[214] Schlangen, 1) (Ophidii. Serrpentes), bilden die dritte Ordnung der Amphibien; ihr Körper ist lang, walzenrund, nach hinten meist dünner, selten dicker u. dann meist zusammengedrückt; bekleidet ist er mit fest in die Oberhaut eingewachsenen Schuppen, welche gewöhnlich auf dem Kopfe u. unten am Bauche u. Schwänze größer sind u. dann Kopf-, Bauch- od. Schwanzschilder heißen. Nie große Beweglichkeit ihrer Gesichtsknochen gestattet eine sehr bedeutende Erweiterung des Maules; die einzelnen Knochen der Ober- u. Unterkiefer sind namentlich nicht mit einander verwachsen, sondern durch Bänder verbunden, auch bildet mit den Gaumenbögen u. den benachbarten Knochen der Oberkiefer ein bewegliches Gerüste, welches sich erweitern läßt, u. die Gelenkköpfe des Unterkiefers sind durch bewegliche Knöchelchen, nicht also in einer Pfanne des Schädels, an diesem befestigt. Ferner ist bei den S. charakteristisch, daß sie keine Augenlider haben, vielmehr die Oberhaut über die Augen weggeht, aber an dieser Stelle durchsichtig ist. Bei der Häutung häuten sich daher auch die Augen. Das Brustbein fehlt den S. ebenfalls, u. die zahlreichen oft über 200 Wirbelknochen sind nicht nur unter sich sehr beweglich, sondern auch die zahlreichen Rippen beweglich an den Wirbeln eingelenkt; dadurch ist jede Art der Beugung der Wirbelsäule ermöglicht, die Fortbewegung aber theils durch die paarweise Bewegung u. Aufstützung der Rippen, theils der Bauchschilder auf den Erdboden. Die Beine fehlen, doch zeigen einige S. Spuren davon,[214] wenigstens von den Hinterbeinen, welche entweder innerlich unter der Haut versteckt sind, od. nach außen in Gestalt kurzer Stummel neben dem After hervortreten u. gewöhnlich Aftersporen heißen. Oberkiefer u. Gaumenbögen haben Zähne, welche meist hakig nach hinten gebogen sind; manche haben dazu noch besondere hoble Giftzähne, vorn an der Spitze mit einer Öffnung od. auch nur seitlich mit tiefer Furche. Diese Zähne sind mit einer, an beiden Wangen liegenden Giftdrüse so verbunden, daß diese ihr Gift durch die Röhre od. Rinne des Zahnes in die Wunde ergießen kann. Die Giftzähne, von welchen die S. übrigens nur 12 auf jeder Seite haben, stehen stets auf dem Oberkieferbeine u. sind langer als die andern. Bei den Ottern u. Klapperschlangen besteht der Oberkiefer jedoch nur aus einem Hau; kurzen, sehr beweglichen Knochen, welcher zwei kleine Gruben hat u. in beiden od. nur in einer einen Giftzahn tragt, u. hinter jeder Grube stehen noch mehre kleinere Zähne, welche an die Stelle der großen u. zwar nach der Reihe einrücken, sobald diese ausgefallen od. ausgebrochen sind. Alle übrigen Zähne im Oberkiefer fehlen diesen S. Haben die S. den Rachen geschlossen, so ist das Kieferbein so nach hinten gebogen, daß die Giftzähne nach hinten anliegen u. die Unterkinnlade weder hindern, noch verwunden können; haben sie aber den Nachen zum Bisse geöffnet, dann biegt sich das Oberkieferbein so vor, daß es u. mit ihm die Giftzähne