Japan

[486] Japan, ein großes, aus mehren vor der Ostküste Asiens liegenden Inseln bestehendes Reich, im großen oder stillen Oceane, den Küsten Chinas, Koreas und der Mandschurei gegenüber, hat eine Länge von etwa 200 Meilen; die Breite ist sehr verschieden. Die größte Insel ist Nipon; dann folgen Kiusiu und Sikokf; auch gehören der südl. Theil der großen Insel Matsmal oder Jesso und viele kleinere Eilande zum Reiche. Überall sind die Küsten steil und schwer zugänglich und das Meer sehr stürmisch. Das Innere der Inseln wird von rauhen und steilen Bergketten durchzogen, die sich an manchen Punkten von 7–9000 F. erheben und theilweise vulkanisch und mit ewigem Schnee bedeckt sind. Das Klima ist im Sommer heiß, das Wetter sehr veränderlich und die Winter sind im nördl. Theile oft sehr kalt. Da es aber der Seewinde wegen nicht an Feuchtigkeit fehlt und der Boden an vielen Stellen fruchtbar und besonders in den schönen Thalgründen vortrefflich bebaut ist, so hat das Land eine große Productenfülle. Es sind eine Menge Flüsse und Ströme vorhanden, die das Land bewässern, aber alle keinen bedeutend langen Lauf entwickeln können; am beträchtlichsten sind die auf der Insel Nipon, z.B. der Yodogawa und der Tenrio-gawa. Edle Metalle sind sehr häufig, besonders Gold und Silber; sodann liefert I. das beste Kupfer in großer Masse; Eisen weniger, aber viel Schwefel, Zinnober und Porzellanerde, Reis und Hülsenfrüchte werden stark gebaut; ferner Baumwolle, Thee, Südfrüchte, Kampherbäume, Palmen, Bambus, Taback, Papiermaulbeer- und mehre Bäume, die einen vortrefflichen Firniß liefern. I. hat einen großen Reichthum an schönen Blumen und ist das Vaterland der jetzt in Europa so beliebten Camellien. Die Viehzucht ist unbedeutend; Schafe werden gar nicht gezogen, weil die Japaner sich der Seide und Baumwolle zu ihren Zeuchen bedienen und daher die Wolle nicht schätzen. Pferde sind sehr wenige vorhanden, Raubthiere fast gar nicht, Büffel und Rindvieh werden beim Ackerbaue gebraucht. Es gibt viele Hühnerarten, z.B. das sogenannte Seidenhuhn, und die Hunde sind sehr beliebt. Das Meer ist fischreich und wird auch jetzt häufig von europ. Walfischjägern besucht. Der Flächeninhalt des japan. Inselreichs wird auf 10–12,000 ! M. geschätzt und die Bevölkerung auf 30–35 Millionen Seelen. Die Bewohner gehören dem großen, über ganz Ostasien verbreiteten, mongolischen Stamme an, sind von starkem Wuchse, mittlerer Größe und gut gebaut. Ihre Gesichtsfarbe ist gelblichbraun, ihr Auge weniger rund als bei irgend einem andern Volke auf Erden. Mit den Chinesen haben die Japaner Verwandtschaft, doch sind die Wörter der japan. Sprache nicht, wie die chines., einsylbig; die letztere ist die gelehrte Sprache des Landes, gewissermaßen das Latein der Japaner. und die Bonzen schreiben ihre theologischen Werke in derselben; auch bedienen sich ihrer die Vornehmen in ihren Correspondenzen; jeder von diesen versteht aber auch holländisch. Die Japaner sind von kräftigem Charakter, Unabhängigkeit liebend, stolz, halten viel auf Ehre, haben Sinn für Freundschaft, sind fleißig, wißbegierig, geschickt, so reinlich, daß selbst die ärmsten Leute gut gekleidet gehen; aber dabei trunkliebend, wollüstig und höchst argwöhnisch. Die Frauen genießen völlige Freiheit wie in Europa. Da die Landesgesetze an öffentlichen Orten für Jedermann zu lesen sind, so werden Übertretungen derselben streng und grausam bestraft; manche Vergehen z.B. damit, daß der Schuldige in Stücke gehauen oder in siedendem Öle gekocht wird, oder daß man ihm den Leib mit Messern durchbohrt u.s.w. Die angesehenen Leute haben das Vorrecht, sich, wenn sie strafbar sind, in eigner Person den Bauch aufschlitzen zu dürfen.

I. hat in seiner Abgeschiedenheit von jedem Verkehre mit andern Völkern, sich auf eine eigenthümliche, in ihrer Art sehr hohe und bedeutende, übrigens zum Theil auf chines. Grundlage ruhende Bildungsstufe emporgeschwungen. Es hat eine sehr reiche Literatur, kannte schon lange die Buchdruckerkunst mit Holztafeln, ehe sie in Europa erfunden ward, und der Elementarunterricht ist über das ganze Volk verbreitet; die Gelehrten machen astronomische Beobachtungen und rechnen nach Mondsjahren. In der Industrie haben es die Japaner beinahe weiter gebracht als Chinesen und Hindus; sie liefern ausgezeichnete Kupfer-, Eisen- und Stahlwaaren; ihre Säbelklingen sind fast so gut wie die von Khorassan. Ihre Baumwollen- und Seidenzeuche, ihre Glas- und besonders die lackirten Waaren lassen nichts zu wünschen übrig. Es bestehen zwei Hauptreligionen, die Sintoreligion und der Buddhismus. Die erstere ist die älteste im Reiche und gründet sich auf die Verehrung der Geister oder Gottheiten, Kami genannt, unter deren Herrschaft alle sichtbaren und unsichtbaren Dinge stehen. Von diesen alten Gottheiten stammt, dem Volksglauben nach, der geistliche Kaiser oder Daïri ab; die angesehenste Göttin heißt Ten-sio-dai-sin und ihr Bruder ist der Kriegsgott Fatsman. Den Kamis sind Tempel oder Miya errichtet, in welchen denselben zu gewissen Zeiten Opfer dargebracht werden. Der Buddhismus kam erst 543 n. Chr. Geburt von Korea nach I. herüber, theilt sich hier in acht Sekten und ist mit der Sintoreligion dermaßen zusammengeflossen, daß viele Tempel den Anhängern beider Lehren gemeinschaftlich sind. Außerdem zählt noch der Siuto oder die chines. Lehre des Confucius Anhänger, sie sind aber nicht sehr zahlreich. Es herrscht völlige Religionsfreiheit und Jeder mag nach Gutdünken seinen Glauben wechseln, nur ist das Christenthum verboten. Als die Portugiesen nach I. kamen, herrschte hier noch keinerlei Mistrauen gegen die Fremden; sie durften eine Factorei zu Firando anlegen und die katholischen Missionare konnten ihre Lehre nach Gutdünken ausbreiten. Es gelang ihnen und namentlich dem heiligen Xaverius, viele Japaner zu bekehren. Allein die Bonzen nahmen endlich den Hof gegen das Christenthum ein, stellten dasselbe als staatsgefährlich vor, und dieser, der zugleich Nachricht von den großen Eroberungen der Portugiesen und Spanier in Indien und auf den malaiischen Inseln erhielt, verbot nun die neue Lehre und verfolgte ihre Anhänger auf das grausamste. Die Portugiesen wurden vertrieben, allen Ausländern verboten, sich in I. aufzuhalten und nur die Holländer, welche auf die Frage: ob die Religion der Portugiesen auch die ihrige sei? [486] zur Antwort gaben: nein, sie wären Holländer, dürfen seit 1611 jährlich einige Schiffe nach I. senden, sind aber großen Beschränkungen unterworfen.

Die alte Geschichte I.'s ist fabelhaft. Das Oberhaupt der Sintoreligion, der Daïri, war in einer Person weltlicher Kaiser und Hoherpriester. Im J. 1143 n. Chr. setzte er, der von den Göttern abstammte, einen General, welcher die streitbare Macht des Landes befehligte, den Koubo oder Seogun, sich zur Seite. Diese Koubos wußten ihr Amt in ihrer Familie erblich zu machen, wurden immer mächtiger und entzogen 1585 dem Daïri alle weltliche Macht. Seitdem ist dieser Letztere blos geistlicher Kaiser; ihm wird zwar eine beinahe göttliche Verehrung bewiesen und der Seogun gibt sich blos für seinen Statthalter aus, vergönnt ihm aber nicht, seinen Palast zu Miyako ohne Erlaubniß zu verlassen und regiert unumschränkt. Es gibt zwar eine große Menge erbliche Fürsten, Damios, die große Besitzungen haben, sie müssen aber alljährlich sechs Monate in der Residenz des Seogun leben und ihre Familien dürfen dieselbe gar nicht verlassen. Vor 1585 besuchten die Japaner mit ihren Handelsflotten fremde Länder und hatten besonders mit China viel freundlichen und feindlichen Verkehr; seit 1637 dürfen sie aber das Ausland gar nicht mehr besuchen und nur Küstenhandel treiben. Wird ein Schiff durch Zufall nach einem fremden Lande verschlagen, so steht die Mannschaft nach ihrer Zurückkunft unter strenger Aufsicht und wird auch wol zeitlebens eingesperrt. Die Regierung will keinen Verkehr mit dem Auslande; nur die Holländer, Chinesen und Koreaner dürfen jährlich mit einer bestimmten Anzahl von Schiffen den Hafenplatz Nangasaki besuchen. Sie führen ein: Zucker, Zinn, Schildpat, Quecksilber, Blei, Sapanholz, Gewürze, Spiegel, Elfenbein, Käse, Borax und Safran und holen dafür Kupfer, Kampher, Seiden- und lackirte Waaren. Die Gesammteinkünfte des Kaisers werden auf etwa 62 Millionen Thaler angeschlagen; die Heeresmacht, welche zum Theil von den Damios gestellt werden und von diesen erhalten werden muß, schätzt man auf 120,000 Mann.

Das japan. Reich besteht aus zwei ungleichen Theilen, dem eigentlichen I. und der Statthalterschaft Matsmai, welche den südl. Theil der Insel Yeso oder Yedo und die japan. Kurilen umfaßt. Jenes ist in zehn Landschaften, Do, getheilt, welche in Provinzen zerfallen, die wieder in Kreise getheilt sind. Die Verwaltung ist sehr regelmäßig. Die Hauptinsel Nipon oder Niphon, 180 Stunden lang und 40 breit ist, vulkanisch aber trefflich angebaut, auf ihr, an einer Meeresbucht, liegt die Hauptstadt des Reichs, Yedo, die zu den volkreichsten Plätzen auf Erden gehört und 1,300,000 Einw. haben soll. Die Straßen durchschneiden sich in rechten Winkeln, die Häuser haben zwei Stockwerke, sind aus Bambus gebaut, mit Mörtel beworfen und weiß angestrichen; sie bilden nur ein großes Zimmer, das aber durch bewegliche Verschläge von starkem Papier in mehre Gemächer getheilt werden kann. Die Dächer sind flach. Man sieht weder Tische noch Stühle, weil die Japaner sich auf Matten setzen; Alles aber ist sehr reinlich. Die merkwürdigsten Gebäude sind: die Niphon-Bas oder große Brücke, die 240 F. lang, aus Cedernholz aufgeführt ist und von welcher ab alle Entfernungen im Reiche berechnet werden, und der Palast des Seogun, welcher in der Mitte der Stadt liegt, ein großes Quartier für sich bildet und mit Wällen und Gräben umzogen ist. In dem äußern Schlosse wohnen die großen Reichsfürsten, welche sich am Hofe aufhalten, ihre Paläste bilden lange Straßen; im zweiten Schlosse wohnen angesehene Kronbeamten und Staatsräthe. Dann kommt der eigentliche Palast des Kaisers; er liegt auf einer Anhöhe, hat aber nur ein Stockwerk, mit einem hohen viereckigen Thurme; einen solchen darf in der Hauptstadt Niemand außer dem Kaiser haben. Thüren und Schwellen der Säle, namentlich des größten, in welchem hundert Matten liegen, sind mit Firniß überzogen; alles Eisen ist vergoldet. Yedo ist häufig sehr gefährlichen Feuersbrünsten ausgesetzt; im J. 1703 brannten mehr als 100,000 Häuser ab. Die Residenz des geistlichen Kaisers ist Miyäko oder Kio im südwestl. Theile der Insel; sie ist regelmäßig gebaut und hat mehre merkwürdige Gebäude, z.B. den Palast des Dairi, den Tempel des Fokozi mit einer kolossalen Statue des Daibuts oder Groß-Buddha, die 83 F. hoch ist. In der Nähe des Tempels hängt die größte Glocke auf Erden, sie ist mehr als 2 Mill. Pf. schwer. Im Tempel des Kwanwon befinden sich viele Götzenbilder: die Japaner behaupten, es seien deren 333,333. Diese Stadt ist die gewerbsamste im Reiche, hat viele Buchdruckereien, eine Münze, viele wissenschaftliche Anstalten, denn sie ist Hauptsitz der Künste und Literatur, und wenigstens 500,000 Einw., unter denen 52,000 Priester. – Oasaka, an der Mündung des Yodogawa ist eine wichtige Handelsstadt, wohin. alle müßigen und reichen Leute strömen, um sich Vergnügen zu machen; sie hat 150,000 Einw. und einen botanischen Garten, in welchem alle Gewächse gezogen werden, die man in I. findet. – Die Insel Kiu-siu oder Ximo liegt südwestl. von Nipon und ist gleichfalls Erdbeben unterworfen. Die wichtigste Stadt ist der Hafenplatz Nangasaki, wo die Holländer eine Niederlassung, Dezima, haben; sie sind hier eng eingeschlossen und werden streng bewacht. Nangasaki ist stark bevölkert und sehr gewerbsam. – Die dritte große Insel, Sikokf, die zwischen Nipon und Kiusiu liegt, ist bis jetzt den Europäern sehr unbekannt geblieben. – Die Statthalterschaft Matsmai umfaßt den südl. Theil der Insel Yeso. Hier liegt Matsmai, eine Handelsstadt mit einem stark besuchten Hafen und einem japan. Theater. In diesem Lande leben Ainos, ein Volk, das noch auf einer niedrigen Stufe der Gesittung steht und zum Theil den Japanern unterworfen ist. Der südl. Theil der Insel Tarakai oder Saghalien ist nebst den südl. Kurilen ebenfalls von I. abhängig. – Noch wollen wir das südl. von Yedo liegende Felseneiland Falsisio erwähnen, das sich so steil aus dem Meere emporhebt, daß man nur vermittels einer Maschine ans Land gehoben werden kann. Hierher werden alle Großen des Reichs, welche das Misvergnügen des weltlichen Kaisers auf sich gezogen haben, in die Verbannung geschickt und müssen in einer Seidenfabrik arbeiten.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 486-487.
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