Basel [2]

[371] Basel (Geschichte). B. kommt als Basilea od. Basilia in der späteren Römerzeit vor; es entstand wahrscheinlich aus einem, von den Römern gegen die Alemanen angelegten Castell u. wurde durch den Untergang der nur. 2 Stunden entfernten Augusta Rauracorum (Augst) vergrößert. Im Mittelalter nahm es bald den Namen Bazela od. Baesula an, woraus der Name B. entstand. Früh schon der Sitz eines Bischofs', der vorher zu Angst residirte, kam B. mit der Umgegend (Baselgau) 870, bei der Theilung, an Ludwig den Deutschen, darauf am Ende des 9. Jahrh. an. Boso, den Stifter des Burgundischen Reichs; 1032 aber an den Kaiser Konrad II.; u. seitdem theilten der Reichsvogt, der Bischof, die adeligen Familien u. die Bürgerschaft sich in die Ausübung der obersten Gewalt, wodurch Reibungen veranlaßt wurden, in denen jedoch die Bürgerschaft nach u. nach immer mehr Freiheiten erlangte. 1167 wurde über B., weil es dem Kaiser Friedrich I. trotz des päpstlichen Befehls treu blieb, der Bann ausgesprochen. Im 13. Jahrh. geriethen die Rittergesellschaften der Psitticher u. Sterner (s. b.) hart aneinander; Letztere waren Anhänger der Grafen von Habsburg u. wurden vertrieben, doch kam es 1274 zum Frieden, u. die Sterner kehrten in die Stadt zurück; der Friede wurde indeß 1308 wieder gestört. 1333 gerieth B. wegen Anhänglichkeit an Ludwig den Baier wieder in den Bann; doch zwangen die Bürger die Priester, den Gottesdienst fortzusetzen od. auszuwandern, bis 1348 der Bann aufgehoben wurde. 1356 wurde B. durch ein Erdbeben fast ganz zerstört. Nach dem Wiederaufbau der Stadt gewann das Bürgerthum immer festeren Boden u. begann der Herrschaft des Bischofs, des Reichsvogts u. Adels, welche die oberste Gewalt unter sich theilten, kräftigen Widerstand entgegenzusetzen. Durch Kauf brachte die Bürgerschaft verschiedene Gerechtsame des Geld bedürftigen Bischofs an sich, so 1373 die Münzgerechtigkeit. Streitigkeiten mit dem Reichsvogt u. dem Adel führten. eine Fehde mit Österreich, welches mit der Reichsvogtei belehnt war, herbei, jedoch belagerten Leopold von Österreich u. der Bischof Johann von Vienne B. 1370 vergebens. Nach der Schlacht bei Sempach 1386 trat. Kaiser Wenzel, wie den eidgenössischen Städten, so auch B. die Reichsvogtei käuflich ab, u. 1387 ward der erste Bürgermeister aus dem Achtbürgern erwählt. 1431 bis 1443 wurde das große Concilium (s. Baseler Concil) hier gehalten. Um sich gegen seine Feinde zu sichern, suchte B. ein Bündniß mit der Schweizerischen Eidgenossenschaft einzugehen, aus welchem jedoch erst 1501 der völlige Beitritt B-s als Canton der Schweiz hervorging. 1444 wurde die Stadt vom Herzog von Armagnac belagert, der jedoch nach der Schlacht bei St. Jakob, einem Siechhaus dicht bei B., wo sich 1500 Schweizer gegen 30,000 Franzosen tapfer wehrten u. sämmtlich fielen, wieder abzog. Gegen Ende des Concils wurde ein großer Theil der Bewohnerschaft ein Opfer der Pest (Tod von B.). 1459 wurde die Universität gestifet (s. Basel [Geogr.] 2). In den Burgunderkriegen stellte B. Truppen für die Schweiz. Nachdem hier den 22. Sept. der Friede zwischen Kaiser Maximilian I. u. der Schweiz geschlossen war, worin die Unabhängigkeit der Eidgenossenschaft anerkannt wurde, trat B. 1501 völlig. der Schweizerischen Eidgenossenschaft als Canton B. bei. Die demokratischen Formen griffen um diese Zeit mehr Platz, ein Theil des Adels wanderte 1516 aus, der übrige wurde den Zünften einverleibt. Der neue Canton nahm lebhaften Antheil an den Kriegen der Schweizer in Italien, u. seit 1524 wurden. die Ideen der Reformation mehr u. mehr bekannt; 1527 wurde die Ausübung der Reformirten Lehre zu B. erlaubt, u. 10 Jahre später war die Reformation in B. allgemein, die Klöster wurden eingezogen u. das Domcapitel verließ die Stadt. Auch verlor der Bischof immer mehr von seinem Einfluß auf die Stadt, so daß er 1585 in einem Vergleich auf mehrere alte Ansprüche verzichtete. Nachdem die Regierungsgewalt vollständig an die Bürger (Kaufleute u. Handwerker) übergegangen war, bildete sich die neue Verfassung nach dem Muster anderer eidgenössischen Städte aus. Der Große Rath, 280 Mitglieder zählend u. aus den Zünften hervorgehend, bildete die berathende u. gesetzgebende Macht, der Kleine Rath, 64 Mitglieder zählend u. mit zwei den Vorsitz periodisch wechselnden Bürgermeistern an der Spitze, die Executive. Mehr u. mehr gegen Außen sich absperrend u. in kritischen Lagen eine nicht immer ehrenvolle Neutralität beobachtend, war der Staat im Innern nicht frei von Parteikämpfen, durch welche die Verfassung mehrfache Veränderungen erlitt. Diese Parteikämpfe zwischen den aristokratischen u. demokratischen Elementen, zwischen der Großen u. Kleinen Stadt, zwischen den Städten u. dem flachen Lande, welches anfangs gar keinen Antheil an der Regierung hatte, führten oft zu blutigen Conflicten, so 1525, 1594, 1598, 1653 u. 1691. Beim Westfälischen Frieden wußte der Abgesandte B-s mit diplomatischer Gewandtheit die Stadt von der Oberhoheit des Reichs, die nur noch nominell bestand, gänzlich frei zu machen. Trotz der von ihr beobachteten Neutralität konnte die Stadt nicht verhindern, daß ihr Gebiet, an der Grenze dreier Länder liegend, von fremden Truppen durchzogen u. dabei oft verheert u. geplündert wurde. Im Dreißigjährigen Kriege wurde die Stadt 1633 von den Kaiserlichen u. 1633 von den Schweden zeitweise besetzt; die schweizerischen Bürgerkriege dehnten ihren Schauplatz 1656 u. 1772 bis dicht unter die Mauern B-s aus; 1678 fielen die Franzosen, 1709 die Österreicher ins B-er Gebiet ein; am 5. April 1793 wurde in B, der Friede zwischen Frankreich u. Preußen durch den Grafen Golz u. nach dessen Tode von Hardenberg u. dem französischen Gesandten Barthelemy, u. am 22. Juli Friede zwischen Frankreich u. Spanien durch Barthelemy u. Yriarte geschlossen, s.u. Französischer Revolutionskrieg. Bei der Schweizerischen Staatsumwälzung von 1798 kam die Gährung unter den Landbewohnern zum offenen Ausbruch; die alten Patricierfamilien stemmten sich vergebens gegen die Anerkennung der Rechtsgleichheit. des gesammten Volkes, sie wichen der Gewalt, u. die Stadt nahm die von dem französischen Directorium gebotene Verfassung an. Bon den Franzosen besetzt, mußte sie Contribution zahlen, blieb aber nach der Mediationsurkunde[371] von 1803 ein selbständiger Canton. 1813 wurde die Neutralität der Schweiz von den Alliirten nicht anerkannt u. die große Armee derselben marschirte im Januar 1814 durch B., wo am 13. Jan. die Kaiser Alexander u. Franz u. der König Friedrich Wilhelm von Preußen eine Zusammenkunft hatten. 1814 u. 1815 wurde B. von Hüningen aus, jedoch ohne Erfolg, von den Franzosen beschossen. In der Bundesacte von 1814 erhielt B. den 11. Platz unter den Cantonen. Nach der Restauration begann die Geldaristokratie die der Gesammtbevölkerung früher eingeräumten Rechte zurückzuziehen. Eine vom Großen Rathe 1814 gegebene Verfassung machte die Rechtsgleichheit der Landschaft illusorisch. Das willkührliche Verfahren der Stadt gegenüber der Landschaft rief bei der Letzteren Mißstimmung hervor, welche 1830 in Empörung auszubrechen drohte. Zwar suchte der Große Rath durch das Versprechen einer Verfassungsrevision den Sturm abzuhalten, aber das Mißtrauen der Landgemeinden fand neue Nahrung, als der Große Rath die Betheiligung der Landschaft an der Reform der Verfassung verweigerte. Im Jan. 1831 zogen die Landleute gegen die Stadt, die jedoch den Angriff zurückschlug u. Liestal besetzte, worauf die Landgemeinden die neue Verfassung annahmen. Indessen schon im Aug. 1831 begann der Aufstand wieder, die städtischen Truppen, welche zur Dämpfung desselben ausgerückt waren, wurden von den Landschäftlern zurückgeschlagen, u. die Tagsatzung ließ den Canton, zu Vermeidung ferneren Blutvergießens, durch Truppen besetzen. Am 17. Aug. 1833 kam die völlige Trennung der Stadt B. von B-Landschaft zu Stande, die nun beide abgesonderte Cantone, jeder mit halber Stimme bei der Tagsatzung vertreten, bildeten (s. Basel [Geogr. u. Statistik]). Bei dieser Trennung mußte B-stadt nach dem Urtheilspruch des eidgenössischen Schiedsgerichts 64% des Staatsvermögens u. 60% des Schul- u. Kirchenfonds, sowie sämmtliches Gebiet, außer dem, welches unmittelbar zur Stadt gehörte u. was auf der rechten Rheinseite lag, an die Landschaft abtreten. 