Livland [2]

[445] Livland, wurde von den Letten bewohnt u. erst seit 1158 in dem übrigen Europa bekannt, als ein Bremer Kauffahrteischiff, an die Küste getrieben, bei der Mündung der Düna landete. Nach kurzem Widerstande fing sich mit den Eingebornen ein Handelsverkehr an, u. Lübecker u. andere deutsche Kaufleute suchten diese Küste auf. Sie rückten die Düna hinauf u. bauten zur Waarenniederlage auf einem Berge ein hölzernes Haus, woraus in der Folge die erste Burg mit einer christlichen Kirche entstand; die Einwohner nannten das Schloß Ikeskola (Uxküll), d. h. Kloster, weil Meinhard, der erste Missionär, ein Augustinermönchskloster daselbst errichtete, um von hier aus das Christenthum auszubreiten (1186). Andere Schlösser an der Düna, wie Dalen, Kirchholm (wohin Meinhard seinen bischöflichen Sitz verlegte), wurden fast zu gleicher Zeit, nicht lange nachher Riga u. Dünamünde mit einem Cistercienserkloster vom Bischof Albrecht aus Bremen erbaut (1201), während die Dänen unter Kanut VI, sich im nördlichen L. (Esthland) festsetzten u. unter Waldemar II. Reval mit einem Bisthum anlegten. Mit den Kirchen u. festen Schlössern (1200–1400) vermehrte sich die Zahl der deutschen Colonisten u. Pilgrime, u. als sich die Eingebornen der Annahme des Christenthums widersetzten, wurde das Kreuz gegen sie gepredigt. Der Bischof Albrecht stiftete, um seinem Bisthum eine stehende Miliz zu geben, mit Genehmigung des Papstes Innocenz III. den Orden der Ritterschaft[445] Christi od. die nachmaligen Schwertbrüder (s.d.) u. trat demselben die Hälfte des noch zu erobernden L-s mit aller Souveränetät ab (1206). Priester u. Ritter zwangen den Livländern die Christliche Religion mit Zins, Zehnten u. anderen Abgaben auf, u. der Krieg wurde gegenseitig grausam geführt. Zur nachdrücklichen Fortsetzung des Kriegs u. da der Großmeister Folkwin den abnehmenden Eifer des Ordens merkte, bemühte er sich, sich mit den Deutschen Ordensrittern in Preußen zu vereinigen. Aber die Vereinigung kam erst 1237 zu Stande, als Folkwin von den Letten eine große Niederlage erlitten hatte u. selbst geblieben war. Der Großmeister des Deutschen Ordens Hermann v. Salza sendete nun Deutsche Ritter nach L., an der Spitze Hermann v. Balk, welcher der erste Landmeister des Deutschen Ordens in L. war. Mit König Waldemar II. von Dänemark, der auf Esthland Ansprüche machte, wurde ein Vertrag geschlossen u. ihm der nördliche Theil von Esthland gegeben. Hermann entriß den Russen noch Pleskow u. hatte 1243 zu seinem Nachfolger Heinrich von Heimburg, unter welchem Pleskow wieder an die Russen verloren ging. Sein Nachfolger Dietrich von Gruningen (1245–50) schloß, in Folge seiner Niederlage am Peipus, Frieden mit den Russen. 1245 erhielt der Deutsche Orden L., Kurland u. Samogitien vom Kaiser Friedrich II. in Lehn. Dietrich besiegte darauf die Kurländer u. machte sie tributbar; diese aber verbanden sich mit Lithauen, gegen welches Land nun Dietrich 1247 einen Feldzug machte. Andreas von Stuckland (1250–52) setzte den Krieg gegen Lithauen fort u. bewog schließlich den dortigen Großherzog zur Annahme des Christenthums. Schnell folgte nach ihm auf einander als Landmeister Eberhard von Seyne, Anno von Sangerhausen (unter Einem von Beiden wurde das Erzbisthum zu Riga 1254 gestiftet), Burkhard von Hornhausen (um 1257), Andreas (um 1260), Georg von Eichstätt, Werner von Breithausen, Otto von Lutterberg (1268), Konrad von Mandern (fiel 1268 gegen die Russen), die in fortwährenden Kämpfen mit Lithauern, Samogitiern, Russen lagen; so die Folgenden: Otto von Rodenstein (1272–1274), Andreas von Westfalen (1274–75), Walther von Nordeck (1275–78), welcher mehrere Plätze befestigte u. Neuhausen u. Mitau gründete, Ernst von Rasburg (1278–79), Konrad von Feuchtwangen, Mangold von Sternberg (1282–1287), Konrad von Herzogenstein (1286–89); erst unter Bodo (Otto) von Hohenbach (seit 1289) wurde L. etwas ruhiger, aber um diese Zeit, bes. unter Balthasar, begann auch die Spaltung zwischen dem Orden u. den Bischöfen zum größten Schaden des Landes; noch mehr unter Heinrich von Dumpeshagen, der sich 1294 in die Wahl eines neuen Erzbischofs von Riga mischen wollte. Bruno (1296–08) führte glücklich Krieg mit Riga u. dem Erzbischof, Johann von Schwerin, nahm diesen selbst in seinem Schlosse Tryden gefangen, behielt mehrere Schlösser desselben u. entzog so, trotz aller Drohungen u. Befehle des Papstes Bonifacius VIII., den Orden der Oberleitung des Erzbischofs; Bruno blieb 1298 gegen die von den Rigaern zu Hülfe gerufenen Lithauer. Diese Niederlage rächte Gottfried von Rogge (1298–1307), der auch 1299 der Stadt Lübeck große Privilegien gab, um den Handel in L. zu heben. Unter Gerhard von Jocke (1307–27) versuchte der Erzbischof Albrecht die Deutschen Ritter bei dem Papste zu verleumden, indem er dessen Verstimmung gegen die Templer benutzte, den Deutschen Rittern zu schaden; auch an Gedemin, Großherzog von Lithauen, hatte Gerhard einen argen Feind; dieser verband sich unter Eberhard von Monheim (1327–1341) mit dem Erzbischof u. that L. großen Schaden, aber Eberhard belagerte Riga u. nöthigte die Bürger, die Sache des Capitels zu verlassen, auch baute er, zur leichteren Bezähmung der Rigaer, eine Citadelle vor die Stadt u. zog gegen die Russen, denen er wieder Pleskow abnahm. Unter Burkhard von Dreylewen (1341–47) erfolgte die große Revolution der Esthen gegen die Dänen; die Ritter waren den Dänen zu Hülfe gekommen u. unter Goswin von Ereck (1347–61) überließ König Waldemar III. von Dänemark dem Orden ganz Esthland. Arnold von Vietinghof (bis 1363 od. 1365) schloß mit Danzig einen Vergleich ab, daß Riga dem Erzbischof wiedergegeben werden sollte, u. Wilhelm von Freymersen (bis 1374) überließ dem Erzbischof die Jurisdiction in Riga u. behielt sich nur das Besatzungsrecht daselbst vor. Mit Lithauen machte er 1367 einen Vertrag (Pax latrunculorum, Räuberfrieden), daß es keinem Gesindel erlaubt sein sollte, in die beidertheiligen Gebiete Räubereinfälle zu machen, wogegen ordentliche Kriege zu führen unbenommen bleiben sollte. Ihm folgte Robin von Eltzen (Hiob von Ultzen, 1374–93), welcher, so wie seine Vorfahren seit Goswin, in dem päpstlichen Banne war, da sie Riga immer noch nicht ganz an den Erzbischof gegeben hatten; erst Wennemar von Bruggenne (1392–1400) wurde vom Banne befreit, nachdem er Riga, nach der Flucht des Erzbischofs Johann, vor den Russen in seinen Schutz genommen hatte. 1299 kam der Landmeister wieder in Streit mit den Bischöfen, weil er eine Steuer zum Schutz des Landes von ihnen verlangte. Ihm folgten Konrad von Vietinghof (1400–13), Dietrich Tork (1413–15), Sigfried Landern von Spanheim (1416–24), welcher den Titel Vicar des Capitels von Riga erhielt, Cyssus von Rutenberg (1424–34), Frank von Kersdorf (1434–35), welcher wegen der Streitigkeiten mit dem Erzbischofe auf das Concil nach Basel citirt wurde, Heinrich von Bückenvorde, genannt Schungel (bis 1437 od. 1438); Heinrich Vinke von Oberbergen (Fink von Auerberg, 1438–1451), für dessen Wahl die Ritter die Zustimmung des Großmeisters gar nicht einholten, kämpfte gegen die Russen u. machte ein Bündniß mit König Christoph von Schweden; Johann von Mengden, genannt Osthof (1451–69), verglich sich 1 452 mit dem Erzbischof in dem Vertrage von Kirchholm dahin, daß sie Riga gemeinschaftlich regieren wollten; der Papst Nicolaus V. bestätigte den Vertrag u. übertrug den Bischöfen von Pomesanien, Kurland u. Samland die Aufsicht über die Haltung des Vertrags. 1457 kam wieder ein Bündniß aller Staaten L-s zum Schutz gegen äußere Feinde zu Stande. 1459 gab der Großmeister seine Souveränetätsrechte über Esthland an den Landmeister ab; Johann von Wolthusen, genannt Fersen, 1470 gewählt, wurde schon 1471 wegen eines angeblichen Einverständnisses mit den Russen abgesetzt; Bernhard von Borch (1471–68) fing den Erzbischof Silvester u. entsetzte ihn des Amtes, weil er, ohne auf die Abmahnung der Hansestädte bei der Zusammenkunft zu Wolmar 1477 zu hören, [446] Schweden, Dänen, Lithauer u. Polen zum Einfall in L. aufforderte; deshalb that der Papst den Landmeister in den Bann u. befahl demselben, den Erzbischof frei zu lassen u. sein Amt wieder zu geben. Der Erzbischof war aber in der Gefangenschaft gestorben, u. Kaiser Friedrich III. sprach dem Orden die Güter des Erzbischofs zu u. belehnte ihn mit denselben, befahl auch der Stadt Riga Gehorsam gegen den Orden. Die Kämpfe gegen Riga u. die Unterthanen des Erzbischofs dauerten aber ununterbrochen fort, auch unter Johann Vrydach von Loringhof (1486–93), welcher 1487 von den Rigaern bei Treyden geschlagen wurde; erst dessen Nachfolger, Walthern von Plettenberg (1494–1535), gelang es 1494, die Streitigkeiten mit Riga zu beendigen; er schlug 1501 die Russen bei Maholm u. 13. Sept. 1502 bei Pleskow; im Septbr. 1503 wurde zwischen dem Orden u. dem Großfürsten Iwan III. von Moskau ein Waffenstillstand auf 50 Jahre in Pleskow geschlossen.