senkrecht zu stehen kommt. Dazu stecken diese Giftzähne noch in einer häutigen Falte des Zahnfleisches, wie in einer Scheide, welche sich beim Bisse aber leicht zurückschiebt. Die Öffnung des Zahnes ist übrigens nicht ganz an der Spitze, sondern an der Seite dicht über derselben. Die Gefährlichkeit des Bisses hängt theils von der Größe der Giftschlange u. ihrer Giftzähne ab. theils von der Menge des Gifte S, welches in die Wunde kommt, theils vom Klima, da der Biß in der Hitze u. daher auch in heißen Ländern viel gefährlicher ist, u. theils von der Art u. Weise, wie der Zahn verwundete, ob er ganz in das Fleisch eindrang od. nur ritzte, eine Ader traf od. nicht. Das Gift wirkt nur schädlich, sobald es sich unmittelbar mit dem Blute vermischt, kann dagegen ohne Gefahr in den Magen gebracht werden; auch entleert sich allmälig die Giftdrüse von ihrem Gifte, u. die Bisse werden daher allmälig auch immer weniger gefährlich, je öfter die S. gebissen, bis das Gift sich wieder in der Drüse erzeugt hat, wozu jedoch mehre Tage gehören. Unterbinden des gebissenen Theils, Erweitern u. Auswaschen der Wunde mit Branntwein, ätzenden od. scharfen Stoffen, Ausbrennen derselben durch Feuerschwamm od. eine weißglühende Nadel, stark schweißtreibende Mittel, nach amerikanischen Erfahrungen bes. auch Alkohol, u. daher auch Wein u. Branntwein, können als Gegenmittel sogleich angewendet werden, ehe man den Arzt ruft. Trunkene sollen nach dem Giftbisse von S. sogleich wieder nüchtern werden u. der Biß soll ihnen nichts schaden. Die Zunge, mit welcher das Thier durchaus nicht stechen kann, bewegt sich in einer Scheide, kann durch einen Ausschnitt im Munde, wenn auch dieser geschlossen ist, hervorgesteckt werden u. dient mehr zum Tasten, als zum Schmecken, daher sie auch vorn in zwei Spitzen getheilt ist. Die S. häuten sich jährlich mehrmals; vorher färbt sich ihre Haut schmutzig u. wild trocken, die Augen werden trübe, das Thier wird träge u. hat keinen Appetit, bis endlich die Haut um die Kiefern herum aufplatzt u. nun das Thier völlig aus der Haut herauskriecht. Die neue Haut ist viel lebhafter gefärbt u. das Auge wieder hell u. rein, auch stellt sich nun eine große Lebhaftigkeit u. Freßgier ein. Da übrigens die S. oft eine sehr große Beute verschlingen, so würden sie ersticken müssen, wenn während des Schlingens nicht die Luftröhre hervorträte u. wie ein Schlauch aus dem Munde heraushinge. Die Hakenzähne wirken übrigens beim Ergreifen der Beute wie Widerhaken, u. der Schleim, welcher sich aus den Schleimdrüsen der S. absondert, macht die Beute zugleich schlüpfrig, so daß sie leichter hinterrutscht, nachdem die S. sie durch ihren Giftbiß od. durch Umschlingung getödtet hat; dennoch würgt eine an 20 Fuß lange Riesenschlange beim Verschlingen einer 4 Wochen alten Ziege nicht selten 23 Stunden lang, ehe sie das Thier gänzlich verschlungen. Die Nahrung besteht nur in lebenden Thieren, welche sie jedoch jedesmal tödten, ehe sie dieselben