Trojanischer Krieg

[857] Trojanischer Krieg, der zwischen Griechen u. Kleinasiaten bei Troja 10 Jahre lang, nach der gewöhnlichen Annahme 1194–1184 v. Chr. geführte Krieg, welcher sich mit der Zerstörung Trojas endigte. Die Veranlassung dazu war: um die Rückgabe der Hesione, welche bei der Eroberung Ilions durch Herakles dessen Kampfgenoß Telamon erhalten u. nach Griechenland geführt hatte (s.u. Troja), zu bewirken, schickte deren Bruder Priamos seinen Sohn Paris nach Griechenland. Dieser aber kam nach Sparta, wo damals Menelaos regierte, er wurde in dem Königshause gastlich aufgenommen u. entführte, während des Königs Abwesenheit, dessen Gemahlin, Helena, mit vielen Schätzen. Zwar ging eine Gesandtschaft, bei welcher u.a. Menelaos, Odysseus u. Palamedes waren, nach Troja, um die Rückgabe der Helena zu fordern, kehrten aber unverrichteter Sache zurück. Andere führen die Veranlassung zu dem Kriege bis auf den Erisapfel zurück, welchen Paris der Aphrodite als der Schönsten zugesprochen, wofür diese ihm die schönste Frau Griechenlands versprach u. ihm die Helena entführen half, s. Paris S. 680. Die Griechen beschlossen einen Rachezug, wozu 1186 Schiffe u. 100,000 Streiter zusammen kamen. Von Fürsten nahmen an dem Zuge Theil: Achilles nebst seinem Freund Patroklos, Odysseus, Nestor mit seinem Sohne Antilochos, Agamemnon, Menelaos, Ajax der Oïlier u. Ajax der Telamonier, Diomedes, Idomeneus, Teukros, der Seher Kalchas, der Schreier Stentor; von Stämmen waren vertreten die Thessalier unter Philoktetes, die Abanten unter Elephenor, Athener unter Peteos, Menestheus u. Stichios, Arkader unter Agapenor u. Ornytos, Pheräer unter Eumelos, Ormenier unter Eurypylos, Epeer unter Polyxenos, Thalpios, Amphimachos, Diores, Ätolier unter Thoas, Böotier unter Arke silaos u. Klonios, Messenier unter Orsilochos etc. Agamemnon wurde zum Oberanführer gewählt. Die Flotte hatte sich in Aulis gesammelt, konnte aber lange nicht auslaufen, weil der Wind ungünstig war, denn Agamemnon hatte auf der Jagd eine der Artemis geheiligte Hirschkuh erschossen, u. deshalb zürnte die Göttin den Griechen, u. erst als Agamemnon derselben seine Tochter Iphigenia (s.d.) geopfert hatte, wurde günstiger Wind, daß die Flotte absegeln konnte. Unterwegs ließen sie den Philoktetes (s.d.) als krank auf Lemnos zurück. Die Trojaner hatten unterdessen auch ein Heer aus Thraciern, Macedoniern, Päoniern u. asiatischen Nachbarn zusammengezogen; Sarpedon führte ihnen die Lykier, Pandaros die Zeleer, Hippothoos die Larissäer, Archelochos die Dardaner, Chromis, Ennomos u. Eurypylos die Mysier, Epistrophos u. Odios die Halizonen, Teutamos die Assyrer, Penthesilea die Amazonen, Memnon Äthiopier etc., zu. Unter ihnen selbst werden genannt als Helden die Söhne des Priamos, vor allen Hektor, Deïphobos u. Paris, die des Priesters Panthoos, bes. Hyperenor, Euphorbos, Polydamas, ferner Glaukos, Äneas etc.; als Herold Idäos, als Seher Helenos. In Mysien, wo die Griechen zuerst landeten, fanden sie Widerstand von Telephos (s.d.), welchen jedoch Achilles gefährlich verwundete. Als ste in Troas landeten, sprang Odysseus zuerst aus dem Schiffe u. zwar auf seinen vorausgeworfenen Schild, denn es war ein Orakel, daß der, welcher zuerst das Trojanische Gebiet beträte, von den Feinden fallen würde. Ihm folgte Protesilaos u. sprang auf das Land, u. dieser wurde getödtet. Bes. that Sarpedon den Griechen bei der