Walther erkaufte 1520 u. 1521 die Unabhängigkeit vom Deutschen Orden u. erhielt 1525 vom Kaiser Karl V. die Würdeeines deutschen Reichsfürsten; sein Deputirter rangirte auf Reichstagen unmittelbar nach den Erzbischöfen von Bremen, Besançon u. Riga, er selbst hatte den Rang nach dem Hochmeister des Deutschen Ordens. Er begünstigte auch die Lutherische Lehre. Nach seinem Tode 1535 folgte Hermann von Bruggenay, genannt Hasenkamp (1535–49), welcher 1537 in Wolmar den Vertrag von Kirchholm erneuerte; unter ihm gestattete Karl V. 1538, daß sich die Ordensmeister erst vier Jahre nach der Erhaltung ihrer Würde brauchten belehnen zu lassen. Hermann machte 1546 mit dem Erzbischof u. den Bischöfen einen Vertrag, keinen Ausländer zum Coadjutor zu nehmen, u. führte das Lutherthum immer mehr ein; dagegen hinderte er die Auswanderung deutscher Professionisten u. Baumeister nach Rußland, wohin sie Iwan IV. zog; sein Nachfolger Johann von Recke st. schon 1551, u. Heinrich von Galen (1552–1557) kam 1556 wieder in Streit mit dem Erzbischof, welcher gegen den Vertrag von 1546 einen Fremden, den Herzog Christoph von Mecklenburg, zum Coadjutor gewählt hatte; es kam zu den Waffen, der Erzbischof wurde gefangen; Heinrich erlebte das Ende dieses Streites nicht. Sein Nachfolger Wilhelm von Fürstenberg (1557–50) machte mit dem König von Polen, welcher sich des Erzbischofs u. seines Coadjutors angenommen hatte, den 5. Sept. 1557 in Poswal einen Vertrag, daß Wilhelm im Besitz des Erzbisthums bleiben, aber Christoph als seinen Coadjutor anerkennen sollte. Dagegen begannen nun 1558 die Kriege mit Rußland, u. Iwan IV. fiel mit großer Macht in L. ein; Wilhelm wählte Gotthard Kettler zu seinem Coadjutor u. überließ demselben 1559 die Meisterwürde. Aber die Russen gaben durch ihre verheerenden, bis 1560 dauernden Einfälle Gelegenheit zur Zersplitterung L-s, Esthland u. Reval begaben sich unter Schwedens Schutz, L. aber mit dem dazu gehörigen Kurland trat Gotthard an den König von Polen, als Großherzog von Lithauen, ab u. wurde zum Erblehnherzog von Kurland u. Semgallen ernannt (1561). Die Polen nahmen sofort Riga u. L. in Besitz, aber von dieser Zeit an wurde es mit Esthland der Zankapfel zwischen den nordischen Mächten, Polen, Schweden u. Rußland (1561–1669), bis es im Frieden zu Oliva (1660) von Polen an Schweden abgetreten wurde, bei welchem es 60 Jahre lang blieb, bis es endlich nach dem Nordischen Kriege, worin es von Neuem der Tummelplatz der Schweden u. Russen gewesen war, im Nystädter Frieden 1721. auf immer an Rußland überlassen u. dasselbe im Åboschen Frieden 1743 im Besitz bestätigt wurde. Die Leibeigenschaft wurde auf Befehl Alexanders I. aufgehoben (der Befehl kam 1822–24 zur Ausführung), u. unter der obersten Leitung des damaligen Generalgouverneurs, Prinzen Georg von Oldenburg, 1616 eine neue Constitution aufgesetzt. Vgl. De. Bray, Essai sur l'histoire de Livonie, Dorp. 1917, 3 Bde.; Kruse, Necrolivonica, ebd. 1842; Ders., Urgeschichte der Ostseeprovinz, Mosk. 1846.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 10. Altenburg 1860, S. 445-447.
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