1. Das ist ein elender Edelmann, der vor Hunger nicht schlafen kann.
Die Franzosen haben manch Sprichwort zur Verspottung armer Edelleute, woran es namentlich in Beausse (Beauce) nicht mangelt. – Es ist ein Edelmann von Beauce, der seine Hunde verkauft, um Brot zu kaufen; oder: der im Bett bleibt, wenn man seine Hosen flickt. (Reinsberg V, 127.) Den Polen fehlt es aber auch nicht daran, denn man sagt: Acht Edelleute aus dem oszmianischen Gebiet führen eine Ziege auf Markt. (Reinsberg VI, 57.)
2. Dem Edelmann das Schwert, dem Bauer der Herd.
Holl.: Een edelman wast voor den krijg op, als een os voor de bijl. (Harrebomée, I, 169.)
3. Der Edelmann am Hofe dient, indess ihm daheim der Knüppel grünt. – Wurzbach I, 32.
Zur Schilderung des polnischen Höflings.
4. Der Edelmann hat immer recht, wenn klage ein Knecht. (Russ.) – Altmann.
[721] 5. Der Edelmann in seinem Bereich ist dem Wojwoden gleich. – Wurzbach I, 107.
Von dem grossen Einfluss, den selbst der ärmste polnische Edelmann auf die öffentlichen Angelegenheiten seines Landes hatte. Das Wahlrecht machte, dass der höchste Adel den kleinen Edelmann, selbst wenn er mit eigener Hand den Pflug führte, mit »Bruder« anredete. Die Stimme eines einzigen Edelmanns konnte die Landtagsverhandlungen unterbrechen. (Wurzbach I, 30.) Auch auf das Alter seines Stammbaums legte der polnische Adel, besonders gegenüber dem deutschen, ein grosses Gewicht. Ein polnischer Edelmann, sagt er im Sprichwort, ist älter als ein deutscher Baron. (Reinsberg VI, 57.)
6. Der Edelmann verlangt nur den Honig, die Edelfrau will auch das Wachs dazu. (Moskau.) – Altmann V.
7. Du bist ein Edelmann, sagte der Teufel zu dem wegen seiner Zauberkünste bekannten Twardowski, als es sich um Vollziehung des Vertrags handelte, den der letztere mit ihm in Bezug auf die Seele abgeschlossen hatte: Verbum nobile debet esse stabile.
Vgl. die ausführlichen Mittheilungen darüber in Wurzbach I, 71.
8. Edelmann und Hund ist der beste Bund.
Der litauische Edelmann und Hund (oder Teufel), das ist einerlei.
9. Ein armer edelman ist nichts geacht. – Henisch, 788.
Frz.: Gentilhomme de Beauce, qui reste au lit pendant qu'on raccommode ses chausses. (Bohn I, 19.)
Lat.: Pauper nihili fit nobilis vir. (Henisch, 788.)
10. Ein edelman ist, wer fromb vnd auffrichtig ist.
Lat.: Nobilis est quicumque bonus est. (Henisch, 789.)
11. Ein Edelman sol für dem sechtzigsten Jahr seines alters nicht wissen, das er ein Seel hab, sonst kan er nicht reich werden. – Petri, III, 5.
12. Ein Edelmann darf vor des andern Gericht nicht stehen. – Graf, 436, 289.
Jeder braucht nur vom zuständigen Richter Recht zu nehmen; und kein Edelmann hatte nöthig, sich vor dem Gericht eines andern zu verantworten, wenn er nicht wollte.
13. Ein Edelmann findet eher eine Frau als ein Bauer.
Das Gedeihen einer Bauernwirthschaft hängt wesentlich von einer tüchtigen Hausfrau ab, die gerade für den Bauer sehr schwer zu finden ist.
Holl.: Men kan beter van eene boerin eene jufvrouw maken, dan van eene jufvrouw eene boerin. (Harrebomée, I, 73.)
14. Ein Edelmann gibt keinen Zoll. – Graf, 510, 178.
Die Edelleute waren von der Pflicht, Zoll und Steuer zu zahlen, wiewol sie eine allgemeine hiess, frei, »weil die Ritterschaft mit Schild und Schwert den Zoll verdiene«.
15. Ein Edelmann ist der Bauern Martyrer und Schindfessel. – Luther.
16. Ein Edelmann ist des Teufels Kumpan.
17. Ein Edelmann mag vormittags zu Pfluge gehen, nachmittags zum Turnier reiten. – Pistor., III, 60.
»In alten Zeiten vertrugen sich mit dem Adel körperliche Verrichtungen sehr wohl. Arbeit war für ihn keine Schande. Erst später entstand das Vorurtheil, dass gewisse Geschäfte, selbst Handel und Kunstbetrieb, des Adels unwürdig sei.« (Jochmann's Reliquien, III, 76.)
18. Ein Edelmann ohne Geld gilt wenig in der Welt.
Dän.: Høibaaren i fattig herre, er lliden i ære. (Prov. dan., 12.)
19. Ein Edelmann ohne Malz ist Klump ohne Schmalz. – Körte, 971.
Engl.: Gentility without ability is worse than plain beggary. (Bohn II, 97.)
20. Ein Edelmann ohne Manier ist ein grobes Thier.
Engl.: A gentleman without living is like a pudding without suet. (Bohn II, 97.)
21. Ein Edelmann ohne Schulden ist wie ein Bettler voller Gulden.
Holl.: Een edelman zonder schulden is als een ezel zonder ooren. (Harrebomée, I, 169.)
22. Ein Edelmann und ein Teufel ist ein schönes Paar sonder Zweifel.
23. Ein höltzern edelman gilt mehr dann zehen stählene Knecht. – Henisch, 788; Petri, II, 198; Graf, 32, 51.
[722] 24. Ein pommerscher Edelmann kann mitten im Sommer mit dem Schlitten auf dem Eise fahren. – Berckenmeyer, 325.
Pommersches altes Scherzwort, von einem Gehölz, das der Sommer genannt wird, in welchem ein See, auf dem sich in frühern Zeiten, wie Berckenmeyer erzählt, die pommerschen Edelleute den zweiten Weihnachtsfeiertag auf Schlitten zu vergnügen pflegten.
25. Einem Edelmann ohne Tugend fehlt der beste Adel.
It.: Un nobile senza virtù è nemico della virtu. (Pazzaglia, 382, 18.)
26. Einem Edelmann stehet's sehr wohl an, wenn er etwas vor andern kann. – Lehmann, 136, 13.
27. Eines Edelmanns Wort ist eine feste Schuld.
28. Hastu einen edelman zum Meyer, so bekomest du weder Zinss (Pachtgeld), Hüner, noch ayr. – Petri, II, 372; Henisch, 790; Pistor., III, 62; Neander, 1585; Estor, I, 520; Simrock, 1772; Körte, 974.
Er braucht selbst zu viel und thut selbst zu wenig.
29. Heut' ein Edelmann, morgen ein Bettelmann.
30. Jädelmann bi Jädelmann, Biädelmann bi Biädelmann. – Woeste, 67, 61.
31. Lass dem Edelmann sein Wildpret, den Bauern ihre Kirchweih und den Hunden ihre Hochzeit, so bleibst du ungeschoren. (S. ⇒ Edelleute.)
32. Was ein guter Edelmann werden will, bei dem hängt das Wappen schon an der Nabelschnur.
Holl.: Het is de beste edelman, die zich zelven edel maakt. (Harrebomée, I, 169.)
33. Wenn man manchem Edelmann die Bauernader aufschnitte, müsste er sich zu Tode bluten. – Simrock, 1766; Körte, 972; Eiselein, 130.
Holl.: Het is een edelman, als hij omziet volgt hem de mestwagen na. (Harrebomée, I, 169.)
34. Wer kein Edelmann ist, gilt für einen Bauer. – Pistor., II, 66; Simrock, 822; Hillebrand, 26; Eisenhart, 49; Eiselein, 60; Graf, 34, 102.
Vor Entstehung des Bürgerstandes ward durch dies Sprichwort angezeigt, dass man den, welcher seinen Adel nicht beweisen könne, unter die Bauern, d.h. die ackerbautreibenden, nicht adeligen Bewohner des Landes zu rechnen habe, also unter die Leibeigenen, im Gegensatze von den Freien, welche den hohen und niedern Adel ausmachten.
Frz.: Toutes personnes sont nobles ou roturiers. (Loysel, 25.)
35. Wo war der erst Edelmann, als Adam hackt vnd Eua span. (S. ⇒ Adam 17.) – Franck, I, 3b; Graf, 137.
Holl.: Wie was die edelman, doe Adam groef ende Eva span? (Tunn., 25, 6.)
Lat.: Adam fodente quis nobilior Eva mente? (Fallersleben, 778.)
*36. Den Edelmann auf den Bettelmann setzen.
Holl.: Het is de edelman of de bedelman. (Harrebomée, I, 169.)
*37. Den Edelmann spielen.
Holl.: Hij speelt voor edelman. (Harrebomée, I, 140.)
*38. Er ist der erst edelman von seim geschlecht. – Franck, II, 62a; Tappius, 69b; Henisch, 789; Eiselein, 130.
Holl.: Hij is de eerste edelman van zijn geslacht. (Harrebomée, I, 170.)
*39. Er ist ein edelman, allein das jhm das ohr ein wenig henget. – Lehmann, II, 141, 139; Körte, 974.
*40. Es ist ein Edelmann vom Vorgebirge der guten Hoffnung.
Von armen Edelleuten, die ihre Besitzthümer im Lande der Hoffnung haben.
*41. Es ist ein Edelmann von der Glocke.
Ein durch sein Amt Geadelter.
Frz.: Gentilhomme de la cloche.
*42. Er ist ein Edelmann, wie ein paar Katzen ein Rittergespann.
Holl.: Het is een edelman, als zijne broek een peperzak. (Harrebomée, I, 169.) – Het is een edelman, gelijk zijn hoed een hanenkam. (Harrebomée, I, 170.) – Het is zulk een edelman, als er over voeten gaan kan. (Harrebomée, II, 396.)
*43. Es ist ein oszmianischer Edelmann. (Poln.)
Der Landadel aus dem litauischen Gebiet. Oszmian war sehr arm. In zerrissener Kleidung, den Säbel an der Seite, einen Fuss in einem Bastschuh und den andern im Stiefel bot er in den frühern Tagen einen sehr kläglichen Anblick. Dennoch machte er überall seine Adelsrechte geltend. Noch jetzt wendet man die obige [723] Redensart in Litauen auf einen Menschen an, der selbst in ärmlicher Kleidung von seiner Grossthuerei nicht ablassen kann. (Wurzbach I, 30.)
44. Ein armer Edelmann, ein vornehmer Bettler.
45. Ein Edelmann bedarff nicht mehr als Ehr', Lehr' und gute Wehr. – Gerlach, 12.
46. Ein Edelmann wiegt zehn Bauern auf, diese seien so gut, jener so gross als denkbar.
So hoch stand nach mittelalterlicher Ansicht der Adel über dem Bauernstande.
47. Einem Edelmann stehen schöne Ross und glänzende Waffen wohl. – Wirth, II, 80.
48. Einem Edelmann und einem Hund ist nie zu trauen. (Stallupönen.) – Frischbier, I, 681.
49. Schlag den Sohn des Edelmanns gut, oder rühr' ihn nicht an. (Kephalonia.)
*50. Edelmann, Bettelmann, Bauer gefunden, gestohlen, gekauft.
Spruch der Kinder beim Abzählen von Dingen.
*51. Er ist ein Edelmann, die Bauern heissen ihn Vetter.
*52. Es ist ein Edelmann über seine Wiege gesprungen und hat seinen Hut über ihn geschwungen. – Monatsblätter, VI, 187, 9.
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