1. Auch der Sklave ist ein Mensch.
Ein afrikanischer Negerstamm hat, um den Gedanken auszudrücken: Ein Sklave ist kein Stück Holz, das Sprichwort: Sklaven wachsen nicht auf den Bäumen. Auch eine Sklavin hat ihr Kind lieb. Daher das Sprichwort: Wenn der Sklave stirbt, weint seine Mutter, denn auch der Sklave war ein Kind seiner Mutter Hause. Eine Sklavin und eine Eselin, lieben ihre Jungen am meisten.
2. Besser ein gesunder Sklav', denn ein kranker Graf.
Holl.: Beter slaaf dan graaf. (Harrebomée, II, 270a.)
3. Besser ein Sklave der schafft, als ein Freier, der gafft.
4. Dem Sklaven wird der Zucker zu Essig. – Sprichwörtergarten, 176.
5. Ein schlafender Sklave träumt von Freiheit.
Wie ein freigewordener Sklave noch von seinem frühern unfreien Zustande. So heisst es in Abyssinien: Auch wenn der Sklave frei geworden, träumt er noch davon, dass er zum Nil gehe, Wasser tragen. Auch in der Seele des Sklaven ist ein gewisser Adel. »Ich würde meinen Sohn sogleich ersticken, sagte jener Sklave, wenn ich argwöhnen könnte, dass er einen Augenblick meinem Herrn gleichen könnte.« (Cibot, 165.)
Dän.: En sovende slave drømmer sig tidt en store herre. (Prov. dan., 512.)
6. Ein verständiger Sklave ist besser als ein dummer Fürst.
7. Einen Sklaven zu kaufen ist leichter als einen Sklaven zu erziehen.
Die Aegypter rathen daher in einem Sprichwort: Entweder nimm den ersten oder den letzten Sklaven. [586] (Burckhardt, 105.) Damit wollen sie sagen: Den Sklaven musst du entweder kaufen, wenn er noch ganz jung oder wenn er vollkommen erwachsen ist; im ersten Falle kannst du ihn nach Belieben ziehen, im andern sind bereits alle seine guten und bösen Eigenschaften entwickelt und leicht bemerkbar. Die Morgenländer wissen, wie schwer es ist, einen Sklaven zu erziehen und seiner Halsstarrigkeit Herr zu werden; sie halten daher den Kauf eines Sklaven für leichter als seine Erziehung.
8. Es ist des Sklaven Sache, zu bleiben oder zu entlaufen.
Die Aegypter haben das Sprichwort: »Sklave«, sagte er, »ich habe dich gekauft.« »Das ist deine Sache«, erwiderte er. »Willst du entlaufen?« »Das ist meine Sache«, war die Antwort. (Burckhardt, 518.)
9. Es will niemand ein sclaf seiner wort sein. – Lehmann, 928, 21; Simrock, 11847.
Lat.: Verba debet ciuiliter intelligi. – Verba non necessitat. (Lehmann, 928, 21; Eiselein, 650.)
10. Jeder Sklave schmiedet seine Kette selbst.
11. Man soll niemand zum Sklaven seiner Worte machen.
Lat.: Verba non necessitant, civiliter debent intelligi. (Binder II, 1501.)
12. Man soll sich nicht selber zum Sklaven machen.
Holl.: Maak u zelven tot geen' slaaf. (Harrebomée, II, 270a.)
13. Sklave ist Sklave.
D.h. er besitzt in der Regel alle die unedeln Eigenschaften, die auf dem Boden der Unfreiheit erwachsen; denn nur unter edler Freiheit gedeiht die Tugend und entwickelt sich die Eigenschaft eines edeln Charakters. Um die Wirkungen der Armuth und des Reichthums bei Leuten von niedriger Denkungsart auszudrücken, sagt man in Aegypten sprichwörtlich: Jeder Sklave stiehlt, wenn er hungrig ist, und macht schlechte Streiche, ist er satt. (Burckhardt, 569.) Er übt Selbstüberwindung, wo nichts zu nehmen ist. In Habesch heisst es: Wenn der Sklave das leere Honiggefäss von der Tafel seines Herrn trägt, sagt er: Heute habe ich keinen Appetit auf Süsses. Ein Sklave ist ehrgeizig; er lässt sich gern als Herrn behandeln, wenn er es haben kann. In Aegypten sagt man: Ein Sklave nimmt es nicht übel, wenn ein Blinder ihn Herrn des Wüstendorfs nennt. Der Rath des Sklaven hat oft unlautere Quellen, daher ein abyssinisches Sprichwort: Der Sklave, der seinem Herrn abräth, Hochzeit zu machen, verräth sich als ein Verschnittener. Er ist psychologisch schlau, um seinen Zweck zu erreichen. Ein ägyptisches Sprichwort sagt: Der Sklave wünschte die Brüste seiner Herrin zu sehen und sprach: Du hast einen schwarzen Busen. Was er am Tage nicht thun soll, das thut er abends. In Surinam heisst es: Der Sklave kocht abends Kuschut.
14. Sklaven um sich zu haben ist ein Fluch der Könige.
Lat.: Interdum et vulgus rectum videt est ubi peccet. (Horaz.)
15. So viel Sklaven, so viel Feinde. – Mommsen, Gesch., I, 812.
16. Wenn ein Sklave zum Herrn wird, entsteht ein strenges Regiment. (S. ⇒ Armer 137 und Bettler ⇒ 134-136 u. ⇒ 140-141.)
In ähnlichem Sinne sagen die Tartaren in der Krim: Wenn der Sklave Sultan wird, geht das Serail zu Grunde. (Altmann III.) Die Aegypter: Wenn der Sklave aufs Kameel kommt, möchte er auf beiden Buckeln desselben reiten. Und: Wenn ein Sklave frei wird, nennt er sich selbst einen Edelmann.
17. Wenn man einem Sklaven die Finger reicht, nimmt er die ganze Hand.
Man hat die Erfahrung gemacht, dass Personen in abhängiger, untergeordneter Stellung, die ihnen über das beschränkte Mass von Freiheit hinausgehende milde Behandlung nicht zu würdigen wissen, sondern sie in irgendeiner Art misbrauchen. Hier bekommt dadurch die Eitelkeit Nahrung; daher heisst es bei den Negern in Surinam: Wenn der Sklave einen guten Herrn hat, trägt er einen langen Schurz. Dort gehen sie in ihren Ansprüchen weiter, was das Sprichwort in Habesch bestätigt: Wenn du deinem Sklaven den Makischweif gibst, so wird er auch das Fell des Leoparden verlangen. Ungehörige Vertraulichkeiten werden daher widerrathen. Ein abyssinisches Sprichwort sagt: Wenn du deines Sklaven Weib verführst, so hast du einen Herrn und eine Herrin über dich gesetzt. Selbst der unschuldige Scherz erschüttert die Achtung (Autorität); die Araber behaupten: Wenn du mit dem Sklaven scherzest, so wird er dir bald den Hintern zeigen. Die Odschineger in Westafrika haben sogar die Erfahrung gemacht, dass der Herr seiner Autorität schadet, wenn er mit seinen Sklaven arbeitet; sie sagen: Wenn du mit einem Sklaven deines Vaters einen Palmbaum fällst, nennt er dich Kamerad.
18. Wer ein Sklave werden will, ist auch im Vaterlande nicht frei. – Sprichwörtergarten, 175.
[587] 19. Wer selbst Sklave gewesen, weiss, wie die Kette drückt.
20. Wer Sklave ist, muss sich als Sklave führen.
Wenn du ein Sklave bist, so lass dein Haar nicht wachsen, d.h. beobachte in allem die deinem Stande entsprechende Sitte. Die Sklaven dürfen kein langes Haar tragen.
21. Wo keine Sklaven sind, kann kein Tyrann entstehen.
Faulheit und Dummheit und die aus beiden gemischte Furcht sind die Quellen des meisten Unfugs, den Bosheit und Uebermuth anrichten.
*22. Einem Sklaven den Hut aufsetzen.
Ihn für frei erklären.
*23. Er ist ein Sklave seiner Worte.
Holl.: Hij is een slaaf van zijn woord. (Harrebomée, II, 270a.)
*24. Ich bin hier ein Sklave.
In einem widerwärtig abhängigen Verhältniss.
Jüd.-deutsch: Ich bin an Ewed-Knaani bei ihm, d.i. ein kanaanitischer Sklave, von denen die Bibel erzählt, wie sie bei den Hebräern Sklavendienste thun mussten.
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