aufl., Leipz. 1895); Brommy-Littrow, Die Marine (3. Aufl. von Kronenfels, Wien 1877); Paris, Souvenirs de marine (Par. 1878–86, mit 60 Tafeln); Arenhold, Die historische Entwickelung der Schiffstypen (30 Tafeln mit Text, Kiel 1891); de Folin, Bateaux et navires (Par. 1892); Porr, Ancient ships (Cambridge 1894); Böhmer, Prehistoric naval architecture of the north of Europe (Washingt. 1894).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 17. Leipzig 1909, S. 765-768.
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