Buddhismus

[424] Buddhismus, die von Buddha (s.d.) gestiftete Religion, welche sich in Ceylon, der Mongolei, dem Birmanischen Reiche, Siam, Annam, Tibet (s. Lamaismus), Japan (s. Budsdo) u. China verbreitet hat u. gegen 300 Mill. Gläubige zählt. Buddha hat keine geschriebenen Lehren hinterlassen; auf seinem Schüler Mahakadscha u. von diesem wieder auf andere Schüler mündlich fortgepflanzt, wurden seine Lehren erst im Sanskrit gesammelt, namentlich 300 Jahre nach seinem Tode auf dem Concil in dem Klostertempel Dschalandari in Kaschmir. Der B. war in den ältesten Zeiten auf Vorderindien, wo jetzt nur wenig Spuren davon übrig sind, weit verbreitet; das Mittelreich Indiens, Magadha, war die Wiege desselben. Im 3. Jahrh. v. Chr. verbreitete er sich noch nördlich nach Tibet u. südlich nach Ceylon u. Java. Im 1. Jahrh. der christlichen Zeitrechnung zogen sich die Buddhisten vor den Verfolgungen der Brahmanen aus Vorder- nach Hinterindien u. verbreiteten sich in Japan, China, unter den Mongolen u. Kirgisen bis nach Sibirien. I. Das Glaubenssystemdes B.: A) Theologie. Es gibt Ein höchstes Wesen, welches die Welt cegiert; es ist körperlos, daher durch kein Bild darstellbar, allmächtig, weise, gerecht, gütig u. barmherzig; die würdigste Verehrung erhält es von den Menschen durch schweigende Betrachtung. Der B. ließ die meisten untern Götter der Indischen Religion bestehen, bes. die Incarnationen des Wischnu, ohne ihnen besondere Verehrung zu widmen. B) Kosmgonie, Pneumatologie u. Anthropologie. Die Weltmasse, Loga, ist aus dem leeren Raume nach unabänderlichen Naturgesetzen entstanden. Daraus als Niederschlag die Materie (das Übel des Jirtintschü), aus welcher der beständige Geburtswechsel nach unabänderlichen, durch jenes Übel begründeten Gesetzen entstanden ist. Nun entwickelten sich die Keime des Guten u. Bösen; jedes fand seine Belohnung od. Bestrafung in einem Kreislauf von unzähligen Geburten, welche nach der vollendeten Entwickelung, wie sie jetzt ist, in 6 Reiche od. Geburtsstufen sich theilten, nämlich in das Reich der reinen Geister (Essrün, Tägri, deren Oberhaupt Chormusda ist); in das. der unreinen (Assuri, deren größter Bimatschi Dahri ist), in das der Menschen, Thiere, Vorhöllenungeheuer u. der Höllengeschöpfe; jede dieser Hauptklassen hat wieder Unterabtheilungen, welche alle Wesen bis zur Vereinigung in die Ureinheit durchwandern müssen (Seelenwanderung). Die höchste 7. Stufe ist die Buddha- (Burchan-) Würde, erhaben über allen Geburtswechsel. Die durch diese Entwickelung gestörte Einheit des leeren Raumes wieder herzustellen u. alle Wesen von den Tägri bis zu den Höllengeschöpfen herab auf die Buddha-Stufe zu erheben, ist Zweck der Erscheinung Buddhas. Dann ist alles Getrennte vereinigt, selbst Buddha ist in die große Einheit zusammengeflossen, was aber erst nach vielen Millionen Jahren geschehen wird. Die über der Erde Erhobnen heißen Nat; sie haben 3 Abtheilungen: Dschama, haben gröbere Körper mit Geschlechtsunterschied u. Fortpflanzung; Rupa, haben feinere Körper, ohne Geschlechtsunterschied u. Fortpflanzung; Arupa, körperlose Wesen. Über der Erde befinden sich 26 Himmel, die mit der Erdscheibeparallel u. mit ihr von gleicher Größe sind. Die unterste dieser Welten, 130,000 Meilen über der Erde, in der Mitte der Höhe des Weltberges Mienmo, u. enthält Sonne, Mond u. Sterne. Hier wohnen die Nat Zatamaharit, in viele Zwischenstufen getheilt u. von verschiedenem Grade der Glückseligkeit; ihre Lebensdauer ist 9 Mill. Jahre. Ihr Himmel ist in 4 Reiche getheilt, jedes mit einem Könige. Diese Könige sind die 4 Schutzgötter der Welt. In gleichem Abstande folgt auf dem Gipfel des Mienmo der Himmel der Tawateinza, sie haben einen Lichtkörper, leben 4mal so lange als die vorigen u. sind doppelt so glücklich. Ihr König ist Buddha unter dem Namen Sakreia, seine Hauptstadt, auf dem Gipfel des Mienmo, Maha-Sudassana; in der Mitte der Thron Buddhas u. im Kreise herum 32 Throne der Natfürsten u. dahinter die Sitze der anderen Nat. Nun folgen die Himmel der Dschama, der Dusfida, der Neinmanati u. der Para Neinmatavassanti. Die Glückseligkeit u. die Lebensdauer steigt immer um das Doppelte, so wie ein Himmel höher liegt, als der andere. Dann folgen 16 Himmelder Rupa, jeder 1,700,000 Meilen über dem andern. Dann die 4 Himmel der Arupa über einander. Menschen, welche nach dem Moralgesetz (s. unten) leben, kommen zu den Nats in den untersten Himmel der Zatamaharil u. können nun immer weiter aufsteigen, bis sie zur Vereinigung mit den höchsten Wesen gelangen (Nirwana, d.i. Ruhe, Seligkeit). Die Seelen der schlechten Menschen werden in Thierkörpern wiedergeboren. Aber[424] auch die körperlichen Nats müssen nach Vollendung ihres Lebens auf die Erde zurück, um ewige Seligkeit zu verdienen. Ein Theil der Tawateinza unterlag dem Weintrinken, wurden Assuri u. aus ihrem Himmel gestoßen; für sie bildete sich unter dem Mienmo eine neue Welt, wo sie eine geringere Seligkeit genossen. Sie sind die Richter der abgeschiedenen Seelen u. sitzen zu dem Ende an den Pforten der Hölle Niria. Endlich hängt doch alle Herrlichkeit der Nats von dem Bestehen des Weltgebäudes ab. Dies ahnen sie vorher, u. ein höherer Nat steigt dann trauernd auf die Erde herab, um den Menschen den Untergang zu verkünden. Das Ergründen des höchsten Wesens u. seiner selbst ist das eifrigste Streben der Buddhisten, das sie durch gradweise Entsagung bis zur Ertödtung der Sinne durch beständige Contemplation zu erreichen hoffen. Der Anfang geschieht durch Eintritt in den geistlichen Stand. der viele Entbehrungen, strengen Cölibat u. Verzichtleistung auf allen eignen Besitz erfordert u. den Lebensunterhalt auf die Gaben u. Almosen der Gläubigen anweist. II. Das Moralsystem B. begreift 5 Gebote: man soll kein lebendiges Wesen tödten u. keine Rache ausüben; nicht stehlen; züchtig u. mäßig leben; nicht lügen, verleumden u. schwören; Almosen geben; die 10 Hauptsünden, deren man sich nach jenen Geboten enthalten soll, sind wieder in 3 Klassen getheilt. III. In ihrem Cultus haben sie viele Ceremonien des Brahmaismus beibehalten, aber die Vorschriften der Vedas erkennen sie nicht an. Das Heiligthum in den Tempeln der Buddhisten in Indien heißt Dagop (s.d.). Gebete werden an Buddha, an den Einsiedler Gautama od. an Andere gerichtet, welche die Buddha- od. Burchanwürde erlangt haben. Opfer, bestehend in Blumen u. Früchten, wie in getödteten Thieren, bringen sie den Buddha's u. Untergöttern. Heilig ist das mystische Wort Om (s.d.). Die Priester heißen bei den Mongolen Lamen, in Japan Bonzen, in Birma Rahanen, in Siam Talapoinen; ihre Würde ist nicht erblich; sie haben die Tonsur, leben ehelos u. oft klösterlich in Gemeinschaft mit einander. Das sichtbare Oberhaupt des B. lebte früher in China, jetzt seit dem 14. Jahrh. in Tibet, wo er Dalai-Lama heißt (s. Lamaismus). Die heiligen Bücher des B. sind kosmogonische, dogmatische, moralische, asketische u. liturgische Schriften; sie sind sehr zahlreich: der Gandsur (d.i. mündliche Lehre) besteht aus 116 u. mit den Commentaren (Dandsur) aus 238 Bänden, waren ursprünglich im Sanskrit verfaßt u. wurden später in die Sprachen der Völker, welche sich zum B. bekannten, übertragen. Die heiligen Bücher in Tibet sind ausschließlich in der Lañdshaschrift aufbewahrt; die der Ceylaner, Birmanen u. Singalesen im Pali geschrieben. Eine abweichende Secte von den Buddhisten, die Dschena's in Vorderindien, verwerfen ebenfalls die Veda's, haben aber die Kasteneintheilung beibehalten; ihre Götzen werden sämmtlich unbekleidet dargestellt, der 2. Grad der Heiligkeit ihrer Priester gestattet nur eine geringe Bedeckung, u. der letzte erfordert völlige Nacktheit. IV. Quellen: Bohlen, De Buddaismi origine et aetate, Königsb. 1827; I. I. Schmidt, Über die Verwandtschaft der gnostisch-theosophischen mit den Religionssystemen des Orient, bes. des B., Lpz. 1827; Hodgson, Sketch of Buddhism, in den Trans act. of the Royal Asiat. Soc. II, 1. p. 232 ff; Uphams, History and doctrines of Buddhism. Lond. 1829, Fol.; The laws of the priesthood of Buddha in China, aus dem Chinesischen von K. Fr. Neumann, Lond. 1831; Schmidt, Dsanglun, Petersb. 1843; E. Burnouf, Introduction à l'histoire du Buddhisme indien, Par. 1844; Schiefner, Die tibetanische Lebensbeschreibung des Cakyamun, Petersb. 1849; Spence Hardy, Eastern monachism, Lond. 1850; Derselbe, A manuel of Buddhism, ebd. 1853; St. Julien, Hist. de la vie de Hiouen Thsang, Par. 1853; Derselbe, Mémoires sur les contrées occidentales par Hiouen Thsang, ebd. 1857; Köppen, Die Religion des Buddha, Berl. 1857.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 3. Altenburg 1857, S. 424-425.
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