verschlingen; hungern können die S. über 1/2 Jahr lang. Ein äußerem Ohr fehlt u. das Trommelfell ist von den harten Schuppen des Kopfes bedeckt. Die S. haben nur einen hohlen, wenig zelligen Lungensack, welcher auf der rechten Seite liegt u. die schmale, verlängerte Gestalt aller übrigen Eingeweide besitzt, so daß er beinahe die ganze Länge der Leibeshöhle einnimmt. Ein Unter Lungensack ist daneben nur schwach angedeutet. Der Magen ist nur eine einfache längliche Erweiterung des Speisekanals u. liegt mehr links, der nur wenig gewundene Darmkanal mehr rechts; Leber groß, mit Gallenblase. Die Stimme der S. ist nur ein Zischen. Ihre Bewegung geschieht mit wellenförmigen Krümmungen, deren Ausbiegungen nach der Seite hingehen; manche erklettern auch Gesträuch od. umwinden Baumstämme. Einige, bes. Giftschlangen, gebären lebendige Junge, andere legen Eier, u. diese hängen dann oft schnurenförmig zusammen u. werden durch die Wärme der Sonne od. durch Düngerwärme ausgebrütet. Die Eierschale ist häutig, nicht kalkartig. Im Winter od. in der trockenen Jahreszeit erstarren die S., kommen jedoch, sobald Wärme eintritt, u. wenn es mitten im Winter wäre, bald wieder zu sich. Nutzbar werden einige, z.B. die Riesenschlangen, ja selbst die Klapperschlangen, nachdem letzteren der Kopf abgehauen, durch ihr Fleisch, welches gegessen wird, durch ihr Fett, welches als Heilmittel dient. Die Schuppenhaut zieht man über Stöcke, die Lederhaut gibt gutes Leder; mit dem Gifte der Klapperschlangen vergiften die Indianer ihre Meile; in Ostindien, Ägypten u. benutzen Gaukler die S. zu mancherlei Künsten (s. Schlangentanz). Überbleibsel von vorweltlichen S. sind selten u. sie gehören zu den Gattungen Palaeophis (P. toliapicus war gegen 11 Fuß lang), Ophis (O. dubius) u. Coluber (C. Owenii, C. Kargii, C. arcuatus, u. C. podolicus). Über fossile Giftschlangen weiß man gar nichts Sicheres, eine Menge einzelner aufgefundener Wirbelknochen konnte bis jetzt noch nicht gedeutet werden. Man theilt die S. auf folgende Weise ein: a) Giftlose S. (Innocua), ohne Giftzähne; Gattungen: Rollschlange (Tortrix), Dickschwanzschlange (Eryx), Riesenschlange (Schlinger, Boa u. Pithon), Natter (Coluber) u.a. diesen verwandte Gattungen; b) Trugschlangen (Suspecta), wie Nattern, aber hinter den gewöhnlichen Zähnen, gewöhnlich am Ende, selten in der Mitte, mit einem Furchenzahne, welcher[215] mit einer Giftdrüse in Verbindung steht; Gatt.: Dickkopfschlange (Dipsas), Peitschen- od. Baumschlange (Dendrophis s. Dryophis); c) Giftschlangen (Venenosa). mit durchbohrten Giftzähnen, Kopf nach hinten sehr breit; Gatt.: Wasserschlange (Hydrophis). Prunkotter (Elaps), Brillenschlange (Naja), Felsenschlange (Bungarus s. Pseudoboa), Viper od. Otter (Vipera s. Pelias), Dreikopf od. Cuvie (Trigonocephalus: Lanzenviper, T. lanceolatus, auf den Antillen); Jararaca, T. jararaca, in Brasilien), Sururuku (Lachesis, L. rhombeatus), in Südamerika, Klapperschlange (Crotalus) u.a.m.
