Osnabrück [2]

[399] Osnabrück, 1) bis 1803 Hochstift, lag im Niederrheinisch-Westfälischen Kreise, war dem Erzstift Köln untergeben u. begriff 36 QM. mit 120,000 Ew. (zu Ende des 18. Jahrh.); zur geistlichen Jurisdiction des Bisthums gehörte außer O. die Grafschaften Tecklenburg u. Linge, ein Theil des (zum Stifte Münster gehörigen) Amtes Bevergern, das Emsland, das Amt Cloppenburg u. Vechte, Wildeshausen, ein großer Theil von Ostfriesland, Oldenburg u. Diepholz; bis zur Reformation auch ein Theil vom Mindischen, die ravensbergischen Ämter Engern u. Ravensberg nebst der Grafschaft Rittberg u. der Herrschaft Rheda. Das Hochstift wurde eingetheilt in die 7 Ämter Iburg, Fürstenau, Vörde, Hunteburg, Wittlage, Grönenberg u. Reckenberg; der Bischof war deutscher Reichsfürst u. seit 1648 abwechselnd katholischer u. evangelischer Confession, u. zwar letzter stets aus dem Hause Braunschweig-Lüneburg; er mußte das Regiment nach der Capitulation von 1650 führen, u. ihm stauden zur Seite ein geheimes Rathscollegium u. eine Land- u. Justizkanzlei; die Landstände waren das Domcapitel (bestehend aus 1 Propst, 1 Dechant u. 23 Capitularen), die Ritterschaft u. die Städte; die Erbbeamten des Hochstifts waren der Erblanddrost (die Freiherren von Bar) u. der Erbjägermeister (entweder die von Ledebur od. die von Münch); die Einkünfte des Bischofs' aus den Domänen beliefen sich auf 40,000 Thlr., wozu das Land noch 10,000 Thlr. contribuirte; 2) von 1803 bis 1857 Diöcese in Hannover, welche die ganze Landdrostei O. (s.d. 1) u. Ostfriesland umfaßte u. unter dem Bischof zu Hildesheim stand, welcher in O. einen Weihbischof als Generalvicar hatte; 3) seit 1857 Bisthum, welches den Bestand der früheren Diöcese umfaßt, wozu dem Bischof vom Papst noch seit 1858 das apostolische Vicariat über die katholischen Gemeinden in Norddeutschland u. Dänemark übergeben worden.[399] Das Bisthum O. wurde 783 von Karl dem Großen nach der Besiegung der Sachsen gestiftet; der erste Bischof war der Friese Wiho (st. 809). Ihm folgten: Meginhard (st. um 829); Goswin, hielt es mit Ludwigs des Frommen Söhnen u. er war es, welcher dem Kaiser bei der Buße in der Kirche zu Soissons mit eigenen Händen das Schwert von der Sene riß. Deshalb vertrieb ihn Ludwig der Deutsche u. gab einem benachbarten Grafen Cobbo den Schutz des Stiftes, welcher das geistliche Amt durch Gosbert verwalten ließ; dieser st. um 860; Egilmar st. 907; Dodo I. st. 949; Drogo st. 969; Ludolf st. 978 (983); Dodo II. st. 996 (993); Günther st. 1000; Wacholf st. 1003; Detmar st. 1023; Meginher st. 1028; Gosmar st. 1036 (1037); Alberich st. 1052; Benno I. st. 1067; Benno II. blieb dem Kaiser Heinrich IV. treu u. ward deshalb von Gregor VII. 1075 in den Bann gethan, von welchem er erst nach harter Buße losgesprochen wurde; er st. 1088. Marquard wurde 1092 abgesetzt; Wiho II. (Wido), verlegte, da unter ihm der Dom abbrannte, seinen Sitz nach Iburg u. st. 1101; Johann I. baute den Dom wieder auf; Gottschalk st. 1118. Den unter päpstlichem Einfluß vom Capitel gewählten Bischof Dethard (1119–1137) wollte Kaiser Heinrich V. nicht anerkennen u. ernannte selbst den Dompropst Konrad in Hildesheim zum Bischof; darüber kam es zu einer Fehde, in welcher bis 1122 die Güter des Bisthums schrecklich verwüstet wurden; mit des Kaisers Tode 1125 kam Dethard in ungestörten Besitz des Bisthums. Von dieser Zeit an wählte das Capitel selbst den Bischof, woraus häufig Streitigkeiten u. Doppelwahlen hervorgingen. Udo, Dethards Nachfolger, st. 1141; Philipp (1141–1173) hatte bereits Erbämter, u. unter ihm wurde der 300 jährige Streit zwischen dem Bischof von O. u. dem Abt von Corvey wegen, von Letzterem unrechtlich an sich gezogenen Zehntens 1158 beigelegt. Arnold, Graf von der Mark (st. 1191), erhielt von seinem u. des Kaisers Bundesgenossen, dem Erzbischof von Köln, Melle, Riemschloe u. Nauenkirchen aus den Besitzungen Heinrichs des Löwen für das Bisthum. Gerhard, Graf von Oldenburg, trat auf die Seite des Kaisers Philipp von Schwaben u. kam dadurch in Verdrießlichkeit mit dem Capitel, bis er Philipps Partei wieder verließ; er wurde 1216 Bischof von Bremen u. sein Nachfolger war Adolf, Graf von Tecklenburg, welcher 1224 starb. Engelbert I., Graf von Isenburg, war im Verdacht, an der Ermordung des Erzbischofs Engelbert von Köln Theil genommen zu haben, u. wurde deshalb nicht vom Papst anerkannt, sondern mußte 1227 Konrad I., Herrn von Velberg, weichen. Dieser legte Silberbergwerke in Hügel u. Stêrtenbrinck an u. lag lange mit den Grafen von Tecklenburg in blutiger Fehde, bis 1236 unter münsterscher Vermittelung ein Friede zu Stande kam; er st. 1238. Engelbert I. Graf von Isenburg, st. 1250; Bruno, Bruder des Vor., st. 1258; Engelbert, Graf von der Marck, wurde 1264 gewählt, aber 1265 wieder verworfen; Balduin von Russel st. 1265; Wedekind, Graf von Waldeck, st. 1268; Konrad II., Graf von Rittberg, st. 1297; Ludwig, Graf von Ravensberg, mit welchem wahrscheinlich zuerst eine Capitulation errichtet wurde u. welcher Konraden von Bergen auf dem Halerfelde 1306 besiegte, aber in Folge einer hier empfangenen Wunde starb. Engelbert II. (st. 1321) fing das Schloß Wittlagen zum Schutz des Stiftes zu bauen an, welches Gottfried, Graf von Arnsberg (st. 1363), vollendete. Johann II. war vom Papst gewählt, stand daher nicht gut mit dem Capitel; er gerieth tief in Schulden u. verlor sein Ansehen, daß. er sich Dietrich, Grafen von der Marck, zum Administrator wählte, welcher die Finanzen des Stiftes wieder verbesserte, aber nach Johanns Tode 1366 nicht folgte, sondern der Papst wählte Melchior, Herzog von Braunschweig-Lüneburg; da dieser an Dietrich 2100 Mark für seinen Aufwand bei Verwaltung des Stiftes zahlen mußte, sah er sich genöthigt viele Stiftsgüter zu versetzen. 1373 wurde er von dem Grafen von Hoya gefangen, u. Dietrich übernahm die Administration bis zur Auslösung des Bischofs wieder. Als Melchior 1376 Bischof von Schwerin wurde, wählte das Capitel einen anderen Dietrich. Dieser mußte noch mehr Stiftsgüter versetzen, hatte lange Fehden mit dem Grafen von Tecklenburg u. st. 1402. Heinrich I., Graf von Holstein-Schaumburg, abdicirte 1404; Otto, Graf von Hoya, tilgte die Schulden seiner Vorfahren u. st. 1424; Johann III., Graf von Diepholz, mußte das Bekenntniß ausstellen, daß er von dem Capitel, der Ritterschaft des Stiftes u. dem Rath der Stadt O. gewählt sei, u. st. 1437. Erich I., Graf von Hoya, verband sich mit den Herzögen von Braunschweig u. dem Bischof von Minden gegen Stift u. Stadt O., welche beide ihm feindlich waren, wurde aber 1441 besiegt u. resignirte 1442; Administrator wurde Heinrich II. von Moers, welcher Theil an der Soester Fehde für Köln nahm u. 1450 starb; die nach ihm gewählten Bischöfe Albert, Bruder des abgesetzten Bischofs Erich, u. Rudolf, Graf von Diepholz, kamen nicht zur Regierung, da jener nicht vom Papst bestätigt wurde u. dieser schon 1454 starb; 1455 wurde Konrad III., Bruder Rudolfs gewählt, der bis 1482 regierte. Konrad IV., Graf von Rittberg, welcher durch seinen Krieg mit dem Herzog von Braunschweig in tiefe Schulden gerieth, verließ 1486 O., indem er dem Domcapitel die Verwaltung des Stiftes übergab, u. diente dem Herzog von Brandenburg als Rath bis 1496, wo er auch Bischof von Münster wurde, er st. 1508. Erich II., Herzog von Braunschweig, seit 1508 auch Bischof von Paderborn, hinderte die Reformation in O. nach Kräften, u. es kam darüber 1525 zu einem Kampf der Stadt gegen die Domherren, in welchem Letztere aus der Stadt fliehen mußten. 