Edinburg [1]

[377] Edinburg (Edinburgh, hierzu der Stadtplan), Hauptstadt Schottlands sowie der schott. Grafschaft Edinburghshire oder Mid-Lothian und selbst besondere Grafschaft, liegt fast 3 km südlich vom Firth of Forth, unter 55°57´23´´ nördl. Br., 3°10´49´´ westl. L. (Sternwarte), am rechten Ufer des in einem tiefen Tale dem Meere zuströmenden Water of Leith (s. Plan) und bedeckt ein Areal von 2475 Hektar.

Wappen von Edinburg.
Wappen von Edinburg.

Der größere Teil der Stadt liegt auf drei von O. nach W. laufenden Höhenzügen, deren mittlerer mit dem steil abfallenden, 133 m hohen Hügel endet, auf dem das Schloß steht. Der südliche Höhenzug erstreckt sich nach O. bis zum Fuß der steil abfallenden Salisbury Craigs, hinter denen der malerische basaltische »Arturssitz« zu einer Höhe von 250 m ansteigt. Der nördliche Höhenzug schließt sich östlich an den bereits von Straßen umgürteten Calton Hill (92 m) an. Die Täler, welche die genannten Höhenzüge voneinander trennen, werden von Brücken überspannt, welche die einzelnen Stadtteile verbinden.

Die Altstadt, der eigentliche Kern Edinburgs, nimmt den mittlern Höhenzug ein und erstreckt sich vom Schloß (castle) bis zu dem 1,6 km entfernten Palast von Holyrood im O. Sie zeichnet sich durch die ungemein hohen Häuser von zehn und noch mehr Stockwerken und durch die engen Gassen aus, die sich zu beiden Seiten der Hochstraße an den Abhängen hinziehen. Letztere heißen Close, wenn sie zu eng für Fuhrwerke sind, Wynd, wenn sie dieselben zulassen. In der Altstadt befinden sich die älteste Kirche der Stadt (St. Giles), das alte Parlamentsgebäude, die Bank von Schottland, die Stadthalle und andre öffentliche Gebäude, ferner das Haus des Reformators John Knox (von 1490) in der Hochstraße. Durch ein Tal, in dem die Cowgate (»Kuhtor«) genannte Straße hinläuft und der alte Grasmarkt liegt, wird diese Altstadt von einem neuern Stadtteil im S. getrennt. Zwei Viadukte, die 1785–88 gebaute Südbrücke und die 1821–36 erbaute Brücke Georgs IV., verbinden die beiden Stadtteile. Die wichtigsten Gebäude sind hier: das Universitätsgebäude, das Gewerbemuseum, das Royal Infirmary (Krankenhaus) und Heriot's Hospital (1628–50). Südlich erstreckt sich die Stadt bis zu dem the Meadows (»die Wiesen«, bis Anfang des 19. Jahrh. ein See) genannten Park, jenseit dessen die Links und die modernen Vorstädte Newington, Merchiston und Morningside liegen. Die eben beschriebenen Stadtteile sind seit dem Bau der nördlichen Neustadt den weniger wohlhabenden Klassen überlassen worden.

Die Neustadt entstand seit 1767. Ein tiefes Tal, ehemals ein künstlicher See, North Loch (Nor' Loch, 1450 von David II. angelegt), trennt sie von der Altstadt. Es wurde seit 1763 entwässert und 1816–30 in Gärten (Princes Gardens) verwandelt, durch die sich die Eisenbahn zieht, deren Hauptbahnhof Waverley Station dort liegt. Ein 50 m breiter, 295 m langer Damm (the Mound), die 1767–72 erbaute Nordbrücke und die Waverleybrücke stellen die Verbindung zwischen den zwei Stadtteilen her. Auf dem Damme stehen die in griechischem Geschmack 1823–1836 erbaute Royal Institution und die Nationalgalerie (1850–58). Nördlich wird das Tal durch die prächtige Princes Street abgeschnitten, die nach dem Caltonhügel zu in dem Waterloo Place ihre Fortsetzung findet. Hier liegen viele stattliche Gebäude (wie das neue Postamt, das Archiv u.a.) und in der Nähe das 1844 errichtete, durch einen 60 m hohen gotischen Baldachin geschützte Denkmal Sir Walter Scotts (von G. M. Kemp), die Standbilder Wellingtons, des Philosophen John Wilson (Christopher North), des Dichters Allan Ramsay, des Reisenden Livingstone u.a. Nördlich von Princes Street breitet sich die Neustadt aus, mit geraden, breiten Straßen, großen öffentlichen Plätzen und imposanten Häusern. St. Andrew Square, der Mittelpunkt des Verkehrs, mit mehreren Banken, einer 46 m hohen Säule mit dem Standbild Lord Melvilles und einem Denkmal des Grafen Hopetoun steht vermittelst der George Street mit Charlotte Square in Verbindung. An letzterm liegt eine der schönsten Kirchen der Stadt (St. George), und in seiner Mitte steht ein Standbild des Prinzen Albert (von Steell); die George Street zieren die Denkmäler Pitts, Chalmers' und Georgs IV. Weiter nördlich liegen Queen Street Gardens und der achteckige Morayplatz, der mit seinen Nebenstraßen die schönsten Wohngebäude der Stadt enthält. Westlich davon führt eine 117 m lange Brücke in 32 m Höhe über das tiefe Tal des Leith nach der jenseits gelegenen Vorstadt Dean. Unter den auf dem Caltonhügel errichteten Denkmälern zeichnet sich das »Nationalmonument« zur Erinnerung an die Kämpfe von Waterloo aus. Es sollte eine getreue Nachahmung des Parthenons werden, ist aber unvollendet geblieben. Außerdem stehen hier eine 31 m hohe Nelsonsäule, ein Denkmal Dugald Stewarts (Nachbildung des choragischen Monuments) und eine Bildsäule Playfairs. Am Fuße des Hügels, vor der High School, erhebt sich ein Denkmal für Robert Burns in Gestalt eines griechischen Rundtempels mit Brustbild von Chantrey.

E. zählt 161 gottesdienstliche Gebäude, von denen 38 der schottischen Hochkirche, 43 der Freikirche, 20 der protestantischen bischöflichen Kirche, 6 (nebst Kloster) den Katholiken und 54 verschiedenen protestantischen Gemeinden angehören. Von diesen Kirchen stammt die von St. Giles, mit schönem, 49 m hohem Turm, aus dem 14. Jahrh., die 1871–83 auf Kosten des Verlegers Chambers restauriert worden ist. An der Ostseite ist das 1885 wiedererrichtete Marktkreuz bemerkenswert, von dem aus die Wappenkönige die Eröffnung des Parlaments kundtun. Außerdem verdienen Erwähnung die Thronkirche (1637–63 erbaut) und die 1874–79 erbaute protestantische Kathedrale (St. Mary's) mit drei Türmen, von denen der mittlere eine Höhe von 90 m erreicht.

Unter den Profanbauten der Stadt fesselt zunächst das Schloß die Aufmerksamkeit. Dasselbe bedeckt einen Flächenraum von 2,5 Hektar und wird von der Stadt durch eine freie Esplanade (früher Richtplatz, jetzt Paradeplatz) getrennt, auf der ein Denkmal des Herzogs von York steht. Das Schloß nimmt die Stelle der von den römischen Kaisern Hadrian und Septimius Severus erbauten Alata castra (griech. Stratopedon pteroton) ein. Mit Ausnahme der aus dem 11. Jahrh. stammenden Kapelle der heil. Margareta ist kein Teil des Schlosses älter als das 15. Jahrh. Man zeigt hier das Staatsgefängnis, das Zimmer, in dem Maria Stuart Jakob I. gebar, die alte Parlamentshalle (wohl 1434 erbaut, 1887 von W. Nelson restauriert), die schottischen Kroninsignien und eine um 1455 geschmiedete Riesenkanone. Das Schloß enthält Kasernen und ein Zeughaus. Neben der Kirche St. Giles, in der Hochstraße, steht das 1632–40 erbaute ehemalige Parlamentshaus, das jetzt Sitz[377] der obersten Gerichtshöfe des Landes ist (über die dort befindlichen Bibliotheken s. unten), und daneben die Grafschaftshalle, ein dem Erechtheion und dem choragischen Monument des Thrasyllos nachgeahmter klassischer Bau, dem gegenüber das Rathaus mit Börse liegt. Der Hochstraße und Canongate in östlicher Richtung entlang, gelangt man zu dem seit 1528 erbauten Holyroodpalast, vormaliger Residenz der schottischen Könige, 1850 restauriert und zweimal von Karl X. von Frankreich als Flüchtling bewohnt. Nur ein kleiner Teil des ursprünglichen Baues ist noch vorhanden; der schöne, von Säulenhallen umgebene Hof stammt aus der Zeit Karls II. und wurde erst im 19. Jahrh. vollendet. Die Ruinen der im 12. Jahrh. erbauten Kirche der 1128 gestifteten Abtei von Holyrood stoßen nordöstlich an den Palast an. In der Neustadt, am obern Ende von Princes Street, stehen das Archiv (Register office) und das 1861 in neuitalienischem Stil erbaute Postamt, ferner in Queen Street die neue Nationalporträtgalerie, die 1885–90 im italienischen Stil des 14. Jahrh. erbaut wurde (zugleich das Altertumsmuseum und die Räume der Geographischen Gesellschaft enthaltend).

Die Bevölkerung ist von 263,646 Seelen im J. 1891 auf 316,479 im J. 1901 angewachsen; mit Leith und Granton aber, seinen eng mit der Stadt verbundenen Hafenstädten, zählt E. ca. 394,000 Einw. E. kann weder als bedeutende Handelsstadt noch als Fabrikstadt gelten, trotz seiner großen Brauereien, Druckereien, lithographischen Anstalten und Buchbindereien. Es verdankt seine Blüte wesentlich den Gerichtshöfen und den zahlreichen öffentlichen Schulen. Ungemein groß ist die Zahl der wohltätigen Anstalten, die fast insgesamt dem Bürgersinn reicher Stifter ihre Entstehung verdanken. Unter ihnen ragen hervor: das 1879 eröffnete Krankenhaus (Infirmary), Chalmers' Hospital, eine Gebäranstalt, ein Irrenhaus, mehrere Blinden- und Taubstummenanstalten, 2 Waisenhäuser, Besserungsanstalten, Asyle für Obdachlose und für gefallene Mädchen, 2 städtische Armenhäuser, mehrere große Bildungsanstalten, als Watson's College, Heriot's Hospital, Donaldson's Hospital u.a.

Unter den zahlreichen Bildungsanstalten verdient die 1582 von Jakob VI. gegründete Universität zuerst genannt zu werden. Das jetzige Universitätsgebäude wurde 1789–1827 nach dem Entwurf Rob. Adams erbaut und 1887 mit einer Kuppel geschmückt; es umschließt einen großen viereckigen Hofraum und hat einen schönen Portikus von dorischen Säulen. Ein seit 1878 errichteter, südwestlich vom alten Universitätsgebäude gelegener Neubau beherbergt die medizinische Fakultät. An der Universität wirken 41 Professoren nebst 60 Lektoren; die Zahl der Studierenden betrug 1900: 2754, darunter 252 Frauen. Sie hat eine reichhaltige Bibliothek von 180,000 Bänden nebst 3000 Handschriften und ein Museum. Erwähnung verdient ferner der botanische Garten (mit magnetischem Observatorium und Aquarium) von 8 Hektar Oberfläche im N. der Stadt und die auf dem Caltonhügel errichtete alte Sternwarte; eine neue ist im S. der Stadt auf Blackford Hill erbaut. Unsern Gymnasien, doch mit umfassenderm Unterrichtsplan, entsprechen die 1519 gegründete High School (Hochschule) am Fuß des Caltonhügels und die 1823 ins Leben gerufene städtische Akademie. Es bestehen außerdem 3 theologische Seminare, 3 Lehrerseminare, 2 medizinische Schulen, eine Schule für Zahnärzte, eine Apothekerschule, 2 Veterinärschulen, 2 Damencolleges, eine Technische Schule (Heriot-Watt College), Zeichenschulen in Verbindung mit dem Gewerbemuseum. Unter den öffentlichen Bibliotheken verdienen besondere Beachtung die Advocates' Library (300,000 Bände und viele Handschriften) und die Signet Library (70,000 Bände), diese im Parlamentshaus, jene daneben aufgestellt, endlich die 1887–90 errichtete öffentliche Bibliothek (bei George IV. Bridge, 85,000 Bände). In dem 1823 bis 1836 in dorischem Stil auf dem Damm (Mound) errichteten Gebäude der Royal Institution befinden sich eine Skulpturengalerie und die Raume der Royal Society. Gleichfalls auf dem Damme steht die 1858 eröffnete Nationalgemäldegalerie, im ionischen Stil, mit Gemälden alter und neuer Meister und einer Statue Robert Burns' von Flaxman. Hinter dem Universitätsgebäude liegt das 1861 gegründete Gewerbemuseum, in venezianisch-gotischem Stil, das auch naturgeschichtliche und mineralogische Sammlungen enthält. Das Kollegium der Ärzte besitzt ein anatomisches Museum. Unter den zahlreichen Vereinen verdienen Erwähnung: die Royal Society (der gleichnamigen englischen Gesellschaft nachgebildet), der Landwirtschaftliche Verein (Highland and Agricultural Society of Scotland), eine geologische Gesellschaft, eine meteorologische Gesellschaft, ein Kunstverein (Academy), ein Altertumsverein, eine geographische Gesellschaft, ein phrenologischer Verein (mit Museum) u.a. Es erscheinen fünf Tagesblätter und fünf Wochenblätter außer einer größern Anzahl von Zeitschriften, die sich, wie die »Edinburgh Review« und »Blackwood's Magazine«, eines europäischen Rufes erfreuen. Für Vergnügen sorgen vier Theater, mehrere Konzerthallen und Klubs. Sehr beliebt ist das Balltreiben (golf) und Bogenschießen.

Die Verwaltung der Stadt liegt in den Händen eines Stadtrats, der aus einem Lord-Provost, 6 Bailies, einem Lean of Guild (Vorsteher der acht noch bestehenden Zünfte, die indes nur wohltätige Zwecke verfolgen), einem Säckelwart, einem Convener of Trades und 31 Ratsherren besteht. Die Stadt hat eine schon 1674 angelegte und mehrmals erweiterte Wasserleitung und zahlreiche, der Stadt gehörende Straßenbahnlinien; eine Seilbahn führt vom Mound nach dem botanischen Garten. E. hat drei Bahnhöfe, in denen die nordbritische, die kaledonische und eine Vorortringbahn münden. In unmittelbarer Umgebung liegen Leith und Granton, die beiden Hafenstädte Edinburgs, und Portobello (s. d.).

Geschichte. Der Name E. ist auf Edwin, König von Northumbria (616–633), zurückgeführt worden. Bereits im 10. Jahrh. wird E. als königliche Burg genannt; aber größere Bedeutung erlangte die Stadt erst, als sie im 15. Jahrh. von den Stuarts zur Hauptstadt Schottlands gemacht wurde. Um 1450 wurde die Altstadt befestigt. 1530 brannte fast die ganze Stadt ab, der Rest ging bei der Einnahme durch den Grafen Hertford 1544 zu Grunde, und das Schloß, die Kapelle von Holyrood und die St. Gileskirche sind die einzigen Gebäude aus früherer Zeit, die verschont blieben. 1639 wurde E. von den Covenanters, 1650 von Cromwell genommen. 1689 hielt der Herzog von Gordon die Stadt eine Zeitlang für die Jakobiten, und auch bei dem Aufstand von 1745 fiel sie auf kurze Zeit in die Hände des Prätendenten. 1770 wurde der Bau der Neustadt begonnen. Vgl. Anderson, History of Edinburgh (Edinb. 1856); Dalzel, History of the university of E. (1862, 2 Bde.); H. Miller, E. and its neighbourhood (4. Aufl. 1870); Wilson, Memorials of E. (2. Aufl. 1891, 2 Bde.); Gillies, [378] E. past and present (1886); Masson, E. sketches and memories (1892); Geddie, Romantic E. (1900).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 5. Leipzig 1906, S. 377-379.
Lizenz:
Faksimiles:
377 | 378 | 379
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika

Buchempfehlung

Ebner-Eschenbach, Marie von

Meine Erinnerungen an Grillparzer

Meine Erinnerungen an Grillparzer

Autobiografisches aus dem besonderen Verhältnis der Autorin zu Franz Grillparzer, der sie vor ihrem großen Erfolg immerwieder zum weiteren Schreiben ermutigt hatte.

40 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.

424 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon