[234] Spanische Sprache, Literatur und Kunst. Die span. Sprache ist eine Tochter der lat., mit welcher sie mehr Ähnlichkeit hat als die ital. und franz. Zu den fremden Elementen, die bei ihrer Bildung mitgewirkt, gehört außer dem Gothischen auch noch das Arabische, welches durch die lange Herrschaft der Araber im südl. Spanien so herrschend geworden war, daß sogar die Bibel ins Arabische übersetzt werden mußte. Die jetzige span. Sprache ist eigentlich der castilische Dialekt, welcher sich über das ganze Land verbreitet hat. Nur in Aragonien, Catalonien und einem Theile von Valencia hört man das Volk noch das Catalonische sprechen, welches von dem Castilischen sehr abweicht und mehr Verwandtschaft mit dem Provenzalischen hat. In den baskischen Provinzen hat sich noch eine ganz eigne Sprache erhalten, die mit keiner europ. verwandt ist. Der Charakter der span. Sprache ist Ernst, Tiefe und Feinheit. Die span. Literatur, die sich mit Ausnahme dieses Jahrhunderts von allem fremden Einflusse frei erhalten hat, trägt ein durchaus nationales Gepräge, ist aber, mit der anderer Völker verglichen, nicht reich, und hat namentlich aus der neuern Zeit nichts mehr aufzuweisen, was den Leistungen im 16. und 17. Jahrh. gleichkommt. Die reichste und glänzendste Seite dieser Literatur ist die Poesie. Auf die Ausbildung derselben hat die arab. Poesie großen Einfluß gehabt und zu ihrer eigenthümlichen Gestaltung beigetragen. Einheimisch in der span. Poesie ist besonders die Assonanz, d.h. die Gleichheit der Vocale in der Endsylbe, ohne Berücksichtigung der Consonanten, wie dieses beim Reime stattfindet. Hierzu eignet sich auch die span. Sprache wegen ihrer volltönenden Endsylben vor allen. Doch verschmäht sie darum nicht den Reim. Unter den Gedichtformen sind nur die einfachern, längern oder kürzern Strophen aus kurzen Versen, von denen zwei und zwei reimen oder assoniren, in Spanien einheimisch. Die künstlichern, wie Sonett, Terzine, Sestine, Octave, sind aus dem Italienischen entnommen. Die Assonanz gibt besonders der Romanze ein eigenthümliches Gepräge, die aus kurzen Versen mit abwechselnder Assonanz besteht, doch so, daß der nämliche Vocal das ganze Stück beherrscht. Spanien ist das Vaterland der Romanze, welche aus der Vermischung von christlichen und arab. Elementen entstanden ist. Die kriegerischen und Liebesabenteuer des langen Kampfes zwischen Spaniern und Arabern bilden den gewöhnlichsten Stoff derselben. Die fabelhaften Thaten Karl's des Großen und seiner Paladine, die Thaten und Schicksale des berühmten Cid und die letzten Kämpfe der Mauren in Granada haben mehren großen Sammlungen solcher Romanzen den Ursprung gegeben. Die ältesten Denkmale der span. Poesie gehören dieser Gattung an, nämlich das »Poema del Cid«, wahrscheinlich aus dem 12. Jahrh., und das fast ebenso alte aber weniger bekannte »Poema del Alexandro«. Als Dichter von Romanzen, welche Dichtungsart bis auf den heutigen Tag bei den Spaniern am beliebtesten geblieben ist, und von kleinern lyrischen Gedichten sind zu nennen aus dem 15. Jahrh. Don Enrique de Villena, Innigo Lopez de Mendoza, Guzman und Enzina, der durch seine Romanzen, Lieder und Schäfergedichte bei seinen Zeitgenossen weit berühmt war. Die berühmtesten Dichter des 16. Jahrh., denen man schon die Bekanntschaft mit Dante, Petrarca und Boccaccio anmerkt, sind Juan Boscan, der Lehrer des Herzogs Alba, Garcilaso de la [234] Vega, Montemayor und Luis de Leon, von denen Allen wir außer Romanzen auch Gedichte von künstlichern ital. Formen haben. Dagegen verschmähte Castillejo, Secretair bei Kaiser Maximilian, jede Nachahmung des fremden Geschmacks in Inhalt und Form. Auch Cervantes ist wegen seiner Canzonen und Sonette und seines in Terzinen geschriebenen »Viage al Parnasso« bei dieser Dichtungsgattung zu nennen. Dieser bildet schon den Übergang zu dem 17. Jahrh., in welchem sich Gongora, die beiden Brüder Argensola, und besonders Franc. de Quevedo y Villegas auszeichnen. Letzterer ist nicht zu verwechseln mit dem gleichfalls berühmten Estevan Man. de Villegas, welcher der span. Anakreon heißt und demselben Jahrhundert angehört. Das 18. Jahrh. brachte erst spät einige namhafte Dichter hervor, wie Huerta, Yriarte, Heredia und Melendez Valdes. Letzterer, gest. 1817, wurde durch die Art, wie er den alten und neuen Kunstton zu vereinigen wußte, der Begründer einer neuen Schule. Der neuern Zeit gehören an: Tom. Gonzales Carvajal, dessen Übersetzungen der Psalmen und anderer poetischen Bücher der h. Schrift zu den vorzüglichsten Erzeugnissen der span. Poesie gehören, Arriaza, Ceroni, Hermenegildo de la Torre u. A. Spanien besitzt auch viele ausgezeichnete Übersetzungen fremder Werke, so des Aristophanes und Sophokles von Estala, des Horaz von Burgos, des Homer von Hermosilla, des »Verlorenen Paradieses« des Milton von Escoiquiz und von Hermida, der »Jahreszeiten« des Thomson von Romero.
Da das epische Element bei den Spaniern das eigenthümliche Gewand der Romanze annahm, so hat sich das eigentliche Epos bei ihnen nie recht ausgebildet. Zu nennen sind nur die Epopöen »Araucana« von Alonzo de Ercilla (gest. 1595), worin die Unterjochung der amerik. Provinz Arauco durch die Spanier erzählt wird, mit lebendigen Naturschilderungen aus des Verfassers, der bei diesem Kampfe selbst mitgefochten, eigner Anschauung, und »Mexico conquistada« von Juan de Escoiquiz, gegen Ende des 18. Jahrh. Diese sind indessen auch fast die einzigen ihrer Gattung. Dagegen steht die span. Poesie in dem Romane, deren ältester »Amadis de Gaula« aus dem 14. Jahrh. von unbekanntem Verfasser ist, und besonders in dem komischen und satirischen Romane auf einer hohen Stufe der Vollkommenheit. Letzterer Gattung gehört bekanntlich das größte Werk der span. Poesie, der weltberühmte »Don Quixote« von Cervantes (s.d.) an. Auch hierin leistete das 16. und 17. Jahrh. das Höchste. Zu nennen sind noch »Vida de Lazarillo de Tormes« von Mendoza, »Guzman« von Tom. Aleman, »Vida del gran Tacaño«, ein classischer Bettler- und Schelmenroman von Villegas, und »Diablo coxuelo« (Der hinkende Teufel) von Dueñas. Aus dem 18. und 19. Jahrh. gehören dieser Gattung an der Jesuit Isla, gest. 1781, welcher die Thorheiten des span. Klerus geißelte, Trigueros u. A. In neuester Zeit ist in Spanien nach dem Muster von Walter Scott auch der historische Roman ausgebildet worden.
Die fruchtbarsten Dichter hat Spanien im Drama hervorgebracht. Die dramatischen Stücke werden hier zwar alle Comedias genannt, unterscheiden sich aber in drei Classen: solche, welche geistliche und religiöse Gegenstände behandeln; solche, welche heroisch-allegorische Gegenstände darstellen, und endlich solche, welche die Spanier Comedias de capa y espada, d.h. Mantel- und Degenstücke, nennen. Nur letztere entsprechen unsern Komödien. Außer diesen größern Stücken haben die Spanier noch eine große Menge kleinerer in einem Acte, welche theils als Zwischenspiele der größern Stücke, theils nach Beendigung derselben gegeben werden. Solche sind die Autos sacramentales, religiös-allegorische Darstellungen, Saynétes und Entreméses, komische Zwischenspiele. Diese kleinern Stücke tragen alle ein ganz nationales Gepräge an sich. Der als Lyriker schon erwähnte Enzina verfaßte auch einige Autos, nach ihm traten auf Lope de Rueda, Juan de la Cueva, und endlich im 17. Jahrh. Lope de Vega (s.d.) und Calderon (s.d.). Demselben Jahrhundert gehören auch noch an Moreto, der Dichter des bekannten Stückes »Donna Diana« (im Span. »El desden con el desden«) und der als Geschichtschreiber bekantere Solis. Im 18. Jahrh. verlor das span. Drama seine Originalität durch Nachbildung franz. Werke. Erst im 19. Jahrh. hoben es wieder Moratin und Martinez de la Rosa, Letzterer namentlich durch seine Trauerspiele (»La vidua de Padilla«, »Morayma«, »Oedipus« u.a.). Erst mit diesen hat das Trauerspiel in Spanien eine Höhe erreicht, die sich mit ihren andern Dichterwerken messen kann.
In der wissenschaftlichen Literatur der Spanier ist die historische am meisten von Bedeutung. Die wichtigsten Historiker, die sich denen der übrigen gebildeten Völker wol an die Seite stellen können, sind Mendoza, gest. 1575, der den Krieg gegen die Mauren von Granada erzählte; Zurita, gest. 1580, Verfasser einer Geschichte von Aragonien; der Jesuit Mariana, gest. 1623, der eine allgemeine span. Geschichte schrieb; Herrera, gest. 1625, und Solis, gest. 1686, von denen Jener eine Eroberungsgeschichte Westindiens, dieser Mexicos verfaßte. Der neuern Zeit gehört Llorente an, dessen Geschichte der Inquisition 1818 erschien. Spanien besitzt auch einige sehr umfangreiche geographische Werke, namentlich aus der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts.
Unter den Künsten bei den Spaniern verdienen außer der Poesie hier nur die Musik und die Malerei einer besondern Erwähnung. In der Kirchenmusik kann Spanien allen andern Ländern an die Seite treten, nur sind die Compositionen nicht durch den Druck bekannt gemacht, sondern liegen bei den Kathedralen, in denen sie bei großen Festen aufgeführt werden. Auch in dieser Beziehung hat das 16. und 17. Jahrh. die größten Meister aufzuweisen, wie Comes, Baban, Perez, Salinas, Rabaza, Fuentes u. A. In der Opernmusik ist Spanien zurück, aber reich an schönen Volksgesängen. – Der größte span. Maler ist Murillo (s.d.), gest. 1682, der Schüler und Nebenbuhler des von Manchen gleich hochgeschätzten Velasquez de Silva, gest. 1660. Es ist dies auch in der Malerei die Zeit der größten Blüte, welche durch eine glückliche Nachahmtung der Italiener hervorgerufen war. An jene Namen schließen sich noch an: Juan de Juanes, gest. 1579, von dem das Gemälde »Marter des Protomärtyrers« herrührt, Ribalta, Castello, Espinosa, Navarrete, Schüler des Tizian, Pacheco, Moralez, mit dem Beinamen des Göttlichen, wegen der sich in seinen Gemälden aussprechenden Frömmigkeit, und Ribera, bekannter unter dem Namen Spagnoletto.
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