Braunkohle

[351] Braunkohle (hierzu Taf. »Braunkohlenbergbau« mit Text), die durch braunen Strich ausgezeichnete Kohle der Tertiärformation, läßt meist noch deutliche Holzstruktur erkennen, und bildet auch in dem Grade der chemischen Umwandlung der ursprünglichen Pflanzensubstanz das verbindende Mittelglied zwischen Steinkohle und Torf. Sie ist holzartig, faserig oder dicht, auch erdig (mulmig), braun bis schwarz, fettglänzend bis man, weich und milde, oft zerreiblich; spez. Gew. 1–1,5. Ihr Gehalt an Kohlenstoff (50–75 Proz.) ist geringer, der Gehalt an Sauerstoff (19–26 Proz.), Wasserstoff (36 Proz.) und Stickstoff (0,2–2 Proz.), meist auch der Aschengehalt (1–6 Proz.) größer als bei Steinkohlen. Sie ist leichter entzündlich und verbrennt mit rußender Flamme und brenzligem Geruch. Das wässerige Produkt der trocknen Destillation reagiert wie bei Holz sauer (bei Steinkohle alkalisch). Braunkohlenpulver, mit Kalilauge erwärmt, färbt dieselbe braun, während Steinkohle heiße Kalilauge kaum oder unbedeutend färbt.

Am wenigsten verändert ist die vegetabilische Substanz im hellbraunen bis schwarzen bituminösen Holz (holzartige B., fossiles Holz, Lignit), das Stamm, Ast- und Wurzelstöcke, auch die Jahresringe oft genau erkennen läßt. Es stammt von Laub- und Nadelbäumen ab; die Stämme liegen einzeln oder zusammengehäuft und meist zusammengedrückt in Ton oder in andern Braunkohlen oder stehen noch aufrecht. Bastkohle, von faseriger, bastartiger Struktur und elastisch biegsam, ist aus der Rinde von Bäumen entstanden (Kaltennordheim, Ossenheim in der Wetterau). Nadelkohle besteht aus dunkelbraunen, elastisch biegsamen, zu derben Stücken miteinander verbundenen Nadeln, den Gefäßbündeln fossiler Palmenstämme (Lobsann im Elsaß, Rott im Siebengebirge). Gemeine B. und Moorkohle sind schwärzlichbraune bis schwarze, derbe Massen von dichter bis feinerdiger Beschaffenheit und flachmuscheligem bis ebenem Bruch, fettglänzend bis schimmernd, im Strich glänzend, oft unvollkommen schieferig; an der Luft zerspringen sie in trapezoidische Stücke. Sie tragen den Charakter einer aus Torf entstandenen Kohle, sind oft reich an Pflanzenresten und weitverbreitet. Erdkohle (erdige B.) besteht aus zerreiblichen, oft nur lose zusammenhängenden, staubartigen Massen, hat erdigen Bruch, gelblichbraune bis dunkelbraune Farbe und matten Glanz, etwas abfärbend. Häufig läßt sie sich, mit Wasser gemengt, kneten und in Ziegelform (Briketts) streichen und pressen (Formkohle, Streichkohle). Manche Varietäten (z. B. von Frechem bei Köln) dienen als Malerfarbe (kölnische Umbra). Gerade die erdige B., die in der norddeutschen Ebene, durch Thüringen, am Niederrhein, auch in Algerien sehr verbreitet ist, ist oft stark verunreinigt mit Ton, Sand etc.; auch Oxalit, Mellit, Retinit, Schwefel, besonders aber Schwefelkies, Markasit, Gips und Alaun finden sich ziemlich häufig in derselben. Durch Beimengung sein zerteilten Schwefelkieses wird die Erdkohle selbstentzündlich; auch bildet sie dann bei Tongehalt Alaunerz, Alaunerde (s.d.). Die Blätterkohle (Papierkohle, Stinkkohle, Dysodil) ist vollkommen schieferig und leicht in dünne Blättchen spaltbar, leberbraun bis schwärzlichbraun und reich an Bitumen, Ton und Kieselsäure und eignet sich zuweilen vorzüglich zur Paraffin- und Photogenbereitung. Sie hinterläßt sehr viel Asche (bis 70 Proz.) und ist vielfach geradezu als ein von Erdpech durchdrungener Polierschiefer aufzufassen. Sie ist reich an Pflanzen- und Tierresten, besonders an Diatomeen und Cyprisschalen, an Resten von Fischen und Amphibien, an Blattabdrücken und findet sich im Gebiete des Siebengebirges, bei Neuwied, Climbach im Vogelsberg, Sieblos in der Rhön, Ménat in der Auvergne etc. Die Schwelkohle ist eine an Kohlenwasserstoffen, zumal an Pyropissit (s.d.) reiche, mehr oder weniger plastische, teilweise fettig anzufühlende Kohle, die in der Provinz Sachsen das Rohmaterial für die Mineralölfabrikation bildet. Pechkohle (Glanzkohle, Gagat, Jet) zeigt nur äußerst selten Spuren vegetabilischer Struktur, ihr Bruch ist muschelig, der Glanz wachsartig, die Farbe samtschwarz (s. Gagat); sie nähert sich im Aussehen der Kannelkohle. Am Westerwald, Meißner, in Böhmen etc. ist B. mehrfach unter der Einwirkung benachbarter Basaltdurchbrüche in Glanz- oder Stangenkohle von anthrazitähnlicher Beschaffenheit verändert.

