Peloponnesischer Krieg

[791] Peloponnesischer Krieg. Die tiefer liegende Ursache dieses von 431–404 v. Chr. geführten Krieges zwischen den griechischen Staaten ionischen u. dorischen Stammes, lag in der großen Machtentfaltung Athens durch die allmälig errungene Herrschaft über die Seestaaten u. dem Bestreben des davon frei gebliebenen Korinth seine Selbständigkeit zu behaupten, zu welchem Ende sich Korinth mit Sparta verband. Die nächste Veranlassung zum Ausbruch des Kriegs kam aus einem Streite zwischen Korkyra u. Korinth. Korkyra nämlich, Colonie von Korinth, wurde in Kurzem[791] Nebenbuhlerin seiner Mutterstadt in Handel u. Schifffahrt u. legte selbst Colonien an, unter anderen Epidamnos. Die Epidamnier, von den Taulantiern u. ihren eigenen ausgetriebenen aristokratischen Mitbürgern angegriffen, suchten 436 bei den Korkyräern Hülfe. Da diese aber aus Eifersucht auf den Tochterstaat u. aus Sympathie für die Aristokraten zögerten, wandten sich die Epidamnier an Korinth. Als die Korinthier ihnen nun 435 eine Flotte von 75 Schiffen mit 2000 Hopliten schickten, griffen die Korkyräer zu den Waffen, besiegten die korinthische Flotte, nahmen Epidamnos ein u. drohten mit einer Landung im Peloponnes. Dies veranlaßte die Korinther, den Peloponnes zu bewaffnen, wogegen die Korkyräer in Athen um ein Defensivbündniß baten, welches auch zwischen beiden Staaten abgeschlossen wurde. Als nun die korinthische Flotte 432 die Korkyräer wieder angriff u. schlug, so erschienen 20 athenische Schiffe als Hülfe der Korkyräer, wodurch die weiteren Operationen der Korinther gehindert wurden. Diese erklärten dies für Bundbrüchigkeit u. reizten die den Athenern unterthänigen Bottiäer u. Chalkidier zur Empörung. Doch eine gegen Potidäa geschickte Flotte siegte durch Kallias u. belagerte die Stadt. Indeß hatte Potidäa Gesandte an Korinth, Sparta, Megaris u.a. den Athenern feindliche Staaten geschickt u. um Hülfe gebeten. Abgeordnete dieser Staaten versammelten sich in Sparta, klagten über den Despotismus der Athener, womit diese ganz Griechenland bedrohten, u. beschlossen Krieg, schickten jedoch erst eine Gesandtschaft mit den Forderungen nach Athen, daß die Athener die Belagerung von Potidäa u. die Handelssperre gegen Megara aufheben, Ägina frei geben, alle verbündeten Inseln für unabhängig erklären u. alle Nachkommendes Kylon (zu denen auch Perikles gehörte) aus Athen verbannen sollten. Aber die Athener wiesen auf den Rath des Perikles, welcher ihnen die Hülfsquellen des Staates u. die Schwäche des Feindes zeigte u. zugleich die Ehrliebe seiner Mitbürger aufregte, diese Bedingungen ab, u. so begann der P. K. zu Anfang des Jahres 431 v. Chr.

Sparta u. Athen bildeten die Hauptparteien im Kampfe. Auf der Seite der Athener waren die Inseln Chios, Lesbos, alle Inseln des Archipelagos (außer Thera u. Melos, welche neutral blieben), Korkyra, Zakynthos, die griechischen Colonien in Vorderasien u. an den Küsten von Thracien u. Macedonien, in Griechenland selbst Naupaktos u. Platää; zweifelhaft war der Beistand des macedonischen Königs Perdikkas u. des thracischen Fürsten Sitalkes. Athen konnte 30,000 Schwerbewaffnete u. 300 Kriegsschiffe stellen, hatte auch großen Geldvorrath u. gute Steuerkräfte, aber seine Bundesgenossen waren unzuverlässig, weil sie meist von ihm hart bedrückt waren. Die Verbündeten der Spartaner waren alle Peloponnesier (ausgenommen die neutral bleibenden Staaten Argolis u. Achaia, von denen auch einige Städte es mit Athen hielten), Megara, Lokris, Phokis, Böotien, die Städte Ambrakia u. Anaktorion u. die Insel Leukas. Aber ihre Kriegsmacht war unbeholfen, ihre Flotte schwach u. es fehlte ihnen an Geld. Die Thebaner begannen die Feindseligkeiten, indem sie das mit Athen verbündete Platää überfielen. Als die Athener sich ihrer Bundesgenossen annahmen, drang ein peloponnesisches Heer unter Archidamos in Attika ein, belagerte Önoe, Grenzfestung Attikas gegen Böotien, u. verwüstete Attika bis 60 Stadien von der Stadt. Die Athener dagegen zogen sich in ihre Stadt zurück, plünderten u. verwüsteten aber die Küsten des Peloponneses u. vertrieben die Ägineten, welche die Spartaner in Thyrea aufgenommen hatten, mit ihrer Flotte u. nöthigten so 430 die Peloponnesier zum Rückzug. Inzwischen brach in Athen 430, durch griechische Kaufleute aus Ägypten u. Kleinasien nach dem Piräeus gebracht, die Pest aus, welche, trotz den Bemühungen des Hippokrates, in den Mauern desselben wüthete. Deshalb schickten die Athener des Friedens wegen Gesandte an die Spartaner, doch wurden diese abgewiesen, da die Spartaner schon mit den Persern Unterhandlungen wegen einer Verbindung gegen Athen angeknüpft hatten. Zu Anfang des Jahres 429 nahmen die Athener Potidäa u. siegten unter Phormio in dem westlichen Meere. Aber die Pest wüthete in Athen fort u. raffte endlich auch den Perikles, die Seele des Staates u. den Hauptunterhalter des Krieges, dahin, worauf leichtsinnige Führer, namentlich der ungestüme Demagog Kleon, an die Spitze kamen. Lesbos fiel (die Stadt Methymna ausgenommen) ab, die Verheerungen Attikas wurden jährlich wiederholt, die Bundesgenossen mit schweren Steuern wegen der neuen Rüstungen gedrückt. Zwar eroberten die Athener unter Paches 427 die Stadt Mytilene (s. Metelino), dagegen mußte sich Platää an die Thebaner u. Spartaner ergeben. Die Athener schwächten auch ihre Kräfte für diesen Krieg, indem sie sich in die sicilischen Angelegenheiten mischten u. 426 den Leontinern eine Flotte unter Laches zur Hilfe gegen Syrakus schickten. Im Jahr 425 unterblieben die Einfälle der Spartaner in Attika, da dieselben durch allerhand Unfälle im eigenen Lande gehalten wurden; in dem westlichen Meere wurde die athenische Flotte unter Demosthenes von den Ätolern bei Ägition geschlagen, entsetzte aber Naupaktos u. schlug die Peloponnesier unter Eurylochos bei Olpä. Dann eroberte Demosthenes den Hafen Pylos im spartanischen Gebiet, schlug die Spartaner u. schloß dieselben auf Sphakteria ein; Sparta knüpfte Unterhandlungen an, aber der inzwischen in Athen an die Spitze gekommene Demagog Kleon zwang den Rest der Spartaner auf Sphakteria sich zu ergeben. Die Spartaner baten jetzt um Frieden, aber Kleon verlangte Fortsetzung des Kriegs. Die Athener eroberten unter Nikias 423 Kythera u. Thyrea, machten aber vergebliche Angriffe auf Megara u. Böotien u. wurden durch die Böotier bei Delion, um welches sie mit diesen stritten, geschlagen. Von jetzt an unterließen die Spartaner die Einfälle in Attika gänzlich u. griffen die Athener in Thracien an u. besiegten sie 422 bei Amphipolis, wo Kleon fiel. Nun kam 421 der Friede durch Nikias zwischen Sparta u. Athen zu Stande; er sollte 50 Jahre dauern u. den Zustand vor dem Kriege wieder herstellen, die Bundesgenossen der Athener aber frei sein u. nur die früheren, von Aristides bestimmten Beiträge zu gemeinschaftlicher Vertheidigung bezahlen. Allein der Friede war nur von kurzer. Dauer, theils weil Athen u. Sparta gegenseitig zauderten, die Bedingungen desselben zu erfüllen, theils weil die Bundesgenossen den Frieden nicht annahmen u. Mantinea, Korinth u. Elis, mit Argos an der Spitze, einen neuen Bund schlossen. Auch die Spannung zwischen Athen u. Sparta dauerte fort, vornehmlich sachte Alkibiades, welcher[792] seit 420 v. Chr. das Staatsruder von Athen in die Hände bekam, die Zwietracht von Neuem an, Athen zog den Bund von Argos auf seine Seite u. half demselben gegen Sparta u. Arkadien; da jedoch die Peloponnesier bald Athens Arglist u. Absicht auf ihre Halbinsel bemerkten, schlossen sie sich wieder Sparta an.

Nun wollten die Athener Sicilien erobern, unter dem Vorwande, den Segestanern gegen Syrakus zu Hilfe zu kommen. Eine Flotte pont 100 Schiffen unter Alkibiades, Lamachos u. Nikias segelte 415 v. Chr. nach Sicilien. Aber kaum hatten die Operationen daselbst angefangen, so wurde Alkibiades wegen eines vor seinem Abzuge begangenen Frevels an den öffentlichen Heiligthümern. (s.u. Alkibiades) nach Athen zurückberufen, floh aber, um der Strafe zu entgehen, nach Sparta. Bald hierauf nahmen sich die Spartaner des bedrängten Syrakus an, ihre Schiffe erschienen bei Sicilien, u. die Athener siegten zwar zu Wasser, allein ihre Flotte wurde in den Hafen, von Syrakus eingeschlossen u., als sie sich durchschlagen wollte, gänzlich aufgerieben u. die aus Land sich flüchtende Mannschaft theils gefangen, theils getödtet, 413 v. Chr. Während Athen auf diese Art seine Kräfte vergeudete u. zwei seiner schönsten Flotten verlor, wurde Sparta eine Seemacht. Auch in Griechenland war der Krieg wieder ausgebrochen u. waren die Spartaner, von dem zu ihnen geflüchteten Alkibiades geleitet, siegreich. Sie schlugen das attische Heer u. eroberten die Grenzfestung Dekelea, 413 v. Chr. Fast alle Bundesgenossen der Athener fielen jetzt zu den Spartanern ab u. sogar die Perser wurden von diesen gegen die Athener gewonnen. Aber Alkibiades, aus Sparta ausgewiesen, ging 411 nach Asien u. hielt den Tissaphernes von der Unterstützung der Spartaner ab, knüpfte auch mit dem Befehlshaber der athenischen Flotte bei Samos wieder Verbindungen an, in deren Folge er nach Athen zurückgerufen wurde u. mit Thrasybulos u. Thrasyllos das Commando erhielt. Die Athener siegten 410 bei Abydos, vernichteten unter Mindaros bei Kyzikos die ganze 60 Schiffe starke Flotte der Peloponnesier u. Phlugen dann auch das spartanische Heer zu Lande. 409 machten die Spartaner Friedensanträge, welche aber auf den Rath Kleophons abgewiesen wurden. Zwar eroberten die Spartaner Pylos wieder, aber. Alkibiades war fortwährend mit der Flotte glücklich, nahm Chalkedon, Selymbria u. Byzanz u. wurde 407, nach der Rückkehr in seine Vaterstadt, alleiniger Oberfeldherr mit unbeschränkter Macht. Ihm gegenüber stellten die Spartaner den Lysander an die Spitze ihrer Streitmacht, erhielten nun auch Hülfe von den Persern u. schlugen die athenische Flotte während der Abwesenheit des Alkibiades unter Astyochos bei Ephesos. Aber eine Kabale nöthigte den Lysander den Befehl an Kallikratides abzutreten; auch Alkibiades war wieder, wegen der Niederlage bei Ephesos, von den Athenern abgesetzt u. zehn Feldherrn, unter ihnen Konon, auf die Flotte geschickt worden. Die Spartaner schlossen die athenische Flotte in den Hafen von Mytilene ein, wurden aber, da sie einer den Athenern zu Hülfe geschickten Flotte entgegenzogen, 406 bei den Arginusä geschlagen. Als aber hierauf Lysander sogleich auf seinen Posten zurückgerufe wurde, so eroberte er Lautpsakos u.a. Küsteustödje u. vernichtete 405 die athenische Flotte bei Ägos Potamos; darauf zog er, während Agis zu Lande von Dekelea vorrückte, mit der Flotte vor Athen u. nach viermonatlicher Belagerung wurde der Friede mit den Athenern durch Theramenes verhandelt; im Mai 404 capitulirte Athen, die langen Mauern mußten niedergerissen, die Schiffe bis auf zwölf ausgeliefert, statt der demokratischen eine aristokratische Verfassung eingeführt u. der Besitz der Colonien aufgegeben werden. An Athens Stelle erhielt nun Sparta die Hegemonie in Griechenland. Den P. K. (bis 411) hat Thukydides beschrieben.

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Pierer's Universal-Lexikon, Band 12. Altenburg 1861, S. 791-793.
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