1531 wurde Erich auch Bischof von Münster, starb aber kurz darauf. Unter Franz, Grafen von Waldeck, welcher zugleich Bischof von Minden u. Münster war, brachen die Unruhen der Wiedertäufer in Münster (s.d.) aus, die aber in O. wenig Anklang fanden, dagegen geschah 1543 mit des Bischofs Erlaubniß die Einführung der Reformation in O., u. 1544 trat der Bischof dem Schmalkabdischen Bunde bei. Da er 1548 deswegen abgesetzt werden sollte, trat er äußerlich wieder zur alten Kirche zurück u. st. 1553. Johann IV., Graf von Hoya, wurde 1566 auch Bischof in Münster u. 1568 in Paderborn u. st. 1574. Heinrich III., Herzog von Sachsen-Lauenburg, zugleich Erzbischof von Bremen, wurde 1577 auch Bischof in Paderborn u. st. 1585; Wilhelut von Schecking starb vor Antretung der Würde, u. an seine Stelle wurde Bernhard, Graf von Waldeck, gewühlt. Beim Abfall der Niederlande von Spanien litt das dem Kampfplatze nahe gelegene Stift sehr durch beide Parteiett, [400] Bernhard war der Reformation zugethan u. st. 1591. Philipp Sigismund, Herzog von Braunschweig-Lüneburg, Bischof in Verden, war evangelisch; unter ihm. verbreitete sich seit 1622 auch der Dreißigjährige Krieg nach dem Stifte O.; er st. 1623; Eitel Friedrich, Graf von Hohenzollern-Sigmaringen, war wieder katholisch, starb aber schon 1625. Sein Nachfolger war Franz Wilhelm, Graf von Wartenberg. Da der König Christian von Dänemark die Wahl seines Sohnes gewünscht hatte, so ließ er in das Stift Kreistruppen rücken. Der Bischof führte 1628 die katholische Religion wieder in O. ein, wurde auch 1629 Bischof von Minden u. 1630 in Verden. 1632 wurde das Stift von den Schweden besetzt u. 1634 Gustav von Wasaburg, einem natürlichen Sohne Gustav Adolfs, übergeben; erst im Westfälischen Frieden erhielt Franz. Wilhelm 1648 O. zurück. Dabei wurde festgesetzt, daß das Bisthum abwechselnd einen katholischen u. einen evangelischen Bischof haben solle, u. daß das Domcapitel jenen entweder aus seiner Mitte od. auch einen fremden postuliren könne, diesen aber aus dem Hause Braunschweig-Lüneburg, u. zwar aus den Nachkommendes Herzogs Georg u. nach deren Abgange aus der Nachkommenschaft des Herzogs August, postuliren solle. Während der Zeit, daß ein Evangelischer Bischof wäre, sollte die Ausübung der geistlichen Gerechtsame dem Kurfürsten von Köln als Metropoliten übertragen werden. Als Franz Wilhelm 1661 starb, wurde Ernst August I., Sohn des Herzogs Georg von Braunschweig, gewählt. Dieser verlegte die bischöfliche Residenz von Iburg nach O., wo er das Schloß bauen ließ; als ihm 1680 das Fürstenthum Kalenberg zufiel, zog er nach Hannover u. vertraute die Regierung des Stiftes dem Geheimen Rathe an; er st. 1698. Nach ihm wurde Karl, Sohn des Herzogs Karl Leopold von Lothringen, gewählt, welcher. 1716 in Wien starb; Ernst August II., Sohn Ernst Augusts I., von seinem Bruder, König Georg I. von Großbritannien, zum Herzog von York ernannt, war ein frommer u. wohlthätiger Mann u. st. 1728; unter Clemens August, Kurfürst von Köln u. Bischof in Münster, Paderborn u. Hildesheim, wurde O. in alle Übel des Siebenjährigen Krieges verwickelt; er st. 1764, u. ihm folgte Friedrich, Sohn des Königs Georg III. von Großbritannien; da er (geb. 16. Aug. 1763) erst 1/2 Jahr alt war, so ließ der König einstweilen die Regierung des Hochstiftes durch königliche Räthe führen, bis sie Friedrich 1783 selbst antrat. Er vermählte sich 1791 mit Friederike, Tochter des Königs Friedrich Wilhelm II. von Preußen; er war der letzte Fürstbischof, denn 1803 wurde das Hochstift säcularisirt u. kam mit anderen Besitzungen an Preußen; das Domcapitel wurde aufgehoben u. die Diöcese in geistlicher Hinsicht mit dem Bisthum Hildesheim vereinigt. 1807 wurde O. durch den Tilsiter Frieden zum Königreich Westfalen geschlagen, 1810 zu Frankreich, u. zwar zum Departement Ober-Ems, u. 1815 zu Hannover. Im April 1857, wurde O. als Bisthum wieder hergestellt, das neue Stift besteht aus dem Dechanten, 6 Domherren u. 4 Vicaren, der erste Bischof war Paul Melchers, dessen feierliche Installation im April 1858 durch den Bischof von Hildesheim erfolgte. Vgl. I. E. Stüve, Beschreibung des Hochstifts O., Osnab. 1789; C. G. A. Stüve, Geschichte des Hochstifts, O., Jena 1853.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 12. Altenburg 1861, S. 399-401.
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