Bei den Hebräern waren die S. nach dem Mosaischen Gesetz unrein. In den Mosaischen Urkunden, bei der Erzählung vom Sündenfall, erscheint die Schlange als der Verführer der Menschen zum Abfall von Gott u. deshalb ist sie mit dem Teufel identificirt worden. Auch sonst wird sie in christlichen Symbolen neben den Scorpionen als Feind des Guten gebraucht, u. die gnostischen Ophiten nahmen die S. in ihren symbolischen Darstellungen als den Verführer zur Sünde. Dagegen war die S. auch Sinnbild der Klugheit u. des Heils, wie die von Moses in der Wüste aufgerichtete eherne S., deren Anblick die, wegen Murrens gegen Gott von feurigen S. gebissenen Kinder Israels heilte. Bei dem Zendvolk galt die S. als Symbol der List, daher tödtete Ahriman in der Gestalt einer S. den Stier des Ormuzd. Anderen Völkern galt sie als heiliges Thier u. wurde verehrt (Ophiolatrie, Schlangendienst). In Ägypten war sie das Bild des Segen gebenden Kneph (s.d.) u. Symbol der Fruchtbarkeit; auch Attribut der Isis als Heilung wirkender Göttin, weshalb auch Serapis, ihr Gemahl, der Träger der Heilschlange war. Die Gewandtheit der S. veranlaßte Zauberer u. Priester auch Gebrauch von ihnen beim Wahrsagen u. zu Zaubereien (Ophiomantie) zu machen, u. auch in Griechenland sagte man von Wahrsagern, daß ihre Ohren von S. beleckt wären. In der Kosmogonie der Phönicier ist sie das Symbol der schaffenden Kraft, daher in den Sabazien den Einzuweihenden eine S., als Bild des befruchtenden Zeus u. des Segens, durch den Busen gezogen wurde. In der Orphischen Lehre ist die S. unmittelbar aus dem vom Urelement geschiedenen Schlamm hervorgegangen, sie hat einen Löwenkopf mit Menschengesicht, sie gebar ein Ei, aus welchem Himmel u. Erde wurde, u. ward die nimmer alternde Zeit genannt u. deshalb dem Kronos als Attribut gegeben. Indem sie hier sich in den Schwanz beißend einen Ring bildet, gilt sie als das Symbol der Ewigkeit. Als Symbol des Ackerbaues kommt sie in den Mysterien der Demeter vor; denn die S. birgt sich in die Erde u. kommt, nachdem sie sich gehäutet hat, verjüngt wieder hervor. S. ziehen deshalb den Wagen der Demeter auf ihrer Wanderung nach Kunde von der geraubten Persephone, wo sie den Menschen den Ackerbau lehrte, aus gleichem Grund ist der Wagen des Triptolemos mit S. bespannt, u. Kekrops halb als S. vorgestellt, weil er den Attikern den Feldbau lehrte. Bei den Aufzügen der Eleusinischen Mysterien wurde eine goldene S. in einer heiligen Kiste getragen. Als Symbol der Heilkraft finden sie sich bei Asklepios (s.d.) u. auch bei Athene als heilender Göttin. Als Symbol der Wachsamkeit waren Schlangenbilder an die Wiegen angebracht u. an den Heroldsstäben, wie um den Stab des Hermes, waren zwei S. gewunden (s. Caduceus). Daher repräsentiren sie auch auf römischen Emblemen die hausbewachenden Laren. Als den Menschen feindselig erscheinen die S., wenn die Gorgonen, Eumeniden, die Göttin des Neids das Haupt mit S-n umwunden od. mit denselben den Leib gegürtet dargestellt werden. Noch jetzt verehrt man S. in Indien u. im innern Afrika, indem man sie als göttliche Boten ansieht sündige Menschen zu bestrafen; s. Abgottsschlange. Vgl. Koch, De cultu serpentum apud veteres, Lpz. 1717. In der Nordischen Mythologie umspannt die Midgardschlange die Erde u. der Schlangenkönig Nidhöggr frißt an den Wurzeln des Weltbaums Yggdrasill; s.u. Nordische Mythologie S. 91. Im Wappen sollen S. Klugheit u. List bedeuten, sie finden sich gemeiniglich gebäumt, wo dann die Zahl der Windungen nebst der Stellung u. der Richtung des Kopfes angegeben werden muß; hat sie Flügel, so heißt sie Drachenschlange; oftmals wird sie ein Kind fressend dargestellt. 2) (Astron.), s.u. Ophiuchos; 3) so v.w. Wasserschlange.
Buchempfehlung
Erst 1987 belegte eine in Amsterdam gefundene Handschrift Klingemann als Autor dieses vielbeachteten und hochgeschätzten Textes. In sechzehn Nachtwachen erlebt »Kreuzgang«, der als Findelkind in einem solchen gefunden und seither so genannt wird, die »absolute Verworrenheit« der Menschen und erkennt: »Eins ist nur möglich: entweder stehen die Menschen verkehrt, oder ich. Wenn die Stimmenmehrheit hier entscheiden soll, so bin ich rein verloren.«
94 Seiten, 5.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.
468 Seiten, 19.80 Euro