Landung großen Schaden. In einem der ersten Gefechte fiel der Kampf des Achilles mit dem unverwundbaren Kyknos vor. Nachdem die Griechen in Troas festen Fuß gefaßt hatten, unternahmen sie Streifzüge nach den benachbarten Gegenden u. Inseln, um Beute u. Proviant zu holen u. die troischen Bundesgenossen von dem Kampfplatze abzuhalten. Weil sie daher ihre Streitmacht nicht beisammen hatten, konnten sie 9 Jahre lang nichts gegen das sehr feste Ilion ausrichten. Bei solchen Zügen kamen Phorbas in Lesbos, Eetion in der Hypoplakischen Thebe, Menes u. Epistrophos zu Lyrnessos u. v. A. um. Weiber u. Töchter wurden als Sklavinnen davon geführt; also geschah es auch mit der Chryseïs, welche von den Griechen auf Chryse gefangen u. die Beute Agamemnons wurde (hiermit beginnt die[857] Iliade). Der Vater des Mädchens, Chryses, ein Priester des Apollo, kam in das griechische Lager u. wollte seine Tochter um ein Lösegeld erkaufen, wurde aber von Agamemnon abgewiesen. Da sendete Apollon, um seinen Priester zu rächen, eine verheerende Seuche in das griechische Lager. Der Seher Kalchas sagte den Griechen den Grund der Krankheit u. gab als Mittel sie zu entfernen die Rückgabe der Chryseïs an. Agamemnon verstand sich endlich dazu, forderte jedoch dafür die dem Achilles früher zugefallene Briseïs; dieser entsagte ihr zwar, aber verletzt dadurch zog er sich mit den Seinen von der Theilnahme am Kriege zurück u. blieb ruhig bei seinen Schiffen. Seine Mutter Thetis aber erhielt von Zeus das Versprechen, daß das Kriegsglück den Griechen so lange den Rücken kehren sollte, bis Agamemnon ihrem Sohne Genugthuung geleistet habe. Odysseus brachte die Chryseïs zu ihrem Vater u. die Pest ließ nach. Um die Stimmung der Griechen zu erkunden, rieth Agamemnon zur Rückkehr; aber Odysseus sprach ernst dagegen u. brachte den häßlichen Thersites, welcher bes. sehr angelegentlich für den Rückzug stimmte, zum Schweigen. Agamemnon führte nun die Griechen zum Kampfe, aber statt einer allgemeinen Schlacht, wurde durch einen Vertrag ein Zweikampf zwischen Paris u. Menelaos beschlossen, mit der Bedingung, daß der Sieger die Helena mit den entführten Schätzen erhalten sollte. Paris wurde besiegt, aber dem weiteren Siegerrechte durch Aphrodite entrückt. Das Versprechen der Rückgabe der Helena wurde aber von troischer Seite nicht gehalten, ja Menelaos von dem Pandaros mitten im Waffenstillstande verwundet. Da begann der allgemeine Kampf wieder; die Griechen, bes. Diomedes thaten Wunder der Tapferkeit. Dennoch neigte sich der Sieg auf die Seite der Troer, denn Hektor ließ in der Stadt durch die Matronen der Athene ein feierliches Opfer bringen u. ging nun selbst wieder in die Schlacht, nachdem er rührenden Abschied von seiner Gemahlin Andromache u. seinem Söhnlein Astyanax genommen; er führte zuletzt einen unentschiedenen Zweikampf mit dem Telamonier Ajax. In der Nacht darauf zogen die Griechen einen Wall um ihr Lager. Am Morgen kam hierher der troische Herold Idäos u. verkündigte den Griechen den Entschluß des Paris, alle Schätze mit noch anderen dem Menelaos zurückgeben zu wollen, nur nicht die Helena. Er wurde aber abgewiesen, u. die Schlacht begann wieder; das Kriegsglück schwankte, Nestor u. Diomedes mußten vor Hektor weichen u. die Griechen bei eintretender Nacht sich in ihre Verschanzungen zurückziehen. Sie wurden jetzt muthlos, u. Agamemnon rieth ernstlich zum Abzug, aber Diomedes widersetzte sich standhaft u. Nestor schlug vor, daß sich Agamemnon mit Achilles versöhnen solle. Agamemnon war willig u. verhieß Rückgabe der unberührten Briseïs u. Sühngeld. Odysseus, Ajax u. Phönix gingen mit diesem Anerbieten zu Achilles, aber dieser blieb unbewegt. Dafür gingen nun Diomedes u. Odysseus auf Kundschaft aus; sie trafen Dolon, welcher zur Ausspähung des griechischen Lagers ausgesendet war, u. erschlugen ihn. Darauf überfielen sie den eben als Bundesgenoß der Troer angekommenen Thracierfürsten Rhesos u. nahmen ihm seine schönen Pferde ab. Am Morgen wurde der Kampf fortgesetzt; um Mittag, nachdem Agamemnon, Odysseus, Diomedes u.a. Helden verwundet das Schlachtfeld verlassen hatten, drang Hektor bis an das griechische Lager, warf mit einem gewaltigen Stein das Thor ein u. verfolgte die fliehenden Griechen zu den Schiffen. Erst nachdem Hektor von dem Telamonier Ajax verwundet u. aus der Schlacht getragen worden war, wichen die Troer aus dem Lager. Der aber bald wiederkehrende Hektor nahm das griechische Lager von Neuem, u. schon wurde von den Troern Feuer auf die griechischen Schiffe geworfen, als Patroklos (schon vorher durch Nestor gebeten entweder den Achilles zur Theilnahme an dem Kampfe zu bewegen od. selbst in des Achilles Waffen zum Heere zu kommen) in der Rüstung des Achilles an der Spitze der Myrmidonen in den Kampf kam. Vor ihm verließen die erschreckten Troer Schiffe u. Lager u. zogen sich bis an die Mauern ihrer Stadt zurück (damals fiel Sarpedon); Patroklos verfolgte sie, aber Hektor durchbohrte ihn u. nahm ihm die Waffen ab. Nun entstand um seinen Leichnam ein heißer Kampf;. dieser wurde endlich von den Griechen behauptet u. zu Achilles gebracht, welchem schon Antilochos des Freundes Tod u. der Griechen Rückzug verkündigt hatte. Dies bewog den Achilles zur neuen Theilnahme an dem Kampfe; mit neuen Waffen versehen, welche seine Mutter Thetis von Hephästos hatte machen lassen, zog er gegen die Troer, obgleich ihm sein weissagendes Roß Xanthos seinen Untergang vorausgesagt hatte. Da fielen ganze Reihen der Troer, u. von der Menge der Leichname trat sogar der Skamander- (Xanthos-) fluß aus seinen Ufern, so daß Achilles in Lebensgefahr kam. Endlich trafen sich Achilles u. Hektor; Hektor fiel nach langem Kampfe u. nachdem er von Achilles dreimal um Troja gejagt worden war; der Leichnam wurde geplündert, zu den Schiffen gebracht u. dann bei der feierlichen Bestattung des Patroklos, an den Wagen gebunden, dreimal um dessen Todtenhügel geschleift. In der Nacht darauf kam Priamos in das griechische Lager u. löste um großen Preis Hektors Leiche (Ende der Iliade; Fortsetzung durch Quintus Smyrnäus u. die Cykliker). Nachdem Achilles noch die Amazone Penthesilea u. den Memnon erlegt, welcher vorher den Antilochos getödtet hatte, fiel er selbst durch Paris u. Apollo vor dem Skäischen Thore u. um seinen Leichnam entspann sich ein hitziger Streit; nach And. kam er bei den Unterhandlungen mit den Troern um die schöne Polyxena um; diese wurden in einem Tempel des Apollon gehalten, u. hier erschoß ihn Paris aus einem Versteck. Seine Leiche wurde zu den Schiffen getragen u. dort feierlich bestattet; aber um seine Waffen entstand Streit, u. da Odysseus dieselben erhielt, ermordete sich deshalb der Telamonier Ajax. Trojas Glück begann bereits zu sinken, denn Odysseus u. Diomedes hatten sich durch einen unterirdischen Gang in die Burg von Troja geschlichen u. von dort das Palladium, das göttliche Heilspfand Trojas, ohne dessen Besitz niemand Troja erobern konnte, entführt; es kam dazu, daß Neoptolemos, der Sohn des Achilles, von Phönix u. eben so der von den Griechen beim Hinzug auf Lemnos ausgesetzte Philoktetes, dessen Pfeile nach einem Orakel zu der Eroberung Trojas nöthig waren, auf den Kampfplatz geholt wurden. Der Letztere tödtete im Zweikampf den Paris, u. Helena wurde nun dem Deiphobos zu Theil. Durch Epeos ließen die Griechen nun das berühmte Trojanische Pferd bauen,[858] in dessen Bauch 30 edle Griechen stiegen, ließen es so stehen, zündeten das Lager an u. segelten ab. Die Troer kamen aus der Stadt u. ließen sich durch den zurückgebliebenen Sinon (s.d.) überreden, das Pferd sei vom Himmel gefallen u. für die Troer zum Ersatz des Palladiums bestimmt. Man beschloß einen Theil der Mauer niederzureißen, um es in die Stadt zu ziehen; Viele sprachen dagegen; da sich aber das Zeichen an Laokoon (s.d.), welcher widersprochen u. eine Lanze zur Probe nach demselben geschleudert hatte u. deshalb mit seinen Söhnen von Schlangen erdrückt wurde, ereignete, so galt dies als ein Zeichen des Willens der Götter, u. das Pferd wurde durch das abgetragene Skäische Thor in die Stadt geschafft. In der Nacht öffnete der mit nach Troja gezogene Sinon den Bauch des Pferdes, die Griechen stiegen heraus, die abgezogenen kehrten zurück u. überfielen die Stadt; es entstand ein allgemeines Blutbad, die Stadt wurde geplündert u. verbrannt. Die wenigen Troer, welche sich retteten, führte Äneas (s.d.) nach Italien; Kassandra wurde dem Agamemnon, Andromache dem Neoptolemos zu Theil, Polyxena auf dem Grab des Achilles geopfert u. die Helena dem Menelaos wiedergegeben, nachdem Deïphobos gefallen war. Die griechischen Helden kehrten nun zurück. Ajax, des Oïleus Sohn, kam im Meere um, Agamemnon wurde bei der Rückkehr von Ägisthos getödtet, Menelaos irrte mit Helena lange umher, länger aber noch Odysseus (s.d.), denn dieser kam erst 10 Jahre nach Trojas Zerstörung heim. Die Geschichte des T-n K-s ist theilweise von mehren epischen Dichtern besungen; so der Theil vom Zorn des Achilles bis zum Tode Hektors von Homer in der Iliade; von Hektors Tod bis zu der Rückkehr der Helden von Quintus Smyrnäus; von Tzetzes in den Antehomerica, Homerica u. Posthomerica, die Ereignisse von der Geburt des Paris bis zu der Rückfahrt der Griechen nach der Zerstörung Trojas; einzelne Partien, zum Anschluß an die homerische Ilias u. Odyssee, dichteten die Cyclischen Dichter (s.d.); auch mehre Tragödien des Äschylos, Sophokles u. Euripides sind aus dem Sagenkreis des T-n K-s genommen. Später schrieben über den T-n K. noch Diktys Kretensis u. Dares Phrygius. Auch unter den Kunstep opöen des deutschen Mittelalters, bes. des 12. u. 13. Jahrh., gibt es mehre, welche den T-n K. zum Gegenstand haben, aber sie folgten nicht dem Homer, sondern meist dem Dares u. germanisirten die Helden völlig; die zwei bemerkenswerthesten sind Herborts aus Fritzlar Lied von Troje, aus dem Anfang des 13. Jahrh. (herausgeg. von Frommann, 1837), u. Konrads von Würzburg Trojanerkrieg (s.u. Konrad 73). Vgl. Bryant, Vom T-n K., deutsch von Nöhden, Braunschw. 1797; Uschold, Geschichte des T-n K-s, Stuttg. 1836.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 17. Altenburg 1863, S. 857-859.
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