Beispiele von der Zusammensetzung einiger Braunkohlen zeigt die folgende Tabelle:

Tabelle

Die braunkohlenführenden Tertiärbildungen (Braunkohlenformation) sind auf der Erde weitverbreitet. Die Flöze der Braunkohlen, deren Mächtigkeit an manchen Orten bis 38 m und mehr steigt, bilden den kleinsten Anteil derselben, die Hauptglieder der Bildung sind vielmehr Tone, bald reine plastische Töpfertone (Großalmerode in Hessen, Koblenz, Köln, Westerwald, Bunzlau etc.), bald unreinere, oft sandige, verschiedenfarbige (Letten). Die Tone werden durch Beimengung von Kohle oft dunkel (Kohlenletten) und bilden bei Gehalt von fein zerteiltem Schwefelkies auch wohl Alaunerde. Auch lichte und bituminöse Schiefertone kommen vor. Das zweite wichtigste Material sind Sande, die stellenweise zu Sandstein und Konglomerate verkittet sind. Ist das Bindemittel Kieselerde, so entsteht Quarzfritte (Braunkohlensandstein). Im Gebiete der Alpen finden sich Molassesandsteine, bald mit mergeligem Bindemittel, bald durch kohlensaure Salze (Kalk, Bittererde, Eisenoxydul), selbst durch Kieselerde verbunden, und statt reiner Tone herrschen die Mergel vor. Untergeordnet sind Süßwasserkalke, schieferige Muschelmergel, Kieselkalke. Hornsteine und Opale, auch Kieselhölzer stehen häufig mit Polierschiefer in Verbindung (Siebengebirge, Bilin). Selten sind Gipsmergel (Oberschlesien). Wichtiger sind Phosphorit (Oberpfalz, Wetterau), tonige Sphärosiderite, Toneisensteine (niederrheinisches Gebirge, Böhmen). Das dritte mächtige Glied des Braunkohlengebirges, das in großer Ausdehnung im Siebengebirge, in Böhmen, Ungarn, in der Auvergne, auf Japan etc. auftritt, bilden vulkanische Tuffe und Konglomerate, stets in Verbindung[351] mit Vasall, Trachyt etc. vorkommend. Sie führen hier und da Sphärosiderit und Phosphorit oder sind mit Polierschiefer (Habichtswald) verbunden. Diesen Gesteinen, Tonen, Sanden, Tuffen sind die Braunkohlenflöze eingelagert, oft durch Zwischenlage von Ton und Sand in mehrere Abteilungen geteilt; z. B. am Hohen Peißenberg in Oberbayern finden sich 17 Flöze. Die Lagerung des Braunkohlengebirges ist im allgemeinen ziemlich ungestört in flachen Mulden; in manchen Bezirken sind aber auch die Schichten und Flöze gehoben, verschoben und gefältelt. Über die Bildung der B. vgl. Steinkohle.

Unter den Pflanzenresten der Braunkohlenablagerungen herrschen Nadelhölzer vor; neben ausgestorbenen Pinus-Arten finden sich zypressenartige Bäume und Sträucher (Glyptostrobus), Wellingtonien, virginische Zypressen (Taxodium distichum) und der Sandarachstrauch (Callitris); neben Ahorn, Weide, Erle, Hainbuche, Birke und Walnuß kommen Eichen, Planera, Lorbeeren, Zimt- sowie Kampferbäume (Daphnogene), Kreuzdorne (Rhamnus), Storaxbäume (Liquidambar) u. v. a. vor. Während in der ersten Zeit der indisch-australische Typus reich vertreten ist, nähert sich später die Flora mehr der der südlichen Vereinigten Staaten. Ganz ähnliche Verhältnisse zeigen die Fische. Außerdem finden sich Riesensalamander, Schlangen, Frösche, Schildkröten, Vögel und zahlreiche Säugetiere. Vgl. Tertiärformation.

Zu den ältesten (eocänen) Braunkohlen gehören die unbedeutenden Lignitlager des Beckens von Paris, vom Monte Bolca am Gardasee und zu Häring in Tirol. In Deutschland unterscheidet man ein älteres (oligocänes) Becken, das bei Egeln und Aschersleben, am Harzrand, in der Gegend von Halle und Leipzig, bei Kaufungen in Hessen und im Samland aufgeschlossen ist, und ein jüngeres (miocänes) Becken in der Mark, Pommern, Mecklenburg, der Lausitz, bei Leipzig, am Meißner, Habichtswald, Solling, am Niederrhein bekannt, beide zusammen zwischen Sylt im W. und der Wasserscheide zwischen Dnjepr und Don und zwischen Niemen und Düna im O., ein Areal von 4–5000 QMeilen umfassend. In der Mark und Lausitz breitet sich die Braunkohlenformation über eine Fläche von 800 QM. aus; hier und im sogen. sächsisch-thüringischen Becken zwischen der Goldenen Aue im W. und Zeitz im O., Halle im N. und Kamburg im S. ist der Braunkohlenbergbau am bedeutendsten in Deutschland. Andre kleinere Becken sind das der Rhön (Kaltennordheim, Bischofsheim), der Wetterau, Oberhessens, des Westerwaldes und des Niederrheins (vom Siebengebirge bis Aachen und Düsseldorf). Auch in der bayrischen Oberpfalz, in Mähren und Oberschlesien gibt es Braunkohlen. Über das ausgedehnte Braunkohlenlager Böhmens s.d., S. 147 u. 149. Das ungarische Becken (miocän) setzt sich mit seinen Buchten in die östlichen Alpen nach Süd- und Mittelsteiermark bis Kärnten hinein fort. Auch mitten im Alpengebirge gibt es einzelne isolierte kleine Becken. Von Oberösterreich bis Südfrankreich schlingt sich um die Alpen das breite Band der braunkohlenführenden Molasse (oligocän und miocän) und setzt sich auch nordwärts tief nach Oberschwaben fort. Italien (Catibona, Sinigaglia) und Dalmatien (Monte Promina) besitzen ebenfalls Braunkohlen. In Frankreich sind vor allem die Auvergne und das Mündungstand der Rhone (Aix) wichtig; auch jenseit des Mittelmeers, in Algerien (Oran), finden wir B. In England ist sie auf das kleine Becken von Bovey (oligocän) und den Südwesten des Landes beschränkt; ferner tritt sie in den basaltischen Gegenden Ostirlands (Riesendamm) und auf den westschottischen Inseln (Mull) auf. Ausgedehnt ist ihr Vorkommen in Island als sogen. Surtrbrandr zwischen basaltischen und palagonitischen Tuffen. Nordamerika besitzt Braunkohlen im obern Missourigebiet und in Vancouver, und bis in diese Ferne ist der Florencharakter derselbe, ja es treten selbst noch europäische Arten, wie Acer trilobatum, auf. In Asien kennt man der Steinkohle an Güte gleichkommende eocäne (und auch schlechtere miocäne) B. von den hinterindischen Inseln, zumal von Sumatra und Borneo, und von Japan.

Über Abbau und Aufbereitung der B. s. beifolgende Tafel mit Beschreibung.

B. dient allgemein zum Heizen. Erdige Kohle wird wie Ton aus freier Hand oder auf Maschinen in parallelepipedische (Sachsen und Brandenburg, Braunkohlensteinziegel) oder in abgestumpft kegelförmige Stücke (Klütten, Rheinprovinz) gebracht. Vorteilhafter wird B. brikettiert (s. Preßkohle). Die backenden Kohlenvarietäten werden bisweilen für Hüttenwerke und chemische Fabriken verkokt. Geringe Braunkohlensorten verwertet man zur Gasfeuerung. Bituminöse Pechkohlen (Spiegelkohlen) dienen zur Rußgewinnung. Als Färbemittel benutzt man die kölnische Umbra. Der Gagat dient zu Schmuckgegenständen. Bituminöse, hellbraune B., die am Ausgehenden der Erdkohlenflöze von Weißenfels, Zeitz, Teutschenthal etc. oder in der obern Partie der Flöze sich findet, dient zur Darstellung von Mineralölen und Paraffin. Die Rückstände vom Abschwelen dieser Kohlen (Grude) bilden ein koksartiges Brennmaterial.

Vgl. Zincken, Die Physiographie der B. (Hannov. 1867; dazu Ergänzungen, Halle 1871 u. Leipz. 1878); Derselbe, Die Vorkommen der fossilen Kohlen und Kohlenwasserstoffe (Leipz. 1884); Unger, Die Verwertung der B. als Feuerungsmaterial etc. (Weim. 1862); Neumann, Die Vergasung erdiger B. zum Betrieb der Schmelz- und Brennöfen, Dampfkessel etc. (Halle 1873); Pechar, Kohle und Eisen in allen Ländern der Erde (2. Aufl., Berl. 1880); Vollert, Der Braunkohlenbergbau im Oberbergamtsbezirk Halle und in den angrenzenden Staaten (Halle 1889); Schneider, Der Braunkohlenbergbau in den Revierbergamtsbezirken Teplitz, Brüx und Komotau (Tepl. 1899); Klein, Der Braunkohlentagebau (in der Zeitschrift »Braunkohle«, Halle 1902, Nr. 6 und 7); Hotop und Wiesenthal, Deutschlands B. (Berl. 1902).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1905, S. 351-352.
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