1835 gerieth die Stadt in Differenz mit Frankreich, da B., gestützt auf sein Grundgesetz, einen Gutskauf französischer Juden in seinem Gebiete nicht bestätigen wollte. Frankreich ließ deshalb eine Grenzsperreeintreten, u. dieselbe wurde erst, als den Juden eine Entschädigung von 20,000 Fr. geleistet war, im Aug. 1836 aufgehoben. Später traf Frankreich mit B. eine Convention, nach welcher den Unterthanen beider Staaten, ohne Unterschied der Confession, ein gegenseitiges Niederlassungsrecht eingeräumt wurde. Vom 30. Juni bis 7. Juli 1844 fand hier ein großes Freischießen statt, verbunden mit einer Säcularfeier der Schlacht bei St. Jakob, wobei das derselben gewidmete Monument eingeweiht wurde. B. erhielt bei den Ruhestörungen in anderen Orten der Schweiz bis 1843 Ruhe u. Ordnung aufrecht. Aber am 4. Ang. brach hier ein Aufstand wegen einer militärischen Kopfbedeckung (der sog. Käppisturm) aus. Da nämlich die Regierung den Wunsch der Artilleristen, gleiche Kopfbedeckung mit den übrigen Waffengattungen zu erhalten, nicht befriedigte, so machten sich die darüber Unzufriedenen in der Baseler Nationalzeitung Luft, u. als der Herausgeber, Hauptmann Brenner, deshalb verhaftet wurde, befreiten ihn die Artilleristen gewaltsam; doch ward den am Aufruhr Betheiligten bald nachher Amnestie gewährt. Nach dem Sturze der Genfer Regierung boten die Liberalen in B. alle Mittel auf, auch ihre Stadt den gegen den Sonderbund geschaarten Cantonen anzuschließen. Die Conservativen suchten jedoch dem Sturme zuvorzukommen u. baten in einer Adresse im Oct. 1846 die Regierung, eine Revision der Verfassung durch einen Verfassungsrath einleiten zu lassen. Da diesem Wunsche sich auch die Radicalen anschlossen u. auch der Große Rath sich für eine Verfassungsrevision erklärte, so ward eine Revisionscommission niedergesetzt u. die neue Verfassung ward am 8. April 1847 mit 1448 gegen 179 Stimmen von der Bürgerschaft angenommen. Bei dem Zerwürfniß mit den 7 Ständen der Eidgenossenschaft gab der Große Rath nur protestirend seine Zustimmung zu der Execution u. dem Truppenmarsch. Von der Revolution in dem benachbarten Deutschland vom Jahr 1848 ward auch die Schweiz u. bes. B. berührt. Im April d. J. wurden die Truppen des gesammten Cantons B. concentrirt, um die Schweiz gegen eine Gebietsverletzung von Seiten der Freischaaren an der badenschen Grenze zu decken. Nach dem Mißlingen des Heckerschen Aufstandes flüchtete der Urheber desselben mit seinen Genossen nach B. Die von dem badenschen Ministerium verlangte Auslieferung von Hecker u. Struve ward von der Baseler Regierung abgelehnt. Am 29. Juni 1849 langten auch die Koryphäen der aufgelösten deutschen Nationalversammlung in B. an (Raveaux, Vogt, Simon, Itzstein u.a.), reisten jedoch bald von da nach Liestal. In den darauf folgenden Jahren zog sich die politische Bewegung immer mehr aus den einzelnen Cantonen auf das Gebiet der allgemeinen schweizerischen Angelegenheiten; jedoch hat B. an Bedeutung als Knotenpunkt der Eisenbahnen gewonnen, welche von B. nach Genf u. von B. nach Luzern u. nach dem Bodensee führen.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 2. Altenburg 1857, S. 371-372.
Lizenz:
Faksimiles:
371 | 372
Kategorien:

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Casanovas Heimfahrt

Casanovas Heimfahrt

Nach 25-jähriger Verbannung hofft der gealterte Casanova, in seine Heimatstadt Venedig zurückkehren zu dürfen. Während er auf Nachricht wartet lebt er im Hause eines alten Freundes, der drei Töchter hat... Aber ganz so einfach ist es dann doch nicht.

82 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

434 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon