Holzschneidekunst

[503] Holzschneidekunst (Xylographie), ist die Kunst auf Holzplatten Figuren zu schneiden, so daß sie mit Farben, namentlich mit Druckerschwärze, auf Papier u. ähnliche Stoffe abgedruckt werden können. Die Umrisse u. Schraffirungen, welche sich auf dem Papiere darstellen sollen, bleiben auf der Holzplatte erhaben, während die Stellen, welche auf dem Papiere weiß erscheinen sollen, auf der Holzplatte mit den Handgriffen der Formschneidekunst (s.d.) ausgeschnitten od. ausgestochen werden. Die Abdrücke von diesen Holzplatten, die Holzschnitte, haben mehr Kraft, aber nicht soviel Zartheit als die Kupferstiche; besonders ist die Punktirmanier der Kupferstecher für den Holzschneider sehr schwer erreichbar; dasselbe gilt auch von der Kreuzschraffirung, weshalb sie nur in günstigen Fällen zur Anwendung kommt. Doch lassen sich von einer Holzplatte weit mehr Abdrücke machen, als von einer Kupferplatte. Die Stempel von Metall u. Holz, welche schon das Alterthum kannte, mögen für die Erfinder das nächste Vorbild gewesen sein, das ihnen den Gedanken gab. Wie in anderen Künsten haben auch bei der H. die Chinesen das Recht, sich deren Erfindung u. früheste Anwendung zu vindiciren. Schon 581 n. Chr. wurde der Holztafeldruck in China allgemein ausgeübt. In Europa, wo die Erfindung selbständig gemacht werden mußte, sind als die Anfänge der Kunst die Spielkarten zu betrachten, welche nicht blos gemalt, sondern auch von hölzernen Platten abgedruckt u. dann nur ausgemalt wurden. Die Kartenmacher hatten für ihre Producte wieder die Vorbilder in der vertieften u. erhabenen Arbeit der Goldschmiede, zogen jedoch die letztere (die erhabene) wegen größerer Leichtigkeit des Abdrucks vor, u. entlehnten von den damals so gewöhnlichen Bildschnitzern anstatt des kostspieligeren u. nicht so leicht zu behandelnden Metalls das Holz. Sie schnitzten das abzudruckende Bild nach Art der Stempel verkehrt aus u. wurden so Formschneider u. Briefdrucker.

Wann die H. eigentlich erfunden wurde, dürfte schwer nachzuweisen sein. Nach Einigen soll sie ein Fiedler Namens Lodewyk van Vaelbeke in Brabant um 1312 erfunden haben, nach Anderen haben schon Alexander Albericus u. Isabella Cunio zu Ravenna die Thaten Alexanders des Gr. (vor 1287) auf Holztafeln geschnitten. Die ersten sicheren Spuren finden sich in Deutschland u. den Niederlanden, wo jedenfalls schon in den ersten Decennien des 15. Jahrh. der Holzschnitt zur Darstellung von Andachts- u. Heiligenbildern üblich war. Als ältester datirter Holzschnitt wird ein St. Christoph von 1423 angegeben; doch sind gegen diese Jahrzahl (ebenso wie gegen die Zahl 1418 auf einem Blatte der Brüsseler Bibliothek) Zweifel erhoben worden. Sicher steht das Jahr 1454 für einen St. Bernhardin auf der Pariser Bibliothek, der demnach schon in die Zeit des ersten Bücherdrucks fällt. Diesen einzelnen Blättern (mit od. ohne Schriften unter den Bildern) folgten bald ganze Fascikel u. Bücher, die von Holztafeln abgedruckt waren, auf welche Text u. Bilder in eine u. dieselbe Holzplatte geschnitten waren, während eine andere Gruppe blos in Holzplatten geschnittene Texte ohne Bilder enthielten. In letzter Weise wurden mehrere der beliebtesten Schulbücher des späteren Mittelalters, wie der sogenannte Donat u. das Doctrinale des Alexander Gallus, abgedruckt. Zahlreicher jedoch sind die Holztafeldrucke mit Bildern u. Text, deren man bereits an 34 kennt. Für das älteste unter denselben gilt die Biblia pauperum, die um 1429 angesetzt wird; andere populäre Bücher dieser Art waren das Speculum humanae salvationis, die Ars moriendi, der Todtentanz (s.d. a.) etc. Auch nach Erfindung der eigentlichen Buchdruckerkunst blieb der Holzschnitt der treue Begleiter derselben, da nur er mit Letternsatz zugleich abgedruckt werden kann, was beim Kupferstich nicht der Fall ist. Das nachweislich älteste gedruckte u. mit Holzschnitten illustrirte Buch sind Boner's Fabeln von 1461; erst 1467 erschienen die Meditationes des Turrecremata, 1472 De re militari des Valterinus, 1476 die Vita Christi zu Augsburg. Von den Holzschneidern dieser ältesten Periode, in welcher sich jedoch die Kunst rasch vervollkommnete, sind nur wenig Namen auf uns gekommen. Außer Gutenberg selbst ist zunächst Albrecht Pfister in Bamberg zu nennen; außerdem sind anzuführen Lupert Rüst um 1440; Coster aus Harlem, Ulrich Hua aus Ingolstadt, Fr. Walther aus Dünkelsbühl, Haus Hurning aus Nördlingen, Hans Sporer, Ludwig von Ulm, Nic. Finck, Joh. Schnizzer (Karten zum Ptolemäus), Georg Glockenton, Wolfgang Hamer etc. In den Arbeiten des sogenannten Meisters E. S., um 1480, erscheint der Holzschnitt schon auf sehr hoher Stufe. Während des 15. Jahrh. gehört übrigens diese Kunst noch ganz Deutschland u. den Niederlanden an, u. während des 16. Jahrh. konnten die Holzschneider des übrigen Europa nicht mit den Deutschen wetteifern. Die wichtigste u. vorzüglichste Pflegestätte fand die H. bei der Fränkischen Malerschule, in welcher zuerst Michael Wohlgemuth, dann Albrecht Dürer, Hans Burgkmair, H. Scheuffelin u. L. Tranach ganze Reihefolgen von Blättern in Holz schneiden ließen. Diese Maler haben jedenfalls eigenhändig nur wenig geschnitten, wie dieses namentlich von Dürer gilt, unter dessen Namen außer zahlreichen einzelnen größeren u. kleineren Blättern auch sieben ganze Holzschnittfolgen auf uns gekommen sind.[503] Die von Hans Holbein ausgegangenen herrlichen Holzschnitte waren ebenfalls nicht von ihm selbst geschnitten; sein Todtentanz wurde von dem Formschneider Hans Lützelburger, genannt Frank, ausgeführt. Von bedeutenderen Malern dieser ersten Blüthezeit (etwa 1480–1560) der H. hat blos Niklaus Manuel viele Holzschnitte selbst gefertigt. Die Holzschnitte der Fränkischen Schule sind vollkommen wiedergegebene Federzeichnungen, womit überhaupt der Holzschnitt gegenüber dem Kupferstich im Wesentlichen charakterisirt ist. Die Schraffirungen sind weich u. zart, die ganze Arbeit durchweg sein u. genau. Zu anderen trefflichen Arbeiten gehören die Holzschnitte Johann Pleydenwarss, ferner die Bilder zum Theuerdank u. Weißkunig, die Österreichischen Heiligen, Antons von Worms Ansicht von Köln (1531) u. viele andere Blätter, zum Theil von größtem Umfange.

Um diese Zeit entstand auch eine neue Manier im Schnitt; es finden sich Holzschnitte, welche schwarze Hintergründe haben mit weißen Punkten u. Sternchen, auch ließ man die Figuren ganz schwarz u. brachte die Effecte durch Punkte hervor. Mit Holzschnitten erster Art sind mehrfach Bücher, die zu Ende des 15. u. Anfang des 16. Jahrh. in Paris u. Lyon gedruckt worden, verziert. Gleichzeitig ist die Erfindung der zweifarbigen Abdrücke (Chiaroscuro) zu setzen, wozu man sich zweier Platten bediente; so in den Initialen der Donate Gutenberg's, ferner im Psalter von 1457. Vorzügliches in dieser Manier leisteten Hans von Kulmbach, Pilgrim (um 1500), Joh. Burgkmair; schon mit drei Farben druckte Joh. Schott (1513). Erst später fallen die helldunklen Blätter des Italieners Hugo da Tarpi (1520–30), dem seine Landsleute die Erfindung des Chiaroscuro zuschreiben; doch bleibt er der Erfinder der eigenen Manier, welche die Lichter ganz weiß läßt. Nach Carpi zeichnete sich Andreani in dieser Manier aus. Später nahm er drei Platten, deren erste die Schatten, die zweite die Mittelschatten, die dritte die Lichter gab. Auch die Kunst Holzklötze in Blei abzugießen u. dann von den Abklatschen abzudrucken, wurde schon zur damaligen Blüthezeit des Holzschnitts in Deutschland geübt. Nächst den Deutschen haben die Niederländer in demselben das Beste geleistet, unter ihnen sind Walther von Affen u. besonders Lucas von Leyden zu nennen. Antwerpen blieb lange hindurch der Hauptsitz dieser Kunst in den Niederlanden. Weniger bedeutend sind die Leistungen Frankreichs, wo man es sich angelegen sein ließ, sehr kleine u. zarte Bilder zu liefern; England u. Spanien bezogen ihren Bedarf an Holzschnitten zum größten Theil aus Deutschland, was auch nach dem Absterben der großen Meister, als die Kunst schon zu sinken begann, noch immer das eigentliche u. rechte Mutterland für dieselbe blieb. Die vorzüglichsten u. thätigsten Werkstätten besaßen Ulm, Nürnberg, Augsburg, Basel, Strasburg, Mainz, Frankfurt, Köln, Lübeck, Wittenberg etc. Im 16. Jahrh. war der Holzschnitt für alle Drucksachen ganz allgemein verbreitet, namentlich wenn sie für das Volk bestimmt waren, wie sie denn überhaupt bis in das 17. Jahrh. hierin fast die einzige bildliche Ausstattung der Drucke ausmachten. Eben dieser ungeheuere Bedarf u. die dadurch herbeigeführte Handwerksmäßigkeit in der Herstellung der Holzschnitte führten den Verfall der eigentlichen Kunst herbei. In dieser Zeit des Sinkens zeichneten sich noch aus Sigm. Feyerabend in Frankfurt, der eins Menge Xylographen, worunter Virgil Solis, Jost Aman u. Tob. Kimmer bildete; ferner Anton Hannas in Augsburg, Hans Weigel in Nürnberg, Wolfgang Stürmer in Leipzig etc. Etwas länger erhielt sich die Kunst in den Niederlanden aufrecht, wo noch Hubert Holzius zu nennen ist.

Als der Kupferstich rasch die Gunst des Zeitgeschmacks u. ungewöhnliche Ausbreitung als Illustration für den Druck gewann, sank die H. bald von ihrer Höhe herab u. gerieth während des Dreißigjährigen Krieges vollständig in Verfall. Erst gingen die Titel an den Kupferstich über, dann auch die illustrirenden Bilder; nur die Culs-de-Lampe u. die Vignetten verblieben dem Holzschnitt, der ganz handwerksmäßig betrieben wurde u. sich außerdem fast nur auf dieselben Erzeugnisse beschränkte, an welchen er zwei Jahrhunderte früher sich entwickelt hatte. Die hervorragendsten Namen aus dieser Zeit des Verfalls sind etwa noch Wilhelm Trandt, Paul Creutzberger, Jost Spörl, Elias Porcelius etc. In Italien wurde der H. fast nur von Dilettanten geübt, unter denen Zanetti den ersten Rang einnimmt. Eine gewisse Blüthe erreichte sie jedoch in Frankreich, wo die Le Sueurs, Roger, Papillon, Beugnet, Duplet als geschickte Xylographen gerühmt werden u. vielfach der H. mit dem Kupferstich verbunden wurde.

Die zweite Blüthezeit für den H. bildet das 19. Jahrh., bes. die Gegenwart. Bei der Möglichkeit, von einer Holzplatte sehr viele Abdrücke zu machen u. dieselben noch durch Abklatsche zu vermehren, war es der praktische Sinn der Engländer, dem die Xylographie die Wiederaufnahme u. bald von Neuem die allgemeinste Verbreitung verdankt. Der neuere Holzschnitt, ist mit wenigen rühmlichen Ausnahmen, nur auf die Illustration beschränkt, während dem Kupferstich, Stahlstich u. Steindruck alle Kunstleistungen, welche von der Buchdruckerkunst unabhängig sind, anheimfallen. Für den Begründer der neuesten englischen H. gilt T. Berwick (geb. 1753), auf welchem die Geschwister Byfield folgten. Nächstdem gedieh die H. in Frankreich zu neuer Blüthe, indem sich hier ein eigener Illustrationsstyl ausbildete, der mit größter Gewandtheit gehandhabt wird. Unter den ersten größeren Werken mit Illustration nimmt das Magasin pittoresque einen hohen Rang an; die neuere Französische Literatur ist überreich an illustrirten Prachtwerken aller Art. Deutschland war längere Zeit hindurch noch von den englischen u. französischen Holzschneidern abhängig, hat sich aber seit etwa zwei Decennien ganz selbständig gemacht u. in seinen Leistungen seine französischen u. englischen Vorgänger bereits nach mehreren Seiten hin übertroffen. Die Bahn zum neuen Aufschwunge hatte bereits im vorigen Jahrhundert Unger, Vater u. Sohn, gebrochen, während der Holzschnitt mit Gubitz (seit 1823) hier seine Auferstehung feierte. Die Schnitte Gubitz's in seinem Volkskalender zählen theilweise zu den trefflichsten in ihrer Art. Unter den jüngeren Berliner Meistern sind noch Neureuther, die Brüder Vogel u. Unzelmann mit Auszeichnung zu nennen; als die Spitze der Leistungen der Berliner Schule lassen sich die von Unzelmann u. mehrern seiner Schüler, namentlich Albert Vogel, nach Zeichnungen von Menzel geschnittenen Illustrationen[504] zur Prachtausgabe der Werke Friedrichs des Großen betrachten. Größere Ateliers bestehen jetzt in Leipzig, München, Dresden u. Wien, welche im Auftrage der Buch- u. Kunsthändler vollauf beschäftigt sind. Fast jede dieser Kunstwerkstätten hat sich einen eigenthümlichen Charakter zu wahren gewußt. Epochemachend wurde in Leipzig die Illustrirte Zeitung, welche zwar Anfangs auch viele fremde Arbeiten drucken, aber in ihren eigenen Leistungen durch den flüchtigen Zeitungszweck viel von dem Charakter der französischen Illustration annahm; letzterer ist bei fast allen Arbeiten Ed. Kretzschmar's mehr od. minder deutlich zu erkennen. Zu den werthvollsten Arbeiten des Letzteren gehört Gustav Adolfs Tod, welches große Bild den Eindruck eines Kupferstiches macht, die Abbildungen zu Overbecks Pompeji u. v. a. Von Leipziger Künstlern sind bes. noch Flegel, welcher nach Schnorrs Zeichnungen die Bilder zu Wiegands Bibel in Bildern schneidet, u. Laufer zu nennen. An der Spitze der Münchener Leistungen steht das Atelier von Braun u. Schneider, das sich mit den Fliegenden Blättern eine eigene Richtung schuf. Die Dresdner Künstler, welche sich auf die älteren Leistungen der Fränkischen Malerschule stützen, haben in Bezug auf freie künstlerische Behandlung u. das Anschmiegen an eine rein künstlerische Absicht das Trefflichste geleistet; die Schnitte Hugo Bürkners nach den Zeichnungen Ludwig Richters gehören zu den vollendetsten. In Wien hat Blasius Höfel einen Namen erworben. Auch Stuttgart, Darmstadt. Göttingen u. Köln hat in neuester Zeit einiges Vorzügliche geleistet.

Als Holz nahm man sonst Äpfel- u. Birnholz, jetzt nimmt man dies nur noch zum Kattundruck, zu Holzschnitten aber Buchsbaum, den man jetzt auf die hohe Seite, auf das Hirnholz, statt auf das Aderholz, setzt u. den Stock möglichst glatt hobelt. Man entwirft darauf die Zeichnung u. bedeckt dieselbe, um sie zu schonen, mit Papier. Der Buchsbaumklotz wird mit 10–18 verschiedenen Instrumenten, z.B. Meißeln, Grabsticheln, zum Ausstechen der weißen Stellen bearbeitet. Die Hauptverbesserung, welche die Xylographie in neuerer Zeit erfahren hat, besteht theils in der Anwendung vollkommenerer Instrumente u. Druckpressen, theils in der Erfindung, größere Platten künstlich herzustellen, indem mehrere kleinere Stücken zusammengeschraubt werden. Ist die Zeichnung auf der ganzen Tafel vollendet, so kann die letztere wieder zertheilt u. somit von verschiedenen Personen zu gleicher Zeit geschnitten werden, was von großer Wichtigkeit für den Bedarf der Zeitungen u. Zeitschriften ist. Einzelne gröbere Manipulationen, wie namentlich das Ausgraben größerer leerer (weißer) Flächen der Holzplatte, wird seit Kurzem auch durch Maschinen (Ausgährungsmaschinen) schneller u. besser verrichtet. Im Jahr 1857 gelang es dem Chemiker Lallemand, photographische Bilder direct auf dem Holze zu fixiren, so daß unmittelbar nach denselben geschnitten werden kann. Gute Landkarten sind durch Holzschnitt sehr schwierig herzustellen. In Zusammenhang mit der H. stehen die Chemitypie u. Glyphographie, s. b. Vgl. Papillon, Traité hist. et pratique de la gravure en bois, Par. 1766, 2 Bde.; Breitkopf, Versuch den Ursprung der Spielkarten, die Einführung des Leinenpapiers u. den Anfang der H. in Europa zu erforschen, Lpz. 1784–1804, 2 Bde.; Jansen, Essai sur l'origine de la gravure en bois, Par. 1804, 2 Bde.; Ottley, Inquiry into the origin and early hstory of engraving upon copper and in wood, Lond. 1816, 2 Bde.; Haller, Geschichte der H., Hamb. 1823; Jackson, An treatise on wood engraving, Lond. 1839; Passavant, Histoire de gravure en bois, Lpz. 1859; eine Sammlung schöner Holzschnitte enthält: Weigel, Holzschnitte berühmter Meister, Lpz. 1856.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 8. Altenburg 1859, S. 503-505.
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