Fixsterne

[638] Fixsterne (Stellae fixae, »festgeheftete Sterne«; hierzu die Doppelkarte »Fixsterne des nördlichen und des südlichen Sternenhimmels« und die »Karte der Äquatorialzone des gestirnten Himmels«, mit Textblatt: Sternbilder etc.), die große Mehrzahl der Sterne, die dem nächtlichen Himmel seinen durch viele Jahrtausende wesentlich gleichbleibenden Charakter ausdrücken, indem sie, abgesehen von sehr geringen, ohne genauere Meßinstrumente erst in Jahrhunderten bemerkbaren fortschreitenden Ortsveränderungen, immer in derselben Stellung zueinander verharren, im Gegensatze zu den Planeten oder Wandelsternen, die bereits in kürzerer Zeit eine dem bloßen Auge leicht erkennbare Ortsveränderung erfahren. Die F. erscheinen dem bloßen Auge als leuchtende Punkte und zeigen auch in den stärksten Fernrohren keine meßbaren Dimensionen. Eigentümlich ist aber den meisten hellern Fixsternen, ebenfalls im Gegensatze zu den Planeten, das sogen. Funkeln (Seintillieren), wodurch sie in fortwährendem Erlöschen und Wiederaufglimmen mit lebhaftem Farbenwechsel zu sein scheinen. Der Grund dieser Erscheinung liegt wesentlich in den in mittlern Breiten infolge der sehr veränderlichen Temperatur, Feuchtigkeit und Windrichtung stets wechselnden Dichtigkeitsverhältnissen der Atmosphäre, durch welche die von den Fixsternen ausgehenden Lichtstrahlen unregelmäßige Brechungen und Zerstreuungen erfahren. In den Tropen, wo die Witterungsverhältnisse weit regelmäßiger sind und namentlich der Wasserdampf wegen der weit höhern Temperatur vollkommener aufgelöst ist als bei uns, zeigen sich auch die F. meist mit ruhigem, planetarischem Licht, und nur in geringern Höhen über dem Horizont sowie beim Herannahen der Regenzeit macht sich zuweilen ein Funkeln bemerklich.

Über die Anordnung der F. in Sternbilder, über die Bezeichnung, Helligkeit, Farbe, Zahl und Verteilung der F. sowie über die Milchstraße vgl. das Textblatt zu den beifolgenden Karten.

[Entfernung.] Eine Bestimmung der Entfernung von der Sonne ist erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrh. bei einer Anzahl F. gelungen, durch Ermittelung ihrer jährlichen Parallaxe (s.d.). Die Entfernung der F. wird meistens in Lichtjahren ausgedrückt, wobei ein Lichtjahr die Entfernung ist, zu deren Zurücklegung das Licht ein Jahr gebraucht. Einer jährlichen Parallaxe von 1 Bogensekunde entspricht eine Entfernung von 206,265 Erdbahnhalbmessern oder 4 Billionen Meilen oder 31/4 Lichtjahren; diese Entfernung nennt man eine Sternweite. Der unserm Sonnensystem nächste Stern ist α Centauri, seine Parallaxe beträgt aber nur 0,72'', so daß seine Entfernung 4,5 Lichtjahre beträgt. Die bisher bestimmten Parallaxen bis zum Betrage von 0,20 Sekunde nebst den daraus folgenden Entfernungen von der Sonne in Lichtjahren sind aus der Tabelle auf S. 639 (oben) zu ersehen. Man sieht daraus, daß die Sterne mit merklicher Parallaxe meistenteils auch eine größere Eigenbewegung (s. unten) besitzen.

Tabelle

Eigenbewegung der Fixsterne.

Alle Sterne zeigen infolge der Umdrehung der Erde um ihre Achse und der Bewegung der Erde um die Sonne eine scheinbare tägliche und jährliche Bewegung in der Richtung von O. nach W., sie beschreiben innerhalb 24 Stunden am Himmelsgewölbe dem Äquator[638] parallele Kreise, und ihre Auf- und Niedergänge erfolgen von Tag zu Tag um 4 Minuten früher, um nach Ablauf eines Jahres wieder zu derselben Zeit zu erfolgen; ferner erfahren die F. noch Ortsveränderungen durch die Präzession, Nutation und Aberration (s.d.). Außer diesen Ortsveränderungen, die allen Sternen in gleicher Weise zukommen, und die durch Veränderungen der Stellung der Erde innerhalb des Sonnensystems verursacht werden, zeigt jedoch eine große Anzahl von Fixsternen ein wirkliches Fortschreiten im Weltenraum, eine Eigenbewegung. Aus der Vergleichung der von Hipparch bestimmten Fixsternörter mit den zu seiner Zeit angestellten fand Halley 1717 bei Sirius, Arcturus und Aldebaran Differenzen, die sich nur durch eigne Bewegungen dieser Sterne erklären ließen. Aus der Vergleichung der genauen Beobachtungen Bradleys mit den 40–50 Jahre spätern Piazzis konnte W. Herschel die ersten sichern Werte für die Eigenbewegung mehrerer Sterne ableiten. Gegenwärtig ist die Zahl von Sternen, deren Fortschreiten im Weltenraum sicher nachgewiesen ist, eine sehr große. In der folgenden Tabelle sind die Sterne mit einer Eigenbewegung, die größer ist als 3 Bogensekunden (''), mit Angabe ihrer Positionen für den Anfang des Jahres 1890 ausgeführt.

Tabelle

Kennt man außer der Eigenbewegung in Sekunden auch noch die Parallaxe und also die Entfernung ein es Sternes, so kann man daraus die wahre Bewegung desselben in der zur Gesichtslinie senkrechten Richtung in Kilometern finden. Um jedoch die wahre Bewegung im Raum bestimmen zu können, muß man noch die Bewegung des Sternes in der Gesichtslinie kennen. Die Bestimmung dieser Bewegung ist erst in der neuesten Zeit durch die spektroskopische Beobachtung der Linienverschiebungen (vgl. Astrophysik) bei einigen hellern Sternen gelungen. Die folgende Tabelle gibt die größten gefundenen Bewegungen in Kilometern für 1 Sekunde. Das positive Vorzeichen deutet an, daß der Stern sich vom Sonnensystem entfernt, das negative, daß er sich nähert:

Tabelle

Die wahren Geschwindigkeiten der Sterne im Raum hat nun, nachdem Parallaxe, Eigenbewegung und Bewegung in der Gesichtslinie bekannt waren, Kobold für nachstehende elf Sterne ableiten können:

Tabelle

[Eigenbewegung des Sonnensystems.] Lambert sprach bereits 1761 die Vermutung aus, daß die scheinbaren Eigenbewegungen nur z. T. reell, z. T. aber Folge einer fortschreitenden Bewegung unsers Sonnensystems im Raum seien, deren Richtung aus den beobachteten Eigenbewegungen der F. bestimmt werden könnte. Gibt es einen Punkt im Weltall, wohin das Sonnensystem seinen Lauf richtet, den sogen. Apex der Sonnenbewegung, so müssen uns alle F. in fortschreitender Bewegung erscheinen, und zwar sich nach Maßgabe ihrer Entfernung mehr oder weniger vom Apex, dem wir uns nähern, entfernen und sich dem entgegengesetzten Punkte des Himmels nähern, gerade so wie die Bäume eines Waldes, den wir durchschreiten. Ist nun jene Annahme richtig, so müssen die beobachteten Eigenbewegungen der F. zum großen Teil nach einer Richtung hin konvergieren. Diese Erscheinung fand 1783 W. Herschel bei Untersuchung der bis dahin bekannten Eigenbewegungen in der Tat bestätigt, und er bestimmte die Position des Apex zu 260,6° Rektaszension und 26,3° nördlicher Deklination. Seitdem sind viele neue Untersuchungen der Eigenbewegungen nördlicher und südlicher Sterne, die jetzt erheblich genauer bekannt sind als zu Herschels Zeiten, ausgeführt und haben im wesentlichen Herschels Resultat bestätigt. Newcomb erhielt für die Position des Apex 277,5° Rektaszension und 35° nördliche Deklination. Nach allen diesen Untersuchungen ist es daher sehr wahrscheinlich,[639] daß ein großer Teil der beobachteten Eigenbewegungen der F. nur ein Spiegelbild einer wirklichen fortschreitenden Bewegung des gesamten Sonnensystems im Raum ist, die nach einem Punkte vor sich geht, der in dem Sternbilde des Herkules liegt. Die Geschwindigkeit, mit der diese Bewegung erfolgt, hat sich nach Newcomb zu 16,4 km in der Sekunde oder 3,5 Erdbahnhalbmessern im Jahr ergeben. Ein vollgültiger Nachweis dieser Bewegung des Sonnensystems wird aber erst dann erbracht sein, wenn eine Untersuchung der auf spektroskopischem Weg ermittelten Bewegungen der Sterne in der Gesichtslinie ein ähnliches Verhalten zeigt wie die Eigenbewegungen und einen gleichen Wert für die Position des Apex ergibt. Eine solche Bestimmung kann aber vorerst, da die Zahl der auf Bewegung in der Gesichtslinie untersuchten Sterne nur sehr gering ist, noch nicht erfolgreich ausgeführt werden. Die Frage, wie die fortschreitende Bewegung der Sonne vor sich geht, ob sie nach dem Newtonschen Attraktionsgesetz eine Bahn um einen fernen Schwerpunkt beschreibt und mit welcher Umlaufszeit, wird wohl erst in spätern Jahrhunderten ihre Lösung finden.

[Physische Beschaffenheit.] Bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts war unsre Kenntnis von der Natur und der physischen Beschaffenheit der F sehr dürftig, und höchstens konnte die Tatsache, daß das Licht, welches die F. ausstrahlen, völlig unpolarisiert, also ein denselben eignes Licht ist (indem jedes reflektierte Licht sich durch seine Polarisation verrät), die Vermutung nahelegen, daß die F. im wesentlichen eine sehr ähnliche Beschaffenheit wie die Sonne besitzen. Erst die spektroskopische Untersuchung hat eine genauere Kenntnis der physischen Beschaffenheit der F. ermöglicht und gezeigt, daß man trotz großer Mannigfaltigkeit der Spektren gewisse Klassen oder Typen von Sternen unterscheiden kann. Secchi hat zuerst eine Einteilung aufgestellt, die später von Vogel in folgender Weise modifiziert worden ist (vgl. die Tafel »Spektralanalyse«):


Klasse I. Spektren mit äußerst zarten Metallinien, Blau und Violett äußerst intensiv. a) Außerdem noch sehr breite und intensive Wasserstofflinien ( so bei den weißen Sternen, bei Sirius, Wega); b) einzelne Metallinien nur schwach angedeutet oder ganz fehlend, Wasserstofflinien fehlend (β, γ, δ, ε Orionis); c) die Wasserstofflinien und D3 hell (β Lyrae und γ Cassiopeja).

Klasse II. Spektren mit deutlichen Metallinien, Blau und Violett matter im Vergleich mit Klasse I, im weniger brechbaren Teil des Spektrums bisweilen schwache Banden. a) Sehr zahlreiche Metallinien, besonders merklich im Gelb und Grün, Wasserstofflinien meist kräftig, aber nicht breit; in einigen Sternen sind die letztern schwach, dann im wenig brechbaren Teil Banden von zahlreichen dicht stehenden Linien (Capella, Arcturus, Aldebaran); b) außer dunkeln Linien und einigen schwachen Banden mehrere helle Linien (T Coronae bor.).

Klasse III. Spektren mit dunkeln Linien und zahlreichen Banden, die brechbarsten Teile auffallend schwach. a) Banden nach dem Violett dunkel und scharf begrenzt, nach dem Rot verwaschen (α Herkulis, α Orionis, β Pegasi); b) Begrenzung der Banden umgekehrt wie bei a (schwache rote Sterne).


Diese Verschiedenheit der Spektren wird durch die verschiedenen Entwickelungsstufen, in denen sich die Sterne befinden, hervorgebracht. Im Anfang hat der Stern einen weißglühenden, leuchtenden Kern, umgeben von einer Atmosphäre von Wasserstoff, sein Spektrum wird dann dasjenige der Klasse I sein; bei allmählicher Abkühlung muß infolge der Verdichtung der Kern zu- und die Atmosphäre abnehmen, es werden daher die den Kern bildenden Metalle sich leichter verflüchtigen, und eine Schicht absorbierend wirkender Metalldämpfe wird entstehen, wodurch viele deutliche Metallinien im Spektrum erscheinen, wie bei Klasse IIa; so zeigt es namentlich das Sonnenspektrum. Sinn sodann die Temperatur noch weiter, so ist die Möglichkeit gegeben, daß chemische Verbindungen entstehen können, wie Kohlenwasserstoffe etc., deren Spektren durch breite Absorptionsbanden kenntlich sind; so zeigen es die Sterne von der dritten Spektralklasse. Hiermit hat der Stern das letzte Stadium seiner Entwickelung erreicht, soweit man ihn als leuchtenden Körper betrachtet; bei weiterer Abkühlung wird seine Leuchtkraft aufhören. Fast die Hälfte aller bisher untersuchten Sterne zeigen Spektren von der Klasse Ia, von den übrigen die Mehrzahl solche von der Klasse IIa. Was die Stoffe betrifft, aus denen die F. bestehen, so zeigen die Spektren hauptsächlich die Linien des Eisens, Natriums, Magnesiums, Calciums, Wasserstoffes etc., außerdem noch die Heliumlinie und Linien, die wir bis jetzt unbekannten Elementen zuschreiben müssen.

[Doppelsterne.] Mit bloßem Auge erkennt man, daß Mizar, der mittelste Schwanzstern ζ im Großen Bären, von einem kleinen Sternchen begleitet ist, dem Alkor oder Reiterchen; das Fernrohr aber zeigt, daß Mizar noch einen zweiten Begleiter in engerm Abstand besitzt. Solcher Sterngruppen gibt es eine sehr große Anzahl am Himmel, und man bezeichnet die nur mit dem Fernrohr trennbaren Sterne, wenn sie aus zwei Sternen bestehen, als Doppelsterne, wenn sie aus mehreren Sternen bestehen, als mehrfache Sterne Die große Anzahl solcher Doppelsterne führte zuerst Chr. Mayer und W. Herschel zu der Vermutung, daß ein großer Teil der Doppelsterne nicht bloß deshalb nahe beieinander gesehen werden, weil sie von unserm Standpunkt aus in gleicher Richtung hintereinander, vielleicht in sehr großem Abstand erscheinen, sondern wirklich im Raum einander verhältnismäßig nahe sind und dann Systeme bilden, in denen die gegenseitige Anziehung ebenso herrscht wie in unserm Sonnensystem. In der Tat haben nähere Untersuchungen ergeben, daß sich bei vielen Doppelsternen die relative Stellung der beiden Sterne gegeneinander im Laufe der Zeit verändert, so daß der eine Stern um den andern eine geschlossene Bahn beschreibt, wie dies zuerst W. Herschel nachwies. Solche Systeme nennt man physische Doppelsterne und unterscheidet von ihnen die nur scheinbar benachbarten als optische Doppelsterne. Von den ca. 10,000 gegenwärtig bekannten Doppelsternen sind ein Zehntel als sich bewegend, mithin als physische Doppelsterne erkannt worden. W. Herschel, der zuerst eine Durchmusterung des Himmels nach Doppelsternen vornahm und 846 solche Systeme entdeckte und vermaß, teilte dieselben nach den Distanzen in vier Klassen, deren erste die Sterne bis 4 Sekunden, die zweite bis 8 Sekunden, die dritte bis 16 Sekunden, die vierte bis 32 Sekunden Distanz enthielt, in welcher Progression fortschreitend erst die achte Klasse Sterne von 5–8 Minuten Abstand umfaßt, die von einem scharfen, unbewaffneten Auge noch unterschieden werden können. Nach W. Struve bezeichnet man aber bloß die ersten vier Herschelschen Klassen, also bis zu 32 Sekunden Distanz, als eigentliche Doppelsterne. W. Struve entdeckte 3112 solcher Doppel sterne (»Catalogus novus stellarum duplicium«, 1827), die man gewöhnlich durch Σ mit nachfolgender Katalognummer bezeichnet. W. Herschel und W. Struve lieferten die Grundlage unsrer jetzigen Kenntnisse der Doppelsterne. Die Söhne beider, I. Herschel und O. Struve, setzten das Werk ihrer Väter fort, der erste namentlich am südlichen Himmel, wo er 2100 neue Doppelsterne entdeckte und[640] vermaß. O. Struve entdeckte 514 hauptsächlich enge PaareCatalogue revu et corrigé des étoiles doubles et multiples«, Petersb. 1850), die gewöhnlich mit ΟΣ bezeichnet werden. In neuester Zeit hat namentlich Burnham mit dem mächtigen Refraktor der Lick-Sternwarte eine große Reihe Doppelsterne vorwiegend von sehr geringer Distanz entdeckt. Was die Verteilung der Doppelsterne betrifft, so ist dieselbe analog der der einfachen Sterne, in der Nähe des Poles der Milchstraße sind sie selten, je mehr man sich aber der Milchstraße nähert, um so zahlreicher werden sie. Eine merkwürdige Eigentümlichkeit der Doppelsternsysteme ist die Farbenverschiedenheit, die häufig zwischen den Komponenten stattfindet. Nachdem man die Bewegung in den Doppelsternsystemen erkannt hatte, versuchte man die Bahnen derselben zu berechnen. Methoden hierfür rühren von Savary, I. Herschel, Encke, Klinkerfues und Seeliger her, welche die Annahme, daß das Newtonsche Attraktionsgesetz auch in dem Doppelsternsystem gilt, zugrunde legen. Bisher sind schon eine Reihe von Doppelsternbahnen mit ziemlicher Sicherheit berechnet worden, welche die beobachtete Bewegung in diesen Systemen gut darstellen, so daß man zu dem Schluß berechtigt ist, daß das Newtonsche Attraktionsgesetz nicht nur im Sonnensystem, sondern auch bei den Doppelsternen und auch im Weltenraum überhaupt das Universalgesetz der Attraktion ist. In nachfolgender Tabelle

Tabelle

sind die wichtigsten Elemente von einigen Doppelsternbahnen mit kürzerer Umlaufszeit ausgeführt. Es bezeichnet dabei U die Umlaufszeit (Periode) in Jahren; i die Neigung der Bahnebene gegen die Projektionsebene (oder die durch den Hauptstern gehende Tangentialebene an der Himmelskugel); e die Exzentrizität; a die scheinbare große Halbachse der Bahn in Bogensekunden.

Ein sehr interessantes System bietet der Stern ζ Cancri. Der Hauptstern A ist 5. Größe, hat in 1'' Abstand einen Begleiter B von der Größe 5,7 und in 5'' Abstand einen zweiten Begleiter C von 5,3 Größe. Seeliger hat die Bewegung in diesem System ausführlich untersucht, und die oben gegebenen Elemente beziehen sich auf den Umlauf von B um A. Der Stern C hat seit W. Herschels Zeit seinen Positionswinkel gegen A um ungefähr 60° geändert, jedoch hat seine Bahn die Gestalt einer Schlangenlinie, was sich am einfachsten durch die Annahme eines von C nur um einige Zehntel einer Bogensekunde abstehenden unsichtbaren Begleiters erklärt, für dessen Umlaufszeit Seeliger 18 Jahre findet. Bei Sirius und Procyon ist es in ähnlicher Weise möglich gewesen, die Bahnen der Begleiter zu berechnen, ehe dieselben entdeckt waren; aus den periodischen Veränderungen der Eigenbewegung von Sirius und Procyon schloß Bessel 1844, daß beide einen Begleiter haben müßten, und Peters u. Auwers berechneten die Bahnen für dieselben. 1862 entdeckte Alvan Clark dann wirklich bei Sirius einen Begleiter neunter Größe und ebenso 1896 Schaeberle einen Begleiter 13. Größe bei Procyon, deren Bewegung sich vollkommen den berechneten Bahnen anschloß.

Auch mittels des Spektroskops ist es in neuester Zeit gelungen, Begleiter bei einigen Sternen nachzuweisen, die mit dem Fernrohr nicht wahrgenommen werden können. So fand Pickering auf den photographischen Aufnahmen des Spektrums des Sternes Mizar (ζ Ursae maj.) die ultraviolette Linie K doppelt in Zwischenzeiten von 52 Tagen. Diese Verdoppelung erklärt sich durch die Annahme, daß der hellere Stern des Sternpaares Mizar aus zwei nahe beieinander stehenden Sternen von ungefähr gleicher Helligkeit bestehe, die in 104 Tagen um ihren gemeinsamen Schwerpunkt laufen. In Zwischenzeiten von 52 Tagen ist ihre Verbindungslinie rechtwinklig zur Gesichtslinie, ihre Bewegungen erfolgen dann in der Gesichtslinie, und zwar nach entgegengesetzten Richtungen; die Linien in den Spektren verschieben sich daher in entgegengesetztem Sinn, und da die Spektren beider Sterne sich übereinander lagern, so tritt eine Verdoppelung der Linien ein. Auf gleiche Weise hat Pickering auch den Stern β Aurigae als doppelt erkannt mit 4 Tagen Umlaufszeit. Während hier durch periodische Verdoppelung der Linien zwei helle Komponenten eines Sternes nachgewiesen wurden, hat Vogel durch periodische Verschiebungen der Spektrallinien nach entgegengesetzten Richtungen bei Algol (s. unten: »Veränderliche Sterne«) und Spica verhältnismäßig dunkle Begleiter nachgewiesen. Bis jetzt sind etwa 30 solcher spektroskopischer Doppelsternsysteme bekannt. Bei den folgenden konnte mit hinreichender Sicherheit die Periode des Umlaufs festgestellt werden:

Tabelle

Es kommen also alle Umlaufszeiten von Tagesbruchteilen bis zu den Umlaufszeiten der optischen Doppelsterne vor. Besonderes Interesse bietet der Polarstern, dessen veränderliche Eigenbewegung mit einer Periode von 4 Tagen zuerst von Campbell erkannt wurde; neuere Beobachtungen haben nämlich ergeben, daß die mittlere Geschwindigkeit auch noch eine Veränderlichkeit von mehrjähriger Periode andeutet, so daß wahrscheinlich hier ein dreifaches System vorliegt.[641]

[Sternhaufen und Nebelflecke.] Die ungleiche Verteilung der Materie am Himmel erkennt man schon mit unbewaffnetem Auge. An manchen Stellen sieht man viele Sterne zu einer Gruppe vereinigt, wie bei den Plejaden und Hyaden, ebenso sieht man im Perseus, der Andromeda, dem Orion einen matten, wolkenartigen Schimmer, der sich vom dunkeln Himmelsgrunde deutlich abhebt. Solche Gebilde zeigt das Fernrohr in sehr großer Anzahl in allen Größen und Formen, von einigen Sekunden bis zu mehreren Graden Ausdehnung, von runder oder elliptischer Gestalt bis zur gänzlichen Regellosigkeit und Unförmlichkeit. Viele von ihnen sind bei starker Vergrößerung in einzelne Sterne auflösbar und werden dann Sternhaufen benannt, andre jedoch lassen selbst bei den stärksten Vergrößerungen keine Auflösung in Sterne erkennen, sondern erscheinen immer nur als malter Schimmer, häufig mit einer zentralen Verdichtung: sie führen dann den Namen Nebel oder Nebelflecke (s. Nebel). Während sich mit dem Fernrohr eine Grenze zwischen Nebelflecken und Sternhaufen nur sehr schwer feststellen läßt, hat das Spektroskop nachgewiesen, daß ein großer Teil der Nebelflecke eine wesentlich andre Erscheinungsform der Materie darbietet wie die Sternhaufen. Das Spektrum der letztern ist immer kontinuierlich, während bei den Nebeln sehr häufig ein helles Linienspektrum auftritt, das nur bei glühenden Gasen erscheint. In vielen Sternhaufen kann man mehrere tausend Sterne unterscheiden, vielfach sind sie vollständig rund, und gewöhnlich ist die Mitte dichter und reichlicher mit hellern Sternen besetzt als die seitlichen Teile; in einigen seltenern Fällen tritt ein Stern, gleichsam als Zentralstern, merklich hervor. Einige Gegenden des Himmels sind sehr reich an Nebelflecken und Sternhaufen, während diese in andern fast ganz fehlen. Die meisten Sternhaufen liegen in der Nähe der Milchstraße und selbst in dieser. Fast nirgends geht ihre Verbreitung weiter als 10–15° über die Milchstraße hinaus, meist bricht sie bei dieser Grenze plötzlich ab. Sehr zahlreich kommen die Sternhaufen im Skorpion und dem Schützen und in der Gegend zwischen den Zwillingen, dem Fuhrmann und dem Stier, im Orion und im Einhorn vor. Dagegen ist die Gegend des Adlers von Sternhaufen fast ganz entblößt. Die Nebelflecke zeigen jedoch ein gerade entgegengesetztes Verhalten: in der Nähe der Milchstraße fehlen sie fast ganz, und erst in großer Entfernung von ihr treten sie zahlreich auf, an manchen Stellen dicht zusammengedrängt, so daß hier die Annahme eines physischen Zusammenhanges ähnlich wie bei den Doppelsternen naheliegt, doch hat ein solcher bisher noch nicht nachgewiesen werden können. Sehr zahlreich sind sie auf der nördlichen Halbkugel in der Jungfrau und dem Haupthaar der Berenike, und ein andrer dicht besetzter Streifen zieht durch Pegasus, Andromeda und Perseus bis zur Milchstraße hin. Auf der südlichen Halbkugel finden sich die dichtesten Ansammlungen in den beiden Kapwolken (Nubecula major et minor).

[Veränderliche Sterne] Die Mehrzahl der Sterne erscheint immer in gleicher Helligkeit, doch gibt es eine ziemliche Anzahl, die eigentümliche Veränderungen ihrer Helligkeit zeigen, die z. T. periodisch, z. T. jedoch ganz unregelmäßig erfolgen. Nach Wolf kann man die veränderlichen Sterne in vier Klassen einteilen, von denen die 1. Klasse solche Sterne enthält, die nur ausnahmsweise sichtbar sind; hierin gehören die neuen oder temporären Sterne (s. unten). Die 2. Klasse umfaßt die Sterne, deren Lichtwechsel nach Dauer und Verlauf sehr unregelmäßig erfolgt. Der bekannteste Stern dieser Klasse ist der Stern η Argi der südlichen Halbkugel, der, in einem großen Nebelfleck stehend, 1677 von Halley als Stern 4. Größe, 1827 von Burchell als Stern 1. Größe gesehen wurde, 1843 dem Sirius fast gleichkam, dann jedoch langsam abnehmend 1865 für das freie Auge verschwand. Seitdem ist er innerhalb geringer Schwankungen als Stern 7. Größe sichtbar geblieben. Ferner gehört zu dieser Klasse einer der merkwürdigsten veränderlichen Sterne, der Stern U Geminorum, der zwischen 9. und 13. Größe schwankt, jedoch öfters mit großer Schnelligkeit an Helligkeit zunimmt, manchmal innerhalb 24 Stunden um drei Größenklassen. Zur 3. Klasse gehören solche Sterne, die einen beständigen Lichtwechsel zeigen, dessen Periode nach Dauer und Verlauf bestimmt ist, wie z. B. der Stern a Cephei, dessen Helligkeit zwischen 4. und 5. Größe schwankt, und dessen Periode 5 Tage 8,8 Stunden beträgt. Der Lichtwechsel dieses Sterns zeigt unter allen Veränderlichen die größte Regelmäßigkeit. Ferner rechnen zu dieser Klasse der Stern ο Ceti und β Lyrae. Die Veränderlichkeit des erstern wurde schon 1596 von Fabricius erkannt und später von Hevel genauer untersucht, der diesem Stern nach dem Vorschlag von Jungius den Beinamen »der Wunderbare« (Mira) gab. Bei ihm haben sich Perioden der Perioden ergeben, indem die verschiedenen Maxima und Minima durchaus verschieden sind. Er sinkt zur Zeit des Minimums zu einem Stern 10. Größe herab, wächst aber zuweilen fast zu einem Stern 1. Größe an, während er zu andern Zeiten sein Maximum schon als Stern 4. Größe erreicht. Aus zahlreichen Beobachtungen ergeben sich 331,6 Tage als Zeit der ganzen Periode, in der sich alle Veränderungen wiederholen. Der Lichtwechsel des Sternes β Lyrae ist besonders eigentümlich, weil er zwei Maxima von 3,4. Größe und zwei Minima von 4,0. und 4,5. Größe zeigt; die ganze Periode beträgt nach Argelander 12 Tage 21,8 Stunden und nimmt langsam zu. Die 4. Klasse umfaßt die Sterne, deren Lichtwechsel nur nach bestimmten Zeitabschnitten eintritt. Das Prototyp dieser Klasse ist der Stern Algol (β Persei), nach dem man auch die ganze Klasse als »Algoltypus« bezeichnet. Algol bleibt während 2 Tagen 11,5 Stunden unverändert 2. Größe, nimmt dann innerhalb 4 Stunden wieder bis zur 4. Größe ab, behält dieses Minimum 1/4 Stunde und nimmt dann in 4 Stunden wieder bis zu 2. Größe zu. Zur Erklärung dieses Lichtwechsels, der schon 1669 von Montanari erkannt wurde, hat man angenommen, daß Algol ein Doppelstern sei, dessen eine Komponente dunkel ist, so daß die Lichtverminderung durch Verfinsterung des hellen Körpers hervorgebracht wird. Diese Annahme ist durch Vogels photographische Aufnahmen des Algolspektrums bestätigt worden, indem dieselben eine Verschiebung der Linien vor und nach dem Minimum nach entgegengesetzten Seiten zeigen, so daß Algol vor dem Minimum sich von der Sonne entfernt, nach demselben sich ihr nähert. Chandler hat noch eine periodische Veränderung der Periode des Lichtwechsels von Algol gefunden, und nimmt an, daß Algol ein System von drei Körpern ist, in dem der Hauptstern mit seinem engen Begleiter, der den Lichtwechsel hervorbringt, sich gemeinsam noch um einen dritten Körper mit einer Umlaufszeit von 130 Jahren bewegt. Auch bei den andern Sternen dieses Typus, zu denen z. B. δ Lyrae und λ Tauri gehören, ist die Annahme eines mehrfachen Stern systems sehr wahrscheinlich Bei den veränderlichen [642] Sternen der andern Klassen ist man aber mehr zur Annahme berechtigt, daß die Oberfläche der Sterne mit dunkeln Flecken besetzt ist, wie bei der Sonne, deren Größe sich infolge der Rotation des Sternes und sonstiger Umbildungen beständig ändert, so daß einem Fleckenmaximum ein Minimum der Helligkeit des Sternes entsprechen wird und umgekehrt. Die Spektren der veränderlichen Sterne gehören fast alle zur dritten Spektralklasse, mit Ausnahme der Sterne vam Algoltypus, die alle ein Spektrum der 1. Klasse zeigen. Bemerkenswert ist noch, daß die meisten veränderlichen Sterne rot sind, doch gibt es auch weiße; außerdem sind Sterne aller Größen veränderlich, häufiger jedoch die schwächern Sterne.

[Neue oder temporäre Sterne.] Zum Teil noch nicht ganz aufgeklärt sind die Erscheinungen, die das Aufleuchten neuer Sterne darbietet. Gewöhnlich nehmen dief etben bei ihrem Aufleuchten sehr schnell an Helligkeit zu, um dann wieder langsam abzunehmen; meist verschwinden sie überhaupt wieder, z. T. jedoch bleiben sie später als schwache Sterne sichtbar. Schon aus dem Altertum haben sich einzelne Berichte über das Erscheinen neuer Sterne erhalten; so soll das plötzliche Aufleuchten eines solchen Sternes im Sternbild des Skorpions 134 v. Chr., der auch in China beobachtet wurde, Hipparch zur Anfertigung seines Sternkatalogs veranlaßt haben. Ferner beobachteten um 827 arabische Astronomen einen neuen Stern im Skorpion, der nach vier Monaten wieder verschwand. Von einer Anzahl solcher Sterne berichtet ferner Matuanlin (s.d.) in seiner chinesischen Enzyklopädie, aber erst seit Tycho Brahe haben wir genauere Nachrichten über solche Erscheinungen. Am 11. Nov. 1572 erblickte Brahe in der Cassiopeja einen überaus hellen Stern, den er früher nie bemerkt hatte. Derselbe übertraf in der ersten Zeit seiner Sichtbarkeit alle F. und selbst Venus an Glanz und ward auch bei Tage bequem gesehen. Im Dezember 1572 sing er an, schwächer zu werden, im Januar 1573 war er weniger hell als Jupiter; im April d. J. erschien er als ein Stern 2., im Juli und August 3. und im Oktober und November 4. Größe, zu Anfang 1574 war er 5.–6. Größe, und im März war er für das unbewaffnete Auge verschwunden, nachdem er 17 Monate hindurch geleuchtet hatte. 1604 entdeckte Kepler im Ophiuchus einen neuen Stern; derselbe übertraf an Glanz alle F. 1. Größe, nahm zu Anfang des folgenden Jahres an Glanz ab und verschwand zu Anfang 1606 spurlos. 1670 entdeckte Anthelme im Fuchs einen neuen Stern 3. Größe, der von Juni bis August leuchtete und dann verschwand, im März 1671 sich wieder als Stern 4. Größe und nochmals im folgenden März als Stern 6. Größe zeigte, seitdem aber dauernd verschwunden ist. In dem nächsten Jahrhundert sind keine neuen Sterne gesehen worden. 1848 entdeckte Hind einen neuen rötlichgelben Stern 5. Größe im Ophiuchus, der 1850 bis zur 11. Größe abgenommen hatte und seit 1867 die Helligkeit eines Sterns 12. Größe beibehalten hat. 1860 fand Auwers im Sternhausen Messier 80 im Skorpion einen Stern 7. Größe, der drei Tage zuvor noch nicht sichtbar gewesen war, der jedoch sehr bald wieder verblaßte und nach einem Monat verschwunden war. Sehr merkwürdig ist das plötzliche Anwachsen eines Sterns 9,5. Größe der Bonner Durchmusterung im Sternbilde der Nördlichen Krone im Mai 1866 zu einem Stern 2. Größe. Derselbe erschien mit einem schwachen nebligen Dunst umgeben, nahm rasch wieder an Licht ab, war 20. Mai schon nicht mehr dem bloßen Auge sichtbar und ist seit 1867 9. Größe geblieben. 1876 fand Schmidt im Schwan einen Stern 3. Größe von goldgelber Farbe, dessen Glanz so rasch abnahm, daß er in 21 Tagen dem bloßen Auge nicht mehr sichtbar war. Mitte August 1885 erschien ziemlich in der Mitte des großen Andromeda-Nebels ein neuer Stern 6. Größe, der, rasch an Helligkeit abnehmend, bereits Anfang 1886 wieder verschwand. Zu den interessantesten gehört der von Anderson 23. Jan. 1892 entdeckte neue Stern im Fuhrmann, der bei seiner Entdeckung 5. Größe war; Anfang März war er 6. Größe, dann erfolgte aber innerhalb weniger Tage eine sehr schnelle Abnahme von 3–4 Größenklassen, und Ende April war der Stern auch für die stärksten Fernrohre verschwunden. Im August 1892 erschien er plötzlich wieder als Stern 9. Größe, und zwar von einer schwachen Nebelmasse umgeben, und hat diese Größe auch bis jetzt dauernd beibehalten, dabei jed och kleinere Schwankungen bis zu 1,5 Größenklassen gezeigt. Die Zeit des Aufleuchtens dieses Stern es hat sich durch die Untersuchung der ältern photographischen Aufnahmen dieser Himmelsgegend durch die Sternwarten in Cambridge (Mass.) und Heidelberg genau feststellen lassen. Während er auf allen Platten bis 8. Dez. 1891, die Sterne bis zur 8. Größe zeigen, unsichtbar ist, findet er sich bereits 10. Dez. 1891 und auf allen spätern Platten als heller Stern 5. Größe, er muß also in der Zeit vom 8.–10. Dez. ganz rapid an Helligkeit zugenommen haben. Die Untersuchung seines Spektrums zeigte, daß dasselbe aus zwei übereinander gelagerten Spektren bestand, einem mit hellen Linien und einem kontinuierlichen Spektrum mit dunkeln Absorptionslinien. Beide Spektren waren erheblich gegeneinander verschoben, entsprechend einer relativen Geschwindigkeit von ca. 800 km in der Sekunde. Zur Erklärung dieser Erscheinung ist unter verschiedenen Hypothesen am wahrscheinlichsten diejenige von Seeliger, der annimmt, daß das Aufleuchten des Sternes durch das Eintreten eines festen Weltkörpers in eine kosmische Wolke, ein Gebilde von sein verteilter Materie, mit der der Weltraum angefüllt ist, erfolgt sei, wobei seine Oberfläche eine sehr starke Erhitzung erfahren habe. Diese Erklärung dürfte überhaupt für einen großen Teil der bisher beobachteten neuen Sterne am wahrscheinlichsten sein, besonders jedoch für den im Juli 1893 von Frau Fleming im Sternbilde des Lineals (Norma) der südlichen Halbkugel auf photographischem Weg entdeckten neuen Stern 7. Größe, dessen Spektrum fast genau mit demjenigen des neuen Sterns im Fuhrmann übereinstimmt. Seitdem ist fast jedes Jahr ein neuer Stern durch Vergleichung der von der Harvard-Sternwarte in Arequipa (Peru) aufgenommenen Himmelsphotographien durch Frau Fleming, so 1895 im Schiff Argo und im Kentauren, 1898 im Schützen, 1899 im Adler.

Am 22. Febr. 1901 sah Anderson im Sternbilde des Perseus einen neuen Stern 2,7. Größe, der am 24. Febr. bereits erster Größe und gleich Capella war; diese Helligkeit behielt er bis 27. Febr., nahm dann langsam ab, war Mitte März etwa 3,5. Größe, dann ging die Lichtabnahme schneller vor sich, und Ende März war er noch 5,5. Größe und für das bloße Auge kaum noch wahrnehmbar. Alsdann traten sehr merkwürdige Schwankungen der Helligkeit zwischen 4,5. und 5,5. Größe mit einer Periode von 3–4 Tagen auf. Die Lichtabnahme ging jedoch immer langsam weiter, im Herbst 1901 war die Helligkeit 7. Größe, Anfang 1902 8. Größe und im Mai 1902 9. Größe. Da[643] auf keiner frühern Aufnahme der Perseus-Gegend, auch nicht auf einer von Williams 28 Stunden vor der Entdeckung durch Anderson aufgenommenen Photographie, die Sterne 12. Größe enthält, eine Spur der Nova sich findet, so muß das Aufleuchten derselben und eine Helligkeitszunahme von über elf Größenklassen in der kurzen Zeit von einem Tag erfolgt sein, was auf eine außerordentlich heftige Katastrophe im Weltenraum als Ursache des Aufleuchtens schließen läßt. Der neue Stern war der hellste, der seit drei Jahrhunderten erschienen ist, und wurde nur von der Tychonischen Nova in der Cassiopeja von 1572 und von der Keplerschen Nova im Ophiuchus von 1604 an Helligkeit übertroffen, die beide die Helligkeit von Venus erreichten. Außer dem starken Lichtwechsel zeigte die Nova aber auch einen ausgeprägten Farbenwechsel; anfangs blauweißlich, wurde sie später gelblich und Mitte März vollständig rot. Das Spektrum war bei der Entdeckung ein kontinuierliches mit zahlreichen dunkeln Absorptionsbändern, die Wasserstofflinien stark verbreitert, die beiden Calciumlinien H und K dagegen sehr scharf. Aus der Verschiebung der Linien gegen die normale Lage ergab sich, daß die Calciumlinien einem Körper angehören, der sich mit einer Geschwindigkeit von 181 km in der Sekunde von der Sonne fortbewegt, während die Wasserstoff- und andern Linien von einem Körper herrühren, der sich mit der enormen Geschwindigkeit von 700–800 km in der Sekunde uns nähert. Nach wenigen Tagen war das Spektrum jedoch ein ganz andres geworden, es traten nun eine ganze Reihe von hellen, sehr glänzenden Linien auf, so die Wasserstofflinien, die D-Linie sowie mehrere Linien im Grün. Diese zeigten eine Verschiebung nach dem roten Ende des Spektrums, außerdem waren neben den hellen Wasserstofflinien auch noch dieselben dunkeln Linien nach dem Violett verschoben zu sehen. Das Spektrum war dem der Nova Aurigae vom Jahre 1892 sehr ähnlich. Die von Seeliger bei den Nova Aurigae aufgestellte Hypothese von der Entwickelung der neuen Sterne trifft auch für die Nova Persei zu und erklärt die Veränderungen des Spektrums vollständig. Danach wird das Aufleuchten eines neuen Sterns dadurch hervorgebracht, daß ein vorher dunkler, also planetarischer Himmelskörper in eine kosmische Staubwolke eindringt und infolge des Reibungswiderstandes, den er dabei erfährt, ins Glühen gerät. Durch die Anziehung des eindringenden Körpers auf die einzelnen Massenteilchen der Nebelwolke müssen sich diese mit beständig wachsender Geschwindigkeit auf den planetarischen Körper herabstürzen und dabei ebenfalls glühend werden, hierbei wird sich eine sich beständig erneuernde Gashülle um den festen Körper bilden. Anfangs wird das vom festen Körper kommende Licht von dieser Hülle nur wenig absorbiert werden; nimmt die Hülle an Dichtigkeit zu, so werden diejenigen Strahlen, welche die Gashülle selbst aussendet, absorbiert, und es treten dann in dem Spektrum die dunkeln Absorptionslinien auf, namentlich des Wasserstoffes, da dieser in der Gashülle sehr stark vertreten sein wird; wird die Gashülle noch dichter, so wird schließlich alles Licht, das von dem glühenden festen Körper kommt, absorbiert, und nur die Lichtstrahlen, welche die glühende Gashülle aussendet, gelangen zu uns; es ist dann das kontinuierliche Spektrum ganz ausgelöscht, und es erscheint ein reines Gasspektrum mit hellen Linien. Die beobachteten Erscheinungen im Spektrum des neuen Sterns deuten also darauf hin, daß bei diesem die Bildung der dichten Hülle in wenigen Tagen vor sich gegangen ist. Außer durch das spektroskopische Verhalten der Nova Persei hat die Seeligersche Hypothese eine weitere Stütze dadurch erhalten, daß die kosmischen Nebelgebilde in der Nähe der Nova Persei auch sichtbar geworden sind. Auf photographischen Aufnahmen von Wolf, Ritchie und Perrine vom Herbst 1901 zeigen sich deutliche Nebelringe, die die Nova umgeben, und die die merkwürdige Erscheinung darboten, daß sie sich mit großer Geschwindigkeit von der Nova entfernten. Nach Kapteyn handelt es sich hierbei aber nicht um wirkliche Bewegung materieller Teile, vielmehr sehen wir dabei das Fortschreiten des bei der Novakatastrophe ausgesandten sehr hellen Lichtes, das immer fernere materielle Teilchen trifft und von diesen reflektiert wird, eine Beobachtung, die bisher noch einzig dasteht.

Vgl. Klein, Handbuch der allgemeinen Himmelsbeschreibung (3. Aufl., Braunschw. 1901); Kaiser, De Sterrenhemel verklaard (4. Aufl. von Oudemans, Deventer 1884–89, 2 Tle.; deutsch, Berl. 1850); Agnes Clerke, The system of the stars (Lond. 1890); Ball, Starland (Bost. 1891); Ideler, Untersuchungen über Ursprung und Bedeutung der Sternnamen (Berl. 1809); Argelander, Uranometria nova (das. 1843); Heis, Neuer Himmelsatlas (Köln 1872); Littrow, Atlas des gestirnten Himmels (4. Au fl., Berl. 1886); Behrmann, Atlas des südlichen gestirnten Himmels (Leipz. 1874); Schurig, Tabulae caelestes (das. 1886); Messer, Sternatlas für Himmelsbeobachtungen (2. Aufl., Petersb. 1902).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 6. Leipzig 1906, S. 638-644.
Lizenz:
Faksimiles:
638 | 639 | 640 | 641 | 642 | 643 | 644
Kategorien:

Buchempfehlung

Lessing, Gotthold Ephraim

Philotas. Ein Trauerspiel

Philotas. Ein Trauerspiel

Der junge Königssohn Philotas gerät während seines ersten militärischen Einsatzes in Gefangenschaft und befürchtet, dass er als Geisel seinen Vater erpressbar machen wird und der Krieg damit verloren wäre. Als er erfährt, dass umgekehrt auch Polytimet, der Sohn des feindlichen Königs Aridäus, gefangen genommen wurde, nimmt Philotas sich das Leben, um einen Austausch zu verhindern und seinem Vater den Kriegsgewinn zu ermöglichen. Lessing veröffentlichte das Trauerspiel um den unreifen Helden 1759 anonym.

32 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Spätromantik

Große Erzählungen der Spätromantik

Im nach dem Wiener Kongress neugeordneten Europa entsteht seit 1815 große Literatur der Sehnsucht und der Melancholie. Die Schattenseiten der menschlichen Seele, Leidenschaft und die Hinwendung zum Religiösen sind die Themen der Spätromantik. Michael Holzinger hat elf große Erzählungen dieser Zeit zu diesem Leseband zusammengefasst.

430 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon