Malaiische Sprache u. Literatur

[769] Malaiische Sprache u. Literatur. Die Malaiische Sprache, nach welcher der Malaiische Sprachstamm (s.d.) benannt ist, wird zunächst in den Wohnsitzen der Malaien in einem Theile Sumatras, den Inseln der Malaccastraße u. auf der Halbinsel Malacca als Landessprache gesprochen, hat sich aber seit der Mitte des 13. Jahrh. mit den malaiischen Colonisten über einen großen Theil der Küsten des Indischen Archipels verbreitet, so daß sie gegenwärtig als die allgemeine Handelsu. Verkehrssprache für ganz Australasien gilt. Schon früh in dem Stammlande Menangkabau auf Sumatra unter indischem Einfluß zur Schriftsprache ausgebildet, wurde sie dies in noch höherem Grade nach der Verbreitung des Volks u. der Belehrung zum Islam, was jedoch die Aufnahme vieler fremder, namentlich arabischer Wörter zur Folge hatte. Die eigentlichen malaiischen Volksmundarten, wie sie in Menangkabau u. den malaiischen Staaten der Halbinsel Malacca gesprochen werden, haben sich reiner erhalten; für den reinsten Dialekt gilt der von Queda auf der Halbinsel. In Bezug auf das Vulgärmalaiische, wie es allerwärts im Archipel verbreitet ist, unterscheidet man drei Abarten od. Sprachweisen: a) die Sprache der Höfe, Regierungen etc.; b) den Dialekt von Malacca, der an den Küsten der Halbinsel, den englischen Besitzungen etc. gebräuchlich ist, u. c) den Dialekt von Batavia, dessen man sich in den niederländischen Besitzungen bedient. Im Ganzen wird das Malaiische von etwa 4 Millionen als Landessprache gesprochen. Die Malaiische Sprache wird wesentlich mit arabischen Buchstaben geschrieben. Die Wurzelwörter sind meistens zweisylbig, u. viele derselben gehören mehrern Redetheilen an, so daß sie bald als Verba, bald als Substantiva, Adjectiva od. Adverbien gebraucht werden können. Das Substantivum ist flexionslos; eine Art Plural wird durch Verdoppelung gebildet, z.B. batu Stein, batu-batu Steine; sonst wird jedes Substantivum für sich in der Regel in der Mehrzahl verstanden, z.B. organ Menschen; wo aber der Singular bes. bezeichnet werden soll, geschieht dies durch Beifügung des Zahlworts sa, s' (für satu) ein, z.B. s'organ ein Mensch. Die Casus werden durch Präpositionen gegeben, wie akan od. kapada zu, deripada von etc. Für den Accusativ u. Genitiv gibt es keine Präpositionen, sondern sie werden an ihrer Stellung, erster nach dem Verbum, letzter nach seinem Substantivum, erkannt, z.B. organ utan Mensch des Waldes, mata ari Auge des Tages (die Sonne). Ebenso stehen die Adjectiva hinter dem Substantivum u. sind wie dieses flexionslos. Der Comparativ wird durch lebih mehr, der Superlativ durch ter sehr ausgedrückt; auch wird eine Art Superlativ durch Verdoppelung gebildet, z.B. putih putih sehr weiß. In anderen Fällen dient diese Verdoppelung zu Bildung von Adverbien, z.B. muddah muddah leichtlich, tiba tiba zufällig. Die Zahlwörter sind 1 satu, 2 dua tiga, 4 ampat, 5 lima, 6 anam, 7 tudshuh, 8 dalapan, 9 sambilan, 10 sapuluh. Ordinalia werden daraus durch das Präfix ka gebildet. Die persönlichen Pronomina sind verschieden nach dem Rang de Redenden od. Angeredeten; nach einem Substantivum stehen sie als Possessiva, z.B. aku, ku ich, tuan-ku mein Herr. Außerdem gibt es noch Relativa, Demonstrativa, Interrogativa etc. Auch das Verbum ist eigentlich flexionslos; die Wurzel desselben dient als Imperativ u. Infinitiv, z.B. pergi geh, gehen, u. mit einem Pronomen als Präsens, z.B. aku pergi ich gehe. Das Präteritum wird durch ein vorgesetztes telah, das Futurum durch mau, wollen, ausgedrückt, im Optativ lah angehängt. Das Präfix ter bildet das Participium Passivi, die einzige Form um das Passivum auszudrücken. Zu näherer Bezeichnung des transitiven Verbalbegriffs dienen die Präfixe men, meng, mem, me, u. die Suffixe kan u. i; erstere richten sich nach dem Anfangsbuchstaben des Verbum, welcher zuweilen dadurch modificirt wird, z.B. mengadshar lehren, von adshar, menolong helfen, von tolong. Das Intransitivum wird durch die Präfixe ber, bel, be bezeichnet, Verbalia werden durch die Präfixe per, pel, pe (die Handlung), pen, peng, pem (der Handelnde) gebildet; das Suffix an bezeichnet dabei theils die Handlung selbst, theils den Ort der Handlung, z.B. peladsharan die Schule, pengadsharan der Lehrer, pengadsharan die Lehre. Die M. S. hat Adverbien, Präpositionen, Conjunctionen u. Interjectionen. Die Syntax ist sehr einfach; gewöhnlich steht das Subject vor, das Object nach dem Verbum; nur wenn dieses die Patrikel de vor sich hat, wird diese Ordnung umgedreht. Der Anfang des Vaterunsers heißt: bapa kami iang ada de surga, kuduslah kiranja namamu, d.h. Vater unser, welcher ist im Himmel, heilig möge-sein Name-dein. Außer verschiedenen Hülfsbüchern zur praktischen Erlernung des Malaiischen, welche von den Engländern, namentlich aber von den Holländern ausgegangen, sind zu nennen die Grammatiken von Werndly, Amst. 1736, u. Ausg. von Angelbeek, Batavia 1823, 1826; von Marsden, Lond. 1812; von Schleiermacher (De l'influence de l'écriture sur le langage, Darmst. 1835); Crawfurd, Lond. 1852; Roorda van Eysinga: Nieuwediep, 1856; De Holländer, 3. Aufl. Utrecht 1856; die Wörterbücher von Houtman van Gouda, Amsterd. 1604, 1673; von Haex, 1631; von Bowrey, Lond. 1701; von Marsden, ebd. 1812; franz. von Elout, Hartem 1825; von Howison, Lond. 1801; de Wilde (auch Sundaisch, Amst. 1841); von Roorda van Eysinga (für den praktischen Bedarf, 10. Aufl. Haag 1852); von Crawfurd, Lond. 1852.

Die Malaien besitzen eine ziemlich umfangreiche u. vielseitige Literatur. Unter den Werken der Kunstpoesie ist die Dichtung Bidasari (herausgeg. von Hoëvell, Bat. 1843) die gefeiertste. Fast alle javanische Dichtungen (s. Javanische Sprache u. Literatur), deren Stoffe aus Indien stammen, sind auch in malaiischen Bearbeitungen vorhanden, so die Geschichte des Rama (Sri Rama, herausgeg. von Roorda van Eysinga, Amst. 1843). Sehr beliebt sind die romantischen Dichtungen, welche auch nationale Stoffe behandeln; dahin gehört die Dichtung [769] Kin-Tambuhan, die Geschichte von Indra Laksana, ferner die Geschichte von Sultan Ibrahim, dem Fürsten von Eirak (herausgeg. von Lenting, Breda 1846); die Geschichte des Sultan Abdul-Muluk, gedichtet von Ali Hadji, Fürsten von Riouw (herausgeg. von Roorda van Eysinga, Bat. 1848); letzter Fürst zählt zu den namhaftesten malaiischen Dichtern, seine Spruchgedichte wurden von Ketscher herausgegeben (Bat. 1854). Auch Hadji Zeinal Abidin Abdollatif, der Gehülfe Roordas zu Batavia, hat sich als Dichter bekannt gemacht. Die weit verbreitete indische Fabelsammlung Calila u. Dimnah ist auch in malaiischer Übersetzung vorhanden, ebenso die Märchen der 1001 Nacht. Sehr gut ist die Geschichte vertreten, wenn sich auch die historischen Werke nicht über die Chronik erheben; außer verschiedenen Werken über die Geschichte des malaiischen Volkes überhaupt, wie die Sijäret malayn, die Tjaritra atsal radja malayn etc. (ein solches Werk wurde von Leyden übersetzt u. von Raffles herausgegeben, Lond. 1821) etc., gibt es Chroniken von allen malaiischen Staaten sowohl auf Sumatra u. Malacca, wie der übrigen Inseln des Archipels, z.B. von Atschin (franz. von Dulaurier, Par. 1839), von Djohor, von Sambas u. Sukadana (herausgeg. von Netscher in der Tijdschrift voor Taal-, Landen Volkenkunde van Nederl. Indie, Bd. 1, Bat. 1853) etc. Zu den Gesetzbüchern gehören auch die Seerechte (Hukom Pelâraran), deren hatte schon Raffles gesammelt u. Dulaurier hat eine neue Sammlung (Par. 1845) veranstaltet u. zwar außer dem Codex der Bugis, welcher schon früher von den Engländern in Singapore herausgegeben war, die Seegesetze von Malacca u. Makassar vereinigt, von denen einige bis ins 12. Jahrh. hinausreichen; ferner das Kitab Tupah, das muhammedanische Gesetzbuch der Javanen (herausgegeben von Keyzer, Haag 1852; auch in Javanischer Sprache vorhanden). In aeuerer Zeit haben gebildete Malaien auch Reiseberichte, geographische u. statistische Schilderungen einzelner Länder u. Verwaltungsgebiete etc. gegeliefert. Die muhammedanisch-theologische Literatur ist nicht selbständig u. besteht fast nur aus Übersetzungen u. Auslegungen des Koran. Dasn. Test. wurde schon im 17. Jahrh. von Brower ins Malaiische übersetzt u. 1668 in Amsterdam gedruckt; das A. Test. erschien zuerst Amst. 1733. Seitdem wurde. die Bibel ganz u. theilweise mehrsach gedruckt, z.B. Batavia 1758, 5 Bde, herausgegeben von Willmet, Haarl. 1824, 3 Bde.; dasn. Test. ist auch vulgärmalaiisch (Amst. 1853) vorhanden. Vgl. Dulaurier, Mémoire, lettres et rapports relatifs au court de langues malaye et javanaise, Par. 1843.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 10. Altenburg 1860, S. 769-770.
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